Aha! Bulimie-Erleuchtung

#1
Gestern abend hatte ich einen FA, der allerdings ohne Kotzen und dafür mit einer kleinen Erhellung endete.
Ich will mal versuchen euch meine Gedanken näherzubringen. :-) Ist zwar bissl lang zu lesen, aber vielleicht lohnt es sich ja.

Es ist doch so, dass alle Bulimiker ein sehr ambivalentes Verhältnis zum Essen haben:
Einerseits hassen wir es von ganzem Herzen, *verachten* es, weil es dick macht und uns verführt, weil es ganz und gar schlecht ist!
Auf der anderen Seite aber *vergöttern* wir das Essen, wir lieben es über alle Maßen, denn es gibt uns in unserem Leben die einzige Möglichkeit, uns mal von allem abzuschotten, Ruhe und Zuflucht zu finden. Es ist immer da, wenn wir es brauchen und es liebt uns.

So. Ich bin zwar kein Psychologe, aber ich stelle es mir so vor, dass wir eigentlich ständig damit beschäftigt sind, Dinge unterbewusst zu bewerten. Das gibt uns ein Gefühl von Sicherheit. So nach dem Motto, von "oben" kommt ständig die Info: "Alles paletti. Ich finde mich gut in meiner Umwelt zurecht, hab alles im Griff."
Daher könnte ich mir gut vorstellen, dass dieser krasse Widerspruch über Essen, der ständig in unserem Unterbewußtsein herumspukt, eine extreme Stress-Situation in uns erzeugt. Sozusagen Dauerstress. Was meint ihr?
Dass irgendetwas in uns merkt: "Scheiße, das Wertesystem stimmt ja überhaupt nicht. Ist Essen nun gut oder schlecht oder beides? Verdammt! Wie soll ich es nur einordnen? Hilfe, was mach ich bloß?"

Kurz kann man sagen: Essen überfordert uns Bulimiker! Auch wenn es uns nicht immer so bewusst sein mag. Wir wissen es nicht einzuordnen und nicht damit umzugehen. Wir sind verunsichert. Es entsteht eine Konfliktsituation.

Warum ich das alles erzähle?
Nun, ich bin mit der Erklärung "Wir essen um Gefühle zu unterdrücken" manchmal nicht ganz zufrieden. Ich für meinen Teil habe oft FA ohne mir diese gefühlsmäßig erklären zu können. Fakt ist aber: Habe ich einmal angefangen zu essen, kann ich nicht mehr aufhören. Es geht nicht. Der Fressdruck hört erst auf, wenn alle Vorräte aufgebraucht sind.
Wie kann das sein?

Mich würde wirklich interessieren, wie ihr mit Überforderungen umgeht. Wie verhaltet ihr euch in Situationen, in denen alles zu viel wird? Bei mir ist es nämlich so, dass ich, wenn ich jetzt zum Beispiel eigentlich Berge für die Uni lesen müsste, erst gar nicht damit anfange. Ich blocke alles ab, ich mache dann einfach gar nichts.
Sobald mir etwas zu viel wird, verspüre ich oft den immensen Wunsch in mir, einfach im Bett liegen zu bleiben. Alle Konflikte weg-denken.

Meine Vermutung ist, dass es sich mit dem Essen ganz genauso verhält.
Warum stopfen wir mechanisch alles in uns rein, ohne zu schmecken, ohne irgendwas zu fühlen - und zwar immer, bis alles weg ist?
Wir versuchen die "Überforderung" (das Essen) loszuwerden. Es stellt für uns ein Problem da und wir wollen es nicht sehen.

Dieser innere Widerspruch zum Essen in uns, ist wie ein Pulverfass, das wir ständig mit uns herumtragen.
Es fehlt lediglich der entscheidende Funke (Beispiel ein negatives Gefühl) und alles geht in die Luft.
So erkläre ich es mir, dass selbst kleine negative Gefühle (wie Langeweile, Enttäuschung), FA-mäßig oft eine krasse Wirkung haben.

Für mich war nach dem gestrigen Abend wirklich zum allerersten mal so richtig klar, dass es bei der Bekämpfung der Bulimie erstmal nicht um abnehmen gehen darf, nicht um mehr Selbstdisziplin. Sondern um zweierlei:

1. Unserer Einstellung Essen gegenüber, sie muss eindeutig sein!
2. Unserem allgemeine Umgang mit Konfliktsituationen und
Überforderungen

Vorher hatte ich zwar immer gelesen, dass das Problem eines Bulimikers nicht das Essen an sich ist, aber gestern hat es erstmal so richtig "klick" gemacht. Das war irgendwie befreiend und ich hoffe, dass mir diese Einsicht irgendwie helfen wird.

Okay, das war's was ich loswerden wollte. Über eure Ansichten und Reaktionen dazu würd ich mich total freuen. :-)

Liebe Grüße!

