#872
nicht so........

was ich so höre,wars die richtige entscheidung ins KH zu gehen ,nicht? :D
ich bin kein Opfer!!!

wer soll die Antwort wissen,wenn nicht Du?
von "Jan Eisklar"

Die wirkliche Macht haben Jene,die nichts mehr zu verlieren haben

#873
Es war die Beste Entscheidung meines Lebens da rein zu gehen.

#874
So jetzt werde ich mich dann langsam zusammen richten.

#875
Ich war zuvor auf der Waage und es ist nicht mal so schlimm.

#876
Habe mich zuvor noch mit meiner Ma ein bisschen angelegt, weil Sie meinte, dass meine Tante mich ja dann doch nicht aufnimmt bei sich!

#877
Der Knabe im Moor

O schaurig ist's, übers Moor zu gehn,
wenn es wimmelt vom Heiderauche,
sich wie Phantome die Dünste drehn
und die Ranke häkelt am Strauche,
unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
wenn aus der Spalte es zischt und singt,
o schaurig ist's, übers Moor zu gehn,
wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
und rennt, als ob man es jage;
hohl über die Fläche sauset der Wind -
was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
der dem Meister die besten Torfe verzecht;
hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
unheimlich nicket die Föhre,
der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert drin!
Das ist die unselige Spinnerin,
das ist die gebannte Spinnlenor'
die den Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran! nur immer im Lauf,
voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
es pfeift ihm unter den Sohlen
wie eine gespenstige Melodei;
das ist der Geigenmann ungetreu
das ist der diebische Fiedler Knauf,
der den Hochzeitstheller gestohlen.

Da birst das Moor, ein Seufzer geht
hervor aus der klaffenden Höhle;
weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
"Ho, ho, meine arme Seele!"
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
wär nicht Schutzengel in seiner Näh,
seine bleichenden Knöchelchen fände spät
ein Gräber im Moorgeschwele.

Da mählich gründet der Boden sich,
und drüben, neben der Weide,
die Lampe flimmert so heimatlich,
der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhr war's fürchterlich,
oh, schaurig war's in der Heide!

Annette von Droste-Hülshoff



Erfüllung

Dann
losch das Licht,
und
durch die Stille,
fiebernd, verlangend, erwartungsbang,
nur noch:
unser zitternder Herzschlag!

Trunken ... stammelnd,
meine
Lippen ... süß dein ... Aufschrei!

Seligkeit!

Im
Garten, frühauf, pfiff ein Vogel, von tausend Gräsern troff der Tau,
der
ganze Himmel ... stand in Rosen.

Lieber! ... Liebe!
Und
wieder: Kuß ... auf ... Kuß!

Und
nichts als ... wir, nichts ... als wir!

Was
kann die Welt,
an Glück, an Glanz, an
Rausch
an Wonne, an
Taumel,
Erdenlust ... und ... Herrlichkeit,
uns ... jetzt noch ... schenken ... uns jetzt ... noch
bieten ... uns jetzt noch ... bringen?!

Arno Holz



Der Blinde und der Lahme

Von ungefähr muß einen Blinden
Ein Lahmer auf der Straße finden,
Und jener hofft schon freudenvoll,
Daß ihn der andre leiten soll.

Dir, spricht der Lahme, beizustehn?
Ich armer Mann kann selbst nicht gehn;
Doch scheints, daß du zu einer Last
Noch sehr gesunde Schultern hast.

Entschließe dich, mich fortzutragen:
So will ich dir die Stege sagen:
So wird dein starker Fuß mein Bein,
Mein helles Auges deines sein.

Der Lahme hängt mit seiner Krücken
Sich auf des Blinden breiten Rücken.
Vereint wirkt also dieses Paar,
Was einzeln keinem möglich war.

Du hast das nicht, was andre haben,
Und andern mangeln deine Gaben;
Aus dieser Unvollkommenheit
Entspringet die Geselligkeit.

Wenn jenem nicht die Gabe fehlte,
Die die die Natur für mich erwählte:
So würd er nur für sich allein,
Und nicht für mich, bekümmert sein.

Beschwer die Götter nicht mit Klagen!
Der Vorteil, den sie dir versagen
Und jenem schenken, wird gemein,
Wir dürfen nur gesellig sein.

Christian Fürchtegott Gellert



Die Heimkehr

Wer zum ersten Male liebt,
Sei's auch glücklos, ist ein Gott;
Aber wer zum zweiten Male
Glücklos liebt, der ist ein Narr.

Ich, ein solcher Narr, ich liebe
Wieder ohne Gegenliebe;
Sonne, Mond und Sterne lachen,
Und ich lache mit - und sterbe.

