
Eine ganze Weile schon bin ich stille Mitleserin und ich mag die Atmosphäre im Forum. Der Anlass meiner heutigen Anmeldung ist im Grunde eher eine Art ... Dauerzustand. Mich hat es schon ein paarmal in den Fingern gejuckt, aber heute ist es so weit.
Jetzt das Outing: ich bin 23 Jahre alt und leide seit einer viel zu langen Zeit an Bulimie. Nach einem Klinikaufenthalt vor anderthalb Jahren stellte sich vorübergehend eine Besserung ein, aber die währte nur einige Monate. Jetzt bin ich den anorektischen Teil meiner Erkrankung zwar definitiv losgeworden - ich bin wieder normalgewichtig, sehe gesund aus und nehm beim Essen mit anderen auch gerne mal 'nen Nachschlag - aber das, was sich Tag für Tag hinter den Türen meiner Wohnung abspielt, ist alles andere als gesund.
Bei Unternehmungen mit anderen bin ich immer ganz vorne dabei und verschwende so gut wie keinen Gedanken an meine Erkrankung, aber sobald ich wieder alleine bin (und das bin ich viel zu oft), falle ich in ein Loch. Und ich bin leider auch keine Überlebenskünstlerin, die nebenbei noch locker ihr Studium plus Nebenjob auf die Reihe kriegt. Dieses Semester hab ich aufgrund meiner vielen Fehlzeiten komplett den Anschluss verloren. Und eigentlich sollte ich gerade auf der Arbeit sitzen, wenn ich nicht auf dem Weg dort hin (ja, passiert öfter unterwegs) von einem FA übermannt worden wäre.
Der Grundtonus meines Lebens, sobald ich mich nicht mit tausend Unternehmungen oder eben den FAs ablenke, ist die pure Verzweiflung. Mein Leben könnte so schön sein! Ich hab für meine Beziehung gekämpft, für das Studium und den Job, ich hab eine wunderschöne eigene Bude und zwei tolle Haustiere. Aber ich bekomme nichts auf die Reihe, meine Wohnung sieht ständig aus wie ein Saustall und ich darf wohl mindestens ein bis zwei Semester anhängen (falls ich es überhaupt schaffe dranzubleiben). Um mich herum stapeln sich wieder mal bekrümelte Teller, Töpfe, Flaschen und Essenspackungen und nebenbei rauch ich wie eine altertümliche Dampflokomotive. Mein Kreislauf ist kaputt, in der Herzgegend zieht's öfter, meine Verdauung ist im Eimer, Magen und Zähne tun immer wieder weh und ich kann keine fünf Meter rennen. Und bei meinem ganzen Selbstmitleid bin ich auch noch selber schuld daran.
Nach monatelanger Suche nach einem ambulanten Therapeuten scheine ich nun endlich einen gefunden zu haben. Noch diesen Monat ist der Termin.
Ich will das alles nicht mehr. Ich will nicht alles immer systematisch kaputt machen, will mich nicht mehr erniedrigen, mich nicht mehr verstecken und mir Ausreden ausdenken, warum mich wieder keiner besuchen kann. Aber allein der Gedanke daran, mit mir alleine klarzukommen, macht mich nervös. Kann ich das? Ist mein Wille stark genug? Kann ich wirklich loslassen, mich zwingen und das ganz alleine durchstehen? Ich komm mir so schwach vor.
Danke fürs Lesen.