Ich möchte mich vorstellen

#1
Hallo Zusammen,

ich bin Zoa und habe keine Esstörung.
Ich bin nicht hier, um mich über Euch lustig zu machen oder Euch zu bemitleiden.
Ich möchte auch niemandem zu nahe treten, verzeiht bitte, wenn ich es doch getan haben sollte. Es ist jedenfalls nicht meine Absicht.
Mit "Ihr" meine ich im übrigen nicht "Ihr, die ES habt", sondern "Ihr, die Ihr hier im Forum seid". Nur dass wir uns da nicht missverstehen..

Ich bin hier, weil ich Euch von meiner Kraft abgeben möchte.

Ich bin durch Zufall auf dieses Forum gestoßen und was ich hier gelesen habe, hat mich sehr getroffen.
Einige von Euch habe ganz furchtbare Dinge erlebt, ich kann nur erahnen, was das auszulösen vermag.

Manche sind wirklich gequälte Seelen und es tut mir leid, solche traurigen Zeilen lesen zu müssen.

Aber JEDE einzelne von Euch ist ein Mensch, der auch großartige Seiten hat. Liebenswerte Seiten. Schöne Seiten.
Nur könnt Ihr sie nicht an Euch selbst sehen..

Was mich wirklich überrascht, ist dass Ihr Euch gegenseitig Trost spenden könnt und beim jeweils anderen das erkennt, was Ihr eigentlich alle in Euch habt: ein tolles Wesen.
Ihr könnt den anderen ermutigen, Energie spenden, aber habt Eure eigene manchmal verloren und findet sie nicht mehr eigenständig.
Ihr seid so diszipliniert, ehrgeizig und fleissig, was Eure ES betrifft. Daraus lese ich, dass Ihr unglaublich stark sein könnt.
Wenn Ihr diese Stärke nur für Euch selbst, für ein schönes Leben nutzen könntet..
Das Leben kann so schön sein, auch wenn manche von Euch das gerade nicht erkennen können. Ein Sonnenstrahl, ein Regentropfen, eine kleine Schnecke mit ihrem Haus..

Natürlich maße ich mir jetzt nicht an zu sagen, dass Eure Probleme nicht schwerwiegend sind. So sehr, dass einen das Leben nicht mehr interessiert. Aber falls es euch für einen Moment besser geht, könnt Ihr es vielleicht auch fühlen oder sehen..

Na jedenfalls möchte ich mich- wenn Ihr das denn möchtet- gern zur Verfügung stellen für Fragen, die Ihr gern einer Nicht-Betroffenen stellen wollt. Oder einfach zum Kraft und Trost und Freude spenden, so denn ich das denn kann.

Wenn Ihr der Ansicht seid, dass ich hier fehl am Platze bin, respektiere ich das natürlich und melde mich wieder ab.
Bitte lasst es mich wissen.
Es grüßt Euch

ein Sonnenstrahl

Re: Ich möchte mich vorstellen

#3
Einfach genial, Dein Einsatz, dass Du uns Deine Zeit schenken magst, dass Du aufmerksam liest, dass Du nicht durch Mitleid mit uns sprechen musst, sondern Kontakt auf Augenhöhe möglich zu sein scheint!

Ich denke Du wirst vielen hier Mut machen, sie aufbauen und ihnen, wie Du schreibst, ein wenig von Deiner Kraft schenken..

Alles Liebe und auch für Deinen Weg alles Gute.
Der Zustand, in dem ich alles an Essen da habe, ohne auch nur den geringsten Essdruck zu verspüren, ist mein normaler Zustand. Mein Körper sagt mir, was, wann und wie viel er will. Immer, wenn ich Essdruck verspüre ist etwas nicht in Ordnung.