Heinrich Heine

#878
Abend

Weiße Schwäne senken ihre schmalen,
Schlanken Hälse in den schilfdurchragten,
Stillen, grünen Weiher, plätschern leise,
Ziehen weiter ihre stillen Kreise...
An dem Arm des müden, hochbetagten
Schloßherrn, der den schlafgemiednen Qualen
Seiner kalten Nacht entgegenbangt,
Steht in leichten, weißen Spitzen
Die Gemahlin. Spielend langt
Sie nach den gewundnen Rebenranken...
Ihre flügelstarken Flucht-Gedanken
Zittern vor den roten Lebensblitzen.

Richard Schaukal



Betrunken

Ich sitze zwischen Mine und Stine,
Den hellblonden hübschen Friesenmädchen,
Und trinke Grog.
Die Mutter ging schlafen.
Geht Mine hinaus,
Um heißes Wasser zu holen,
Küß ich Stine.
Geht Stine hinaus,
Um ein Brötchen mit aufgelegten kalten Eiern
Und Anchovis zu bringen,
Küß ich Mine.
Nun sitzen wieder beide neben mir.
Meinen rechten Arm halt ich um Stine,
Meinen linken um Mine.
Wir sind lustig und lachen.
Stine häkelt,
Mine blättert
In einem verjährten Modejournal.
Und ich erzähl ihnen Geschichten.
Draußen tobt, höchst ungezogen,
Unser guter Freund,
Der Nordwest.
Die Wellen spritzen,
Es ist Hochflut,
Zuweilen über den nahen Deich
Und sprengen Tropfen
An unsre Fenster.

Ich bin verbannt und ein Gefangener
Auf dieser vermaledeiten,
Einsamen kleinen Insel.
Zwei Panzerfregatten
Und sechs Kreuzer spinnen mich ein.
Auf den Wällen
Wachen die Posten,
Und einer ruft dem andern zu,
Durch die hohle Hand,
Von Viertel- zu Viertelstunde,
In singendem Tone:
Kamerad, lebst du noch?

Wie wohl mir wird.
Alles Leid sinkt, sinkt.
Mine und Stine lehnen sich
An meine Schultern.
Ich ziehe sie dichter und dichter
An mich heran.
Denn im Lande der Hyperboreer,
Wo wir wohnen,
Ist es kalt.

Ich trank das sechste Glas.
Ich stehe draußen
An der Mauer des Hauses,
Barhaupt,
Und schaue in die Sterne:
Der winzige, matt blinkende,
Grad über mir,
Ist der Stern der Gemütlichkeit,
Zugleich der Stern
Der äußersten geistigen Genügsamkeit.
Der nah daneben blitzt,
Der große, feuerfunkelnde,
Ist der Stern des Zorns.
Welten-Rätsel.
Die Welt - das Rätsel der Rätsel.
Wie mir der Wind die heiße Stirn kühlt.
Angenehm, höchst angenehm.

Ich bin wieder im Zimmer.
Ich trinke mein achtes Glas Nordnordgrog.
Kinder, erklärt mir das Rätsel der Welt.
Aber Mine und Stine lachen.
Das Rätsel, bitt ich,
Das Rätsel der Welt.

Ich trinke das zehnte Glas.
Tanzt, Kinder, tanzt,
Ich bin der Sultan,
Ihr seid meine Georgierinnen,
Ich liebe euch,
Geht mit mir zu Bett.
Ich kann nicht tanzen mehr?
Wie sagte doch der Sultan
Im Macbeth?
Ich meine Shakespeare:
Trunkenheit reizt zur Liebe,
Aber die Beine,
Oder was sagte er,
Möchten gern, aber sie können nicht.
Mädchens, unterstützt mich,
Hebt mich,
Ich will eine Rede reden:
Die Welt ist das Tal der Küsse,
Die Welt ist der Berg des Kummers,
Die Welt ist das Wasser der Flüssigkeit,
Die Welt ist die Luft des Unsinns.
Was sagte ich?
Ich setze mich.
Noch ein Glas Grog. Vorwärts!
Die Langeweile,
Verzeiht, Mächens,
An eurer Seite,
Schändlich, das zu sagen,
Die Welt ist das Tal, das,
Das Tal der Langenweile.
Jetzt ist Macbeth,
Ich lieb euch, Mächens,
Ich bin der Sultan,
Gebt mir Pantherfelle.
Die Sklaven, die Sklaven her!
Zum Donner, wo bleiben die Schufte!
Auf mein Lager tragt mich.
Ich will schlafen.
So, Macbeth,
Tanzen, tan-zen.
Gu' Nacht,
Ich wer' mü-de,
Gu' Nach...
Wie-e?

Detlev Liliencron



Das Andere

Du gehst noch einen Schritt,
du bist dir noch ganz gleich,
da geht schon jemand mit
aus einem anderen Reich.

Du stehst noch voll im Licht
Und sagst noch ich und du,
da lauscht schon ein Gesicht
Und lächelt still dazu.

Vielleicht, es fällt der Schnee
auf dein erträumtes Haus,
es tut auch gar nicht weh,
da trägt man dich hinaus.

Wer sagt, wie unterdes
dein Herz dir so entkam?
Ob wohl ein Sperling es
im Flug so mit sich nahm?

