#31
Hallo Djinn!

Jetzt komm ich endlich zum Schreiben. :)

Wie geht es dir denn zwischenzeitlich?

Was mir zu deinem Beitrag einfällt bezüglich des anhaltenden Heißhungers bzw. der anhaltenden FA´s...

Es gibt ja zwei wesentliche Ursachen, die dafür in Frage kommen:
die körperliche und die psychische.

Vermehrte Zuckeraufnahme fördert ja vermehrte Insulinausschüttung, was wiederum den Blutzuckerspiegel schneller senkt und das führt wieder zu dem Bedürfnis zu essen, sprich Blutzuckerspiegel wieder ansteigen zu lassen = Heißhunger/FA´s.
(zB so das Typische: am Vortag hat man mehr als gewohnt gegessen, vor allem abends und vor allem Süßes. Dann wacht man am nächsten Morgen schon mit Hunger auf... und ist verwundert: "Schon wieder Hunger, obwohl man mehr als sonst gegessen hat?")

Du hast eh selbst geschrieben, an Tagen, wo du normal isst, geht es dir besser, das Bedürfnis nach FA´s ist kleiner. Aber erst mal angefangen mit Fressen, ist das Verlangen nach weiteren FA´s sofort da bzw. viel stärker.

Na ja, das ist die eine Komponente und die andere...
ist die psychische.
Das Kontroll- und Druckabbaumittel Kotzen gibt es in deinem Fall gerade nicht. Aber alles andere, was zuvor dazu geführt hat, ist (mehr oder weniger stark) immer noch präsent.
Dazu kommt noch, dass das Fressen etc. auch gewohntes Verhalten ist.

Jetzt kann es schon sein, dass du bei Stress dem psychischen Hunger erliegst und isst... einen FA hast... und der wirbelt wieder in deinem Körper herum... strapaziert den Blutzuckerspiegel und verursacht weiteren körperlichen Hunger.

Du kämpfst sozusagen an zwei Fronten.

Bei mir war es seinerzeit so, dass ich bei meinem ersten ernsthaften Aufhören, als ich eine ganze Weile clean war, auch mehr gegessen habe. Ich hatte - so rückblickend, obwohl ich es damals so gesehen habe - zwar keine FA´s, aber ich hatte sehr unregelmäßig gegessen, sehr chaotisch und vor allem mehr als sonst, so dass ich auch zugenommen habe.
Diese - aus damaliger Sicht - FA´s waren auch relativ schlimm für mich.

Ich bin wieder umgefallen... nicht in die B, aber in die MS. D.h. wieder sehr wenig gegessen und ein Zuviel erbrochen.
Da es nicht oft ein Zuviel gab, hab ich relativ selten erbrochen. Und das hat bei mir bewirkt, dass ich mich dem bulimischen Teil der Essstörung mehr und mehr entwöhnt habe.

Irgendwie verschaffte mir das ein bischen Ruhe und ließ Kraft über, um mich um mein Essverhalten zu kümmern.
Ich hab mich nicht unter Druck damit gesetzt, dass ich immer noch - trotz des Nichtkotzens - essgestört bin, zu wenig esse, mehr essen muss, sonst,... usw.

Ich war froh, dass das Bedürfnis zu essen sehr klein war... das war die ES. Aber während dieser ganzen Zeit machte ich die Erfahrung, dass ich überhaupt essen kann - ohne zuzunehmen, ohne, dass es in einem FA endet, usw.

Natürlich kamen aber wieder Phasen, in denen es tagelang mehr war - nicht als erlaubt, sondern mehr als gewohnt. Und ich hatte keine innere Übersicht, weil alles ziemlich unkontrolliert war.
Zu kotzen habe ich zwar nicht wieder angefangen, aber ich war unruhig, unzufrieden,... es ging mir in diesem Zustand psychisch nicht sehr gut...
denn die ES saß ja noch in meinem Kopf und focht so ihre Kämpfe mit meiner Vernunft.

