Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#1
Oh je. Ich bin grad echt am Ende. Und es ist so bescheuert!
Heute habe ich meine Doktorarbeit abgegeben. Supertoll eigentlich! Ich habe so hart gearbeitet. Bis in die Nacht geschrieben, über Wochen. 2 Wochen vor dem gesetzten Termin fertig geworden. Und dann: ein kleiner Fehler. Weil ich Geld sparen wollte, habe ich etwas in schwarz-weiss gedruckt, was eigentlich in Farbe hätte sein sollen...Und jetzt ist es eben nicht perfekt. Mein Chef meinte, das ist kein großes Problem - aber ich fühle mich wie ein Volltrottel, weil ich nicht darauf geachtet habe. Geld zum neu drucken ist leider nicht da...
Statt mich über meinen Erfolg zu freuen hänge ich mich an diesem kleinen Fehler auf, und kann einfach nicht damit aufhören!!! :evil:
Seit Stunden quält mich das Bedürfnis zu essen und zu brechen. Ich habe zwar bis jetzt Widerstand geleistet, aber stattdessen getrunken...jetzt bin ich voll und heule. So erbärmlich. Wie soll ich mich selber ernst nehmen, wenn ich wegen so einer winzigen Sache so einen Aufstand mache??? :shock:
Sorry wenn ich grad echt selbstmitleidig rüberkomme, aber ich hab' mich momentan nicht im Griff...
Kennt ihr das, eigentlich ist alles gut - und das Gefühl der absoluten Wertlosigkeit kommt trotzdem?
LG Bela
Aufstehen - Staub abklopfen - weitermachen.

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#2
bela, du hast grad deine doktorarbeit abgegeben! :-X)
... deine DOKTORARBEIT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! :shock:

ob die letztendlich top oder flop war (ich habe keine zweifel, dass die genial war und du suuuuuuuuuperhart gearbeitet hast) ist jetzt total egal, denn du kannst es nicht mehr aendern und das ist auch ok so... JETZT musst du alles machen worauf du die letzten wochen verzichtet hast. goenn dir doch mal was. das muss eigentlich gefeiert werden...

versuch das ganze mal von aussen zu betrachten. ein schritt zurueck bitte. du hast den ueberblick total verloren... bist auf's detail vernarrt, perfektionismus. du erkennst gar nicht was du geleistet hast. perfektionismus wird uns alle letztendlich nicht ans ziel bringen. es hilft zu einem bestimmten grad und haelt uns dann aber davon ab dinge zu erreichen. nichts muss wirklich je perfekt sein!!! die schoenheit liegt in der unvollkommenheit.
im uebrigen haben selbstbewusste leute gar nicht noetig perfekt zu sein. sie wissen, dass sie gut genug sind.

wie gehts jetzt weiter? was hast du fuer die zukunft geplant, frau doktor? :wink:

ich bin stolz auf dich! GUT GEMACHT! :D
Enemies
They stick to my head
They run with my feet
I'm doomed to be bad

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#3
Respekt und Chapeau !

... ist ja "nur" eine Doktorarbeit ... :roll: :roll:

Hei, Bela - eigentlich wäre es Champagner und Feuerwerk, oder ?

Dieses quälende Gefühl - ist es nicht mehr das Loch, was nun entsteht ? Ein plötzliches Gefühl der Leere ? Gepaart mit einer Unfähigkeit, sich eine Leistung einzugestehen ?
Dieses "was nun ?". Deine Doktorarbeit hat möglicherweise ein Loch gefüllt, was nun wieder aufbricht. Und erlernte Verhaltensweisen versuchen nun dieses Loch zu stopfen.

Nimm es nicht als Rückfall in alte Gewohnheiten, sondern als Startschuß in eine neue Zukunft. Es geht auch nicht wirklich um schwarz-weiß Druck, es geht um völlig andere Dinge.

Mach Dich nicht verrückt mit Banalitäten, sondern nimm diesen Augenblick als einen Moment, eine Zukunft völlig neu aufzubauen.

Meinen Glückwunsch für geleistete Arbeit und alles Gute für Dich !

lG
Caruso
Die Weisheit lief mir nach, doch ich war schneller .....

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#4
Hey Bela,

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!!! das ist eine unglaubliche Leistung!!! Atme mal tief durch und betrachte alles noch mal von neuem. Das ist super! :-X)

Ich kann dich gut verstehen, dass du dich da an dieser Kleinigkeit aufhängst. Das kenne ich gut, aber das versaut einem doch so vieles. Du solltest dich freuen und stolz auf dich sein, dass du das geleistet hast.

