Ich denke, ich brauche Hilfe!

#1
Hallo liebes Forum,
ich hoffe wirklich sehr jemand nimmt sich hier die Zeit um das zu lesen, da es mir wirklich sehr schwer auf dem Herzen liegt und ich sehr traurig bin.

Mit 14 habe ich mir, soweit ich mich entsinnen kann, das erste mal den Finger in den Hals gesteckt. Seid ich denken kann, war ich nicht zufrieden mit meiner Figur. Schon im Kindesalter fand ich meine Arme zu dick. Trotzdem war ich immer sehr glücklich und im großen und ganzen zufrieden.
Seid den letzten 2 Jahren spitzt sich die Sache jedoch sehr zu. Mittlerweile bin ich 20 Jahre alt. Ich habe mein Abitur gemacht und studiere nun im 3. Semester an einer Uni.
Ich kotze jeden Tag. Ich treibe morgens Sport, halte mich über den Tag sehr gut und am Abend, sobald ich ein Stück Brot oder einen Keks gegessen habe, habe ich das Gefühl den ganzen Tag 'kaputt' gemacht zu haben. Dann stopfe ich mich voll und kotze danach. Ich setzte mir selbst immer wieder Ziele, die ich nicht erreiche. Dann erstelle ich einen Plan zum essen, den ich nicht einhalte. Die Brecherei ist ein Zwang und die Essensaufnahme wie ein Wahn.
Vor gut 1,5 Jahren habe ich mich auch von meiner 4jahrelangen Beziehung getrennt. Seidem finde ich mich selbst nicht mehr liebenswert, geschweige denn schön.
Ich möchte nicht mehr brechen und ich möchte nicht mehr so unglücklich sein. Ich möchte schlank sein und zufrieden. Ich weiß auch nicht, woher ich Hilfe bekommen kann und ob ich das alleine schaffen kann, oder nicht. Fakt ist, es geht so nicht weiter. Über Tipps und Meinungen, Hilfe oder einfach nur Kommentare dazu würde ich mich freuen.
Alleine das raus schreiben tat nun gut.

Re: Ich denke, ich brauche Hilfe!

#2
Hallo Bounty,

das kenne ich irgendwie, ich war auch noch ein Kind, als ich anfing zu befürchten, ich sei zu dick. Und ja, Hilfe ist ganz wichtig, damit man da rauskommen kann. Ich habe auch die Uni gemacht unter solch schlimmen Umständen, sehr unglücklich oft. Irgendwann während der Uni habe ich Hilfe durch Therapie gesucht, was mich sehr große Überwindung gekostet hat. Aber ich habe es nie bereut. Hast du schon mal mit jemandem geredet darüber? Hast du Unterstützung durch deine Familie? Reden und zu wissen, dass man nicht allein ist, ist so wichtig. Das Forum ist ein guter Anfang!

Viele Grüße! Erzähl mehr von dir, wenn du magst...

Re: Ich denke, ich brauche Hilfe!

#3
Vielen Dank für deine Antwort!

Ja, einer Freundin habe ich mir anvertraut, die jedoch nicht genau das Ausmaß meines Problems verstehen oder nachvollziehen kann. Meiner Mutter möchte ich es eigentlich nicht antun, da sie nicht mal zeit für sich selbst hat und viele sorgen mit meinen Geschwistern. Ich war immer 'die läuft von alleine'-Tochter und irgendwie möchte ich sie damit auch nicht enttäuschen und sie belasten, die steht wirklich am Rande.
Ich weiß nicht, ob ich eine Therapie brauche. Ich halte mich unterm Strich auch für eine sehr strake Person, die schon genug durchmachen musste, sowohl im Kindes als auch im Jugendalter. Ich glaube oft, es sei besser wenn ich mit einer neutralen Person über meine ganzen Ängste und Unzufriedenheit (und diesem absolut gestörtem Essverhalten) reden könnte. Andererseits möchte ich es selbst schaffen. Es gibt Tage, an denen ich auch der festen Überzeugung bin, dass ich das kann. Leider gibt es auch immer wieder welche, die dann im Bett weinend neben zwei leeren Schokoladenpackungen, einem Eimer und vielen Tempos sitze.