Martin Kessel



Noch einmal dem Nichts entstiegen,
Noch einmal aus Flammen neu,
Seh ich dich im Morgen liegen,
Schöne Welt, dem Treuen treu.
Komm, begegne meinem Hoffen,
Gib an Lust und Schmerz mein Teil,
Gläubig steht mein Busen offen
Deinem Blitz und Todespfeil.

Ricarda Huch



Der Frühlingskasper

Weil nun wieder Frühling ist,
Leute,
streu ich butterblumengelber Kasper
lachend
lauter lilablaue Asternblüten
hei ins helle Feld!

Lilablaue Astern, liebe Leute,
Astern
blühn im deutschen Vaterland bekanntlich
bloß im Herbst.

Aber Ich, ich butterblumengelber Kasper,
streue,
weil nun wieder heller Frühling ist,
tanzend
tausend dunkelblaue Asternblüten
hei in alle Welt!

Richard Dehmel



Dunkles zu sagen

Wie Orpheus spiel ich
auf den Saiten des Lebens den Tod
und in die Schönheit der Erde
und deiner Augen, die den Himmel verwalten,
weiß ich nur Dunkles zu sagen.

Vergiß nicht, daß auch du, plötzlich,
an jenem Morgen, als dein Lager
noch naß war von Tau und die Nelke
an deinem Herzen schlief,
den dunklen Fluß sahst,
der an dir vorbeizog.

Die Saite des Schweigens
gespannt auf die Welle von Blut,
griff ich dein tönendes Herz.
Verwandelt ward deine Locke
ins Schattenhaar der Nacht,
der Finsternis schwarze Flocken
beschneiten dein Antlitz.

Und ich gehör dir nicht zu.
Beide klagen wir nun.

Aber wie Orpheus weiß ich
auf der Seite des Todes das Leben
und mir blaut
dein für immer geschlossenes Aug.

Ingeborg Bachmann









Faunsflötenlied

Ich glaube an den großen Pan,
Den heiter heiligen Werdegeist;
Sein Herzschlag ist der Weltentakt,
In dem die Sonnenfülle kreist.

Es wird und stirbt und stirbt und wird;
Kein Ende und kein Anbeginn.
Sing, Flöte, dein Gebet der Lust!
Das ist des Lebens heiliger Sinn.

Otto Julius Bierbaum



Feldeinsamkeit

Ich ruhe still im hohen grünen Gras
Und sende lange meinen Blick nach oben,
Von Grillen rings umschwirrt ohn Unterlaß,
Von Himmelsbläue wundersam umwoben.

Und schöne weiße Wolken ziehn dahin
Durchs tiefe Blau wie schöne stille Träume; -
Mir ist, als ob ich längst gestorben bin
Und ziehe selig mit durch ewge Räume.

Hermann Allmers



Arkadien

1

Auch ich bin in Arkadien geboren;
auch mir hat ja ein heißes volles Herz
die Mutter an der Wiege zugeschworen
und Maß und Zahl in Freude und in Schmerz.

Sie gab mir immer freundlich himmelwärts
zu schaun, wenn selbst die Hoffnung sich verloren;
und stählte mich mit Frohsinn und mit Scherz;
auch ich bin in Arkadien geboren!

Komm, reiche mir die brüderliche Hand!
Zu Brüdern hat uns die Natur erkoren,
und uns gebar ein mütterliches Land.

Ich habe dir längst Liebe zugeschworen.
gern folgsam meinen bessern Genius.
Gib mir die Hand, und einen Bruderkuß!

4

Auch ich bin in Arkadien geboren,
auch mir hat mancher gute Genius
am Mutterbusen Liebe zugeschworen
und manchem freundlichen Genuß,

auch ich empfand in Ahndungen verloren
das leise Wehn von manchem Geisteskuß,
und fühlte oft im heiligen Erguß
mich zu der Sonne reinem Dienst erkoren.

Verzeih, wenn mich mein eignes Herz nicht trügt,
und mich auf Flügeln stolzer Träume wiegt,
daß ich so kühn in eure Reihen trete;

und fassest du mich auch so rein und warm,
wie ich dich liebe, mit dir Arm in Arm,
um Ewigkeit für unser Bündnis bete -

Novalis [an A. W. Schlegel]



Auf Flügeln des Gesanges, Die Veilchen kichern und kosen,
Herzliebchen, trag ich dich fort, Und schaun nach den Sternen empor;
Fort nach den Fluren des Ganges, Heimlich erzählen die Rosen
Dort weiß ich den schönsten Ort. Sich duftende Märchen ins Ohr.

Dort liegt ein rotblühender Garten Es hüpfen herbei und lauschen
Im stillen Mondenschein; Die frommen, klugen Gazelln;
Die Lotosblumen erwarten Und in der Ferne rauschen
Ihr trautes Schwesterlein. Des heiligen Stromes Welln.

