Hallo!
Bin Mutter eines betroffenen Mädchens und es ist gerade mal wieder ein großes Problem aufgetaucht. Im vergangenen Jahr hatten mein Mann und ich einen Termin beim Klassenvorstand, weil es um Mobbing von einer Schülerin ging. Unsere Tochter sollte da mitreingezogen werden. Mein Mann war außer sich und hat in seiner Rage dem Lehrer anvertraut, dass unsere Tochter Bulimie hat und in Therapie ist. Abschließend baten wir den Lehrer, um strengste Geheimhaltung und er sicherte uns das zu.
Scheinbar sind Lehrer zu blöd sich etwas zu merken, jedenfalls ist meine Tochter gerade auf Klassenfahrt und der Lehrer hat sie wegen ihrer Bulimie und Therapie angesprochen. Jetzt wollte unsere Tochter per SMS natürlich wissen, woher er das weiß. Da unsere Tochter zu uns immer total ehrlich ist, hab ich das Gespräch an meinen Mann delegiert. Ich hab auch noch keine Rückmeldung von diesem Gespräch.
Jedenfalls, egal, ob sie erfährt, dass der Lehrer es von meinem Mann weiß .... ich kann mir vorstellen, dass es meiner Tochter total Scheiße geht. Ich denke, dass muss der totale Hammer für sie sein. Ich leide mit ihr und weiß nicht, was ich tun kann, noch dazu aus der Ferne.
Vielleicht können mir ein paar Betroffene schreiben, ob es ihnen wirklich so Scheiße gehen würde und was ihnen helfen würde....

Hallo Einsam,

natürlich geht es einem Scheiße, wenn man erfährt, dass ein "Geheimnis" eigentlich keines mehr ist und das hat nichts mit der Krankheit an sich zu tun sondern mit Vertrauensbruch im Allgemeinen oder wie siehst Du das?

Und den Lehrer gleich mit blöd zu betiteln finde ich auch nicht wirklich in Ordnung, kann ja sein, dass er der Meinung ist, dass Ihr mit Eurer Tochter geredet habt und sie darüber informiert habt, dass er Bescheid weiß > seine Beweggründe sie darauf anzusprechen können ja durchaus gewesen sein, dass er sich auch Sorgen um Eure Tochter macht. So stelle ich mir jeden falls vor, dass ein Lehrer sein sollte, es ist ja nicht nur seine Aufgabe den Schülern Bildung beizubringen sondern sie während der Schulzeit auch menschlich zu begleiten, ist meine Meinung.

Ihr solltet vielleicht einmal alle miteinander ein Gespräch suchen um das alles abzuklären.

Herzlichst
mpure

Hab jetzt gehört, das war eine "besoffene" Geschichte.
Im leicht betrunkenen Zustand hat er sie darauf angesprochen.

Du nimmst mir den Lehrer sehr in Schutz. Kann es sein, dass Du Lehrer bist? Warum sollten wir plötzlich mit unserer Tochter darüber geredet haben und ihr gesagt haben, dass der Lehrer das auch weiß? Ich weiß nicht, würdest Du auch so damit umgehen, wenn Du ihr Lehrer wärst? Das Ersuchen der Eltern, nichts zu sagen, hintenanzustellen?

Ich weiß nicht, ob ich mir einen Lehrer heutzutage so vorstelle, wie Du ihn Dir vorstellst. Wenn man ihn darum bittet, ist es für mich ok. Aber selbständig irgendwelche Schritte zu unternehmen, finde ich ein bisschen überzogen.

Aber so sind halt Ansichten verschieden.

MFG einsam

Selbstständig habt ihr ja auch die Schritte getan und dem Lehrer davon erzählt...wahrscheinlich auch, obwohl ihr Stillschweigen versprochen hattet.. vielleicht würd ich es mal so sehen.
Klar st es blöd, wenn er nicht dicht hält, aber so kann es eben laufen (auch wenn es das nicht sollte) wenn man Heimlichkeiten anfängt. Ich versteh nicht, was so schlimm daran gewesen wäre, Eurer Tochter zu sagen, dass ihr es dem Lehrer aus berechtigeten Gründen damals gesagt habt. Das wäre wohl besser gewesen, als das jetzt aufzuklären, oder?

