Essstörungen und Schule

#1
Hallo zusammen!

Mein Name ist Kristina und ich bin Lehramtsstudentin. Im Rahmen eines Seminars im pädagogischen Begleitstudium sprechen wir über das Thema "Essstörungen". Daher interessiert mich sehr, wie Eure Erfahrungen im Zusammenhang mit Schule dazu sind, sowohl aus Schüler- als auch aus Elternperspektive. Welches Schüler-/Lehrerverhalten hat Euch während der Krankheit geholfen? Welches Verhalten hättet Ihr Euch gewünscht oder wäre ideal gewesen? Habt Ihr überwiegend gute oder schlechte Erfahrungen gemacht? War Schule in dieser Zeit eine Belastung für Euch? ...
Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand auf diesen Beitrag reagieren würde, egal ob in kurzer oder lange Weise, Positives oder Negatives berichtend. Vielen Dank schon einmal an dieser Stelle!

Re: Essstörungen und Schule

#2
Hallo kristina,

ich kann nicht auf all deine fragen antworten..bei mir wusste in der Schulzeit niemand von der Esstörung.
Aber zum Thema, ob Schule belastend war oder nicht mag ich was sagen :) vielleicht hilft es dir ja!

Bei mir war es oft unterschiedlich. Teilweise sah ich die Schule als gelungene Abwechslung, ich hatte Kontakt zu meinen freunden.. Somit kam ich nie in die Gefahr mich von Ihnen abzukapseln.
Allerdings war Schule für mich auch oft belastend.
Ich hab versucht, immer besser und besser zu werden.. gerade in Prüfungsphasen, wo ich unter stress stand und immer dachte, ich sei nicht gut genug, da hat mein Essverhalten sehr drunter gelitten..Quasi als Stressausgleich.. Und an schlechten tagen hab ich immer nur die Dünnen Mädels bewundert, die püber den schulhof liefen..ich wollte ja genau so sein und..naja, das war dann schon immer ziemlich schwer.. weil man nicht diesen Gedanken ausm weg gehen konnte.

Joa.. das wars erstmal.
Hoffe das bringt dir was?.. Aber ich habs gelesen und ja, das fiel mir dazu ein..
Schule war eben immer doch n Belastungspunkt.. Man wollte, oder ich wollte mich anstrengend, gut sein, ein tolles Abi hinlegen und das ging eben auch auf kosten der ES..

Liebe grüße :)
remember that if you don’t have a good day today, there is always tomorrow and the day after that.

Re: Essstörungen und Schule

#3
Hallo Kristina!

Bei mir ist das (Schule) zwar schon eine Weile her, aber einschlägige Erfahrungen hatte ich dort:

Weiss nicht, ob das ein generelles Problem von Essgestörten ist, aber bei mir war es so: Ich habe mich für meine Essstörung geschmämt und also alles getan, um ein 'Entdeckt-Werden' oder 'Auffliegen' zu vermeiden. Ich befürchtete hohe 'Strafen' (v.a. seitens der Eltern) für mein miesliches Verhalten. Zudem hatte ich Angst, man würde mich nicht verstehen und mir obendrauf auch noch dieses letzte bißchen (falschverstandene!) Freiheit und Unabhängigkeit (in Form von Kotzen) nehmen.
Dennoch ging es mir schlecht und ich merkte, dass etwas nicht in Ordnung und alles andere als gut ist. Konzentrationsfähigkeit und Lebensfreude liesen enorm nach, ich begann mich von Freunden/innen zurückzuziehen, fing an verstärkt zu rauchen usw.

In meiner 'Not' wandte ich mich also an einen Lehrer, der neu an die Schule gekommen war. Er war also noch recht jung, ein cooler Typ, sehr beliebt, und ich dachte (zugegeben, ein wenig war ich auch verliebt... war da noch mitten in der Pubertät etc....): Okay, zu dem kann ich gehen.
Ich ging also zu diesem Lehrer, bat ihn um ein kurzes Gespräch und verklickerte ihm darin, dass ich Bulimie habe.
-> Seine Reaktion war für mich grauenhaft, denn er sagte: "Okay, aber ich würde nun nicht damit hausieren gehen." (an meiner Stelle; also als 'Tip' für mich)

Dieser Lehrer hielt mich für unterfordert (wie er meinem damaligen Freund erzählte), und nahm die Esstörung wohl nicht so ernst, eher als eine Art 'Zeichen' oder so, meinersteits in etwa Auferksamkeit oder so etwas zu 'erhaschen'.