Re: Ich möchte mich vorstellen

#5
guten morgen zoa!

auch von mir ein willkommen!! eine frage habe ich gleich: was mich schon lange brennend interessiert ist, wie sehen nicht-betroffene das thema bulimie. kann man sich das überhaupt vorstellen?! daß man nach dem essen tatsächlich wieder erbricht?! für mich ist das ja eine "normale" sache. selbst wenn ich monatelang symptomfrei bin und wer weiß, vielleicht die momentane sypmtomfreie zeit für immer anhalten wird, wird es trotzdem immer als eine art notlösung für mich da sein.

ich träume manchmal davon, wie es wohl wäre, wenn ich nie eine essströung bekommen hätte. und stelle dann fest, daß ich gar nicht mehr weiß, was ein normaler umgang mit essen ist, wie sich das anfühlte, bevor ich die ES bekommen habe. wie traurig eigentlich. vielleicht kannste das ja mal bei mir reaktivieren ;)

liebe grüße und schonmal ein schönes wochenende,

hanne

Re: Ich möchte mich vorstellen

#6
hanne hat geschrieben:eine frage habe ich gleich: was mich schon lange brennend interessiert ist, wie sehen nicht-betroffene das thema bulimie. kann man sich das überhaupt vorstellen?! daß man nach dem essen tatsächlich wieder erbricht?!
Hanne, auch ich lese hier als Nicht-Selbst-Betroffener eifrig mit.

Zum einen bin ich zutiefst schockiert über die Schicksale und die ganze Verzweiflung/Ohnmacht, die sich hier auftut. Andererseits hilft mir dieses Forum sehr, meine Bekannte mit ihrer Störung besser zu verstehen. Wer sich ernsthaft damit beschäftigen will, der wird (wenn er will) dann auch Verständnis aufbringen können.

Gruß von Anton

Re: Ich möchte mich vorstellen

#7
Liebe Hanne,
Für mich ist es gar nicht real fassbar, dass man sich nach dem Essen erleichtern muss. Klar, auch ich habe mal ein Völlegefühl nach dem Essen, aber ich weiß dass es bald wieder vorbei ist. Und wenn es gar nicht auszuhalten ist, trinke ich einen Tee. Das wars aber dann auch schon.
Da ich das Essen als einen Genuss betrachte, käme ich nicht auf die Idee, es wieder loszuwerden. Ich mag das Gefühl satt zu sein.
Bulimie an sich ist für mich eine sehr hinterhältige Krankheit, die sicherlich schwer in den Griff zu bekommen ist. Sie gaukelt einem offensichtlich etwas vor, das so stark ist, dass Menschen eines der höchsten Überlebenssyteme aufs Spiel setzen. Das Essen.

Aber ich weiß, dass es möglich sein muss-das zeigen ja die vielen positiven Beispiele.
Aber dass es Kraft kostet- keine Frage!
Ich würde gern erzählen, wie Essen sein kann, aber ich weißnicht, ob es jemanden ggf. zu FAs triggern kann..
Ansonsten: gerne!
VG
Zoa

Re: Ich möchte mich vorstellen

#8
Liebe Facilité,
Gern! Ich gebe mein bestes und bitte vorab schon um Verzeihung, wenn ich etwas verletzendes sagen sollte. Diese Welt ist so neu für mich, dass ich es im Zweifel nicht besser weiß..
Dir schon einmal vorab Gratulation zu deinen Erfolgen!
Jeder Tag ohne ist ein Erfolg, den Du feiern und dich mit etwas belohnen solltest.
VG Zoa

Re: Ich möchte mich vorstellen

#9
hi zoa,

ich würde dir gerne jetzt ausführlich antworten und hätte auch noch die ein oder andere frage. aber mein freund ist das wochenende zu besuch und ich hab also keine zeit groß am rechner zu sitzen - schon gar nicht soll er sehen, auf welcher seite ich bin. er weiß davon nichts und das soll auch so bleiben...vorerst...

ich hoffe, du bist die nächsten tage noch hier!

liebe grüße

hanne

Re: Ich möchte mich vorstellen

#10
hallo zoa,
vielen dank für die warmen worte :)
Aussenstehende können das meistens nicht nachvollziehen wie schlimm das ist, jeden tag angst zu haben, ob man es heute schafft ohne, oder wieder einmal rückfällig wird..
deswegen bringt es meistens auch nichts das thema anzusprechen..

aber ich finde es toll, dass du anbietest, als aussenstehede, dir anzuhören und ggf. ein feedback zu geben :)

