ich und ich

#1
Zwei Seiten in mir.

Meine Grossmutter, die natürlich nichts von meiner Essstörung ahnt, schenkt mir einen wundervollen, selbstgebackenen Kuchen. Eigentlich freu ich mich darüber, und nehme mir fest vor ihn nicht für Anfälle zu m*ssb**ch*. Der Vorsatz hält bis zum nächsten Morgen, wo ich mir kurz nach dem Aufstehen ein Stück gönnen will, dann zwei, drei...Liebe Grossmutter, ich weiss, du hast den Kuchen mit Liebe gemacht und ich behandle ihn so achtlos, stopfe ihn in mich rein, würge ihn wieder raus. Es tut mir leid.

Eigentlich ess ich kein Fleisch. Kein Tier soll für mich unter lebensfeindlichen Umständen gehalten werden und für mich sterben, die Auswahl an anderen Nahrungsmitteln ist gross genug. Meine Mutter lädt mich in ein Restaurant ein, wo ich plötzlich unerklärliche Lust auf Fleisch habe, ein saftiges Rindsfilet mit Reis verdrücke, dazu die Resten meiner Mutter. Liebes Tier, es tut mir leid. Nicht nur dass ich gegen meine Prinzipien handle und den Massenfleischkonsum unterstütze, ich schlinge dich achtlos in mich rein und als Gipfel der Respektlosigkeit würge ich dich wieder raus. Es tut mir leid es tut mir leid..

Ich bin ein ehrlicher Mensch. Ich verabscheue Lügen und finde klauen unfair. An meiner Arbeitsstelle kann niemand etwas an mir aussetzen, ich verhalte mich sozusagen "tadellos". Nur wenn mich meine andere Seite packt..dann klaue ich Schokoriegel aus dem Schrank, versteck sie in meiner Jacke, geh aufs Klo, wo ich sie heimlich verdrücke, immer wieder, Schrank - Klo - Schrank - Klo, bis ich fast platze vor Schokolade und vor Scham und mich endlich übergebe. Es tut mir leid, dass ich nicht das bin, was ich zu sein vorgebe.

Ich will weiterkommen. Ich weiss, dass ich es schaffen kann. Und doch..es ist so einfach, sich im Selbstmitleid zu suhlen, zu sagen, mir kann keiner helfen, krank zu sein, unfähig zu sein, anders zu sein..."die Buli ist verantwortlich, sie überkommt mich, ich bin dann nicht ich selbst." So ein Blödsinn, so ein Selbstbetrug. Ich bin immer ich selbst. Ich bin selber verantwortlich für das was ich mache.

Vielleicht sollte ich meiner anderern "schlechten" Seite mehr Raum geben. Damit sie sich nicht so gross zu machen braucht bis sie Überhand nimmt. Vielleicht lassen sich die zwei Seiten auf eine gesunde Art vereinen.

liebe Grüsse,
von "uns zwei": :mrgreen: und :oops:

#2
Finde echt gut wie du das geschildert hast, kenne ich auch nur zu gut. Wichtig ist, dass du dich nicht von schlechtem Gewissen quälen lässt, denn du willst ja niemandem was böses und auch wenn du für dich verantwortlich bist, es ist eben eine Sucht. Ein Alkoholiker kann schließlich auch nichts für seine Sucht, sie lässt uns eben solche Sachen machen, aber irgendwann werden wir sie kontrollieren können und sie auslachen, weil sie uns nichts mehr anhaben kann.
Liebe Grüße und lass dich nicht von der anderen Seite unterkriegen, denn deine wirkliche Seite ist viel stärker,
Kitty