#2
*g* hatte gestern nacht auch so eine art eingebung.
die situation war folgende:ich wollte auch lernen..und es war unglaublich viel lernstoff-ich wusste einfach nicht, wie ich das alles bewältigen sollte, wo überhaupt anfangen??
also reagierte ich wie folgt:resignieren.
und ich hatte hunger-doch, was sollte ich essen?ich hatte sowohl lust auf nahrungsmittel A als auch nahrungsmittel B.ich dachte darüber nach und konnte mich nicht entscheiden, was ich essen sollte.

so kam eines zum anderen-ich wusste, dass ich nicht lernen würde und dass ich mich nicht für ein nahrungsmittel entscheiden kann und begann, hastig alles in mich reinzufressen.
somit war ich zwei probleme los:die entscheidung, was ich essen sollte und ich hatte eine beschäftigung und gleichzeitig konnte ich mich ruhig stellen, von dem ganzen druck befreien, der eigentlich durch die unerfüllten aufgaben auf mir gelastet hatte.

dannach war ich natürlich umso frustrierter-nicht gelernt und vollgefressen.
als ich eine zigarette rauchte und mich "mental" daruf einstellte, jetzt den unangenehmen teil des kotzens hinter mich bringen zu müssen, klingelte das telefon..ein freund von mir fragte, ob ich mit dem lernstoff klargekommen bin und ich erzählte ihm, dass ich einfach nicht weiss, wo ich überhaupt anfangen sollte und mir alles zuviel war...und er meinte "ok, ich komme gleich vorbei und erkläre dir das, bin in 20 min da.."

mein erster gedanke "scheiße!!!!!!was mache ich jetzt?!ich muss doch das essen loswerden...".
das ging dann natürlich nicht.fühlte mich elend..schuldig, hasste mich für das, was ich getan hatte.
wir lernten dann so 2 stunden (und ich bin ihm wirklich soo dankbar für die geduld und die mühe).

gegen halb 1 nachts war ich dann wieder allein...und stürzte natürlich sofort ins badezimmer, hängte mich über die kloschüssel um zu versuchen, noch etwas loszuwerden..würgte ne stunde rum, ging unter die dusche und kam erst gegen 3 ins bett, total fertig.

natürlich schaffte ich es dann heute morgen nicht um halb 7 aus dem bett...verpasste wieder einen tag in der schule.

aber es hat mich, jetzt, wo ich endlich mal ausgeschlafen habe, zum nachdenken angeregt.

warum habe ich nicht einfach eines der beiden dinge gegessen, zwischen denen ich mich entscheiden musste?dannach das essen abgehakt-die nahrung als das gesehen, was es ist:eine energiequelle (für "normale" menschen vielleicht auch genuss).nicht mehr und nicht weniger.

warum habe ich nicht einfach versucht, einen anfang beim lernen zu finden?ich hätte doch gar nicht alles an einem tag schaffen müssen.

meine einsicht war also, dass ich vieeeel zu früh resigniere und meinen kopf ausschalte, versuche, negative gefühle im keim zu ersticken.
das geht vielleicht eine weile gut, aber irgendwann muss man sich (nicht nur der bulimiker) diesen dingen stellen...sie gehören zum leben dazu.
es kann nicht immer alles nach plan laufen..und essen/kotzen kann weder leere füllen, noch irgendetwas besser machen.

im gegenteil, mit jedem mal spült man doch nur ein stück seiner selbst die toilette hinunter.

#3
ein interessanter gedankenansatz
ich denke, jeder erlärt sich uaf seine eigene weise seine bulimie

Bei mir ist es eben mein ventil..ich bin sehr diszipliniert, habe meine regeln und halte diese ein... Morgens aufstehen, lernen oder arbeiten, sehr viel druck udn verantwortung im job, dann will ich all meinen freunden gerecht werden, eminem partner, mache gerne sport und will meine famile einmal de woche sehen... das alles in eine woche packen ist hart bis unmöglich. Das geht nicht! und naja... wenn der druck sich aufstaut, wird das ventil geöffent... ich esse und kotze... und das gefühl danach, bringt erleichterung! erst dann kommt das schlechte gewissen dun die eihaitssprüche: "ahc, das war jetzt nur einmal" helfen nicht mehr und ich bin deprimiert....

naja... kurzum, ich finde es gut, wenn man sich den ursachen der B bewusst wird, ich dneke das ist ein schritt in die normalität?

#4
Hey, war das die NAcht der Eingebungen oder was?? :lol: :P

Finde ich jedenfalls gut. Klar, die Frage wollen wir den ERfinder der Schokolade lieben oder hassen ist natürlich ein Konflikt.