LG

Re: Ich möchte mich vorstellen

#11
Ihr Lieben,
Ich hätte nie gedacht, so nett aufgenommen zu werden. dafür danke ich euch schonmal sehr.
Ganz ehrlich: wenn man sich nicht vorher mit der Krankheit auseinandergesetzt hat, ist es echt schwierig, darauf zu reagieren.
Ich wüßte selbst jetzt nicht, wie es "richtig" wäre, wenn mir ein nahestehder Mensch so etwas offenbaren würde. Da dem Durchschnittsmenschen vermutlich nicht klar ist, dass das Loswerden des Essens nur einem Teil der Krankheit ausmacht, die Ursache aber oft eine andere ist, ist auch nicht sofort klar, wie man helfen kann.
Umd deswegen denke ich: je mehr Offenheit, desto leichter ist es, Hilfe zu bekommen von Angehörigen und Freunden.
Ich kann nur ansatzweise erahnen, wie schwer das Outing sein muss.
Aber ihr müsst euch eines klar machen:
Wenn ihr euch Außenstehenden öffnet, ist der erste Gedanke sicher kein Schuldvorwurf. Sonder zunächst die Sorge um die Freundin, Tochter, Schwester oder Nichte (das gilt natürlich ebenso für Brüder, Väter etc.)
Also erlaubt uns Außenstehenden, Euren Schmerz mit zu tragen, Euer Leid mit zu teilen und euch auf dem Weg der Krankheit und Genesung zu begleiten.
Denn ich bin mir sicher, dass jeder einen Menschen hinter sich stehen hat, der sich um ihn sorgt. Auch wenn es nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist.
Also habt Mut!
Zoa

Re: Ich möchte mich vorstellen

#12
Hallo Zoa!!

Also ich find es echt toll und bewundernswert, dass du als Außenstehende hier bist und deine Hilfe anbieten willst! Darf ich fragen wie du dazu gekommen bist? Und dann noch fragen, die mich persönlich interessieren: Wie alt bist du? Hast du Betroffene aus deinem Umfeld? Bist du aus Österreich?

Also ich kann nur sagen - diese Krankheit ist sehr zwiegespalten...ich weiß zwar, dass sie mich und meine Gesunheit ruiniert, auf der anderen Seite gibt sie auch eine gewisse Art von Schutz und Sicherheit..sie hilft mir, mit Problemen und schlechten Gefühlen klarzukommen, man muss sich damit dann nicht befassen, weil alles durchs Essen und Erbrechen überdeckt wird...
Ich hab mich zwar schon sehr vielen Leuten anvertraut (Familie, Freund, Freunde), allerdings höre ich von meinen Eltern nur mehr immer mehr Vorwürfe - von meinen Eltern, dass ich schuld bin, dass die Familie kaputt ist, dass ich im Studium nix weiterbring und nur Zeit verschei*, dass ich ihnen an der Tasche häng, dass ich selber schuld bin und nix dagegen tu - obwohl ich momentan in der Tagesklinik in Behandlung bin), ziemlich das Gleiche auch von meiner Schwester (die noch schön brav nach den Vorstellungen meiner Eltern lebt), von meinem Freund (dass ich nix tu, dass ich die Beziehung zerstör, obwohl er mich doch auch sehr unterstützt) und zum Teil auch von Freunden (dass ich nix tu, dass es mir besser geht - obwohl ich vor 2 Jahren schon mal stationär war und jetzt wieder in einer Tagesklinik bin, die ich auch verlängern möchte...)

Es ist einfach so verdammt schwierig, wieder einen Grund fürs Kämpfen zu finden (vor allem wenn man als Aussicht nur hat, dass man möglichst schnell und zügig sein Studium durchziehen soll....)...