#3
Hat mich sehr erschreckt was du geschrieben hast!Was diese Scheiß-Krankheit alles mit uns anstellt ist schon erschreckend!!!Wenn du sogar Fleisch gegessen hast ,obwohl du vegetarier bist....es ist wirklich wie ein zweites ich in uns!!!Ich bin normalerweise voll der Gesundheitsmensch,ernähre mich gesundmm,mache viel Sport und halte jedem einen Vortrag(ok,nicht jedem),der einen fetten Burger ...in sich reinstopft.Aber wenn ich dann einen Fressanfall bekomme,bin ich wie ausgewechselt ,stopfe alles in mich rein,hauptsache Kalorienhaltig ,lecker und fettreich!!!Aber ich kotze es ja wieder aus!
Habe von Mo-Mi mal wieder ohne ausgehalten aber heute bin ich wieder rückfällig geworden,ich habe versagt,wie schon sooo oft!Ok,ich war noch nie bein nem Arzt oder in ner Teraphie,habs auch erst seit nem 3/4 Jahr.Hab noch zu große Angst vor dem riesigen Schritt,Angst vor Veränderungen in meinem Leben!Ich will es alleine schaffen!
Ich wünsche dir alles Gute,gebe niemals auf und denke dir wirklich,als wäre diese Krankheit eine böse Person,der du nicht nachgeben willst!Du musst stark sein und darfst ihr keine Chance geben zu "überleben"!!!
Klingt verrückt! :roll:

#4
Danke für eure Antworten! Ich bin froh, dass es nicht nur mir so geht..

Ja, erschreckend ist es, ich bin immer wieder schockiert über mein zweites Ich..versuche mich dagegen zu wehren, das bin ich nicht!, aber schliesslich denke ich, dass man nur einen Schritt vorwärts kommt, wenn man diese andere, erschreckende Seite annimmt. Als ein Teil von einem selber und sie nicht abstösst. Sonst wird es immer schlimmer, die Anfälle häufen sich und das zweite Ich, das Monster in mir, wird noch grässlicher.

Vielleicht ist es wie bei einer Person, die von niemandem gemocht wird. Sie spürt die Ablehnung der anderen, versucht sich auf ihre Art dagegen zu schützen und wird noch mehr abgelehnt. Aber wenn man sich Mühe gibt und den Kern dieser Person zu sehen versucht, sieht man plötzlich, dass sie ein Mensch ist wie alle anderen, einfach spezieller, vielleicht auch sensibler, sicher auch verletzt.

Das meine ich mit dieser anderen Seite in mir. Ich habe sie bis jetzt immer gehasst und verabscheut, doch damit tue ich mir selber weh, denn sie gehört zu mir. Wenn ich sie ablehne, schreit sie.
Vielleicht drückt diese Seite nur meine Verletzungen aus.
Wenn ich es so betrachte, dann möchte ich sie nicht wegstossen, sondern sie trösten und ihr zuhören.
Vielleicht spricht sie dann auch in einer anderen Sprache zu mir...weil sie nicht mehr zu schreien braucht..

In diesem Sinne wünsch ich euch allen einen schönen, stressfreien Abend!
Asturva

#5
"Vielleicht ist es wie bei einer Person, die von niemandem gemocht wird. Sie spürt die Ablehnung der anderen, versucht sich auf ihre Art dagegen zu schützen und wird noch mehr abgelehnt. Aber wenn man sich Mühe gibt und den Kern dieser Person zu sehen versucht, sieht man plötzlich, dass sie ein Mensch ist wie alle anderen, einfach spezieller, vielleicht auch sensibler, sicher auch verletzt.

Das meine ich mit dieser anderen Seite in mir. Ich habe sie bis jetzt immer gehasst und verabscheut, doch damit tue ich mir selber weh, denn sie gehört zu mir. Wenn ich sie ablehne, schreit sie.
Vielleicht drückt diese Seite nur meine Verletzungen aus.
Wenn ich es so betrachte, dann möchte ich sie nicht wegstossen, sondern sie trösten und ihr zuhören.
Vielleicht spricht sie dann auch in einer anderen Sprache zu mir...weil sie nicht mehr zu schreien braucht.."

Bravo Asturva! Hast Dir echt ziemlich Gedanken drum gemacht, hm? Kommt ja hier leider nicht allzuoft vor... :( Ich glaub mit dieser Einstellung bist auf dem besten (zumindest richtigen!) Weg, daß Du den Scheiß loswirst!
*daumendrück!!!*

Viele liebe Grüße auch von uns allen! :wink:

#6
Danke vielmals Runa. Ist ein gutes Gefühl zu lesen, dass ich (hoffentlich) auf dem richtigen Weg bin.
Kopf hoch an euch alle!
Asturva

#7
ich gratuliere dir auch,

runa hat absolut recht, es scheint echt das du weiter kommst. brav.

leider muss man die bulemische seite akzeptieren um sie loszuwerden.

mach weiter so...

mfg, wuwu
cron