Analytisch an die Sache rangehen

#1
Hallo liebe bulemie.at-Community,

Für die, die mich noch nicht kennen, ich bin wegen einer guten Freundin hier die an bulimie leidet. Ich bin seit März hier im Forum
(hier mein erster Beitrag: http://www.bulimie.at/board/viewtopic.php?t=14430 )


Es ist viel passiert. Es ging viel auf und ab. Zurzeit mal wieder länger abwärts... Mit abwärts treffe ich sowohl ihre Gesundheitliche Situation, als auch mein Verhältnis zu ihr.
(Ich habe im Juli schon einmal den Beitrag "Ich verliere sie" verfasst : http://www.bulimie.at/board/viewtopic.php?t=17413 )

Ende September haben wir dann endlich mal wieder ein ernstes Gespräch hinbekommen, wobei raus kam, dass sie - anders als sie mir es in den letzten Wochen erzählt hatte - ganz und gar keine Besserung in der bulimie zu verzeichnen hat, sondern es ganz im Gegenteil noch viel schlimmer geworden ist. Die FAs immer häufiger werden und auch die gesundheitlichen Auswirkungen immer stärker werden.

Was soll ich sagen? Das hat mich natürlich geschockt, aber auch erleichtert... denn nun wusste ich wenigstens was los ist. Außerdem hatte ich das Gefühl, wieder im Geschehn zu sein, und nun auch wieder die Möglichkeit bekommen würde, für sie da zu sein, und so wenigstens ein wenig der Last von ihr nehmen zu können.

Aber dem war nicht so, denn es blieb bei diesem einen "vernünftigen" Gespräch. Seit dem haben wir wieder praktisch keinen Kontakt mehr. Und das liegt nicht an mir. Seit dieser Zeit habe ich, um irgend etwas tun zu können, jeden Morgen eine kurze SMS an sie geschickt, mit einem kurzen Zitat was ihr Kraft und Mut für den Tag geben sollte. 3 Wochen lang, - allerdings habe ich das vor 2 Tagen eingestellt.
Grund? Ich habe vor 5 Tagen in einer mail eröffnet, dass sie mir mit diesem Verhalten sehr weh tut, und mich wirklich fertig macht damit. Darauf gab es bis heute keine Reaktion, keine SMS, keine antwort-mail, kein Anruf, keine Rauchzeichen.

Okay... wenn ich nun analytisch an die Sache ran gehe. Wenn ich die letzten 7 Monate anschaue, und mich bemühe nicht nur in die Nahe Zukunft zu sehen, sondern langfristig zu denken, dann komme ich wirklich zu dem Schluss dass.... ich keine Ahnung habe was ich tun soll.
Der Naturwissenschaftler Jonas findet keine Lösung.

Ich erhoffe mir, dass mir Betroffene aus dem Forum sagen können was da gerade los ist.
Mir sagen was sie damit erreichen will, was sie bezwecken will. Was sie in der Zukunft wohl tun wird.
Was sie wohl von mir erwartet? Dass ich dran bleibe? Oder dass ich einfach Abstand wahre?
Ich erhoffe mir, dass mir jemand weiter helfen kann, weil ich mit meinem "Latein" am Ende bin... :(