Naja ich find es auf jeden Fall wirklich toll, dass du dich hier angemeldet hast, würd mich freuen, von dir was zu hören :) :)

Liebe Grüße, defiant

Re: Ich möchte mich vorstellen

#13
Guten Morgen,

einige Worte zu mir:
Ich bin aus Deutschland und 33 Jahre alt. Ich kenne niemanden, der eine ES hat, zumindest ist mir in meinem Umfeld noch nichts aufgefallen. Ich bin Juristin- soll heißen, ich habe auch im Beruf nichts mit dem Gesundheitswesen o.ä. zu tun, habe keine Kinder, bin verheiratet.
Mir war diese Krankheit gar nicht richtig bewußt, bevor ich hier auf das Forum traf. Man hört "dubiose" Sachen aus der Presse, macht sich aber eigentlich keine weiteren Gedanken darüber.. Genau deswegen war ich..ich weiß gar nicht genau, wie ich das beschreiben soll, vielleicht trifft es erschrocken am ehesten.. als ich die Seiten hier gelesen habe..
Daher danke ich Dir, aber ich finde es nicht bewunderswert, hier zu sein. Denn für mich ist es sehr viel leichter, als für Betroffene. Weil es mein Leben nicht im Griff hat, weil ich einfach nur hier bin, ohne größere Überwindung..
Und deswegen ist es glaube ich ein guter erster Schritt, wenn sich Betroffene und auch Angehörige und Freunde hier austauschen können und das auch tun. Anonsten ist es- eben wegen der fehlenden Hintergrundkenntnis- einfach eine "dubiose" Sache für Nichtbetroffene, deren Ausmaß einem selbst völlig verborgen bleibt.

Eine Frage nun von meiner Seite, ob ich es richtig verstanden habe:
Betroffene sind sich meistens dessen bewußt, dass sie von einer Krankheit bestimmt werden, oder? Denn ich habe zu meinem Entsetzen, als ich im Internet recherchiert habe, auch Seiten gefunden, die das als eine Art Lebensform zu bejahen scheinen. Wo mir ehrlich gesagt das Verständnis echt noch fehlt..
Soll heißen, man weiß, dass man krank ist, kann aber nicht aufhören. Vielleicht wie eine Sucht?
Und: bei anderen Süchten erlebt man ggf. einen Kick oder sowas am Anfang. Aber wie ist das bei ES Betroffenen? Was gibt einem das, wozu sich Betroffene verpflichtet fühlen, nämlich alles wieder loszu werden? Was löst das aus?

Ich frage nur, weil ich mir folgendes überlegt habe.
Wenn man sich dessen bewußt wird, bzw. bewußt machen kann, was man dadurch "bekommt", kann man sich ggf. Gedanken machen, ob man diese "Hilfe" nicht auch anders erreichen kann. Setzt natürlich voraus, dass man die Kraft hat, sich zu konfrontieren.
Viele hier scheinen den Auslöser zwar zu kennen, kommen aber mit diesem Wissen scheinbar nicht richtig weiter. Und manchmal hilft es ja vielleicht auch schon, sich mal ganz bewußt diese kraftzehrenden Gedanken zu machen, was genau einem die ES gibt. Und diese Hilfe dann woanders finden kann? Könnte ein erster Schritt ins Leben sein, was meint ihr?
Oder ist das von meiner Seite zu simpel gedacht? Ich weiß nicht, bin wie schon gesagt, kein Therapeut..

Nun zu Dir: Ich finde es großartig, dass Du etwas tust!! Das schon mal vorab als erstes.
Und ich kann dir nur sagen, dass du ohne die ES vermutlich zu folgender Erkennntis kämst, wenn dir dein Umfeld (wegen einer anderen Sache zB) ähnliche Schuldvorwürfe machen würde:

DU BIST NICHT SCHULD!!

Denn du bist das Kind, also das Kleine in der Familie. Eltern sind das Große, SIE tragen zunächst einmal die Verantwortung für die Familie. Und ihr Verschulden (wenn man hier überhaupt von Schuld sprechen kann) ist es, dich offensichtlich nicht so stützen zu können, wie du es brauchst und verdienst. Gilt auch für deinen Freund. ER muss lernen, dir in deiner Krankheit helfen zu können, und wenn die Hilfe nur darin besteht, dich in diesem Punkt in Ruhe zu lassen. Und wenn man so fremdbestimmt ist, ist es eben nicht so einfach, Uni, Job, Leben und Zukunft zu gestalten. Soll heißen, DU als einzelne Person wirst in meinen Augen gar nicht in der Lage sein, das alles was du beschrieben hast, zerstören zu können. Denn dazu gehören auch immer die, die das zulassen.
Und mal ganz ehrlich: Du könntest dich auch einfach der ES hingeben und fertig. Aber nein, DU tust etwas, Und damit bist du offensichtlich wesentlich stärker, als es dein Umfeld für dich zur Zeit sein kann.