Und ich stimme da Colour zu, wahrscheinlich hältst du dich an diesem Mini-"Fehler" nur auf, um nicht auf das Loch zu blicken, das wir alle kennen.

Ich hatte letztens eine ähnliche Situation. Hatte meine Schwerpunktseminarhausarbeit abgegeben und da hatte ich einen kleines Wort vergessen rauszunehmen, was mich unsicher rüberkommen lies mit meinen Formulierungen und Argumenten. Ich habe mich die ganze zeit und noch heute manchmal darüber aufgeregt, dass ich das vergessen hab und dadurch alles scheiße ist, aber dann habe ich mir gesagt: "Stop! Weg mit diesem ehrgeiz, diesem Perfektionismus. Ich habe da was tolles geleistet und die Note ist zufriedenstellend. Da hätte das Wort nichts dran geändert." Und so langsam komme ich damit klar. Es ist schwierig diesen Perfektionismus abzulegen, aber wichtig. Und die Lösung ist nicht wieder Rückfälle zu kriegen.

Gönn dir was tolles, etwas, was dir gut tut! Freu dich!
Life is how you make it!

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#5
Guten Morgen,

danke, danke, danke erst einmal für eure lieben aufbauenden Worte, die brauchte ich wirklich. Mann, war ich durch gestern Abend! :roll:
Heute ist es (wie ja meistens am Morgen nach schwarzen Abenden) schon etwas besser. Bis auf das Kopfweh, aber da weiß ich ja wo's herkommt :wink:
Ihr habt natürlich recht: es ist toll, dass ich diese Arbeit hinter mich gebracht habe. Über Ostern konnte ich das Gefühl auch wirklich genießen; ich hatte am Donnerstag die Formatierung erledigt, alles war fertig - und ich fühlte mich großartig! Ich habe mit Freunden und Familie gefeiert, habe sogar drei abendliche Essenseinladungen in Folge ohne Rückfall überlebt (wußte gar nicht das sowas ohne Brechen geht), mit Genuß lang geschlafen, mich tagsüber zum Lesen ins Bett gelegt. Einfach nur schön.
Gestern war ich auch noch echt happy, bis zu der Druck-Geschichte. Das war irgendwie so, als hätte mir jemand ins Ohr gezischt: "Da siehst Du's wieder. Frau Oberschlau meint ihren Doktor machen zu können, und ist zu dämlich zum vernünftig ausdrucken. Sehr intelligent. Mann, bist Du lächerlich." Dann hat mein Chef auch noch gewitzelt: "Soso, wenn ich jetzt direkt schon Fehler aufdecke, was finde ich denn da noch???" Er hatte mich gefragt ob ich in den Grafikbeschriftungen Angaben über die Farben gemacht hatte, die ja nun schwarz-weiß sind, und bei dreien war das der Fall. Auch wenn alles trotz fehlender Farbe selbsterklärend ist - sieht halt ein bisschen blöd aus. Und von allein wäre ich gar nicht drauf gekommen, dass das problematisch sein könnte - nein, mein Chef hat mich mit der Nase reingedrückt...! Hm, ich merke das ich das Ganze schon wieder mehr aufblase als nötig. Schluß damit!!!
Mein Freund ist so lieb und bezahlt mir den Neudruck von 3 Exemplaren, wir fahren heut zum Copyshop. Glücklicherweise ist mein Chef selbst die Abgabestelle für Doktorarbeiten meines Fachbereichs, also kann ich alles noch austauschen...Oder ist das übertrieben, und wir sollten uns das Geld lieber sparen...? Hm. Ich glaube, das mit dem Focus zurückziehen klappt noch nicht so ganz.

@Caruso:
Ich denke, Du hast völlig recht, dass die Arbeit ein Loch gefüllt hat. Ich hatte zuerst Angst, dass der Stress des Schreibens die B* verschlimmern würde - aber das Gegenteil war der Fall! Ich fühlte mich sicher, erfüllt, ich hatte eine Aufgabe, deren Wert 'offiziell' anerkannt wird. Mir ging es lange nicht so gut wie in den letzten 2,5 Monaten, trotz des hohen Drucks und der vielen Arbeit.