Die Reaktion, die ich mir gewünscht hätte, wäre in etwa folgendes gewesen:
1. Lehrer/-in nimmt meine 'Not' wahr und ernst
2. Lehrer fragt mich, ob ich bei einem Therapeuten bin oder zu einem solchen gehen möchte
3. Lehrer/-in ist in der Lage mir eine Liste mit solchen Therapeuten zu geben oder mir eine therapeutische Anlaufstelle für genau solche Probleme zu nennen

All das ist ca. 13 Jahre her (inzwischen bin ich so ziemlich genesen, studiere usw.) und ich habe viel über die Reaktion von diesem Lehrer nachgedacht: Er hätte ein wenig engagierter sein können, aufgeklärter über Essstörungen zudem. Denn: M.E. geht keine Schülerin/kein Schüler 'einfach so', ohne 'Not' mit so einem Anliegen zu einem Lehrer/einer Lehrerin.
Es wäre für mich sehr gut gewesen, er hätte mir psychologische Hilfe angeboten bzw. mich quasi dahin 'geschoben'. Denn: Nach seiner (blöden) Reaktion habe ich es vorgezogen über das Problem zu schweigen, weil ich mir dann ganz sicher war: okay, niemand kann und niemand wird mir helfen; ich verhalte mich eben einfach blöde und will mich bloß in den Fordergrund drängen, Aufmerksamkeit bekommen usw.
-> Mir fiel es in den Jahren danach enorm schwer, mir therapeutische Hilfe zu 'holen', wei mir dieser Lehrer das Gefühl gegeben hatte (vermutlich einfach aufgrund seiner Oberflächlichkeit oder Unwissenheit usw.), dass man über 'sowetwas' (meine Essstörung) nicht spricht. Genau das, darüber sprechen, hätte ich aber imenz gebrauchen können; glaube das wäre sehr, sehr gut gewesen.

Soviel von mir zu deinen Fragen.
Und vielleicht noch ein zusatz: Wenn eine ansonsten immer (sehr) gute Schülerin konzentrationsschwach wird, kann man evtl. mal zu dieser hingehen und sie nach ihrem Befinden befragen, ob alles okay ist usw. ...

Laona

Re: Essstörungen und Schule

#4
Ich, die jetzt aus der Schule hftl. kommt, muss auch mal meinen Senf dazu abgeben.

Für mich war die Schule in ES Zeiten eigentlich nur Belastung und zwar ohne wenn und aber. Es hat es manchmal wirklich viel schlimmer gemacht.
Leistungsdruck, Versagensängste usw. - das sind Dinge, die ich wirklich mit Schule verbinde (leider). Natürlich gabs auch gute Sachen an der Schule, aber es wurde von Jahr zu Jahr immer schlimmer für mich. In schlimmsten Zeiten wollte ich sogar abbrechen und habs dann doch nicht gemacht, dafür war ich aber immer sehr oft gar nicht mehr anwesend. Naja und es fehlt einfach an JEDER Schule ein Schulpsychologe. Das ist ja das schlimme... hätte es bei uns einen gegeben, hätte ich mich dort hingewandt, aber das gab es einfach mal nicht!!!!!!!!
Und zu Lehrern? Ich habe mal sowas angedeutet, aber es dann auch gelassen, weil ich einfach auch nicht als "abnormal" angesehen werden wollte. Mit Lehrern kann man nicht darüber reden (zumindest nicht mit meinen). Da muss es einfach eine neutrale Person an der Schule geben, die sich mit solchen Dingen auch mal auskennt!!

Re: Essstörungen und Schule

#5
Hey,
interessante frage, schön dass du dich damit befasst :).

Bei mir war es so, dass die schule subjektiv immer eine große belastung war. Die ess bringt ja in der regel auch noch andere psychische störungen mit sich und so war es für mich oft nicht möglich die komplette std zahl in der schule zu bleiben. Ich hab es einfach nicht ausgehalten. Ich hatte großes Glück mit meinen Lehrer, ohne dass ich viel reden musste, haben sie mir geglaubt ( was vllt auch daran lag, dass ich rückhalt durch meine wohngruppe hatte) und akzeptiert, dass ich das nicht schaffe. über ein jahr lang war ich nur 2-4 std am tag in der schule. Wichtig war den lehrern, dass ich klausuren mitschreibe um mich benoten zu können, aber ansonsten waren die da sehr tollerant. Natürlich waren immer mal ein paar lehrer dabei die komisch reagiet haben, aber ich hatte sehr viewl glück mit meinen klassenlehrer, der mir immer sehr den rücken frei gehalten hat und auch dafür gesorgt hat, dass klinikaufenhalte aus sicht der schule kein problem darstellten.
schwieriger war dann das verhalten zu meinen mitschülern, die fanden mich natürlich ziemlich komisch. Die wussten nichts von meiner ESS oder davon, dass es mir nicht gutgeht und dachten ich schwänze immer einfach nur. Ansonsten war die Schule grade am anfang meiner bulimie ein großer stressfaktor, ich habe heimlich im unterricht unterm tisch haufenweise schokolade in mich reingeschaufelt und war in der pause kotzen. Nie hat das jemand mitbekommen !! Aber für mich war diese immense heimlichtuerei natürlich echt ansthr habe rengend.

