Zwischenbilanz

#1
Hallo,

es mag zu früh sein, für eine echte Zwischenbilanz. Aber ich bin ungeduldig. Und Zwischenbilanzen kann man ja im Prinzip immer ziehen, solange sie irgendwo zwischen dem Begonnenen und der Bilanz liegen.

Ich habs...zu weit getrieben. Hätte nie gedacht, dass ich es so weit kommen lassen würde. Und plötzlich sitze ich in der Patsche und frage mich, wie ich glauben konnte, dass ich es so weit nicht komme lassen würde.
Meine Patsche, ich will sie nicht mehr. Wirklich nicht. Das Geld, das Chaos, das Putzen, die Schmerzen, die Zeitverschwendung...der Hunger. Habe nichts mehr bei mir behalten, über Wochen. Keine Kraft mehr, 2x Krankenhaus, aber was solls, geht schon noch.
Geht nicht. Vorletzte Nacht liege ich wach, weil ich unruhig bin und Hunger habe und es draußen stürmt und weil ich Angst habe, dass mein Herz stehen bleibt, wenn ich einschlafe. Ein bisschen melodramatisch möglicherweise, aber nunja, wenn sich solche Gedanken erst einmal einnisten... Also liege ich wach und ca. gegen vier Uhr morgens, schon völlig entnervt von der Tatsache, dass ich wegen meines theoretisch zum Stehenbleiben befugten Herzens nicht einschlafen darf, fällt mir auf, dass es nicht mehr geht.
Die Konsequenz jenes Geistesblitzes äußert sich vor allem darin, dass ich esse. Normale Mengen. Und nicht kotze. Gar nicht. Heute den zweiten Tag, was, in Bezug auf eine Zwischenbilanz, natürlich irgendwie lachhaft ist.
Macht ja nix:

Es fällt mir leicht. Nicht zu kotzen, keinen FA zu haben. Weil ich genug esse und...ich weiß nicht wieso. Ist jedenfalls so.

Ich fühle mich dick. Vor allem der schlimme Bauch macht mir zu schaffen. Der ist halt voll, na klar, irgendwo muss es ja bleiben. Aber was ist mit dem Rest? Sieht man da auch schon was? Bestimmt. Oder nur Einbildung?
Renne 10 x in der Stunde zum Spiegel...anstrengend.

Es ist gut, keinen Hunger zu haben.

Ich freue mich über mehr Zeit für andere Dinge. Das ist komisch. Ich habe Zeit immer gehasst, weil ich nichts mit ihr anzufangen wusste.

Weiß nicht, ob ich es "richtig" mache. Vielleicht hätte ich es langsamer angehen sollen? Vielleicht kann ich es nicht ertragen, wenn ich das nächste Mal auf die Waage steige? Vielleicht sollte ich zurückrudern? Vielleicht mache ich es dann nur noch schlimmer? Vielleicht ist es gut so?

Frage mich, warum ich mich das alles frage. So belanglos. Eigentlich.

Bin stolz. Ein klein wenig. Konnte mir keinen einzigen Tag mehr ohne FA vorstellen. Konnte mir nicht mehr vorstellen, irgendetwas bei mir zu behalten. Und jetzt...tue ich es einfach. Bloß zwei lachhafte Tage, jaja, das will nochmal gesagt werden.



So. Vielleicht bilanziere ich hier ab und zu nochmal ein bisschen rum. Vielleicht schreibt irgendwer irgendwas dazu. Das wäre nett. Oder nicht. Das wäre, je nach dem, auch nett ^^

LG
Zuletzt geändert von Flicker am So Dez 21, 2014 0:04, insgesamt 4-mal geändert.

Re: Zwischenbilanz

#2
Ich finde du kannst stolz auf dich sein.
Jedes Nicht-Kotzen ist doch ein unglaublicher Schritt zur Genesung. Ein Schritt diesen gottverdammten Kreislauf zu durchbrechen.