@mary jane
Jaja, der Pefektionismus...den kennen wohl die meisten hier. Ich wollte UNBEDINGT das es perfekt ist...
Du hast recht, er ist fehl am Pltz und vermiest die Freude - also weg damit.
Was die Zukunft angeht: erst einmal ziehen mein Freund und ich jetzt um, dann muss ich noch für die mündliche Prüfung lernen, was auch noch ein Brocken ist, den es zu bewältigen gilt. Aber danach kann ich noch 1 - 2 Jahre im gleichen Job an meinem Projekt arbeiten, mein Chef hat mir einen Folgevertrag angeboten - also kann ich ja gar nicht so dämlich sein, wie ich mich fühle...Und ich freue mich sehr darüber, weil ich mich in meiner Arbeitsgruppe sehr wohl fühle. Und das beste ist: nach 10 Jahren finanziellen Hängens und Würgens und unzähligen Kellnerschichten am Wochenende, endlich ein Job mit vollem Gehalt, juchu!!!

@petitpuce
Klingt sehr gut, den Perfektionismus abzulegen, hat das denn bei Dir tatsächlich funktioniert? Dann hast Du einen wirklich großen Schritt gemacht, weiter so! ich werde versuchen Dir darin zu folgen :)

Ganz Liebe Grüße und vielen Dank nochmal an euch :-X)
Bela
Aufstehen - Staub abklopfen - weitermachen.

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#6
Oooohhh wie gut is das denn???

Herzlichen Glückwunsch!!!

Ich stecke noch mittendrin! Naja, 3/4 ist geschafft denke ich :-) Ende des Jahres will ich promoviert sein :-)

Darf ich fragen, was Du gemacht hast? Gerne auch als pn...

Drück Dich mal (und beneid dich ein bisschen - echt toll!!!)
„Aller Anfang ist schwer. Höchstens das Aufhören ist manchmal noch schwerer.“
Victor Moritz Goldschmidt (1888-1947)

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#8
Aaaaargh!

Heute morgen hab' ich mit unserer Sekretärin gesprochen, und was sagt sie mir? Die Bezeichnung der Fakultät hat sich Ende letzten Jahres geändert - und ich hab's nicht mitbekommen. Also hab ich direkt auf dem Titelblatt eine falsche Fakultätsbezeichnung....das heißt: neu drucken :evil:
Nun ja, dann brauche ich mir zumindest keine Gedanken um das schwarz-weiß-Gedöns zu machen...Ich versuche mal, es positiv zu sehen. Den Tag über habe ich mich immer noch ziemlich grauselig gefühlt; jetzt bin ich allein zu Haus und versuche, NICHT ans essen zu denken. Ich merke momentan so deutlich, wie ich auf schlechte Gefühle mit FA-Gedanken reagiere. Ich sehe wirklich bildlich vor mir, was ich kaufe und wie ich es esse. Aber bis jetzt bin ich stark geblieben und versuche, die negativen Gefühle einfach auszuhalten. Ich hoffe es auch heute Abend wieder zu schaffen.
Es tut mir mir so gut von euch so viel positives zu lesen, ich bin froh das ich gestern abend hier gepostet habe, statt mich dem Essrausch zu ergeben.
Ihr seid so lieb - vielen Dank und einen dicken Knuddler an euch alle :P
Bela
Aufstehen - Staub abklopfen - weitermachen.

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#9
Bleib weiter stark!

Und nein, ich habe das noch nicht geschafft, den Perfektionismus abzulegen. Ich versuche es, aber bis jetzt hat es noch nicht geklappt. Er steht mir viel zu oft im Weg.

Aber man darf nicht aufgeben!

Und du hängst dich immer noch an diesen Kleinigkeiten auf. Sieh doch mal das ganze. das ist eine tolle Leistung. Warum grad die 2 klitzekleinen "schlechten" Dinge sich riesig machen????

Nein!

drück dich
Life is how you make it!