auf der anderen seite glaube ich, das so schwer es teils fällt die schule auch gut sein kann, da sie viel struktur bietet. Das merke ich jetzt wo ich grade mein fachabi fertig habe und keine schule mehr habe....:S

falls du irgendwelche fragen hast, gerne :)

Re: Essstörungen und Schule

#6
Unique hat geschrieben:Für mich war die Schule in ES Zeiten eigentlich nur Belastung und zwar ohne wenn und aber. Es hat es manchmal wirklich viel schlimmer gemacht.
Leistungsdruck, Versagensängste usw. - das sind Dinge, die ich wirklich mit Schule verbinde (leider).
Hallo Unique,

na, dann viel Spaß in Zukunft. All das wird im Leben nach der Schule nämlich noch schlimmer. Egal, ob Du einen Ausbildung machst (wo Du übrigens schon wieder die (Berufs)schulbank drückst) oder ob Du studieren gehst.... Mein Chef sagte mal so treffend "Das Abitur ist nur der Beweis, dass man lernen kann."

lg
aire

Re: Essstörungen und Schule

#7
Mit mutmachenden Worten hast du es auch nicht so, was aire? ;)

Klar wird man in Zukunft immer wieder damit konfrontiert!
Aber das man die Schule hinter sich hat beduetet erstmal für einen, eine gewisse freiheit bekommen zu haben!

:p
Denke ich jedenfalls.
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Re: Essstörungen und Schule

#9
oke ;)
Das klang für mich so, als würdest du Uni's beitrag nicht so ernst nehmen..:P
Aber gut, in einem hast du recht: diese situtationen kommen ( leider gottes) immer wieder.

Ich denke aber auch, dass das in der Schulzeit ganz extrem ist.. wie es mit der Ausbildung sein wird..weis ich nicht..vieleicht nicht besser.. aber bei mir in der schule wurde wirklich schon druck gemacht und einem immer wieder vor augen gehalten dass man GUT sein MUSS und dass man im abitur nicht versagen darf und ja..sowas setzt einen noch mehr unter druck..
Klar, während der ausbildung und später im beruf hat man immer diese druck, alles richtig und gut zu machen und bloss nicht zu versagen.

Aber während meiner schulzeit fand ich das doch schon sehr extrem. Ich glaube nicht, dass das in jeder Schul/ berufssituation so ist, dass man sich grundsätzlich unter druck gesetzt fühlt?!.

oder ich war auf der falschen schule :D
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Re: Essstörungen und Schule

#10
Ich bin noch in der Schule und hatte die schlimmste Phase so vor 3 Jahren. Da hab ich mich an einen Lehrer gewandt, allerdings eher wegen der Depressionen und Ängste. Er hat toll reagiert, hat nichts unangenehmes nachgefragt usw.

Von lehrern würde ich mir mehr Aufmerksamkeit wünschen, also einfach, dass man bemerkt, wenn jemand auf einmal ruhig, traurig ist.
Dass Lehrer sich informieren finde ich das wichtigste überhaupt, ich wollte z.b nach draußen, weil mein herz so gerast hat und mir schwindelig war, ich war immer blass und in mind. 2 Jacken eingepackt. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich krank bin. Aber im Nachhinein, wenn man die Symptomatik kennt, denke ich, hätte es einem klar sein müssen.
Und das sollte auch ein Lehrer erkennen, finde ich.

Insofern waren meine Erfahrungen nicht so gut, aber mein vater damals den beiden Klassenlehrern erzählt hat, warum ich so lange fehl, haben die super reagiert. Also nich:" Ihh, ihre tochter gehört in die klappse" sondern einfach:"Sagen Sie ihr viele Grüße und ganz gute Besserung.." na, ja und dass sie eben verständnis haben..