Nein, ich bin nicht Lehrer, ich bin Buchhalter - ich versuche nur hinter jeder Aktion einen Grund zu suchen und mir vorher alles anzuhören, bevor ich über einen Menschen richte.

mpure

PS: Ich weiß nicht, ob ich mir einen Lehrer heutzutage so vorstelle, wie Du ihn Dir vorstellst. Wenn man ihn darum bittet, ist es für mich ok. Aber selbständig irgendwelche Schritte zu unternehmen, finde ich ein bisschen überzogen.

Wie soll ich das jetzt bitte verstehen? Wenn ein Lehrer oder ein anderer Mensch sieht oder weiss, dass ein Schüler oder ein Mensch Probleme hat soll er nichts tun und die Augen zumachen? Das meinst Du doch hoffentlich nicht im Ernst, oder?

Wir haben mit unserer Tochter nie Stillschweigen über ihre Krankheit vereinbart.
Dass es damals beim Lehrer rausgerutscht ist, da hatten wir immer noch die reale Chance, dass er sie nicht darauf anspricht und somit haben wir ihr es nicht gleich erzählt, um Schlimmeres (eine weitere neue Attacke?) zu vermeiden. Ja gut, blöd gelaufen, ihr habt recht.
Es hätte meiner Meinung auch gereicht, wenn der Lehrer sie einfach so angesprochen hätte, ohne gleich die ES zu erwähnen. Dann hätte sie immer noch freie Wahl gehabt, ob sie darüber reden möchte. Gut, das ist jetzt alles nicht mehr.

Ich werde das halt alles klären, wenn sie von der Klassenfahrt wieder nach Hause kommt. Vielleicht könntet ihr mir ja dabei helfen und mir ein paar Tipps geben.
Seid ihr eigentlich selbst Betroffene, oder Angehörige?

Hm...aber was für Tipps willst Du da denn hören? Wie ihr das Gespräch führen sollt? Wie ihr das erklärt?? Hm...naja mit der selben Offenheit wie vorher!!

Und was das "Betroffene"/"Angehörige" angeht. Ich bin ehemalige Betroffne, finde aber nicht, dass das für dieses Problem irgendeine Rolle spielt. Hier gehts ja nur um die "Offenheit" an sich und um eine Heimlichkeit. Das Thema spielt da doch eher eine untergeordnete Rolle, meinst Du nicht? Wenn es jetzt etwas anderes intimes, privates oder so gewesen wäre, wäre es doch das gleiche Problem.
Ausserdem ist Du doch auch eine "Betroffene", wenn ich das eben in dem "geheilt"-Thread richtig gelesen habe, oder?

LG Nadine

Hallo einsam!

Nun, wollte vorhin schon etwas dazu schreiben, aber mir fehlte die nötige Ruhe. Zuerst deine Frage, ich würde sagen, dass wir zu etwa 95% Betroffene sind (Zahl ist geschätzt, aber in dem Bereich liegt das ungefähr).
Wie alt ist deine Tochter denn?
Denn das finde ich schon wichtig, da es da ein Unterschied macht, ob sie vierzehn oder siebzehn ist. Und ja, ich denke, dass jeder anders darauf reagiert/reagieren würde.
Ich persönlich wäre wahrscheinlich erstmal ziemlich sauer auf meine Eltern und nicht auf den Lehrer, weil meine Eltern es waren, die das (wenn auch nicht unbedingt absichtlich) ausgeplaudert haben. Denn ich finde, dass das ein Vertrauensbuch ist, mit dem ich persönlich dann aber auch leben könnte. Gibt Schlimmeres, da ich die Gründe, warum der Lehrer das weiß, auch nachvollziehbar finde.
Ich persönlich hätte es zu meiner eigenen Schulzeit auch eher hilfreich gefunden, wenn zumindest meine Tutorin davon gewusst hätte. Und außerdem finde ich persönlich auch, dass es zu den Aufgaben (wenn nicht sogar Pflichten) eines Lehrers gehört, aufmerksam zu sein und zu merken, wenn es einem Kind nicht gut geht. In diesem Fall ist es dann sogar sinnvoll, wenn der Lehrer ein Kind/jungen Erwachsenen darauf anspricht, dass ihm etwas aufgefallen ist. Dass das jetzt auf die Situation deiner Tochter nicht zutrifft, steht auf einem anderen Blatt...