Dort wollen wir niedersinken
Unter dem Palmenbaum,
Und Liebe und Ruhe trinken,
Und träumen seligen Traum.

Heinrich Heine



Fülle

Genug ist nicht genug! Gepriesen werde
Der Herbst! Kein Ast, der seiner Frucht entbehrte!
Tief beugt sich mancher allzureich beschwerte,
Der Apfel fällt mit dumpfem Laut zu Erde.

Genug ist nicht genug! Es lacht im Laube!
Die saftge Pfirsche winkt dem durstgen Munde!
Die trunknen Wespen summen in die Runde:
"Genug ist nicht genug!" um eine Traube.

Genug ist nicht genug! Mit vollen Zügen
Schlürft Dichtergeist am Borne des Genusses,
Das Herz, auch es bedarf des Überflusses,
Genug kann nie und nimmermehr genügen!

Conrad Ferdinand Meyer



Wenn Gift und Galle die Welt dir beut
Und du möchtest das Herz dir gesund bewahren:
Mach anderen Freud!
Du wirst erfahren,
Dass Freude freut.

F. T. Vischer



Von Glückes Zufall

Der ist ein Narr, der hochauf steigt,
Daß seine Scham der Welt er zeigt,
Und sucht stets einen höhern Grad
Und denkt nicht an des Glückes Rad.
Was hochauf steigt in dieser Welt,
Gar plötzlich oft zu Boden fällt.
Kein Mensch so hoch hier kommen mag,
Der sich verheißt den künftgen Tag,
Und daß er Glück dann haben will,
Denn Klotho hält ihr Rad nicht still,
Oder den sein Reichtum und Gewalt
Vorm Tod einen Augenblick erhalt'.
Wer Macht hat, der hat Angst und Not,
Viel sind um Macht geschlagen tot.
Die Herrschaft hat nicht langen Halt,
Die man muss schirmen mit Gewalt.
Wo keine Lieb und Gunst der Gemein',
Da ist viel Sorge - und Freude klein.
Es muss viel fürchten, wer da will,
Daß ihn auch sollen fürchten viel.
Nun ist die Furcht ein schlechter Knecht,
Sie kann nicht lange hüten recht.
Wer innehat Gewalt, der lerne
Liebhaben Gott und ehr ihn gerne.
Wer Gerechtigkeit hält in der Hand,
Des Macht kann haben gut Bestand;
Des Herrschaft war wohl angelegt,
Und dessen Tod man Trauer trägt.
Weh dem Regenten, nach des Tod
Man sprechen muss: "Gelobt sei Gott!"
Wer einen Stein wälzt auf die Höh,
Auf den fällt er und tut ihm weh,
Und wer vertrauet auf sein Glück,
Fällt oft in einem Augenblick.

Sebastian Brant (Das Narrenschiff)
[Übersetzung des Textes von 1494]



Gretchens Stube

Gretchen (am Spinnrad, allein):

Meine Ruh ist hin, Sein hoher Gang,
Mein Herz ist schwer; Sein edle Gestalt,
Ich finde sie nimmer Seines Mundes Lächeln,
und nimmermehr. Seiner Augen Gewalt,

Wo ich ihn nicht hab, Und seiner Rede
Ist mir das Grab, Zauberfluß,
Die ganze Welt Sein Händedruck,
Ist mir vergällt. Und ach! sein Kuß!

Mein armer Kopf Meine Ruh ist hin,
Ist mir verrückt, Mein Herz ist schwer,
Mein armer Sinn Ich finde sie nimmer
Ist mir zerstückt. und nimmermehr.

Meine Ruh ist hin, Mein Busen drängt
Mein Herz ist schwer, Sich nach ihm hin,
Ich finde sie nimmer Ach dürft ich fassen
und nimmermehr. Und halten ihn,

Nach ihm nur schau ich Und küssen ihn,
Zum Fenster hinaus, So wie ich wollt,
Nach ihm nur geh ich An seinen Küssen
Aus dem Haus. Vergehen sollt!

Goethe; Faust



Die stille Freude wollt ihr stören?
Lasst mich bei meinem Becher Wein;
Mit andern kann man sich belehren,
Begeistert wird man nur allein.