Ich habe jetzt auch einen Tag nicht erbrochen und mir geht es psychisch so dreckig.
Ich bin kurz vorm durchdrehen. Diese Anspannung ist so anstrengend. Mir ist so übel, dass ich brechen könnte obwohl nichts großartig im Magen ist.
Am liebsten würde ich heulen.

Ich bilde mir ein, dass ich ohne das Brechen keine Kontrolle mehr haben werde. Über mich, Gefühle, den Tagesablauf, alles.
Ich hoffe, dir geht es besser :)
Alle Enttäuschungen sind gering im Vergleich zu denen, die wir an uns selbst erleben.

Re: Zwischenbilanz

#3
Hey,

ja, mh, Stolz...es ist schon ein wenig absurd, dass man auf etwas so selbstverständliches wie essen stolz ist. Andererseits ist es für mich eben nicht selbstverständlich. Sollte es aber sein. Schwierig.
Vielleicht ist dir übel vor Hunger? Nicht kotzen ist gut, funktioniert aber nicht, wenn man nicht isst.
Und, naja, ich glaube, mir geht es nicht viel besser. Aber diese Dinge, die du da ansprichst, gehören wohl irgendwie dazu. Damit es besser werden kann. Ich versuche nicht so viel darüber nachzudenken, nicht ständig in diese schlechten Gefühle zu gehen, ablenken, vielleicht auch einen gewissen Galgenhumor an den Tag legen...Augen zu und durch. Bis es besser wird.

Heute ist der vierte Tag. Ich schlage mich tapfer. Gestern abend wärs beinahe passiert. Fünf Dosen selbstgemachte Pralinen stapeln sich seit Freitag in meiner Küche. Für Weihnachten versteht sich. Und ich lasse vorbildlich die Finger davon...nur gestern abend ...es war nicht zu viel, aber eben mehr als gedacht. Da klopfte dann auch prompt diese Scheißegalsache an die Tür...nunja, es war mir wohl nicht egal genug. Pralinen waren drin und blieben drin.

Ich fühle mich nicht schlecht. Nicht im Sinne von "fett". Aber eben voll. Unglaublich voll.

Heute nachmittag war ich mit einer Freundin verabredet, die mir gerade abgesagt hat. Und jetzt ist da wieder unerwartet viel Zeit und...sowas ist immer gefährlich. Ich will die Zeit nicht immer zwanghaft mit irgendetwas füllen müssen. Muss ich das überhaupt? Mmh, man wird sehen.

LG
Zuletzt geändert von Flicker am Mo Dez 22, 2014 13:46, insgesamt 2-mal geändert.

Re: Zwischenbilanz

#4
Inzwischen sind es schon zweieinhalb Wochen. Und es läuft gut. Wirklich gut. Es ist merkwürdig, ich weiß nicht, was passiert ist, warum, wieso, weshalb... Habe den Schalter, der sich irgendwann umlegt, immer für ein Gerücht gehalten, dachte, alles wäre unheimlich...kompliziert. Und jetzt ist es vergleichsweise leicht. Als hätte es den Schalter tatsächlich gegeben, der nur umgelegt werden wollte.
Ich bin nicht geheilt, nicht perfekt. Natürlich nicht. Versuche immer noch zu oft, mein Essverhalten zu kontrollieren, besonders, wenn ich mir mein Essen selbst zubereite. Kann mir nicht vertrauen, merke nicht, wie viel ich brauche/möchte, muss immer wieder zur Küchenwaage greifen. Habe versucht es zu lassen, bin beim Versuch wahnsinnig geworden... Situationen, die essenstechnisch sehr von meinem Alltag abweichen (Weihnachten, Silvester), überfordern mich. Werde maßlos, überesse mich...an beiden Tagen hatte ich einen Rückfall. Was ich nicht gutheißen will, bloß, es blieb bei den beiden Malen, kein "Jetztistauchegal"...und das heiße ich dann doch irgendwie gut.
Aber davon abgesehen, ich esse, genug. Und mein Körper dankt es mir (nicht mit einer, wie befürchtet, explosionsartigen Zunahme). Ich merke, ich kann essen, einfach so. Wie jeder andere auch. Es passiert nichts. Mein Körper funktioniert, kaum zu glauben. Ich weiß nicht, ob mich jemals zuvor schonmal etwas derart erstaunt hat.
Viel freie Zeit ist ok, wobei ich es immer noch bevorzuge, möglichst wenig freie Zeit zu haben. Das ist ein bisschen...anstrengend. Wird noch. Wird alles noch.