Die Schule ansich hab ich als willkommene Abwechslung gesehen und um mich abzulenken, hab ich den ganzen Tag nur gelernt und hatte so immerhin kleine Erfolgserlebnisse.
Meine Klasse hat gar nich gefragt, wo ich gewesen sei..ich hab den Verdacht, dass einer der Lehrer was gesagt hat,wenn ja, dann haben alle gut dicht gehalten :wink:
Allerdings wäre ich nicht sonderlich begeistert, hätte einer das vor der ganzen Klasse angesprochen..schlimm genug, dass es meine Lehrer und Eltern wussten..das waren für mich schon zu viele Leute..

Hoffe, ich konnte dir helfen..=)

Re: Essstörungen und Schule

#11
hey,
joa...ich würde sagen, in der Schule ist man müder, unkonzentrierter und es fällt einem schwer dem Stoff zu fogen, da mit mit den Gedanken woanderes ist, auch zurückgezogener und passiv...Manche Schulen behandeln das Thema Sucht in der Schule. Leider wurde bei uns nur unzureichend aufgeklärt und durch die Vorstellung eines Referates zu dem Thema ist auch nicht viel hengegebliben. Ich denke wichtig ist es zu vermitteln, was der Schüler erkennen muss, das er Essgestört ist. Also wäre einen Aufklärung in Bezug zu "ab wann ist das Essverhalten noch normal oder schon krankhaft" sinvoll, möglichst zum Selbererarbeiten der Schüler. Was mir unheimlich weiter geholfen hat, war ein Besuch in einem Jugendsuchtzentrum, wo man Aufgeklärt wurde, was eine Sucht überhaupt ist und wann man von Sucht und Abhängigkeit spricht. Auch das es anschließend Broschüren gibt ist meiner Meinung nach wichtig. Mit dieser Broschüre hab ich Jahre später, erkannt das ich essgestört bin und konnte anhand der Adressen, die da drinne standen einen Beratungstelle aufsuchen. Ansonsten kann man glaube ich nicht so viel machen. Der Betrefende sucht zwar Hilfe, würde aber gleichzeitig alle abstreiten und schämt sich für seine Sucht. Gerade für Ausenstehende ist es schwirig, die Bulimie zu erkennen. Hab seit 4 Jahren Bulimie und wenn ich nicht Eigeninitiative ergriffen hätte, wäre ich jetzt immer nioch nicht in Thera. Es merkt einfach keiner, trotzdem, Augen offen halten. Ich hätte mir vielleicht gewünscht, dass man mich viellicht auf mein Verhalten anspricht. Dabei geht es nicht darum, die Eltern zu informieren und Druck aufzubauen, sondern einfach Hilfe und Aufmerksamkeit (ein Gespräch) anbieten.

Re: Essstörungen und Schule

#12
Liebe kristina, finde das auch sehr toll, dass du dich damit näher beschäftigst.
also ich hatte zur schulzeit auch keine ES, aber dann später alle möglichen phasen auf der uni.
ich glaube, jeder wünscht sich eine andere rektion von lehrern. die einen wollen nicht auffallen und in ruhe gelassen werden, die anderen brauchen und suchen hilfe. in meinem speziellen fall hätte ich wollen, dass sich jeder aus der sache raushält und mich in ruhe lässt. oder zumindest hätte es gereicht einmal in einem gespräch unter 4 augen zu hören, dass man sich sorgt und man da ist, wenn man hilfe braucht!!
aber vl wäre es gut, wenn die betroffene sehr stark durch ihr essverhalten auffällt, sie mit schulischen leistungen auf irgendeine weise nicht allzu sehr zu belasten. doch meistens glaube ich betrifft es gute schüler, mit extremer disziplin. Lg

Re: Essstörungen und Schule

#13
Hi!

Das finde ich super, dass Ihr mir so zahlreich geantwortet habt! Vielen, vielen Dank!

Wenn ich das so zusammenfasse, reichen Eure Erfahrungen von "Schule hat sich gut verhalten" bis "Schule hat sich schlecht verhalten", was wohl dominiert, und allgemein war es doch eher eine belastende Zeit.

@ Laona1: Schade, dass du so enttäuscht wurdest von diesem Lehrer, dem Du deine Geschichte erzählt hast.

@ mia-marie: Das ist ja ziemlich krass, dass niemand das bemerkt hat, dass du während der Stunde soviel Schokolade gegessen hast. Vielleicht war das auch einfach eine Form von wegsehen?

Ich lese aus Euren Beiträgen heraus, dass ein aufmerksamer Lehrer hilfreich wäre, der da ist, wenn er gebraucht wird, sich aber zurückzieht, wenn er es soll.

Nochmal vielen Dank und ich wünsche Euch alles Gute!

LG, Kristina