Goethe

#879
Erscheinung

Die zwölfte Stunde war beim Klang der Becher
Und wüstem Treiben schon herangewacht,
Als ich hinaus mich stahl, ein müder Zecher.
Und um mich lag die kalte, finstre Nacht;
Ich hörte durch die Stille widerhallen
Den eignen Tritt und fernen Ruf der Wacht.
Wie aus den klangreich festerhellten Hallen
In Einsamkeit sich meine Schritte wandten,
Ward ich von seltsam trübem Mut befallen.
Und meinem Hause nah, dem wohlbekannten,
Gewahrt' ich, und ich stand versteinert fast,
Daß hinter meinen Fenstern Lichter brannten.
Ich prüfte zweifelnd eine lange Rast
Und fragte: macht es nur in mir der Wein?
Wie käm' zu dieser Stunde mir ein Gast?
Ich trat hinzu und konnte bei dem Schein
Im wohlverschloßnen Schloß den Schlüssel drehen
Und öffnete die Tür und trat hinein.
Und wie die Blicke nach dem Lichte spähen,
Da ward mir ein Gesicht gar schreckenreich -
Ich sah mich selbst an meinem Pulte stehen.
Ich rief: "Wer bist du, Spuk?" - er rief zugleich:
"Wer stört mich auf in später Geisterstunde?"
Und sah mich an und ward, wie ich, auch bleich.
Und unermeßlich wollte die Sekunde
Sich dehnen, da wir starrend wechselseitig
Uns ansahn, sprachberaubt mit offnem Munde.
Und aus beklommner Brust zuerst befreit' ich
Das schnelle Wort: "Du grause Truggestalt,
Entweiche, mache mir den Platz nicht streitig!"
Und er, als einer, über den Gewalt
Die Furcht nur hat, erzwingend sich ein leises
Und scheues Lächeln, sprach erwidernd: "Halt!
Ich bin's, du willst es sein; - um dieses Kreises,
Des wahnsinn-drohnden, Quadratur zu finden:
Bist du der rechte, wie du sagst, beweis' es;
Ins Wesenlose will ich dann verschwinden.
Du Spuk, wie du mich nennst, gehst du das ein,
Und willst auch du zu gleichem dich verbinden?"
Drauf ich entrüstet: "Ja, so soll es sein!
Es soll mein echtes Ich sich offenbaren,
Zu Nichts zerfließen dessen leerer Schein!"
Und er: "So laß uns, wer du seist, erfahren!"
Und ich: "Ein solcher bin ich, der getrachtet
Nur einzig nach dem Schönen, Guten, Wahren;
Der Opfer nie dem Götzendienst geschlachtet
Und nie gefrönt dem weltlich eitlen Brauch,
Verkannt, verhöhnt, der Schmerzen nie geachtet;
Der irrend zwar und träumend oft den Rauch
Für Flamme hielt, doch mutig beim Erwachen
Das Rechte nur verfocht: - bist du das auch?"
Und er, mit wildem, kreischend lautem Lachen:
"Der du dich rühmst zu sein, der bin ich nicht.
Gar anders ist's bestellt um meine Sachen.
Ich bin ein feiger, lügenhafter Wicht,
Ein Heuchler mir und andern, tief im Herzen
Nur Eigennutz und Trug im Angesicht.
Verkannter Edler du mit deinen Schmerzen,
Wer kennt sich nun? Wer gab das rechte Zeichen?
Wer soll, ich oder du, sein Selbst verscherzen?
Tritt her, so du es wagst, ich will dir weichen!"
Drauf mit Entsetzen ich zu jenem Graus:
"Du bist es, bleib und laß hinweg mich schleichen!" -
Und schlich, zu weinen, in die Nacht hinaus.

Adelbert von Chamisso



An sich selbst

Mir grauet vor mir selbst; mir zittern alle Glieder,
Wenn ich die Lipp und Nas und beider Augen Kluft,
Die blind vom Wachen sind, des Atems schwere Luft
Betracht und die nun schon erstorbnen Augen-Lider.

Die Zunge, schwarz vom Brand, fällt mit den Worten nieder
Und lallt ich weiß nicht was; die müde Seele ruft
Dem großen Tröster zu; das Fleisch ruft nach der Gruft;
Die Ärzte lassen mich; die Schmerzen kommen wieder.

Mein Körper ist nicht mehr als Adern, Fell und Bein.
Das Sitzen ist mein Tod, das Liegen meine Pein.
Die Schenkel haben selbst nun Träger wohl vonnöten.

Was ist der hohe Ruhm, und Jugend, Ehr und Kunst?
Wenn diese Stunde kommt, wird alles Rauch und Dunst,
Und eine Not muß uns mit allem Vorsatz töten.

Andreas Gryphius



Von freier Höhe

Ich weiß.

Oft
wars nur ein Lachen, ein Handdruck von dir,
oder ein Härchen, ein bloßes Härchen,
das dir der Wind ins Genick geweht,
und all mein Blut
gährte gleich auf,
und all mein Herz
schlug nach dir.

Dich haben, dich haben.
dich endlich mal haben,
ganz und nackt, ganz und nackt!

Und heut,
zum ersten Mal,
unten am See, glitzernd im Mittag,
sah ich dich so.

Ganz und nackt! Ganz und nackt!

Und mein Herz
stand still.

Vor Glück, vor Glück.

Und es war keine Welt mehr,
nichts, nichts, nichts,

es war nur noch Sonne, nur noch Sonne --

so schön warst du!

Arno Holz



An Belinden

Warum ziehst du mich unwiderstehlich
Ach in jene Pracht?
War ich guter Junge nicht so selig
In der öden Nacht!