LG

Re: Zwischenbilanz

#5
Hallo Flicker,

etwas Stolz und Zufriedenheit über diesen großen Erfolg halte ich durchaus für angemessen; sehr sogar. Meine Bewunderung dafür - mag es Zufall, glückliche Fügung oder genügend Aufmerksamkeit im richtigen Moment gewesen sein, dass du in dieser Nacht deine emotional geladene Motivation erkannt und zu nutzen gewusst hast. - Bleib dran. Der Körper braucht eine Weile, um dir trauen zu können, dass kein Nahrungsentzug mehr auf ihn wartet. Iss regelmäßig, auch wenn es mal einen Rückfall geben sollte und behalt möglichst alles bei dir. Das normale Essen muss vom Gehirn als Gewohnheit verinnerlicht werden. Soetwas dauert ja einige Wochen. Deshalb heißt es durchhalten und diesen neueren Kreislauf etablieren, damit er zum Selbstläufer wird.
Überessen und zu wenig essen kommt immer mal vor, vor allem in einer Phase, wo das Gefühl dafür noch nicht gereift ist. Es wird mit der Zeit besser und eindeutiger werden. Experimentiere vielleicht etwas herum: Mir hat es beispielsweise in manchen Fällen geholfen, nachdem ich zunächst die Nahrungsmittel abgewogen habe, das Gekochte oder Abgeschnittene (früher habe ich sogar abgeschnittenes Brot gewogen...nun ja.) mir genau anzusehen und die Menge optisch zu erfassen - damit ich ein Gefühl dafür bekomme, was mich sättigen könnte (es macht das Essen woanders um einiges leichter, wenn man sich noch nicht vollkommen auf sein Sättigungsgefühl verlassen möchte/kann. (Wobei natürlich das Hunger- und Sättigungsgefühl variieren können. Nichts ist statisch. Erst recht nicht der Mensch.)
Das Problem mit dem Füllen der Zeit ist mir auch sehr vertraut. Natürlich ist es sicherer, wenn der Tag durchgeplant ist (wobei auch das dem Einen oder Anderen mal zu viel werden kann, was erst recht einen Rückfall fördern kann..). Ich hatte zwangsweise lernen müssen mit zu viel Zeit umzugehen. Positiv formuliert befinde ich mich zwischen zwei Jobs und habe Zeit und wenige Kontakte. Sicher sucht man sich eine Struktur und Aufgaben, aber ich habe für mich erfahren, dass ich auch absolut nichts tun kann, außer herumsitzen, über irgendwas nachdenken, einen Film schauen oder lesen - und dass ich es durchaus als angenehm empfinden kann. An Entspannung scheint etwas dran zu sein... Geklappt hat es natürlich nicht von heute auf morgen und hilfreich waren Phasen, in denen ich zwar nichts zu tun hatte, aber mein Freund zu Hause war, und ich somit keinen Unsinn machen konnte/wollte. Aber auf jeden Fall ist es machbar und wird bestimmt ebenso für dich machbar sein...mit etwas Zeit, Geduld und Beharrlichkeit.
Wichtig ist, dass man dranbleibt; dass du dir in schwächeren Momenten vielleicht das Gefühl, die Angst und die Sinnlosigkeit, die du in der besagten Nacht erlebt hast in Erinnerung rufst - als Anker.
Ansonsten finde ich es klasse, wie du das machst....auch das mit Weihnachten: So lernt man sich wieder Sachen zu erlauben - wie viel man tatsächlich möchte, bzw. gut für einen ist lernt man danach auch noch (so zumindest meine Erfahrungswerte der letzten Zeit).