Es war wieder das Bedürfnis da, zu kotzen... einfach zu fressen und zu kotzen. Da ich aber schon so lange nicht mehr gekotzt hatte, fiel es mir leichter, zu widerstehen.
Aber ständig unruhig und unzufrieden zu sein, ist ja auch nicht Lösung.

Na ja,... und jetzt komme ich schon langsam zum Ende meiner ES...
Es wäre die Möglichkeit da gewesen, wieder brav MS-mäßig wenig bis nichts zu essen und so wieder Stabilität, Kontrolle und Übersicht zu erlangen, oder aber durchzuhalten und andere Wege zu finden, die psychische Stabilität garantieren.

Ich konnte damals so ehrlich zu mir sein und mir eingestehen, dass - würde ich mich für den gewohnten Weg entscheiden und wenig essen - es wieder im ewigen Kreislauf enden würde.
Irgendwann wäre trotzdem wieder das Bedürfnis da zu fressen und zu kotzen, irgendwann würde ich wieder umfallen...
...und überhaupt kostet alles verdammt viel Kraft und noch mehr überhaupt "Wie lange willst jetzt noch essgestört sein" war die Frage.

2 Wichtige Dinge in dieser Aufhör-Phase, die mir geholfen haben, waren für mich (und ich glaube auch für dich in deiner gegenwärtigen Situation)
andere Wege des Druckabbaus und der Kontrollerhaltung zu finden und sie auch zu gehen.

Druck/Stressabbau und Kontrolle sind zwei wesentliche Bestanteile, warum eine ES so gut funktioniert.
Aber da ich mir die ES mehr oder weniger Stück für Stück weggenommen habe, hat sich meine Psyche mit anderen Strategien helfen lassen.
Nun, irgendwie ähnlichen, aber gesundheitsverträglicheren. :)

Mir hat es geholfen ein bischen Ordnung in mein Essverhalten zu bringen. Ich bin auch nicht so der Typ, der seine x festen Mahlzeiten am Tag hat, sondern eher immer irgendwann irgendwas isst.
Aber das war zu dem damaligen Zeitpunkt mehr als heikel...
auch, wenn ich mir vernünftig gesagt habe: Kein Weltuntergang, hauptsache essen, hauptsache nicht erbrechen.... du wirst gesund.

Es ist einfach ein unzufriedenes Gefühl in einem...

Also habe ich ein wenig mehr darauf geachtet, was ich so esse und wann... und zwar nicht, um mein Gewicht zu kontrollieren und ja nicht zu viel zu essen, sondern der inneren Ruhe und Ordnung wegen.

Wie gesagt, es war das Ende meiner ES und da dominierten schon die vernünftigen Gedanken gegen die Angst- und Panikgedanken der ES.

Ja, aber um zum eigentlichen Punkt zurückzufinden:

Das ES-Gerüst in uns besteht aus mehr, als Erbrechen. Und es erfüllt auch ohne Erbrechen seinen Zweck...
so haben wir uns quasi (selbst) programiert.
Und ein Träger des Gerüsts ist zB die Kontrolle.

Von daher wäre es vielleicht gut, wenn du es schaffen könntest ein bischen Routine, Ordnung und Stabilität in dein Essverhalten zu bringen.
...und das für einen längeren Zeitraum.
Dein neues Gerüst an Kontrolle.

Natürlich geht der Neuaufbau nicht ohne Baustelle und Müll... d.h. mein Rat: setz dich nicht zu sehr damit unter Druck, nur ja nicht zu kotzen, oder ja keinen FA zu haben...
Du befindest dich eben noch auf einer Baustelle und bis der ganze Schutt weg ist, dauert es...
die Zeit hast du!

Wichtig ist, dass du am Gerüst arbeitest und fortwährend Schutt beiseite schaffst. D.h. wirklich täglich den inneren Schweinehund bekämpfen!
Du wirst sehen, den Schweinehund-Kampf wirst du immer öfter gewinnen.

Für deine FA´s gibt es Ursachen... die verschwinden nicht von heute auf morgen. Aber sie lassen sich langsam entfernen. :)

Liebe Grüße!