Und ich würde auch sagen, dass seit ich nicht mehr so oft kotze (oder fast nie) meine Einstellung sich gewandelt hat. Früher war's vielleicht 50-50 und jetzt sehe ich Essen so zu 75% als gut. Das ist zwar keine eindeutige Klärung, aber schon Abschächung des Konfliktes, würde ich sagen. und meinen Körper sehe ich auch positiver. Ich glaube, den solltest du in deiner Theorie noch unterbringen. seinen Bauch zu mögen (wenn es der Bauch war, der immer verhsst war) macht auch vieles leichter. :wink:

lg

aire

#5
also dass ist echt mal eine gute Einsicht , habe ich eigentlich noch garnicht so gesehen, ich weis aber nicht so recht ob dass zutrifft, naja mal sehen...
bei mir ist dass mit dem Lernen immoment aus sehr schwierig (hab nächsten monat abschl.prüfungen), wie oben schon mal geschrieben: ich will lernen, finde keinen anfang , hab hunger , überlege: was könnte ich jezt essen , schwange zwichen verschiedenen Sachen, dann ess ich eins will dass andre auch noch und dann bin ich schon wieder in einem riesen Fa und ess dann alles mögliche.... und danach fühl ich mich dick , eklig, deprimiert , hab mich vollgestopf nichts gelernt...

Wie bereits oben im tread erwähnt , Essen dient als Energie, zumindest für normale Menschen und auch teilw. als genuss mittel....

Und für mich/uns: ich weis nicht : vielleicht als Ausweg, als einzige Ablenkung, ich hasse Essen (davon wird man dick), gleichzeitig "liebe" ich essen, dass schönste was es gibt : schokolade , nutella....

Omann dass ist so schitt.... wenn ich doch einfach ein normales Verhältnis hätte.....

Zum Verzweifelnt alles )=

#6
WOW- super Thread.

Du hast natürlich absolut recht mit dem, was du sagst.

Wie ich mit Überforderungen umgehe?
Tja momentan leider mit dem "altbewährten" Mittel :roll: habe aber vor, das wieder zu ändern auf: mich dem Problem STELLEN, denn vllt ist es nicht so schlimm.
Es wird ja nur immer schlimmer, je mehr man es vor sich herschiebt, und weil man es nicht löst, ist im Hinterkopf ständig dieses ungute Gefühl, Ablenken hin oder her.

Mit dem Lernen ist es grad auch ein Kreuz bei mir- leider.
Ich finde nämlich, dass ich es schon ganz gut hingekriegt habe (hatte da schon immer ein Motivationsproblem), aber momentan sind einfach im privaten Bereich die Belastungen und Ängste zu groß geworden, und so KANN ich einfach nicht lernen, weil sie mein Denken blockieren.

Was ich gerade über das Essen denken soll, weiß ich nicht...
Eigentlich denke ich positiv darüber- es ist wichtig und schmeckt, etc.
Aber mir ist es im Moment leider wichtig, nicht zuzunehmen, was natürlich zu dem besagten Spannungsverhältnis führt. Aber dass ich nicht zunehmen will, führe ich wiederum auf meine privaten Probleme zurück- es ist mir alles zu viel geworden, deshalb hab ich vllt nach einer Sicherheit gesucht... oder möchte ausdrücken, dass es mir grad nicht gut geht, ich bin mir selbst nicht sicher.

Ps. @aire
Klar, die Frage wollen wir den ERfinder der Schokolade lieben oder hassen ist natürlich ein Konflikt.
:lol:

super Satz.

Ich entscheide mich trotz allem für LIEBEN ;)
Bild
Kotzen ist keine Alternative...
... denn das Leben ist zu kurz ♥

#7
der thread bringt mich wirklich stark zum denken, danke!!!

rachel, bezüglich dem was du zu deiner kompletten-lern-unlust geschrieben hast..... hab beim lesen buchstäblich geschmunzelt, das lässt sich 1:1 auf mich übertragen.

meine fas kommen generell auch einfach total aus dem "blauen" sozusagen, ich merks dann immer richtig wenns in mir umschlägt und ich den drang bekomm. versuch anfangs noch dagegen innerlich anzukämpfen, aber früher oder später passierts...

ich denk mir auch, dass ich das essen als ventil verwende, in dem ich mich dann aber verfange und das mich mit seinen fängen runterzieht immer weiter und weiter. um daraus wieder auszubrechen, merk ich passiert mir immer irgendetwas bzw. tu ich immer irgendwas, was mich dann total erleichtert, so sehr, dass der fressdruck wie weggezaubert ist und ich wieder "total normal" bin. auch mit dem essen fühl ich mich dann sicher (ob wohl ich dann immer besonders schau, dass ich gesund esse).
aber essen wird bei mir SOBALD ich den druck bekomme zum ventil - alles muss rein wie du sagst, alles...

ich weiß, dass diese ambivalenz mit der ich dem essen gegenüberstehe auch in "guten phasen" noch immer da ist (obwohl vielleicht nicht direkt spürbar). doch ich denke,die "belastung", die essen für uns in schlechten zeiten darstellt ist in den guten phasen genauso weg, wie das verständnis oder das feingefühl für das, was wir in "schlechten phasen" wenn der fressdruck kommt, mit essen kompensieren, ohne drauf zu achten, was wir eigentlich bräuchten.

ich frag mir nur immer, WAS denn so verdammt schwierig dran ist, unter druck einfach eine "normale" entscheidung zu treffen und sich gegen das blinde futtern zu entscheiden!!!!!!!!!!

na noch einmal danke für den beitrag!!

glg

lilli