#20
von jen
hallo,
auf welche schulart gehst du denn? vielleicht bringt es was, die schulart zu wechseln? und wenn das nicht mehr geht, da du eh schon auf dem gymnasium bist, würde ich dir raten, dich mal mit deinen eltern und lehrern zusammen zu setzen und darüber nachzudenken, ob es für dich in frage kommt, eine klasse zu überspringen. ansonsten gibt es auch schulen für hochbegabte, die allerdings meist privatschulen sind und somit voraussetzen, dass deine eltern sich das auch leisten können. vielleicht gibt es dafür auch irgendwelche förderungen, bin da (noch) nicht so vertraut damit.
wenn du in den unterricht gehst und dich dort langweilst, kann das ja keinen sinn machen. und es klingt nicht überheblich. sehr viele schüler werden in deutschland völlig unterschätzt, befinden sich in der falschen schulart oder werden auch sonst nicht genug gefördert. würden sie das, würden sie viel mehr erreichen können, als es letztendlich der fall ist.
ich weiß nicht, welches verhältnis du zu deiner mutter hast und ob du mit ihr so offen darüber reden kannst. vielleicht drückt sie ein auge zu, wenn es bei dem einen tag bleibt. ein dauerhaftes schulschwänzen ohne das gleichzeitige einleiten weiterer schritte in eine andere richtung halte ich allerdings für kontraproduktiv.
dass du gegen die bulimie ankämpfst, finde ich super und es ist wirklich so, dass rückfälle dazu gehören, auch wenn das endziel natürlich sein sollte, eines tages ganz ohne kotzen auszukommen. und das geht tatsächlich, da sprech ich aus erfahrung. mir war am anfang auch immer total übel nach jedem essen. das ist wohl eine normale reaktion des körpers, der sich schon so auf erbrechen eingestellt hat. den gedanken, es als entzug zu sehen, halte ich für sehr realistisch, denn das ist es meiner meinung nach auch: ein entzug. ich kann mich nur zu gut an die stunden in der klinik erinnern, in denen ich nach winzigen mahlzeiten gekrümmt auf meinem bett lag und vor lauter bauchschmerzen und übelkeit nur noch weinen konnte. dass ich mich aufs bett legen solle, da der magen so besser entspannen kann und ich eher zur ruhe komme, hatte mir eine krankenschwester geraten. und irgendwann kamen dann die ersten tränen. es war einfach unglaublich: ich weinte und weinte und merkte, wie sich mit jeder träne, jedem schluchzer etwas löste und ich irgendwann wieder einigermaßen entspannt und natürlich völlig erschöpft in mein kissen zurücksank.
noch viel mehr berührt hat es mich, als ich dieses verhalten in meiner therapie aufgearbeitet habe. meine psychologin wollte wissen, was ich statt des erbrechens, also was ich nach dem essen getan hätte, um es in mir zu behalten. als ich dann sagte: ich habe stundenlang geweint, meinte sie "das ist ja sehr bemerkenswert. vorher hast du so selten geweint. da siehst du mal, welches gefühl eigentlich anstelle des erbrechens hätte stehen müssen. du hast das weinen durch erbrechen erstickt."
vielleicht hilft es dir, dich zurückzulehnen, tränen zuzulassen oder auch einmal auf ein kissen einzuschlagen. gedanken aufzuschreiben oder nach draußen zu gehen.
die übelkeit ist normal. aber sie wird weniger - wenn man sie eine weile bewusst aushält.
dir alles liebe,
jen
Lauf der Sonne entgegen, anstatt auf sie zu warten...