Hoffe, ich konnte dir weiterhelfen. Denke aber, dass es wie immer (außer in der Mathematik) keine allgemeingültige Formel dafür gibt, wie sich deine Tochter jetzt fühlt, beziehungsweise auch keinen allgemeingültigen Rat, wie man sich jetzt am besten verhalten sollte. Denn da sind wir alle viel zu verschieden.

Alles Liebe, Colourful

Also, ich würde es nett finden, wenn mein Lehrer auf mich zu kommt und sich Sorgen macht.

Nicht in Ordnung gefunden hätte ich es, wenn er das vor Mitschülern tut oder gleich zu Dritten geht.

Also ich wüsste jetz nich, wo das n Notfall is.
Das is eben das Risiko, wenn man jemandem etwas erzählt; man weiß nich, wie groß der Kreis der Mitwissenden wird.
Meine damaligen Lehrer wussten auch was Sache is und haben mich drauf angesprochen; in dem Moment natürlich scheiße, aber irgendwann tritt alles aus dem Bewusstsein. Und wenn man sich Sorgen macht weil man verstehen und helfen will find ich das gut, egal ob als Lehrer, Freund oder sonst wer.

Filthy

Hallo Filthy!

Meine Tochter überlegt von der Schule zu gehen. Ist vielleicht auch nur eine Momentanreaktion. Ich hab ihr gesagt, dass, wenn sie dem Lehrer nicht wichtig wäre, dass er sie dann niemals darauf angesprochen hätte.
Sie hat halt Angst, weil dem Lehrer seine Freundin auch als Lehrerin an der Schule ist und die das dann verbreiten könnte und natürlich ist es Scheiße, wenn andere sich dann über einen lustig machen.
Und was meinst Du mit - irgendwann tritt alles aus dem Bewusstsein? Verstehe ich nicht ganz.

Ich denke, es ist halt wieder was zum "Verdauen" für sie und ich hoffe, dass sie damit zurechtkommt.

hey einsam!

einerseits tut es mir leid, dass die geschichte sich nun ausbreitet und deine tochter es aushalten muss, andererseits ist es vielleicht gut und sie wird aus dieser miesere ihre stärke ziehen und mit bulimie endlich aufhören wollen.

schrecklich ist, dass bulimie noch immer ein tabuthema ist und die betroffenen in der öffentlichkeit darüber schweigen.

ich kann deine tochter sehr gut verstehen, dass sie jetzt die schule wechseln möchte. großer schritt, aber vielleicht redet sie vorher noch mal mit den lehrern damit sie ihren fall vertraulich behandeln, und ihnen erklährt, dass sie nicht bereit ist sich vor der ganzen schule zu outen.
hoffentlich sind es gute lehrer, die es verstehen und akzeptieren.

PS: ich bin mir sicher, dass deine tochter nicht das einzige mädchen an der schule mit der essstörung ist! leider.

Klar hab ich mich nich wirklich super gefühlt, mir aber auch nich ständig bewusst gemacht, dass meine Lehrer bescheid wissen.
Ich war nicht die einzige Schülerin; weder im Kurs/Stufe/ mit Problemen. Bei so vielen Schülern kann sich ein Lehrer nun mal nich darauf fixieren, dass in seinem Unterricht eine Person sitzt, die Probleme hat.

Filthy

Ja ja die bösen und unfähigen, faulen Lehrer!


Danke an mpure!

Zudem haben Lehrer AUCH einen Erziehungsauftrag und nicht nur einen Bildungsauftrag!

vielleicht hat deine Tochter auf der Klassenfahrt auch gekotzt und es haben sie andere Schüler dabei "ertappt", oder sie ist umgekippt oder sie hat an Gewicht verloren oder oder oder. Alles Dinge, die einen Lehrer und die Mitschüler dazu bewegen könnten und sollten, sie darauf anzusprechen. Und außerdem alles sehr wahrscheinliche Dinge.


Außerdem: was ist das für ein Lehrer, der auf einer Klassenfahrt angetrunken ist????? Das gibt MIR zu denken.

Als Betroffene, die von Mitschülern und Lehrern NIE angesprochen und somit in ihrer Krankheit ignoriert wurde, kann ich nur sagen, dass ich es gut finde, dass die Menschen auf sie zu gehen. Sie kann ja jederzeit sagen, dass sie nicht darüber reden will und schon in Therapie ist. Das ist das wichtigste und meist alles, was besorgte Menschen hören wollen.