Liebe Grüße
Euer Jonas

#2
Hallo Jonas,
ich schätze deinen Einsatz für deine Freundin sehr und habe auch brav mitverfolgt, wie die Beziehung, naja sagen wir mal, den Bach hinunter ging.
Ich hoffe dir nicht zu sehr weh zu tun, aber ich denke, dass dich nur Ehrlichkeit weiterbringt.
Wie ich die Sache einschätze, solltest du jetzt mal auf dich selbst schauen.
Du steigerst dich viel zu sehr in dein Hilfsyndrom hinein., Du schadest dir damit wirklich selbst.
3 Wochen lang eine SMS zu schreiben ohne Antwort zu bekommen? Ist Selbstzerstörung.
Du signalisierst ihr damit, etwas von ihr zu erwarten. Zumindest eine Re-SMS.
Weiters bist du dann so verzweifelt, dass du ihr eine vorwurfsvolle Mail schreibst, in der du ihr die Schuld gibst, dass es dir schlecht geht.
Ich weiss wohl nicht, was in deiner Freundin vorgeht, wie sehr ihre Krankheit fortgeschritten ist (deiner Beschreibung nach wohl ziemlich weit), sie unter Druck zu setzen, damit erreichst du ganz bestimmt das Gegenteil. Ihr anzubieten, für sie da zu sein, wenn sie dich braucht, heißt nicht, dass sie dich nur kontaktieren kann, wenn sie jemanden zum ausweinen braucht.
Dir ihre schlimme Situation schildern lassen.
Was ich dir nun schreibe, wird für dich hart klingen.
Was du für deine Freundin nun tun kannst, ist an dich selbst zu denken, dich in ihre Krankheit und ihre Folgen nicht hineinzuversetzen. Und wenn sie dich wirklich wieder kontaktiert um dir nur ihr Leid zu klagen, sie gleich zu Beginn zu fragen, was sie dagegen tun mag. Dabei kannst du ihr Hilfestellung geben. Sie bei einer Therapie unterstützen. Aber nicht, indem du zusiehst, wie es ihr immer schlechter geht und du daneben zu Grunde gehst.
Du bist auf einem Punkt angelangt, wo du ganz einfach diese Frage gar nicht mehr stellen darfst
Was sie wohl von mir erwartet? Dass ich dran bleibe? Oder dass ich einfach Abstand wahre?
Bitte schalte ab. Zur Zeit ist nicht wichtig, was sie von dir erwartet sondern was du dir noch vom Leben erwartest.

Ich hoffe du verzeihst mir meine Worte. Waren gut gemeint.
Schicke dir ganz viel Kraft
Deine Hedi

#3
Hallo hedi,
Ohne jetzt mich selbst rechtfertigen zu wollen, oder sie in Schutz zu nehmen.
Was ich oben nicht geschrieben habe ist, dass sie wohl auf die SMS reagiert hat. Vor knapp 10 Tagen bekam ich eine SMS mit einem
"Danke für die täglichen sms, die mir mit machen, mich stützen und mich zum schmunzeln bringen. Ich bin froh, dass ich dich als Freund hab. Hab dich lieb =)"

Du hast schon recht, dass ich mich einige Zeit direkt wegen der bulimie selbst, bzw. wegen den Folgen "fertig" gemacht habe. - Rückblickend sehr falsch, und dumm.
Inzwischen, naja, ich will nicht sagen dass man "abstumpft" gegen das Leid. Aber es ist eben "normal" geworden, so krass das klingen mag...

Was mich zurzeit "fertig" macht ist nicht die bulimie, und ihre Folgen.
Es ist nicht, das Leid was sie mir ab und an schildert.
Es ist nicht wenn sie mich mal um Hilfe bittet.

Was mich zurzeit fertig macht, ist dass sie sich entfernt von mir. Es ist gerade dass sie mich nicht mehr anteil haben lässt, mich nicht mehr helfen lässt, oder zumindest da sein lässt.
Was mich zurzeit fertig macht, ist dass ich eine Freundschaft "Den Bach runter gehen sehe"

Ich danke dir für deine ehrlichen Worte, und schätze deine Meinung.
Aber willst du mir damit wirklich signalisieren, dass ich die Freundschaft aufgeben soll?
Wie würdest du zu einer Aussprache stehen, - in der mal besprochen wird, wie's weiter geht, und was jeder eigentlich von der Zukunft erwartet?

Liebe Grüße
Jonas

#4
Hallo Jonas,
ich will dir nicht signalisieren, dass du die Freundschaft aufgeben sollst.
Ich will dir nur ein wenig zu bedenken geben, wie abhängig du dich von dieser Freundschaft machst
Was mich zurzeit fertig macht, ist dass sie sich entfernt von mir. Es ist gerade dass sie mich nicht mehr anteil haben lässt, mich nicht mehr helfen lässt, oder zumindest da sein lässt.
Freundschaft ist doch nicht nur gegeben, wenn Nähe da ist. Oder?
Eine Freundschaft kann auch erhalten bleiben, wenn für einige Zeit Stille einkehrt. Oder?
Vielleicht hat sogar deine Freundin schon gemerkt, wie sehr du an ihr hängst (nämlich bis zur Selbstaufgabe) und möchte dir eigentlich ein wenig helfen. Klingt wirr. Ist mir nur grad so durch den Kopf gegangen.
Versuche die Freundschaft in für dich erträgliches Maß zu setzen.
Es kann nicht Freundschaft sein, wenn sie dir immer wieder zeigen muß, dass du Freund sein darfst.
Du engst damit euch beide ein.

