Fühl mich schäbig ...

#1
Hallo zusammen!

Ich habe mich dazu entschieden, es zu versuchen und nicht mehr alleine gegen mein Problem anzukämpfen ... Es hat mir viel Überwindung und Kraft gekostet, aber ich habe mich gestern zum ersten Mal zu einem Therapeuten begeben.

Nie im Leben hätt ich mir gedacht, dass mir etwas so schwer fallen könnte ... Jemanden in die Augen zu sehen und zu sagen, dass ich Bulimie habe und seine Hilfe benötige. Ich habe mir immer gedacht, ich bin nach außen hin eine starke selbstbewusste Persönlichkeit und dann sitz ich da, kann mich selbst nicht mehr unter Kontrolle halten ... Mir sind die Tränen runtergekullert ... nicht mehr gewusst, was ich noch sagen oder denken soll ... Obwohl er gemeint hat, wie gut und mutig er das findet, dass ich gekommen bin ... bin ich mir jetzt nicht mehr sicher, ob es der richtige Weg ist.

Eigentlich hab ich angenommen, dass es mir besser gehen würde, nach dem ich die erste Hürde gemeistert habe ... wenn ich es los bin, ihm zu sagen, was mein Problem ist. Aber seitdem fühl ich mich nur schäbig, weinerlich, verloren und schwach.

Wie ist es auch ergangen? Ist das normal, dass man sich so fühlt? Wird das besser?

LG
Eure Adina

#2
Hey!!

Nicht nur er findet, dass das gut und mutig ist! Es ist sehr mutig!!! Es ist sicher kein leichter Schritt und vielleicht ist es auch so, dass Du Dich jetzt erst ein bisschen an den Gedanken gewöhnen musst, dass Du es nun auch mal ausgesprochen hast, es somit sozusagen "offiziell" geworden ist. Lass es ein bisschen sacken. Manchmal muss man sich an sowas erst gewöhnen. Die Hürde ist dennoch genommen und darauf kannst und musst Du sogar sehr stolz sein!!

Lieben Gruß Nadine

#3
Ja, dass es jetzt "offiziell" ist, ist schon ein ziemlicher Schlag ins Gesicht für mich ... Wahrscheinlich weiß ich auch noch nicht direkt, wie ich mich fühlen, drüber denken und verhalten soll ...
Ich glaube, was mich dann noch mehr mitgenommen hat, war, dass er mir direkt aus dem Herzen gesprochen hat ... Er hat Dinge zu mir gesagt, die er nicht wissen kann, aber er trotzdem genau das wiedergegeben hat, wie ich mich zurzeit fühle ...
Seit gestern geht es mir mies ... Eigentlich hab ich schon selbst angefangen dagegen anzukämpfen und bin nicht mehr von täglichen Fressmassakern verflucht ... Und nun ... der totale Rückschlag ...

#4
hallo meine liebe adina,

also ich kann nach 2 1/2 jährigen therapieerfahrungen sagen, dass es anfangs, und auch oft heute so ist, dass es mir direkt nach der therapie oft schlechter gegangen ist, als davor. du konfontierst dich mit einem thema, welches du zuvor immer nur verheimlicht hast, oder nicht akzeptiert hast, oder welches dir peinlich war... oder was auch immer! du "outest" dich.... du vertraust dich einer person an, die du nicht kennst! du hast vertrauen in eine person, die du nicht kennst! DAS IST SOOO MUTIG! Du kannst wahnsinnig stolz auf dich sein... ich bin es, denn ich habe Hochachtung, vor jedem Menschen, dem es gelingt, sich Hilfe zu holen,an sich zu arbeiten, sich zu öffnen....
ja, und nachdem ich eben selber schon sehr lange in therapie bin, weiß ich, wie es ist, wie schwer es fällt, wie "schäbig" man sich oft fühlt. ich kenne es. ich habe oft stunden lang kein wort raus gebracht, meiner thera gegenüber und sie ist geduldig da gesessen... ich hab anfangs das wort "bulimie" nicht mal aussprechen können oder das, was ich tue... sie musste es mir in den mund legen... und ich fühle mich heute auch oft noch "schäbig", wenn ich mir gedanken dazu machen, was ich tue... wenn ich bewerten beginne..... aber nicht die ES bewerten, sondern viel mehr mich. ich bin schlecht, weil ich es tue. ich bin schlecht, weil es mir nicht gelingt stop zu sagen. ich bin schlecht, weil ich so bin wie ich bin. ich bin einfach schlecht.... das läuft unterbewusst in uns ab...
Annehmen. wir machen das und es hat seinen grund und es ist gut so. wir machen es und es hat seinen grund... und es ist nicht gut, dass wir es machen, aber es ist gut, wenn wir uns hilfe holen und den mut haben, uns damit zu konfrontieren! punkt. aus.