Grüße,
Sophie

Re: Zwischenbilanz

#6
Hallo Sophie,

danke für deine ausführliche Rückmeldung! Dein Appell an mein Durchhaltevermögen, tat meinem Durchhaltevermögen erstaunlich gut. Nicht, dass es ernsthaft drohte einzuknicken, aber ein kleiner Knick, von dem ich nichts wusste, war wohl drin ;)
Vermutlich werden sich neue Knicke einschleichen, was vermutlich kein großes Problem darstellt, solange man sie bemerkt und wieder glättet. Es sollten vermutlich nicht zu viele werden...
Trotz der Knicke, das "Dranbleiben", das Aushalten, wenns mal zu viel war, das regelmäßige Essen, meinem Körper Zeit geben...all das klappt. Ich machs halt. Was ich schwierig finde, ist die Erkenntnis, dass das nicht reicht. Einfach "nur" Essen reinschieben, wenn Zeit dafür ist und das Gegessene dann möglichst drin behalten, kam mir anfangs bereits wie eine riesen Leistung vor. Etwas, das, gemessen an der ersten Überwindung und Anstrengung, die es einen kostet, ausreichen sollte, um gesund zu werden. Und dann merkt man, dass die Gleichung nicht aufgeht, was irgendwie frustrierend ist, weil es doch ganz schön unfair wäre, würde sich am Ende herausstellen, dass man mehr investieren musste, als man bekommen hat. Jedenfalls, lange Rede kurzer Sinn, ich bin zufrieden mit mir, durchaus. Ich bin viel freier, produktiver, aktiver...und vor allem liege ich nachts nicht mehr wach. Bzw. wenn doch, dann nicht mehr wegen des möglicherweise eingebildeten Polterns meines theoretisch zum Stehenbleiben befugten Herzens. Da kann man mal zufrieden sein.
Aber es reicht eben nicht. Es sind diese Dinge, die man macht, obwohl sie keinen Sinn machen. Ich kann mit anderen essen, kann mich bekochen lassen, kann frühstücken gehen, ohne im Kopf mitzurechnen. Bin ich zu Hause/bereite ich etwas selbst zu, erwische ich mich dabei, wie sich meine Gedanken wegen einer unabgewogenen Belanglosigkeit nicht beruhigen wollen. Wegen einer wirklich belanglosen Belanglosigkeit... noch weit belangloser als das belanglose Brot ;) Offenbar traue ich anderen Leuten eher zu, zu beurteilen, was gut für mich ist, als mir selbst...
Hmm, ich muss achtsamer werden. Und strenger. Mich zwingen, es anders zu machen, wenn ich gemerkt habe, dass es gerade angemessen wäre, es anders zu machen.
Das mit dem Rumexperimentieren ist eine gute Idee. Vielleicht vertraue ich mir so bald wieder mehr.
Ja, die Zeit... Sie ist nicht mehr der absolute Feind. Ein großer Überfluss an Zeit führt bei mir im Moment auch nicht zu einem FA. Aber ich merke z.B., dass ich, wenn ich mich nicht zumindest geringfügig ablenke (meist reicht das aber nicht), wieder anfange die Stunden bis zum Mittagessen/Abendessen zu zählen, ständig auf die Uhr gucke. Das stört mich sehr. Ich habe dann das Gefühl, ich würde mein Leben damit verplempern, darauf zu warten, das nächste Mal essen zu dürfen, Zeit totzuschlagen, obwohl man doch froh um sie sein sollte...
Ich wohne im Moment noch alleine, in zwei Monaten zieht eine Freundin bei mir ein. Mal sehen. Du hast wohl Recht, manchmal ist es wahrscheinlich von Vorteil, wenn jemand da ist.

Ein wenig wirr alles, scheint mir. Und lang. Verzeihung!