Es ist immer leicht gesagt, dass ein anderer die Verantwortung für etwas trägt.. und ich glaube, diese Aussage kommt häufig von Menschen, die einfach selbst mit Ihrem Dasein oder eben der ES einer Angehörigen überfordert sind. Aber ich denke, jeder Betroffene hat das Recht, Hilfe zu verlangen. Und wenn diesem Wunsch nicht nachgekommen werden kann, dann muss wenigstens anerkannt werden, was der Betroffene dafür tut, sich zu helfen.
Naja, das klingt jetzt alles ganz gut und völlig logisch- wie man das in der Praxis umsetzt..puuh. Ich hoffe, dass ich, sollte ich jemals damit konfrontiert werden, das richtige tun kann.
Die Essenz des Ganzen:

A. IHR HABT DAS RECHT, HILFE EINZUFORDERN!
B. Wenn ihr irgendwann die Kraft findet, könnt ihr vielleicht eurem Umfeld verzeihen. Oder eben nicht, das hängt davon ab. Ich jedenfalls würde mir das als Mutter, Freundin, Schwester wünschen, wenn ich jemanden, den ich liebe, aus Überforderung allein gelassen habe..

VG

Zoa

Re: Ich möchte mich vorstellen

#14
Hallo erstmal,

ich find das total stark von dir, sich so mit nem Thema auseinanderzusetzen, was dir eigentlich "egal" sein könnte und wildfremden Leuten deine Hilfe anzubieten, so jemanden habe ich (leider) noch nie getroffen. :D
Zoa hat geschrieben: Vielleicht wie eine Sucht?
Und: bei anderen Süchten erlebt man ggf. einen Kick oder sowas am Anfang. Aber wie ist das bei ES Betroffenen? Was gibt einem das, wozu sich Betroffene verpflichtet fühlen, nämlich alles wieder loszu werden? Was löst das aus?
Mein Hausarzt hat mir ganz am Anfang meiner Therapie mal diese Magnetakupunkturpiercings rund ums Ohr geschossen, und jedes mal, wenn ich das Bedürfnis nach einem FA hatte, konnte ich dann mit so einem kleinen Magneten hingehen, und die Akupunkturpunkte stimulieren.
Vielleicht ist es ja nur der Placebo-Effekt, aber ich hatte das Gefühl, dass es mir dann irgendwie ein bisschen besser ging.

Er meinte dann auch, genau die gleichen Stellen werden auch bei Suchtkranken, die von irgendwelchen Substanzen abhängig sind, genutzt, um ihnen damit zu helfen, mit dem, ich nenn das mal Jieper, besser umzugehen.

Also glaube ich schon, dass das irgendwie eine Sucht ist, ich hatte immer das Gefühl, mit Essen und Selbstkasteiung irgend eine Leere in mir auffüllen zu müssen, so bescheuert das auch ist, wenn man mal einen Schritt zurücknimmt und sich das in Ruhe vor Augen führt.
"Belief will change my world.
It has changed countries, continents, it has put men on the moon
and it will carry me."
http://www.youtube.com/watch?v=yX39J_YyKbs

Re: Ich möchte mich vorstellen

#15
Zoa hat geschrieben: Eine Frage nun von meiner Seite, ob ich es richtig verstanden habe:
Betroffene sind sich meistens dessen bewußt, dass sie von einer Krankheit bestimmt werden, oder? Denn ich habe zu meinem Entsetzen, als ich im Internet recherchiert habe, auch Seiten gefunden, die das als eine Art Lebensform zu bejahen scheinen. Wo mir ehrlich gesagt das Verständnis echt noch fehlt..
Soll heißen, man weiß, dass man krank ist, kann aber nicht aufhören. Vielleicht wie eine Sucht?
Und: bei anderen Süchten erlebt man ggf. einen Kick oder sowas am Anfang. Aber wie ist das bei ES Betroffenen? Was gibt einem das, wozu sich Betroffene verpflichtet fühlen, nämlich alles wieder loszu werden? Was löst das aus?