#32
Liebe mari,

danke für deine ausführliche Antwort. Ich konnte und wollte nicht gleich antworten...deine Worte haben jetzt einige Zeit in mir gearbeitet und tun es immer noch! positiver Weise!

Wie es mir geht, nun ja, Mi, Do und Fr waren mühsame Tage - ich habe jeden Abend gefuttert und Sa hatte ich dann ziemliches Magendrücken und glaubte jeden Augenblick erbrechen zu müssen (aber nicht gewollter Weise). Dass ich mich auch so total mies fühlte (vorallem in meinem Körper) brauch ich nicht extra erwähnen. Jedenfalls saß ich so herum und dachte an deine Worte und an die eines Bekannten, der auch so seine Suchtvergangenheit hat und mir sagte, dass es nur ein Entweder Oder gibt und kein "ein bisserl gönn ich mir" (sprich hie und da ein FA und hie und da ein bisschen sonstwas) sondern dass man auch Verhalten entziehen muss. Und dann dachte ich an die vielen Momente in denen ich mir schon gesagt habe "ab heute ist es aus". Jedenfalls (um das hier abzukürzen) beschloss ich es zu versuchen und zwar mit deinen Worten, Mari. Eine Struktur ist wichtig, geregeltes Essen zu fixen Zeiten, usw. Keine Beschränkungen in Bezug auf die Kalorienaufnahme (ich meine jetzt keinen FA sondern Vermeiden gewisser Nahrungsmittel im Zuge einer Mahlzeit). ALSO SO WIE ICH DAS SCHON ZIG MAL GEHÖRT UND IN DER KLINIK GELERNT HABE. Knurr :twisted: Aber ich brauche halt Zeit und versuche mir nicht böse deswegen zu sein (mein Therapeut wäre jetzt sehr stolz auf mich hihi! :wink: ).

Bisher habe ich immer drum herum geeiert, weil es so verdammt schwierig ist und mich natürlich einige Überwindung kostet. Ich kriege ja sämtliche Zustände, wenn ich gerne essen würde und versuche, es nicht zu tun. Aber genau dafür habe ich schon sehr viel Hilfe und Tipps bekommen. Gegen die Schlaflosigkeit und Nervosität habe ich Medikamente, die ich nehmen soll - ich neige dazu, sie zu selten und dann zu wenig zu nehmen. Also sogar hierfür habe ich Unterstützung. Es gibt also "nur" den inneren Schweinehund, den ich überwinden muss.

Mari, du hast mir wieder mal einen Motivationsschub versetzt. Danke!

Was ich zum Thema Kontrolle noch sagen möchte: mein Problem dabei ist, dass ich die B glaube ich deshalb entwickelt habe, weil ich ZU kontrolliert war bzw. weil ich in so immens kontrolliertem und kontrollierendem Umfeld aufgewachsen bin. Ich muss aufpassen mit dem Thema Kontrolle, sonst geht das nach hinten los. Aber wie gesagt, ein gesundes Maß an Struktur muss ich mir aneignen, denn das tut mir bestimmt nur gut.

Ich berichte weiter, wie es mir geht - wenns jemanden interessiert...
Jedenfalls erstes Erfolgserlebnis am WE: habe gestern JEDE der 3 Mahlzeiten bei Tisch eingenommen (ähm und nicht wie sonst irgendwo im Stehen oder auf der Couch oder so zwischendurch). Habe eben 3 Mahlzeiten gehabt. habe zu Mittag vegetarische Lasagne gemacht und auch ein Stück gegessen (ich gebs zu, mein Teil hatte weniger Käse... :oops: ). Ich war gestern eine halbe Stunde mit Hund laufen! Habe mich sehr gut gefühlt dacach und es war auch nicht so zwanghaft, sondern einfach gemütlich.
Habe NICHT ferngesehen, sondern gelesen...Fernsehen am Abend hat nämlich so etwas "dissoziatives" und depressives für mich...komme oft nach Hause und drehe die Kiste auf für die nächsten 4-5 Stunden oder das Internet...

so, mal sehen was diese Woche bringt!

Danke dir nochmal Mari! lg djinn