LG
Zuletzt geändert von Flicker am Mo Jan 05, 2015 18:06, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Zwischenbilanz

#7
Hallo.
Ich bin ganz neu hier, wollte aber trotzdem schreiben, dass ich deinen Beitrag hier gelesen habe. Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft für den Kampf gegen die Bulimie - möge es bald kein Kampf mehr sein!

Re: Zwischenbilanz

#9
Hey :)
Danke, dass du fragst!

Ein bisschen spät dran bin ich... vielleicht liest dus noch...

Nunja. Um ehrlich zu sein, war ich länger nicht mehr online, weil ich befürchtet habe, dass jemand fragt.
Es läuft nicht gut. Ich hätte diesen Thread, glaube ich, nicht eröffnet, wenn ich gewusst hätte, wie es werden würde...aber ich war mir so sicher. Habe mich so...anders gefühlt, besser, nicht nur bezüglich des Essen, grundlegend, als hätte sich wirklich etwas verändert.
Im ersten Moment war ich geneigt zu schreiben, dass alles gut sei. Weiß auch nicht wieso. Oder wahrscheinlich weiß ichs schon. Aber ist ja blöd. Ist ja nich so, als würde ich hier, mit meinem persönlichen Scheitern, irgendwen vor den Kopf stoßen...
Es hat sich so eingeschlichen. Irgendwie. Ich verstehs nicht ganz. Erst einmal die Woche, dann alle zwei, drei Tage und plötzlich wieder jeden Tag. Anfangs hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass ich die FAs nicht mehr brauche. V.a. wohl, weil es mir, nachdem ich neben den FAs ja lange fast nichts mehr gegessen hatte, vorkam, als wäre ich sowieso den ganzen Tag mit Essen beschäftigt. Auch ohne FAs. Was natürlich nicht der Realität entsprach, da ich ja einfach nur angefangen habe, einigermaßen regelmäßig normale Portionen zu essen. Aber nach dem langen Nichts, schien mir das eben schon unfassbar viel...und zeitaufwändig...sodas mir die FAs nicht fehlten. Bloß, "leider" gewöhnt man sich dann eben recht schnell an die normalen Portionen, empfindet da auch nix mehr als besonders viel, fühlt sich auch nicht mehr ständig wie im neunten Monat schwanger (oder so, wie man sich das halt vorstellt)...und plötzlich fehlt es dann doch wieder.
Vielleicht, weil ich Essen immer noch zu kompliziert mache. Weil ich, obwohl ich ernsthaft um Besserung bemüht bin, nicht umher komme, mich, früher oder später, wieder zwanghaft gesund zu ernähren, bestimmte Lebensmittel oder Inhaltsstoffe zu meiden, Kalorien zu zählen. Weil ich eig. denke, dass ich es mir, "figurtechnisch" betrachtet, gar nicht leisten dürfte, normale Mengen zu essen...
Ich bin so zwanghaft. Und meine zwanghaften Synapsen wollen sich einfach nicht neu verknüpfen lassen. Obwohl man mir sagte, dass das geht.
Die Moral von der Geschicht ist wohl, dass Essen für mich, nach wie vor, viel zu viele Funktionen erfüllt, die es nicht erfüllen sollte.
Ich bin trotzdem froh, dass es diesen einen erhellenden Moment gab... zumindest weiß ich jetzt, dass ich es kann. Theoretisch. Und ich esse. Nicht normal, aber doch um einiges normaler. Immerhin.

LG
Zuletzt geändert von Flicker am Sa Feb 14, 2015 14:37, insgesamt 2-mal geändert.

Re: Zwischenbilanz

#10
Flicker hat geschrieben:
Inzwischen sind es schon zweieinhalb Wochen. Und es läuft gut. Wirklich gut. Es ist merkwürdig, ich weiß nicht, was passiert ist, warum, wieso, weshalb... Habe den Schalter, der sich irgendwann umlegt, immer für ein Gerücht gehalten, dachte, alles wäre unheimlich...kompliziert. Und jetzt ist es vergleichsweise leicht. Als hätte es den Schalter tatsächlich gegeben, der nur umgelegt werden wollte.
Hallo Flicker,

aber du weißt, dass du es kannst, du hast es geschafft, dass Rückfälle vorkommen ist (leider) normal, was zu lange da war, kann nur langsam durch sinnvollere Aktivitäten, gesündere Alternativen, ersetzt werden.