Re: Ich denke, ich brauche Hilfe!

#4
bounty hat geschrieben:Vielen Dank für deine Antwort!

Ja, einer Freundin habe ich mir anvertraut, die jedoch nicht genau das Ausmaß meines Problems verstehen oder nachvollziehen kann. Meiner Mutter möchte ich es eigentlich nicht antun, da sie nicht mal zeit für sich selbst hat und viele sorgen mit meinen Geschwistern. Ich war immer 'die läuft von alleine'-Tochter und irgendwie möchte ich sie damit auch nicht enttäuschen und sie belasten, die steht wirklich am Rande.
Ich weiß nicht, ob ich eine Therapie brauche. Ich halte mich unterm Strich auch für eine sehr strake Person, die schon genug durchmachen musste, sowohl im Kindes als auch im Jugendalter. Ich glaube oft, es sei besser wenn ich mit einer neutralen Person über meine ganzen Ängste und Unzufriedenheit (und diesem absolut gestörtem Essverhalten) reden könnte. Andererseits möchte ich es selbst schaffen. Es gibt Tage, an denen ich auch der festen Überzeugung bin, dass ich das kann. Leider gibt es auch immer wieder welche, die dann im Bett weinend neben zwei leeren Schokoladenpackungen, einem Eimer und vielen Tempos sitze.
liebe Bounty,

ich zitiere das mal,weil ich mich darin sehr wieder erkannt habe. Bei mir ist es wie bei dir: man ist die "läuft von alleine"-Tochter. Meine Schwester ist psychisch krank und meine Mutter hat Angststörungen, deshalb war es mir immer irgendwie unangenehm, meine Probleme dazu zu legen.

Wenn man jeden Tag erbricht, dann ist das schon ein starkes Indiz dafür, dass da etwas gewaltig aus dem Ruder gelaufen ist. Ich würde schon sagen, dass du Hilfe brauchst.
Wenn du nicht mit der Familie oder mit Freunden darüber reden möchtest, dann würde mich an Einrichtungen wie die Diakonie wenden. Da war ich schon mal, die beraten einen und können einen auch an geschulte Therapeuten verweisen.
Was ich auch toll finde: in meinem Umkreis gibt es ein Mädchenhaus. Da sind bis 25 Jahre alle Mädels und Frauen willkommen. Dort kannst du dich auch hinwenden, die bieten auch Beratungen und Hilfe bei Essstörungen an.
Vielleicht gibt es in deiner Stadt auch die Overeaters Anonymus. Das ist eine Selbsthilfegruppe, bei der Essstörungen jeder Art willkommen sind. Es ist kostenlos und jeder ist willkommen.

Vielleicht hilft dir das ja für den Anfang.

Ansonsten: toll, dass du nach einer Lösung suchst. das ist schon mal der richtige weg! :)

willkommen an Bord!

lg
Oh, deine Zukunft ist so ungewiss,
Dein Leben voller Angst und Schiss, du fängst erst gar nichts an,
Denn es ist so gemütlich und sicher,
Auf deiner Insel voller Leid, jaja...

Re: Ich denke, ich brauche Hilfe!

#5
Ich kann Colo da bestärken, ich glaube schon, dass man Hilfe braucht. Obwohl ich Einzelkind bin, musste ich in meiner Familie trotzdem immer die Verantwortungsbewusste sein, die, die ihr eigenes Leben in die Hand nimmt - weil ich ja ganz bestimmt nicht in psychische oder in Suchtprobleme wie der andere Teil der Familie geraten würde. Und dann kam die MS und die Bulimie. Und ich wollte auch stark sein, aber ohne Hilfe ging das nicht, ich habe damit dann auch viel zu lange gewartet. Wenn du Anlaufstellen in deiner Nähe ausfindig machen kannst, wie die, die Colorama erwähnt, nutze das. Das ist auch ein Zeichen der Stärke, finde ich.
Und zu deiner Freundin; ich glaube schon, dass es für viele Menschen schwer nachzuvollziehen ist, was mit uns los ist. Ich finde es aber trotzdem super, dass du dich ihr anvertraut hast - und auch, dass du dir schon Gedanken gemacht hast, mit einer neutralen Person sprechen zu mögen. Das geht ja alles in die richtige Richtung!
Liebe Grüße und viel Kraft

Re: Ich denke, ich brauche Hilfe!