Nur weiterhin so viel Mut und Kraft!
*Do I even have the strength to try*

*Is it better to try and fail than fear?-Can I know?*

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#5
Danke für euren lieben Worte! Kullern schon die Tränen runter, wenn ich eure Beiträge lese ... Es ist schön zu wissen, dass ich nicht allein bin ... mit meinem Zustand ... Gedanken ... Gefühlen ...

#6
Tränen sind gut und wichtig! Sie zeigen uns, dass wir noch fühlen, auch wenns weh tut! Und seine Traurigkeit zu spüren ist auch sehr mutig!!!
Ich kann dieses Gefühl oft nicht ertragen und fange deshalb an zu essen!

Und wir sind doch dafür da, uns gegenseitig Mut zu zusprechen! :wink:
Also, nur weiter so auf deinem Weg!
*Do I even have the strength to try*

*Is it better to try and fail than fear?-Can I know?*

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#7
Butterbrot hat geschrieben:Tränen sind gut und wichtig! Sie zeigen uns, dass wir noch fühlen, auch wenns weh tut! Und seine Traurigkeit zu spüren ist auch sehr mutig!!!
Ich kann dieses Gefühl oft nicht ertragen und fange deshalb an zu essen!
Jaaaa du sprichst mir aus der Seele!

Adina, ich muss dir echt sagen, sei stolz auf dich! Den Weg auf den du dich zubewegst ist auf alle Fälle der richtige. Dir kann geholfen werden , glaub mir. Und sich über seine Krankheit/seinem innersten Leid mit jemanden zu unterhalten , mögliche Ursachen zu finden, kostet zwar wirklich verdammt viel Kraft aber es nützt! Du kannst und wirst es schaffen! Bitte mach weiter so! :D

#8
Vielleicht ist es auch einfach die Angst, doch nicht verstanden zu werden ... Das Schlimme ist für mich die Hilflosigkeit ... wie ich gestern dagesessen bin und nicht gewusst habe, was ich sagen soll ... ich nicht mehr können hab ... Ich bin absolut kein Mensch, der vor anderen Menschen weint. Vielleicht hab ich auch die Erwartung gehabt, dass ich dorthin gehe und nicht "verstanden" werde, aber wie er dann genau die Dinge zu mir gesagt hat, die es auf den Punkt getroffen haben ... Keine Ahnung, wahrscheinlich weil ich noch nie mit soviel Verständnis konfrontiert worden bin ... jetzt direkt gesehen ...
Ich weiß momentan nicht, wie ich die Kraft für die nächste Stunde aufbringen soll ... jemanden gegenüber zu sitzen, dem gesagt hat, dass man unter Bulimie leidet und ihm dabei in die Augen zu sehen.
Und wahrscheinlich treffen mich eure Worte hier genauso, weil sie mir aus der Seele sprechen und ich noch dazu sehe, dass ihr genauso kämpft und fühlt wie ich ... Und ich weiß gar nicht, wie ich euch dafür danken soll ...

#9
Hey Du!

Aber das ist doch echt was gutes, dass er Dich gleich so verstanden hat! Also find ich jedenfalls gut. Stell Dir vor, es wäre nicht so..dann hätte er vielleicht auch den Job verfehlt! Du musst Dir immer wieder sagen, dass es gut ist Hilfe anzunehmen. Das ist ein Zeichen von Stärke. Viele denken, dass sie stark sind, weil sie glauben mit allem allein klar zu kommen. Und am Ende zerbrechen viele daran, drehen sich nur im Kreis und kommen nicht weiter. Das Ende vom Lied ist, dass sie darkaputt gehen und verbittern oder aufgeben. Und ich finds toll, dass Du das nicht tust. Es tut immer weh, sich der Wahrheit zu stellen, besonders, wenn man aus Selbstschutz oder anderen Gründen immer verdrängt hat, wie es wirklich ist. Aber all das bringt Dich wirklich nicht weiter! Du brauchst Hilfe und gestehst Dir ein, Dir die auch zu nehmen. Und das ist Dein Rescht, nein sogar Deine Pflicht Dir selbst gegenüber, wenn Du was verändern willst! Und das ist STÄRKE. Sehr viel Stärke.
Und die Tatsache vor anderen weinen zu können, ist keine Schwäche. Das ist auch ein Zeichen von Stärke. Nicht immer die Maske tragen auf Biegen und brechen. Natürlich ist es nicht leicht, vor anderen zu weinen. Ich mag das auch nicht besonders..aber wer mag das schon. Dennoch ist es manchmal einfach das richtige. Ich hab auch bei der Thera geheult. erst hab ichs versucht runterzuschlucken..aber manchmal wurde der Kloss im Hals einfach zu dolle und dann platzt es aus einem raus. Und das ist überhaupt nicht schlimm. Mir gings hinterher fast immer besser (ausser meinen roten Augen :lol: )
Du wirst Dich daran gewöhnen Dich zu öffnen und wenn Du Vertrauen hast, gehst Du immer ein kleines Stück weiter. Und Dein Thera ist auch jemand, der dieses Vertrauen nicht m*ssb**ch* wird. Manchmal hört man vielleicht Dinge, die einem nicht passen (das ging mir auch so) oder Dinge, die man gar nicht hören will (ging mir jedenfalls so), aber letztlich denkt man drüber nach und kann viel an sich selbst arbeiten. Man muss sich nur drauf einlassen. Du musst einen kleinen Vertrauensvorschuss geben und wirst sehen, dass sich das auszahlt. Auch wenn Du Dich anfangs vielleicht noch nicht besser fühlst. Das ist normal!!! Also schön mutig bleiben! Du machst das doch toll!!