Du musst dahinter kommen, warum die B / das Essen für dich so wichtig ist. Du kompensierst. Bist du in Therapie? Es hilft, Dinge zu bereden, aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten, eingefahrene Strukturen/Gedankengänge durch neue zu ersetzen. Schlimme Erlebnisse aufzuarbeiten.

Ich hielt jahrelang die B für meine beste Freundin, sie war immer da. Zum Schluss hatte ich neben der Arbeit keine sozialen Kontakte mehr, ich leide heute noch unter sozialer Phobie, kann Menschen nur ganz schwer ertragen, ich habe zum Glück keine wirklich ernsthaft körperlichen Beschwerden, aber meine Phobie, meine Depression, meine Angst, verbunden mit Orientierungsschwindel, Kopfschmerzen.... das ist mir geblieben.

Dir fehlt das Essen? Was fehlt dir denn wirklich? Eine Schulter zum Anlehnen, z.B.?

LG :)

Re: Zwischenbilanz

#11
Hallo Butterfly,

ich hatte mir ja vorgenommen, mich kürzer zu fassen. Ich glaube, dieses Projekt wird spätestens jetzt scheitern ;)

Ja, wenigstens das bleibt wohl festzuhalten. Man kann es können. Und den Beweis dafür habe ich mir auch noch selbst geliefert. Wie blöd ^^

Ich bin in Therapie. Schon relativ lange (wobei man sich das "relativ" eigentlich wegdenken muss...).
Meine Therapeutin ist das Beste, was mir passieren konnte. Sie kennt mich seit Kindertagen, was es mir leichter macht, weil ich nicht so viel erklären muss. Wahrscheinlich (wobei man das "wahrscheinlich" eigentlich durch ein "sicherlich" ersetzen muss...) habe ich die Therapie trotzdem nicht so genutzt, wie ich es hätte tun können. Was zum einen daran liegt, dass ich, seit ich denken kann, einen enormen Hang zur Geheimniskrämerei pflege, dazu neige, die Dinge mit mir selbst auszumachen, in meinem enormen Hang zur Geheimniskrämerei sogar so weit gehe, aus mir selbst eine Art Geheimnis zu machen, das man lieber nicht lüften sollte...wer weiß schon, was zu Tage kommt... . Außerdem schäme ich mich für alles mögliche, völlig unverhältnismäßig, aber so sehr, dass es mir unmöglich scheint, jemanden daran teilhaben zu lassen. Oh, und ich denke ständig die Gedanken anderer, was, in Kombination mit chronischer Geheimniskrämerei und einem übertriebenen Schamgefühl, dazu führt, dass ich vieles zurückhalte. Besonders das, was besser nicht zurückgehalten werden sollten.
Dazu gehört beispielsweise die Bulimie. Ich erbreche ja "erst" seit ca. einem Jahr. Davor war ich lange magersüchtig, habe dann durch Fressanfälle zugenommen und irgendwann angefangen, diese zu erbrechen. Sie weiß natürlich, dass ich Probleme mit dem Essen habe, wusste von der Magersucht, den Fressanfällen... Dass ich diese nach wie vor habe, inzwischen aber dazu übergegangen bin, sie wieder rückgängig zu machen...weiß sie nicht.
Ich rede mir ein, dass sie es nicht wissen bräuchte, da es ja kaum um die "Form" der Essstörung ginge. Mehr um die Hintergründe. Und über die Hintergründe, die ja die selben blieben, egal ob Magersucht oder Bulimie, reden wir schließlich, haben wir schon so viel gerdet... Vermutlich mache ich mir etwas vor.