Heimlich in mein Zimmerchen verschlossen,
Lag im Mondenschein
Ganz von seinem Schauerlicht umflossen
Und ich dämmert' ein;

Träumte da von vollen goldnen Stunden
Ungemischter Lust,
Hatte schon dein liebes Bild empfunden
Tief in meiner Brust.

Bin ich's noch den du bei so viel Lichtern
An dem Spieltisch hältst,
Oft so unerträglichen Gesichtern
Gegenüberstellst?

Reizender ist mir des Frühlings Blüte
Nun nicht auf der Flur;
Wo du, Engel, bist ist Lieb' und Güte,
Wo du bist, Natur.

Johann Wolfgang von Goethe



Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse





Mit diesem kleinen Player kann man das Gedicht anhören.




Trostlos rieselndes Tropfen
- Arno Holz -

Draußen die Düne.

Einsam das Haus, eintönig,
ans Fenster,
der Regen.

Hinter mir,
ticktack,
eine Uhr,
meine Stirn
gegen die Scheibe.

Nichts.

Alles vorbei.

Grau der Himmel,
grau die See
und grau
das Herz.

#880
Sehnsucht

Joseph von Eichendorff

Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. -



Todesfuge.

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne und er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor lässt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr anderen singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süsser den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith

Text von Paul Celan (1947)










Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade,
Der reinen wolken unverhofftes blau,
Erhellt die weiher und die bunten pfade.

Dort nimm das tiefe gelb, das weiche grau
Von birken und von buchs, der wind ist lau,
Die späten rosen welkten noch nicht ganz,
Erlese, küsse sie und flicht den kranz.

Vergiss auch diese letzten astern nicht,
Den purpur um die ranken wilder reben,
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

Stefan George



Komm, Trost der Welt

Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!
Wie steigst du von den Bergen sacht,
Die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.

Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.

O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt,
Lass ausruhn mich von Lust und Not,
Bis dass das ewige Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.

Joseph von Eichendorff



Gesänge

I

O dass wir unsere Ururahnen wären.
Ein Klümpchen Schleim in einem warmen Moor.
Leben und Tod, Befruchten und Gebären
glitte aus unseren stummen Säften vor.

Ein Algenblatt oder ein Dünenhügel,
vom Wind Geformtes und nach unten schwer.
Schon ein Libellenkopf, ein Möwenflügel
wäre zu weit und litte schon zu sehr.

II

Verächtlich sind die Liebenden, die Spötter,
alles Verzweifeln, Sehnsucht, und wer hofft.
Wir sind so schmerzliche durchseuchte Götter
und dennoch denken wir des Gottes oft.

Die weiche Bucht. Die dunklen Wälderträume.
Die Sterne, schneeballblütengross und schwer.
Die Panther springen lautlos durch die Bäume.
Alles ist Ufer. Ewig ruft das Meer -

Gottfried Benn



Über einem Grabe

Blüten schweben über deinem Grabe.
Schnell umarmte dich der Tod, o Knabe,
Den wir alle liebten, die dich kannten,
Dessen Augen wie zwei Sonnen brannten,
Dessen Blicke Seelen unterjochten,
Dessen Pulse stark und feurig pochten,
Dessen Worte schon die Herzen lenkten,
Den wir weinend gestern hier versenkten.

Maiennacht. Der Sterne mildes Schweigen...
Dort! ich seh es aus der Erde steigen!
Unterm Rasen quillt hervor es leise,
Flatterflammen drehen sich im Kreise,
Ungelebtes Leben zuckt und lodert
Aus der Körperkraft, die hier vermodert,
Abgemähter Jugend letztes Walten
Letzte Glut verrauscht in Wunschgestalten,

Eine blasse Jagd:
Voran ein Zecher,
In der Faust den überfüllten Becher!
Wehnde Locken will der Buhle fassen,
Die entflatternd nicht sich haschen lassen,
Lustgestachelt rast er hinter jenen,
Ein verhülltes Mädchen folgt in Tränen.

Durch die Brandung mit verstürmten Haaren
Seh ich einen kühnen Schiffer fahren.
Einen jungen Krieger seh ich toben,
Helmbedeckt, das lichte Schwert erhoben.
Einer stürzt sich auf die Rednerbühne,
Weites Volksgetos beherrscht der Kühne.
Ein Gedräng, ein Kämpfen, Ringen, Streben!
Arme strecken sich und Kränze schweben -

Kränze, wenn du lebtest, dir beschieden,
Nicht erreichte!
Knabe, schlaf in Frieden!

C.F. Meyer



Vergänglichkeit der Schönheit

Es wird der bleiche Tod mit seiner kalten Hand
Dir endlich mit der Zeit umb deine Brüste streichen.
Der liebliche Corall der Lippen wird verbleichen;
Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand.

Der Augen süsser Blitz, die Kräffte deiner Hand,
Für welchen solches fällt, die werden zeitlich weichen.
Das Haar, das itzund kan des Goldes Glantz erreichen
Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeines Band.