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#10
Hey Petitpuce,

ja, Du hast Recht, und ich hab' mich auch schon wieder eingekriegt, Gott sei Dank...Habe heute die neu gedruckte Arbeit samt aller Unterlagen abgegeben, alles ist abgesegnet worden und jetzt warte ich auf meinen Termin zur mündlichen. Leider wird das noch ca. 2-3 Monate dauern... :( Egal, ich bin froh, dass dieser Teil jetzt abgeschlossen ist, und ich hab's gut hingekriegt, jawohl!
Heute haben mein Freund und ich angefangen unsere schöne, neue Wohnung zu renovieren. In 2 Wochen steht der Umzug an, also jetzt auch nicht viel zeit zum Durchatmen...aber wir hatten Spaß beim Streichen, lieben unser neues Heim jetzt schon - und ich hab eine ganze Portion vom Chinesen verputzt, ohne sie anschließend im Klo zu versenken. Das gab's seit Ewigkeiten nicht! Und ich hab' mich nicht mal schlecht gefühlt, weil ich heute Mittag einfach die Hälfte habe stehen lassen (kann ich sonst nie) und sie zum Abendessen genossen habe...Vielleicht bekomme ich diese blöde Krankheit ja doch endlich in den Griff; das ist mein größtes Ziel, auch wenn ich gerade nach dem Dr.-Titel strebe.
Heute ist einfach ein guter Tag :P .
Ich hoffe ihr hattet einen genauso schönen...

LG Bela
Aufstehen - Staub abklopfen - weitermachen.

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#11
Auch von mir ein RIESEN RESPEKT BUTTON..Kannst echt stolz sein aber das haben hier schon alle geschrieben..

Aber ich kann dir zu deinem Beitrag nur eins schreiben ...erst wenn du selber erkennst das niemand niemals Perfekt sein kann egal was er macht was er hat und was er kann wirst du aufhören danach zu streben ...Vorher wirst du immer und immer wieder versuchen etwas perfektes zu sein oder etwas perfektes zu tun...Und du wirst immer und immer wieder scheitern...Bis zu dem Tag an dem du es verstanden hast das es Perfektion nicht gibt und nie geben wird..dann wird es dir besser gehen!!

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#12
Liebe Jeany,

wie das immer so ist: der Kopf weiß es schon lange, aber der Rest will's noch nicht recht einsehen... :?
Am besten perfekt aussehen, immer freundlich sein, es allen recht machen (am besten schon bevor irgendwelche Wünsche geäußert werden), den Job gut machen, beliebt, witzig und geistvoll sein, gebildet, belesen, musikalisch, kommunikativ (aber bloß kein Plappermaul), diszipliniert, kontrolliert und verständnisvoll in jeder Lebenslage...So viele Dinge an denen man jeden Tag unzählige Male scheitern kann und es auch tut...der total übertriebene Anspruch an mich selbst treibt mich an und zieht mich runter. Das ist auch schon lange ein großes Thema in der Therapie, und ich tue mich sehr schwer damit, das abzulegen.
Ich finde es toll das Du das inzwischen verinnerlichen konntest, auch wenn ich weiß, dass Dein Weg zu dieser Einstellung sehr, sehr schmerzhaft war und ist. Aber Du hast Dich verändern können und bist zufrieden mit Dir, das finde ich wunderschön.
Also von mir an dieser Stelle ebenfalls ein RESPEKT BUTTON :)
Ich werde weiter daran arbeiten, ebenfalls dort anzukommen...

Liebe Grüße,
Bela
Aufstehen - Staub abklopfen - weitermachen.

Re: Warum ist es so schwer sich Anerkennung zu gönnen?

#14
Hey petitpuce,

lieben Dank, es ist schön zu wissen, dass man mit dem Problem nicht allein dasteht; eure Antworten hier haben mich sehr aufgebaut! :D
Gerade schieb ich aber schon die nächste Krise: unsere Sekretärin hat auf mein Facebook-Profil gepostet: "ich sag' nur: Seite1. Überschrift..." :shock: Und was ist? Ich habe tatsächlich einen bescheuerten Rechtschreibfehler mitten in der Überschrift. Eins dieser Wörter, die man immer wieder schon in der Arbeit korrigiert hat, weil man eigentlich weiß, das man es immer falsch macht...Ich mußte gerade tatsächlich eine halbe Stunde grübeln, was sie meinte, bis ich's geschnallt hab...Ich finde, 'Supressor' mit einem 'p' sollte ab sofort in den Duden aufgenommen werden, jawohl! Auf englisch hat's schließlich auch nur ein p!
Verdammt, verdammt, verdammt, und das schon im allerersten Satz des Deckblattes. Ich werd' jetzt mal tief durchatmen und daran denken, dass ich nicht perfekt sein muss...
LG Bela
Aufstehen - Staub abklopfen - weitermachen.