Hallo, ich suche Rat

#1
Hallo alle miteinander!

muss zuerst sagen, dass ich selber an keiner Essstörung leide, sondern meine Freundin.
Ich habe vor ein paar Tagen von meiner Freundin erfahren, dass sie an Bulimie leidet. Ich will ihr jetzt natürlich helfen, doch ich weiß nicht was ich zu ihr sagen soll bzw. habe ziemlich Angst dass ich etwas falsch mache.
Sie ist 19 Jahre und hat schon seit 5 Jahren Bulimie. Ich bin nun die einzige Person, die davon weiß da sie sich dafür sehr schämt.
Bevor ich weiter mit ihr auf das Thema eingehe möchte ich mich davor gut informieren.
Ich kann mich nicht wirklich in sie hineinversetzen und habe große Angst etwas falsch zu machen.
Ich mache mir auch selber Vorwürfe, dass ich davor nichts davon bemerkt habe.
Deshalb will ich hier um Hilfe bitten wie ich/sie die Sache angehen soll und auch wie ich damit umgehen soll.
Würde ich sehr über eine Antwort freuen!

Re: Hallo, ich suche Rat

#2
hallo tutjut

herzlich willkommen!

ich finde es immer wahnsinnig schön, dass sich angehörige so mit diesem thema beschäftigen!
deine freundin hat wirklich glück, einen freund wie dich zu haben, der dieses problem ernst nimmt und ihr auch helfen will.
viele aussenstehende verstehen diese krankheit nicht wirklich - als nicht betroffener ist es auch wirklich schwierig. bevor ich selbst betroffen war, war meine schwester essgestört. ich konnte es einfach nicht verstehen, warum sie nicht einfach aufhören konnte und normal essen kann?!
hinter einer ES steckt immer ein tieferlegender grund.
fressanfälle, erbrechen etc. - diese krankheit ist für aussenstehende wirklich extrem undurchsichtig... ich weiß es, weil ich selbst auch in dieser situation war. und ich weiß auch, wie es ist, wenn man selbst betroffen ist.
was erwartet man vom partner bzw. was würde einem "helfen"? ich wollte damals nicht wirklich darüber sprechen. ich hätte es ehrlich gesagt als "störend" emfpunden. ICH wollte diejenige sein, die dieses gespräch beginnt, nicht mein partner. man muss in einer bestimmten "stimmung" sein, um sich anderen anzuvertrauen. so war es zumindest bei mir...
versuche nicht sie zu kontrollieren, das wird sie einengen. und man findet immer mittel und wege die ES auszuleben - auch wenn es nicht in den eigenen vier wänden ist...
ich weiß, es hört sich schlimm an - und das ist es auch. bulimie ist eine sehr ernstzunehmende krankheit.

hat sie es dir von sich aus erzählt?
macht sie eine therapie?
vielleicht könntest du ihr das vorschlagen?



vielleicht kannst du hier ein wenig stöbern - ich bin mir sicher, du erkennst einige verhaltensmuster wieder... letzendlich haben alle bulimiekranken/essgestörten doch irgendwie etwas gemeinsam.

ich wünsche dir einen schönen abend,
alles liebe
jersey

Re: Hallo, ich suche Rat

#3
erst mal: ich finde es super dass du dich extra für deine freundin hier anmeldest und rat suchst. viele in deiner situation hätten wohl versucht das problem zu ignorieren oder kleinzureden!

mehr informationen über sie wären nicht schlecht, um dir bessere einschätzungen zu geben... aber fest steht: wenn sie schon seit 5 jahren bulimie hat und das ganze in ihrer teenagerzeit angefangen hat, dann steckt sie wohl relativ tief drin. sie hat eine psychische krankheit, und du bist jetzt ein angehöriger einer psychisch kranken. das kann manchmal sehr schwer sein. natürlich kommt es darauf an wie die essstörung sich bei ihr äußert, und ob sie "nur" diese krankheit hat oder noch andere dinge hineinspielen - eine schlimme kindheit, traumatische erlebnisse, selbstverletzung, etc. aber so oder so: du steckst jetzt mit ihr mit drin, weil du ihr partner bist, gleichzeitig jedoch bist du ein außenstehender. du kannst nicht für sie gegen die ES kämpfen, du kannst ihr nur beistehen... das musst du erst mal akzeptieren und damit klarkommen, auch wenn es nicht leicht wird für dich. wenn du sie zu sehr unter druck setzt, dann wird ihr das wahrscheinlich nicht helfen... gleichzeitig musst du ihr aber zeigen, dass es dir wichtig ist, dass sie etwas tut. ein balanceakt!

so und nach diesen nicht so schönen aussichten nochmal was positives: eine beziehung mit einer essgestörten kann gut funktionieren (wie gesagt, es kommt auch darauf an, was sie noch so alles "hat"). ich bin seit 4 1/2 jahren essgestört, bin momentan in einer guten phase - aber auch in meinen schlechteren zeiten hatte ich beziehungen, und die ES hat sie kaum belastet. ich schreibe kaum, weil sie nicht wirklich thema war, aber natürlich durch ihre psychischen und phsysischen auswirkungen mich stark beeinflusst hat und somit auch meine partnerschaft. aber wie gesagt, es geht ;)

Re: Hallo, ich suche Rat

#4
Danke für die Antworten!
@Jersey: Ja, sie hat es mir von sich aus erzählt, vllt aber auch zwangsweise bzw ungewollt, da wir gerade einen kleinen Vertrauens-Streit hatten.
Nein, sie macht keine Therapie und ich habe auch Angst sie darauf anzusprechen weil ich fürchte dass sie das dann missversteht.