Der wohlgesetzte Fuss, die lieblichen Gebärden,
Die werden theils zu Staub, theils nichts und nichtig werden,
Denn opfert keiner mehr der Gottheit deiner Pracht.

Diss und noch mehr als diss muss endlich untergehen,
Dein Hertze kan allein zu aller Zeit bestehen
Dieweil es die Natur aus Diamant gemacht.

(um 1695)
Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Sonnet



Verlorene Liebe

Lieder schweigen jetzt und Klagen,
Nun will ich erst fröhlich sein,
All mein Leid will ich zerschlagen
Und Erinnern - gebt mir Wein!
Wie er mir verlockend spiegelt
Sterne und der Erde Lust,
Stillgeschäftig dann entriegelt
All die Teufel in der Brust,
Erst der Knecht und dann der Meister,
Bricht er durch die Nacht herein,
Wildester der Lügengeister,
Ring mit mir, ich lache dein!
Und den Becher voll Entsetzen
Werf ich in des Stromes Grund,
Dass sich nimmer dran soll letzen
Wer noch fröhlich und gesund!

Lauten hör ich ferne klingen,
Lustge Bursche ziehn vom Schmaus,
Ständchen sie den Liebsten bringen,
Und das lockt mich mit hinaus.
Mädchen hinterm blühnden Baume
Winkt und macht das Fenster auf,
Und ich steige wie im Traume
Durch das kleine Haus hinauf.
Schüttle nur die dunklen Locken
Aus dem schönen Angesicht!
Sieh, ich stehe ganz erschrocken:
Das sind ihre Augen licht,

Locken hatte sie wie deine,
Bleiche Wangen, Lippen rot -
Ach, du bist ja doch nicht meine,
Und mein Lieb ist lange tot!
Hättest du nur nicht gesprochen
Und so frech geblickt nach mir,
Das hat ganz den Traum zerbrochen
Und nun grauet mir vor dir.
Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern,
Fort und lache nicht so wild!
O ich möchte dich zertrümmern,
Schönes, lügenhaftes Bild!

Spät von dem verlornen Kinde
Kam ich durch die Nacht daher,
Fahnen drehten sich im Winde,
Alle Gassen waren leer.
Oben lag noch meine Laute
Und mein Fenster stand noch auf,
Aus dem stillen Grunde graute
Wunderbar die Stadt herauf.
Draussen aber blitzts vom weiten,
Alter Zeiten ich gedacht',
Schaudernd reiss ich in den Saiten
Und ich sing die halbe Nacht.
Die verschlafnen Nachbarn sprechen,
Dass ich nächtlich trunken sei -
O du mein Gott! und mir brechen
Herz und Saitenspiel entzwei!

Joseph von Eichendorff



Zwielicht

Joseph von Eichendorff

Dämmrung will die Flügel spreiten,
Schaurig rühren sich die Bäume,
Wolken ziehn wie schwere Träume -
Was will dieses Graun bedeuten?

Hast ein Reh du lieb vor andern,
Lass es nicht alleine grasen,
Jäger ziehn im Wald und blasen,
Stimmen hin und wieder wandern.

Hast du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser Stunde,
Freundlich wohl mit Aug und Munde,
Sinnt er Krieg im tückschen Frieden.

Was heut müde gehet unter,
Hebt sich morgen neugeboren.
Manches bleibt in Nacht verloren -
Hüte dich, bleib wach und munter!

#881
Sachliche Romanze

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wussten nicht weiter.
Da weinte sie schliesslich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagt, es wäre schon Viertel nach vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend sassen sie immer noch dort.
Sie sassen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.

Erich Kästner









Sehnsucht

Was zieht mir das Herz so?
Was zieht mich hinaus?
Und windet und schraubt mich
Aus Zimmer und Haus?
Wie dort sich die Wolken
Um Felsen verziehn!
Da möcht' ich hinüber,
Da möcht' ich wohl hin!

Nun wiegt sich der Raben
Geselliger Flug;
Ich mische mich drunter
Und folge dem Zug.
Und Berg und Gemäuer
Umfittigen wir;
Sie weilet da drunten,
Ich spähe nach ihr.

Da kommt sie und wandelt;
Ich eile so bald,
Ein singender Vogel,
Zum buschichten Wald.
Sie weilet und horchet
Und lächelt mit sich:
"Er singet so lieblich
Und singt es an mich."

Die scheidende Sonne
Verguldet die Höhn;
Die sinnende Schöne,
Sie läßt es geschehn,
Sie wandelt am Bache
Die Wiesen entlang,
Und finster und finstrer
Umschlingt sich der Gang.

Auf einmal erschein' ich,
Ein blinkender Stern.
"Was glänzet da droben,
So nah und so fern?"
Und hast du mit Staunen
Das Leuchten erblickt:
Ich lieg' dir zu Füßen,
Da bin ich beglückt!

Johann Wolfgang Goethe



Selige Sehnsucht

Sag es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet:
Das Lebendge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reisset neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du Schmetterling verbrannt.

Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.

J.W. Goethe



Sterne und Träume
- Markus Bomhard -

Weißt Du noch,
wie ich Dir die Sterne vom Himmel
holen wollte,
um uns einen Traum zu erfüllen?
Aber
Du meintest,
sie hingen viel zu hoch ...!
Gestern
streckte ich mich zufällig
dem Himmel entgegen,
und ein Stern fiel
in meine Hand hinein.
Er war noch warm
und zeigte mir,
daß Träume vielleicht nicht sofort
in Erfüllung gehen;
aber irgendwann ...?!



Türmerlied

Zum Sehen geboren, So seh ich in allen
Zum Schauen bestellt, Die ewige Zier,
Dem Turme geschworen, Und wie mirs gefallen,
Gefällt mir die Welt. Gefall ich auch mir.

Ich blick in die Ferne, Ihr glücklichen Augen,
Ich seh in der Näh Was je ihr gesehn,
Den Mond und die Sterne, Es sei, wie es wolle,
Den Wald und das Reh. Es war doch so schön!

Goethe



Wir leben mit Rissen

Wir leben mit Rissen in den Wänden,
ist es dir aufgefallen?
Wir leben auf sich entfärbenden Dielen,
unter beweglicher Decke.
Das Fensterkreuz ist längst
von Fäulnis durchgefressen, es zieht
im Sommer schon die kalte Nachtluft
hindrungslos herein.
Wir wohnen illegal, mach das
dir täglich neu bewusst, dass sonst
wir beide auf der Strasse sässen.

Wir hausen im Prenzlauer Berg,
vier Treppen hoch unter dem Dach.
Tauben gehn fast aus und ein.
Die Asseln töt ich unbemerkt von dir
ganz schnell unterm Fensterbrett,
die schwarze Spinne unterm Becken,
fünfzig Jahr alt, in der Küche
erschlage ich trotz grossen Ekels,
obwohl der Anblick sehr ästhetisch,
und Schauer mir den Rücken kämmen.

Ich strich die Türe schwarz,
wodurch Besucher, viel zu seltne,
hergelangen, unter Frageblicken:
ein Sarg? auf diese Art betont
die Unerträglichkeit? neinnein, laut
schlage ich ein Zupfinstrument,
bewirte euch mit heissem Tee, euch
freundliche Erschöpfte,
hier oben wirklich Angelangte
und lache noch im Hagelrauschen,
wenn der Himmel finstrer wird,
lache noch im Tränenfluss
und in der Kälte zwischen uns.
Im Staub der Körperdünstung lach ich,
geniessend unter Kraftaufwand
die uns gebotne Sicherheit.

Uwe Kolbe

#882
Von freier Höhe

Ich weiß.

Oft
wars nur ein Lachen, ein Handdruck von dir,
oder ein Härchen, ein bloßes Härchen,
das dir der Wind ins Genick geweht,
und all mein Blut
gährte gleich auf,
und all mein Herz
schlug nach dir.

Dich haben, dich haben.
dich endlich mal haben,
ganz und nackt, ganz und nackt!

Und heut,
zum ersten Mal,
unten am See, glitzernd im Mittag,
sah ich dich so.

Ganz und nackt! Ganz und nackt!

Und mein Herz
stand still.

Vor Glück, vor Glück.

Und es war keine Welt mehr,
nichts, nichts, nichts,

es war nur noch Sonne, nur noch Sonne --

so schön warst du!

Arno Holz



An Belinden

Warum ziehst du mich unwiderstehlich
Ach in jene Pracht?
War ich guter Junge nicht so selig
In der öden Nacht!

Heimlich in mein Zimmerchen verschlossen,
Lag im Mondenschein
Ganz von seinem Schauerlicht umflossen
Und ich dämmert' ein;

Träumte da von vollen goldnen Stunden
Ungemischter Lust,
Hatte schon dein liebes Bild empfunden
Tief in meiner Brust.

Bin ich's noch den du bei so viel Lichtern
An dem Spieltisch hältst,
Oft so unerträglichen Gesichtern
Gegenüberstellst?

Reizender ist mir des Frühlings Blüte
Nun nicht auf der Flur;
Wo du, Engel, bist ist Lieb' und Güte,
Wo du bist, Natur.

Johann Wolfgang von Goethe



Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse





Mit diesem kleinen Player kann man das Gedicht anhören.




Trostlos rieselndes Tropfen
- Arno Holz -

Draußen die Düne.

Einsam das Haus, eintönig,
ans Fenster,
der Regen.

Hinter mir,
ticktack,
eine Uhr,
meine Stirn
gegen die Scheibe.

Nichts.

Alles vorbei.

Grau der Himmel,
grau die See
und grau
das Herz.

#883
So ich werde diese Woche mein Familiengespräch morgen haben und hoffe, dass ich meine brecherei noch reduzieren kann und so mit habe ich dann das Ziel erreicht.
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