#6
Hallo,

erstmal Willkommen im Forum, ich glaube das ist schonmal ein großer Schritt in die Richtung der Genesung :-)

Ich denke bei einem so langen Krankheitsverlauf kommt man nicht mehr raus ohne Hilfe. Wie diese am besten Aussieht ist für viele ganz unterschiedlich. Ich glaube gemeinsam haben aber alle, die Gesund werden, dass sie wirklich akzeptieren, dass sie krank sind. Und zu akzeptieren dass das Gesundwerden ein langer Weg ist für den man auch arbeiten muss :-) auch die Thera ist bewirkt keine Wunder, man muss da auch an sich weiterarbeiten, aber sie hilft zumindest mir an Stellen dranzukommen, die ich so gar nicht wahrgenommen hätte, weil ich sie eher verdränge.

Für mich ist die B. eine Art Abwehrmechanismus die zur Krankheit selbst mutiert ist. Bei mir war es so dass ich zunächst ganz viel ausprobiert habe um selbst alleine mit der B. fertig zu werden, was geholfen hat hab ich weitergemacht was mir nicht geholfen hat hab ich verworfen. Ich hab dabei im Forum oft geschrieben, wie ich was wie erlebe.

- Den Knackpunkt hatte ich bei mir zum Einen als ich realisiert habe, dass ICH es nicht alleine schaffe.
- Und zum Anderen, als ich realisiert habe das ich einfach krank bin, ich mich selbst mit einer Behinderung akzeptiert habe (im Sinne von, ich bin nun mal nicht so belastbar wie ich gerne wäre, ich muss mein Ich-Ideal runterschrauben, denn es ist so hoch das ich nur fallen kann bei dem Versuch es zu erreichen)
- der letzte ist, dass ich denke, dass ich aufgeben muss abnehmen zu wollen... ein bestimmtes Gewicht halten zu wollen... sondern den Fokus auf ein gesundes Leben richte. Ich will gucken, dass ich mich weder vollfresse noch hungere noch extrem zwanghaft Sport treibe. Ich also einen Mittelweg finde und lerne mich akzeptieren und mögen zu können so wie ich bin. Ich weiß, dass ich mich mit *kg vielleicht attraktiver fühle als mit *kg, aber gemocht hab ich mich trotzdem nicht... Aber an dem Punkt feile ich noch :?

Dinge die mir geholfen haben. Aufgelistet nachdem was mir gerade einfällt nicht nachdem was mir am Besten geholfen hat:
- Pro k*freien Tag Sticker in den Kalender kleben
- Notizblockapp: bei FA-Drang aufschrieben welche Assoziationen ich gerade habe, ohne diese zu bewerten
- bei Fa-Drang Ablenkung: raus gehen, heißes Getränk trinken, so viel trinken wie Möglich, ablenkungen suchen (lesen, malen, ...)
- Notizblockapp: aufschreiben was ich wann esse und wie ich mich fühle (ganz grob, keinen Plan machen, dass geht bei mir schief, sondern immer im Nachhinein schreiben Uhrzeit, was gegessen (auch grob also nur den Oberbegriff), wenn besondere Emotionen da waren hab ich die auch dokumentiert) [ich esse nun ca. alle 5 St. bekomme ich 1 St. nach ner großen Mahlzeit hunger... weiß ich inzwischen, dass ich gerade irgendein Bedürfnis von mir verdränge... elender Scheinhunger]
- bei nur leichten FA-Drang auf die Assoziationen eingehen (wenn müde, dann gehe ich halt schlafen, wenn einsam, dann rufe ich ne Freundin an, ... wenn kalt dann warmen Tee gemacht, ...)
- ich habe mir Ruhetage gegönnt, wenn ich sie gebraucht habe (bin halt krank ;-))
- versucht aufzudecken, wann ich mich selbst belüge
- Probleme angegangen
- Thera begonnen
- im Forum schreiben
- Gesundheit über alles gestellt, heißt kein kotzen um jeden Preis, FAs drin behalten, Gewichtszunahme inkauf nehmen.
- von mehrmals tgl. Wiegen auf einen Wiegetag in der Woche
- das Buch "Wenn Frauen zu sehr lieben" schlüßelt Verhaltensmuster von süchtigen unheimlich gut auf, hab daraus viel gelernt