@joliana: Ich bin gerade dabei mir ein Bild über ihre situation zu machen, z.b. wie weit sie sich die krankheit selbst zugesteht, aus welchen gründen sie das tut, was ihr hilft und was nagativ auf ihre ES wirkt.
Ich habe auch erfahren dass sich ihre B. seit wir zusammen sind "verbessert" hat ohne dass ich etwas getan habe. Sie hatte ihre Sucht in der zeit z.b. 2 wochen lang unterdrücken können was ihr davor für unmöglich schien. Aber im allgemeinen praktiziert sie es mehrmals die Woche und auch nur wenn sie völlig alleine isst. Jede Mahlzeit die sie mit gesellschaft isst behält sie auch.

Was wünschen sich Betroffene von ihren Angehörigen und was erwarten sie von ihnen?
Gibt es evtl Erfahrungen von (ehemaligen) Angehörigen?

Re: Hallo, ich suche Rat

#5
tutjut hat geschrieben: Was wünschen sich Betroffene von ihren Angehörigen und was erwarten sie von ihnen?
Gibt es evtl Erfahrungen von (ehemaligen) Angehörigen?
als betroffene haben wir (meine mutter und ich) damals viele verschiedene wege versucht (als meine schwester noch krank war). kontrolle hat sie noch weiter von uns weggetrieben - war also alles andere als wirksam. aber woher soll man wissen, was der richtige weg ist?!
dann haben wirs auf die "nette" art versucht - einfach für sie da sein. sie spüren zu lassen, dass wir da sind, wenn sie uns braucht. sie nicht ständig mit der ES konfrontieren, nur darüber zu sprechen, wenn es von ihr kommt.

helfen kann man als angehöriger nicht wirklich, nur da sein. den weg aus der krankheit muss deine freundin selbst schaffen, das kannst du ihr nicht abnehmen. aber du kannst ihr zeigen, dass du sie unterstützt.

als ich selbst krank war, wollte ich auch nicht darüber sprechen - es war mir unangenehm und natürlich auch peinlich. manchmal überkam es mich und ich musste einfach mit jemanden sprechen. und es war auch immer jemand da. das tat gut - mehr wollte ich in diesem moment auch nicht.

du kannst einmal versuchen, das thema therapie anzuschneiden. ihr aber deutlich machen, dass du ihr nur beistehen willst und dich informiert hast.
sag ihr einfach immer wieder, dass du da bist, wenn sie dich braucht... ich glaube, das hätte mir am meisten geholfen.

vielleicht kann dir eine betroffene noch etwas genauer sagen, wie du es am besten anstellst. meine ES liegt nun auch schon einige jahre zurück....

alles liebe
jersey

Re: Hallo, ich suche Rat

#6
ich wünsche mir von meinem partner, wenn ich es schon geschafft habe mich ihm zu offenbaren, dass er mich einfach in den arm nimmt. ich erwarte verständnis - sätze wie "du spinnst doch", "du bist doch gar nicht essgestört" oder "du bist eklig" wären der innerliche tod für jede bulimikerin. auch kommentare über das essen sind tabu... ich weiß noch, wie mein freund mal im spaß gemeint hat, dass ich ja nach der pizza total voll sein müsste, das hat mich schon irgendwie verletzt, weil ich 1. den eindruck hatte er findet mich zu dick, und 2. dass ich zuviel gegessen hätte. so etwas will man nicht hören.

du sollst ihr eine hilfestellung sein und sie unterstützen, aber sie nicht unter druck setzen und nicht versuchen, für sie zu denken - dh sie kontrollieren, genau nachfragen was sie wann gegessen und wann sie erbrochen hat, etc. das muss sie wenn dann selbst tun. sie muss dich von selbst in ihren heilungsprozess einbinden. das heißt jedoch nicht dass du gar nicht nachfragen darfst! das ist eben die schwierigkeit... es wäre schön, wenn du ihr das gefühl geben könntest, dass du dich immer für sie interessierst und immer gerne hörst, wenn sie etwas über ihre krankheit erzählen will - aber dass du es eben nicht aus hier herausquetschen willst.

ihr "stadium" der krankheit hört sich so ähnlich an wie bei mir... ich erbreche nur, wenn ich einen richtigen fressanfall hatte, und die passieren nur, wenn ich allein bin, und nicht regelmäßig. das ist schon mal gut, finde ich. und auch dass die beziehung ihr geholfen hat, ist ein gutes zeichen.
trotzdem, sie erbricht mehrmals die woche, das ist schon stark bulimisches verhalten. hat sie denn gesagt, dass sie dagegen ankämpfen möchte?

wenn du erfahrungen von angehörigen suchst, dann schau doch mal hier rein: http://www.bulimie.at/viewforum.php?f=10
cron