Aller liebste Grüße
Deine Hedi

#5
Hallo hedi,
das klingt logisch. Ich verstehe was du mir sagen möchtest, und ich denke du hast auch recht damit. Ich werde mich bemühen... ich hoffe mir gelingt es deine Ratschläge halbwegs umzusetzen...
Wobei ich sagen muss, dass ich in den letzten Tagen/Wochen was das angeht schon bei mir selbst "Besserung" sehe. Ich komme schon klar mit der Situation, - es ist ja nicht so dass ich mein Leben aufgeben würde, dass ich nichts mehr unternehmen würde. Es ist nur ein bitterer Beigeschmack jeden Tages der mir immer mal wieder zeigt, dass da etwas im Argen liegt.
Weis nicht ob ich das so deutlich machen kann wie es ist...

Darf ich trotzdem fragen was du zu
Wie würdest du zu einer Aussprache stehen, - in der mal besprochen wird, wie's weiter geht, und was jeder eigentlich von der Zukunft erwartet?
sagen würdest?

#6
Ach Jonas,
ich verstehe dich doch.Natürlich tut es dir weh, dass die Vertrautheit, diese, die eure Freundschaft einmal gehabt hat, nicht mehr besteht.
Das heißt ja nicht, dass es nicht wieder (später) so werden kann.

Auf deine Frage. *tief durchatme* und ehrlich bin

Ich würde Angst davor haben, dass du mir die Vorstellung deiner Zukunft und was du dir davon erwartest, erläutern würdest, es eine andere Vorstellung von meiner wäre und du dann enttäuscht reagierst.
So gehe ich diesem Gespräch lieber aus dem Weg um dir nicht weh zu tun und auch keine Forderung zu erhalten.

*drück dich*
Deine Hedi

#7
Hey Hedi,
Danke für deine ehrliche Meinung. Du hast recht, verschiedene Erwartungen können weh tun. Beiden Seiten. Ich habe mich trotzdem entschieden, und habe eben eine SMS geschrieben, mit der Bitte um ein Gespräch. - Die Antwort kam auch, wieder meinen Erwartungen, sehr prompt, - sie hat meiner Bitte zugestimmt, und möchte mit mir sprechen, ist allerdings noch bis Freitag im Urlaub. - Ich werde das ganze also Freitag oder Samstag auf mich zukommen lassen.
Ich hoffe jetzt mal, dass das richtig war.

Liebe Grüße
Jonas

#8
Halo Jonas,
warum sollte es falsch sein. Wenn es dir Gewissheit bringt und sie zugestimmt hat, dann wünsche ich dir eine produktive Aussprache.

Ich denke an dich
Deine Hedi :D

#9
Danke Hedi,
Vielen Dank, dass du dich mit meiner Geschichte, und auch mit diesem ganz speziellen Fall auseinandergesetzt hast, dass du mitgedacht hast, und mir auch ehrlich deine Meinung gesagt hast, anstelle mir nach dem Mund zu reden. Ich denke was du ausdrücken wolltest ist bei mir angekommen, und hat mich zumindest zum nachdenken gebracht. Und sowohl deine Worte, als auch das Nachdenken, als auch der Entschluss die SMS zu tippen mit der Antwort darauf, habe mir zumindest für den Augenblick einen Stoß an positiver Einstellung gegeben.
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Ich denke deine ehrliche Einstellung dazu war wirklich mal nötig um an dieser Stelle meinem Gedankenteufelskreis einhalt zu gebieten und mal einen großen Stop zu machen.
So kann ich auch wieder mit etwas mehr Ruhe und Gelassenheit an die Sache dran gehen, sehe einige Dinge nicht mehr so verbissen, - und erinnere mich auch an gute Dinge der letzten Zeit was meine Freundin angeht, - sehe also nicht mehr nur das schlechte und schaukle mich selbst daran hoch.

Dankeschön!
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Jonas
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