Ich frage nur, weil ich mir folgendes überlegt habe.
Wenn man sich dessen bewußt wird, bzw. bewußt machen kann, was man dadurch "bekommt", kann man sich ggf. Gedanken machen, ob man diese "Hilfe" nicht auch anders erreichen kann. Setzt natürlich voraus, dass man die Kraft hat, sich zu konfrontieren.
Viele hier scheinen den Auslöser zwar zu kennen, kommen aber mit diesem Wissen scheinbar nicht richtig weiter. Und manchmal hilft es ja vielleicht auch schon, sich mal ganz bewußt diese kraftzehrenden Gedanken zu machen, was genau einem die ES gibt. Und diese Hilfe dann woanders finden kann? Könnte ein erster Schritt ins Leben sein, was meint ihr?
Oder ist das von meiner Seite zu simpel gedacht? Ich weiß nicht, bin wie schon gesagt, kein Therapeut..
Teil 1

Genau - im Gegensatz zu Magersüchtigen, sind sich BulimikerInnen ihrer Krankheit relativ schnell bewusst. Allerdings haben sie einen riesigen Leidensdruck, sie machen sich Vorwürfe, ihr Verhalten ist ihnen peinlich, sie haben Angst und holen sich deswegen leider oft erst nach vielen Jahren Hilfe. Ich denke gerade solch ein Forum kann Betroffene deswegen ausgezeichnet unterstützen, zu lernen, sich selbst nicht zu verurteilen, sondern sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht und diese dann auch einzufordern.
Vollkommen richtig - man weiss, dass man krank ist und kann nicht aufhören. Ja, ähnlich wie bei einer Sucht.
Nunja. Zunächst ist die Bulimie ein Recht einfacher Weg, dem Alltag zu entkommen, Stress abzubauen (wobei dieser nur kurzfristig abgebaut und danach durch das Erbrechen und die folgenden Selbstvorwürfe wieder steigt), Gefühle, Gedanken etc zu unterdrücken usw. Bei Teil 2 schreibe ich genauer, inwiefern die Bulimie mich unterstützt hat.
Dann können wir das ganze noch von der Biochemie aus betrachten, was durchaus interessant ist. Die meisten hier werden bestätigen, dass sie bei FA's vor allem KH haltige Lebensmittel zu sich nehmen, oft in Kombination mit Fett. Also Kuchen, Teilchen, Kekse, Schokolade, Nudeln, Reis etc. (Die einfachen KH, die, die schnell ins Blut gehen). Das ist ziemlich schlau von unserem Gehirn, denn bereits wenn das Essen im Mund ist, wird ganz viel Insulin ausgeschüttet, da ein hoher Blutzuckerspiegel erwartet wird. Durch den hohen Insulinspiegel, kann L-Tryptophan, eine Aminosäure, der Baustein für Serotonin, die Blut-Hirn-Schranke passieren, denn das geht nur bei einem hohen Insulinspiegel und somit kann, viel Serotonin gebildet werden. (Ausführlich erklärt im Buch Zucker und Bulimie).
Das heisst, Bulimie schüttet Glückshormone aus. Wie alle Süchte. Bei der Magersucht durch das Hungern, beim Rauchen durch das Nikotin, Alkohol usw.

Teil 2

So als Systemische Therapie Fanatikerin kann ich Dir sagen, dass genau das einer der vielen Ansätze dieser Therapie Form ist. Denn Fakt ist (hier wird Caruso mir sicherlich widersprechen), dass die Bulimie uns etwas positives gibt, etwas auf das wir (noch) nicht verzichten wollen/können, weshalb wir sie permanent aktiv aufrechterhalten.