LG Nadine

#10
Ich versuche Hilfe anzunehmen ... aber irgendwie ist es noch schwierig. Vor allem weil ich mich noch immer Frage, warum ich es das erste Mal auch alleine geschafft habe ... und jetzt so viel Schwäche habe und nicht mehr tu.
Irgendwie schäm ich mich, wenn ich vor jemanden weine. Noch dazu wenn man eigentlich zugibt, ein Problem zu haben und dabei auch noch weint. Wenn man da sitzt, hilflos ist und ihn ohne Worte um Hilfe anfleht. Wie ich geweint habe, hat er sofort gewusst, wie es mir geht ... und wie er es dann auch noch gesagt hat, hab ich mich noch schlimmer gefühlt. Das ein Mensch erkennen und wissen kann, wie man sich fühlt und das eigentlich total versucht, zu unterdrücken und nicht zu zeigen.
Momentan leidet bei mir alles drunter und mir kommt es vor, als würd ich immer tiefer in ein Loch fallen. Ich hab gestern einen wirklich schlimmen Rückfall gehabt, der mich heute noch mitnimmt.
Ich wollte die Therapie rein aus meiner Entscheidung heraus beginnen ... Das hab ich auch getan. Gestern war ich zu Hause und meine Mutter spricht mich auf einmal auf eine Therapie an. Sie hat gemeint, sie war bei einem Bekannten (der Therapeut ist). Sie hat mit ihm gesprochen und einen Termin bei einer wirklich guten Therapeutin für mich bekommen und wenn ich möchte, dann kann ich dorthin gehen. Alleine, mit ihr ... egal. Ich hatte eigentlich vor, dass ich ihr gar nichts über meine begonnene Therapie erzähle. Hab ihr dann aber doch erklärt, dass ich das nicht brauche, ich habe einen Therapeuten ... Hat mir gestern auch einen Schlag ins Gesicht gegeben.
Ich fühl mich noch immer müde ... schwach ...


Was ich noch sagen wollte. Ich finde es wirklich super, dass es hier Leute gibt, die von der Krankheit weg sind und anderen helfen ... Es bringt einen wirklich viel Kraft und Mut ...

LG
Eure Adina

#11
Hey Adina...

ich weiss, wie du dich fühlst...mir ging es auch die erste zeit lang dreckig, nachdem ich das erste mal bei einer Therapuetin war...

Bei mir war es einfach die Einsicht, dass aus dem jahrelangen:"Ab morgen kotze ich nicht mehr."nichts wird. Man begreift wohl erst einmal, dass man viel tiefer drin steckt, als man sich selbst wohl die ganze Zeit vorgemacht hat!

Ich war jahrelang der Meinung, alles unter Kontrolle, alles im Griff zu haben und aufhören zu können, wenn ich wollte...

wie gesagt, dass "sich schäbig" fühlen ist denke ich, nichts unnätürliches...es hängt wohl einfach damit zusammen, dass man langsam anfängt zu begreifen, aufzuwachen und sich mit sich selbst und seiner Situation zu befassen...

aber ich kann mich den anderen nur anschließen, du hast schon mal einen sehr mutigen und großen Schritt gewagt und sciherlich wird und kann es bei dir jetzt bergauf gehen...

Ich wünsche dir ganz viel Kraft für den Kampf!!!

Liebe Grüße SuNNi!:wink:
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#12
Ich hab Angst davor, dass es mir nach der nächsten Stunde wieder so geht. Ich fühl mich jetzt ja noch immer mies ... ich hoff, der Zustand legt sich einmal wieder. Ich kann gar nicht sagen, wie sensibel ich bin ... wie schwer es mir fällt, nicht ständig in einen Heulkrampf zu fallen ...

Eigentlich wollte ich mit einem Buch beginnen, welches mich durch die Therapie begleiten soll ... was mir dann meine Erfolge und Rückschläge zeigen soll ... vielleicht auch mal anderen Menschen Einblick in mein Leben geben soll (falls ich jemals den Mut dazu bekomme, mein Leben jemand anderen zu offenbaren) ... Aber ich hab es einfach nicht zusammengebracht ... ich habe ein paar Mal begonnen und mich nur noch miserabler gefühlt ...