Bei mir ist aktuel das Kotzen kein Problem mehr, aber die FAs dagegen sind noch da ich benutze das Fressen, als Abwehrmechanismus bei Stress und wenn ich mir gerade bestimmte Emotionen nicht eingestehe (zum Beispiel darf ich doch gar nciht unglücklich sein, wenn ich doch alles habe und co)
neu bei mir:
- pro FA-freien Tag gibts nen Stein in ne Box. 1 Stein = 1 Euro. Dies kann ich nehmen für Sachen die ich mir sonst absolut nicht gönnen könnte (nicht weil es finanziel nicht geht, sondern weil ich Probleme habe mir etwas zu gönnen)
- Ziel wiegen 1 mal im Monat (halte im Moment gerade 2 Wochen aus)
- überlege in eine Selbsthilfegruppe zu gehen, hab den ersten Schritt gemacht und hab ne Zentrale in meiner Stadt angeschrieben und nach Selbsthilfegruppen gefragt
- mehr in der Gegenwart leben, weniger an Plänen für die Zukunft (Essensplan, Arbeitsplan, to do Liste) arbeiten, sondern dass was grade "to-doListenmäßig" draufsteht gerade machen.
- beschäftige mich mit dem Buddhismus (hilft mir im Moment, da die sehr viel Wert auf den mittleren Weg, also weder Völlerei noch Askese, legen und auch betont wird.... weiß nicht fühle mich einfach besser, wenn ich mich damit befasse.
- Ich mir Zeiten in der Woche freiräume in denen ich mir nichts vornehmen darf, GAR NICHTS, wo ich dann ganz spontan entscheiden muss was ich machen will und wenn es NICHTS tun ist :-)

Ich bin noch lange nciht gesund, aber schon auf nem guten Weg dahin. Ich probiere weiterhin Verschiedenes aus um zu lernen wie ich mich selbst akzeptieren und hoffentlich irgendwann mögen und lieben kann.

Ich wünsche dir auf deinem Weg ganz viel Kraft
Flieder :-)

Re: Ich denke, ich brauche Hilfe!

#7
Hallo und herzlich willkommen auch von mir,

mich hat dein Eintrag ziemlich an meine eigene Story erinnert. Ich hab auch schon vor vielen Jahren mit dem ganze angefangen und es hat sich so durch mein Leben gezwungen. Ich bin so alt wie du und bin gerade an meinem Krisenpunkt angekommen, jeden Tag hab ich zu kämpfen damit.
Ich war vorher ein Jahr symptomfrei und habe jetzt den Rückfall vor einigen Monaten gehabt, und es ist so schlimm wie ich im Traum nicht dran geglaubt habe. Aber jetzt hab ich mir Hilfe gesucht, das erste Mal. Ich habe einigen guten Freunden davon erzählt und war erst an einer Beratungsstelle zu regelmäßigen Sitzungen ,bis ich jetzt eine Therapie angefangen habe. Und oh gott, ich kann dir sagen da steckt viel mehr da hintern als ich dachte. Aber ich habe mir jetzt das erste Mal und auch von mir selber aus Hilfe gesucht, und auch wenn es schwer ist, es tut doch unheimlich gut. Ich dachte immer ich schaff das alleine,bloß keine Schwäche zeigen. Therapie? So was brauchen nur schwache Menschen.Aber dieser Teil bröckelt langsam, denn wir brauchen Hilfe und gerade sich das einzugestehen zeigt große Stärke.
Auch der Aspekt mit deinen Geschwistern und deiner Mutter kenn ich, geht mir genauso.
Was ich mit dem allen eigentlich sagen will, ist das wir Hilfe brauchen, denn es tut auch unheimlich gut nach anfänglicher Überwindung mal loszulassen und schwäche zu zeigen.

Ganz liebe Grüße,

Almi