#2
von aymone
Liebe Leilah,
sie es erst mal positiv: es ist schief gegangen, aber immerhin merkst Du das. Und Du bist nach Deiner Therapie nicht etwa erleichtert, dass Du jetzt wieder "darfst" bzw. kannst, sondern es erschreckt Dich und Du merkst ganz genau, dass es auch anders geht, ohne Essstörung und dass das sogar besser ist. Das ist ein riesiger Schritt, hinter den Du meiner Ansicht nach auch nie wieder zurückfallen kannst. Du kannst dieses Wissen vielleicht ignorieren, wenn es Dir mal ganz schlecht gehen sollte und Du keinen Ausweg findest, aber Du kannst nie wieder so "unbewusst" Bulimie haben und das so unhinterfragt ausleben und alle bösen Sätze im Kopf so absolut glauben, wie zuvor. Das hast Du erreicht und das wird Dich auch zumindest immer wieder oben auf bringen.
Alles andere ist jetzt Übung und ich freue mich gerade sehr über Deinen Artikel, weil auch ich das Thema Selbstwahrnehmung und nicht-bulimisches Verhalten beschäftigt. Mir ging es nach langer, sehr stabiler Zeit in den letzten Wochen wieder schlechter, aber eigentlich auch nicht. Für mich war die Beschäftigung mit weiblichem Narzissmus sehr wichtig, also kurz gesagt der Entfremdung von sich selbst aufgrund negativer (oder auch traumatischer) Erfahrungen und die Herausbildung und das Streben nach einem Ideal-Selbst (das dünne Ziel). Ich konnte diese ganzen Annahmen darüber, was ich denken, fühlen, tun und sein sollte langsam ablegen und in der letzten Zeit spüre ich meine eigentlichen Gefühle sehr deutlich, treffe bessere Entscheidungen und habe sogar mehr und tiefere Freundschaften als früher, weil ich Nähe zulassen kann. Leider heißt das für mich nicht, dass ich mit negativen Gefühlen gut umgehen kann. Ich glaube, gerade die sind es, die mich noch immer irgendwie quälen. Aber immerhin merke ich jetzt sehr deutlich, dass ich esse, weil ich traurig bin, weil mir langweilig ist, oder weil ich mich nach Anstrengung entspannen will. Ich konnte mein Verhalten noch nicht ändern, aber immerhin merke ich das jetzt.
Die von Dir erfragten Methoden kenne ich nicht, aber bei dem Wunsch nach einem Essenstagebuch habe ich immer dieses verlockende Versprechen im Kopf, dass so ein Tagebuch einem helfen soll, abzunehmen, weil man mal mitkriegt, was man doch alles isst und sich dann besser kontrollieren kann. Nur als Vorwarnung, verfall darin nicht wieder. Ansonsten würde ich mich gerne einmal darüber austauschen, wie man vll. die Gefühle anders ausleben kann. Ich habe definitiv noch nichts besseres als Essen gefunden. Das ist Entspannung, Trost, Beruhigung, einfach Wohlfühlen, leider höre ich nicht auf, wenn es mir gut tut, sondern nur, wenn ich ganz voll bin. Erst dann zählt es als Mittel gegen alles Negative, obwohl es damit selbst negativ wird.
Musik, Malen oder Schreiben helfen nicht, mit jemandem Telefonieren bedingt, ich weiß es nicht. Ich dachte immer, mir fehlen Organisation und Aktivität in meinem Leben, damit würde es mir besser gehen; anfangen, endlich all die Dinge zu tun, die ich tun will. Aber jetzt bin ich so ziemlich da, alles mögliche auch mal umzusetzen und positive Dinge zu tun und trotzdem bleibt das alte Muster.
Zuletzt geändert von
aymone am Mo Jun 08, 2009 20:09, insgesamt 1-mal geändert.
Man ist nicht negativ anders als andere, man nimmt sich nur so wahr, weil es einem eingeredet wurde. Daher verhält man sich anders und erfährt dafür Ablehnung, nicht für die eigene Person.