Ich weiß, ich kompensiere. Mir fehlt wohl so einiges. Mir fehlt eine Perspektive, ein Plan, eine Idee davon, was ich mit meinem Leben machen will. Und das fehlt mir, weil ich mich nicht für etwas entscheiden kann, weil eine Entscheidung für etwas, eine Entscheidung gegen alles andere wäre. Aber auch, weil ich die Vision, wenigstens beruflich irgendwann mal etwas "Besonderes" zu machen, noch nicht aufgeben kann. Weshalb ich dann lieber gar nichts mache, oder mal dies und mal jenes. Auch wenn ich mir dabei wie die gescheiterte Oberkatastrophe vorkomme...lieber die gescheiterte Oberkatastrophe, als gewöhnlich...sagte die gewöhnlich gescheiterte Oberkatastrophe.
Es fehlt vermutlich eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein bzw. Selbst...liebe? Und damit auch, dass es vorstellbar wäre, dass mich irgendwer mag...oder liebt. Ich komme gut allein klar. Bzw. gut, häm, aber ich komme klar. Es ist nicht das Alleinsein an sich, das mich traurig macht, sondern eher die Vorstellung, dass es, wegen meiner unliebenswerten Person, nicht anders sein könnte, selbst wenn ich es anders haben wollen würde. Verseht man das?
Es fehlt mir meine Jugend, die ich verschenkt habe, an Kalorien und Kilos und Kliniken und all das...und die ich nicht wiederbekomme.
Der Vollständigkeit halber, ohne auf die Tränendrüse drücken zu wollen, fehlt mir meine Mutter. Der einzige Mensch, dem ich wirklich wichtig war und der einzige Mensch, der mir wirklich wichtig war, ist weg. Es ist nicht so, als hätten wir uns zeigen können, dass wir uns wichtig waren, aber wir wussten es...und das ist auf jeden Fall besser, als tatsächlich niemandem wirklich wichtig zu sein und tatsächlich niemanden zu haben, der einem wirklich wichtig ist. Mit Ausnahme einer Katze, was ich durchaus nicht schmälern will, aber naja.
Ich habe im Moment, anders als anfangs, das Gefühl, ich wäre den Erinnerungen an ihren Tod schutzlos ausgeliefert, könnte nichts mehr ausblenden...nur dann, wenn ich esse. Bloß, darauf kann man sich natürlich prima ausruhen. Man hat jetzt schließlich einen wahrhaft triftigen Grund, zu tun, was man tut. Wie praktisch...
Davon abgesehen, vor fünf Monaten war sie noch da und ich hatte die selben Probleme...deshalb lässt sich das Ganze wohl nur bedingt als Erklärungsversuch anbringen.

Was ich kompensiere, kenne ich, soweit ich das beurteilen kann, ganz gut. Was ich tun muss, um das zu Kompensierende nicht mehr kompensieren zu müssen, hat sich mir noch nicht erschlossen.

Also, das war für eine Person mit meinen Voraussetzungen doch bemerkenswert ehrlich und ausufernd ^^. Gelobt sei die Anonymität des Internets ;)

LG Flicker
Zuletzt geändert von Flicker am Mi Feb 18, 2015 8:35, insgesamt 3-mal geändert.

Re: Zwischenbilanz

#12
Flicker hat geschrieben:ich hatte mir ja vorgenommen, mich kürzer zu fassen. Ich glaube, dieses Projekt wird spätestens jetzt scheitern ;)
Das kann ich bestätigen, liebe Flicker :wink:

Ich finde nicht die Worte, um passend auf Dein Posting zu antworten.
Nur soviel: Du bist mit Deinen Gedanken, Überlegungen u. Gefühlen (soweit ich das rauslesen konnte), nicht allein. Vieles davon empfinde ich ähnlich.
Speziell das mit Freunden, Selbstliebe und Mutter (hat gedauert, bis ich ihren Tod verarbeitet hatte - es gibt nun niemanden mehr, dem ich was bedeute).
Flicker hat geschrieben:Gelobt sei die Anonymität des Internets ;)
Lass Dich da nicht täuschen :mrgreen:
Vorstellung: Hi, ich bin maxi | Privat: Blog