Ich habe festgestellt, dass die B. mir in vielen Alltagssituationen hilft, unangenehme Aufgaben für mich übernimmt.
Wenn ich gestresst war, war sie eine kleine Oase der Erholung, wenn ich angespannt war, konnte ich mich ablenken und die Anspannung wurde reguliert, starke Gefühle konnte ich durch den Vorgang der Bulimie unterdrücken, bzw. sie aufschieben und hinterher waren sie abgeschwächt und somit erträglicher, oft habe ich nicht ausreichend für meine eigenen Bedürfnisse gesorgt, vor allem in Anwesenheit anderer. Dann nutzte ich hinterher die Bulimie und wusste dadurch, dass ich nicht gut für mich gesorgt hatte. Bei allgemeinem Unwohlsein hat sie meine Zeit gefüllt, den Serotoninspiegel gehoben. Das Essen hat mir meine Einsamkeit genommen. Da waren das Essen und ich und das war schön so. Da durfte ich mich geborgen fühlen. Somit hat das Essen meine grösste Sehnsucht gestillt, es war zuverlässig immer da und hat mich nie im Stich gelassen. Hat mich eingelullt und vor allen Problemen bewahrt - wie es eine Mama mit ihrem Säugling macht.
Oft hatte ich keine Lust auf Dinge, traute mich jedoch nicht mich abzugrenzen, dann nutzte ich die B., die dann wiederum legitimierte, dass ich nicht hingehe. Dann habe ich wie viele Frauen PMS (prämenstruelles Syndrom), also Unwohlsein, Heisshunger etc. vor der Periode.
Erst ganz spät und durch das tolle Systemische Buch wurde mir bewusst, dass ich mich bereits am Morgen selbst schlecht rede, mich runter mache, Selbstvorwürfe etc. und so die Bulimie aktiv aufrechterhalte.

Damals notierte ich:
Was gibt mir dir Bulimie - positive Eigenschaften:
- ermöglicht Abgrenzung
- hilft eigene Bedürfnisse durchzusetzen
- tröstet
- hilft gegen Einsamkeit
- reguliert Anstrengung
- hilft bei Stress
- schiebt Dinge aus (unangenehme)
- hilft viele positive/negative GeFühle abzubauen
- ermöglicht viel zu essen, ohne schlechtes Gewissen?

So nun hatte ich mir also damals aufgeschrieben, wo die Bulimie mir hilft. Ich habe sie zu meiner Freundin genommen, die mich an den Stellen unterstützt, an denen ich selbst noch keine Verantwortung für mich und mein Leben übernehmen konnte. Dann habe ich daran gearbeitet nach und nach selbst Verantwortung in diesen Situationen zu übernehmen. Mir wurde bewusst, dass ich mir nichts gutes tue, in dem ich mich vollstopfe und dass das auch keine Probleme löst, sondern nur aufschiebt.
Eine ganz wichtige Erfahrung war ausserdem, dass dieser Essdruck wie eine Welle ist, die kommt und wieder geht, nur leider dauerte das meist 2 Stunden und das war dann schon schwierig auszuhalten, aber es ist machbar. :)

Ich weiss, dass ich alle Alltagssituationen auch ohne Bulimie bewältigen kann. Oft habe ich es mir dann aber noch leicht gemacht mit der Bulimie und das Verhalten war nach zwei Jahren eben auch konditioniert, deswegen habe ich also vor elf Tagen begraben, dadurch ist dann auch die Hemmschwelle grösser geworden und mein erster Gedanke ist nicht mehr: Vollstopfen vollstopfen! Sondern ich überlege wie ich mir wirklich, so wirklich wirklich gut tun kann.

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Danke für Deine genialen Ideen! :)
Zuletzt geändert von facilité am So Jun 09, 2013 11:00, insgesamt 1-mal geändert.
Der Zustand, in dem ich alles an Essen da habe, ohne auch nur den geringsten Essdruck zu verspüren, ist mein normaler Zustand. Mein Körper sagt mir, was, wann und wie viel er will. Immer, wenn ich Essdruck verspüre ist etwas nicht in Ordnung.