WAS DENKT IHR?

#1
Ich würde gerne wissen, was ihr gedacht habt, als ihr von der Essstörung eurer PartnerInnen erfahren habt. Ich bin Betroffene und weiss nicht, wie Angehörige denken, was sie fühlen, welchen Hindernissen sie gegenüberstehen. Ich trau mich meinen Partner nicht fragen, weil ich angst vor der Wahrheit habe. Sein Hilflosigkeit, seine Enttäuschung und eigentlich müsst ihm ja voll grausen vor mir. und ich kann ihm keine Verhaltenstipps geben und weiss einfach nicht wie ich ihm helfen kann, mit mir richtig umzugehen! bitte, ihr Angehörigen, sagt mir mal, WAS DENKT IHR?

#2
Hallo Momo !

Es ist jetzt mehr wie 4 Jahre her, dass sich meine Freundin mir anvertraut hat. Seit 3 Jahren sind wir fest zusammen. Bulimie hat sie seit Ihrem 14. Lebensjahr und sie ist heute 32 Jahre alt. Dieses Jahr hat sie den Willen und den Mut sich einer stationären Therapie zu unterziehen. Die Klinik hat auch schon zugesagt.

Wie war das damals, als sie sich mir anvertraut hat? Ich war unwissend, was diese Krankheit betrifft. Ich hatte keine Ahnung, was sich dahinter alles verbirgt. Ich spürte nur, dass dieses Geständnis ein extremer Kraftaufwand war für sie. Ich merkte instinktiv, dass es ein gewaltiger Vetrauensbeweis war. Sie erklärte mir sehr viel. Wir redeten eine ganze Nacht und ich hörte die meiste Zeit einfach nur zu. Manchmal kamen mir Tränen, weil ich so hilflos war zu diesem Zeitpunkt und weil ich erfahren musste, was ihr selbst, ihrem Körper und ihrer Psyche angetan wurde. Durch sich selbst, aber auch durch andere. Ich habe sie dann gefragt, was ich tun kann. Ihre erste Bitte war, sich um Information zu bemühen. Sie gab mir Ihre Bücher zu lesen, die hier im Forum bereits bekannt sind. Sie machte mich auf Internet-Foren aufmerksam, in denen man sich austauschen kann, auch Angehörige. So kam ich hierher.

Hier lernte ich durch Betroffene und Angehörige, wie ich mit bestimmten Situationen umzugehen habe. Hindernisse zu lösen, Probleme einzuschätzen und sie zu begleiten. Denn rasch wurde klar, dass ich nicht helfen kann, sondern sie begleite. Helfen muss sie sich selber. Und dazu benötigt sie jemanden an ihrer Seite, der ihr volles und uneingeschränktes Vertrauen geniesst. Einen Rückhalt in der Isolation, Depression und schlechten Zeiten. Aber auch jemanden, der sich mit ihr über kleine Erfolge und kleine Ziele freut, die erreicht wurden.

Die Hilflosigkeit von Angehörigen ist eine selbstgemachte, weil sie in der Regel aus Passivität besteht. Wer das Thema aktiv angeht, ist nicht mehr so hilflos, wie es scheint.

Du musst das mit Dir selber ausmachen Momo, wen Du in Dein Vertrauen ziehst und wann. Meine Erkenntnis ist, dass es zu zweit leichter geht, den Weg heraus zu finden. Aber entscheiden musst das Du.

Ich wünsche Dir alles Gute und viel Glück.

lieber Gruss
Caruso

#3
ich danke dir,caruso! wahrscheinlich muss auch ich aktiver werden. auch ich hab jetzt überlegt, einfach ein buch lesen zu lassen, dass erklärend versucht, zu beschreiben. man hat mir "die bulimie besiegen" empfohlen; was hat Dir deine Freundin zu lesen gegeben, dass Dir geholfen hat? Passiv sind wir beide - und hilflos! ichwill nicht länger entscheiden, ob ich mich immer wieder äussern soll, sondern möcht ihm überlassen, welchen weg er mit mir gehen will! zu sagen was er tun soll ist für mich so zwanghaft. und ich weiss, dass ich immer das raten werde, was für mich in meiner situation am besten ist! wenn du mir noch literaturempfehlungen geben könntest - ich will es ins laufen bringen ohne ständig bringschuld verspüren zu müssen. aber danke danke. es ist schön, mal die andere Seite sprechen zu lassen.

#4
Hu Hu Momo !

Ich bekam zuerst das Buch "Die heimliche Sucht unheimlich zu essen" zu lesen. Ich habe es ungläubig begonnen und war dann nach 2 Tagen durch. Manches habe ich nicht verstanden, was dort drinnen stand. Also habe ich meine Freundin gebeten, es mir zu erklären. So sind wir beide ohne jede Scheu in Gespräche geraten, die auch ihr sehr gut getan haben, weil sie endlich einen Gesprächspartner hatte, mit dem sie offen und ohne Lügen reden konnte.

Das zweite Buch war "Die Bulimie besiegen". Dieses habe ich nach der Mitte abgebrochen, weil es mir einfach zu wissenschaftlich war. Momentan befasse ich mich mit keiner Lektüre mehr, weil das "real life" viel mehr an Lehrstoff bietet, als das geschriebene Wort :D

Ich habe lächeln müssen, als Du geschrieben hast "Ich weiss, dass ich immer das raten werde, was für mich in meiner Situation am besten ist".
Stimmt ! :D
Aber es liegt nun im Fingerspitzengefühl des Partners, dieses zu erkennen und in diesen Momenten die Konfrontation zu suchen. Keinen Streit, sondern ein liebevolles Führen in die richtige Richtung. Den Blickwinkel zu verändern, um Dir zu zeigen, dass es auch andere Wege und Lösungsmöglichkeiten gibt. Allerdings gehört dazu auch die Bereitschaft und der Mut, sich führen zu lassen.

Wünsche Euch beiden ein erfolgreiches Gelingen und ganz viel Kraft.

lieber Gruss
Caruso