Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#16
Wenn ich mir vorstelle ich wäre Lehrer, hätte mich in meinem ganzen Leben nie mit Essstörungen etc beschäftigt und nur Dinge gehört wie: "Das ist eine Form von Aufmerksamkeitsdefizit" und "zu faul um normal abzunehmen". Natürlich weiß ich als Pädagoge, dass das nicht stimmt, aber solche Sätze bleiben irgendwo im Unterbewusstsein verankert. Ich habe mich noch nie damit beschäftigt, kenne zwar Leute die ungewöhnlich dünn sind aber mach mir darüber keinen Kopf, Leben und leben lassen.

Dann kommt eine Schülerin zu mir, pubertierend, dünn aber nicht überdimensional und im Unterricht eigentlich immer eher unauffällig. Sie sagt sie hat eine ES - ich kenne mich damit nicht aus und habe das Bild von extrem dünnen MS im Kopf - natürlich ist mein ersten Impuls: aber so dünn bist du noch gar nicht?
Deswegen kann ich das schon irgendwo nachvollziehen.

Wäre das aber ein Thema, welches mit angehenden Pädagogen sorgfältiger und öfter besprochen werden würde, dann wären die Denkansätze ganz anders, vermute ich...
Everyone says: "Destroy what destroys you",right? But what if the thing destroying you is yourself?

Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#18
Das verstehe ich natürlich und glaube mir das würde mir nicht rausrutschen ;)
Doch es ist auch so das man als Lehrer mit anderen Defiziten und Störungen deutlich häufiger zu tun hat als Essstörungen.
Und da sagen halt die oberen das lieber im Bereich Lese- und Rechtschreibschwäche oder ähnliches mehr Mittel zur Verfügung stehen sollen oder Zeit im Studium aufgewandt werden soll.
Es ist eine sehr schwere Geschichte :(
Die Antwort weiß die Wissenschaft
denn das ist eine Wissenschaft,
die vielfältiges Wissen schafft,
durch das man schweres Wissen rafft,
womit man den Beweis, dass man was weiß,
mit weißer Weste und mit ruhigem Gewissen schafft.


Wise Guys

Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#20
Also ich persönlich finde es nicht die Aufgabe eines Lehrers sich SchülerInnen mit Essstörungen näher anzunehmen...

Dafür gab es bei uns eine Schulpsychologin...
Lehrer haben gerade in der heutigen Zeit eh schon mit so vielen Aufgaben und Erwartungen zu kämpfen, da fände ich das wirklich eine Spur zu übertrieben... Abgrenzung sollte auch hier eine gewisse Rolle spielen. Das heißt nicht, dass ich forsches Verhalten, Auslachen oder Ignoranz gutheiße, einen Verweis an geeignete Stellen fände ich aber für eine normale Lehrperson ausreichend. Sie sind halt keine Therapeuten und haben so viele SchülerInnen, wovon viele unschöne Schicksale mit sich herumtragen.. das ist nicht machbar.
auf Urlaub

Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#21
Ich stimme Cooky da voll und ganz zu...

Was meint ihr wie viele Leute in einer Klasse sitzen, die in irgendeiner Form Hilfe bräuchten?
Bei dem einen ist es die Essstörung, beim anderen vielleicht die prügelnden Eltern, m*ssbr**ch, Mobbing, Suizidalität, Armut, nicht vorhandene Zukunftsperspektive usw usw.

Für was sollen Lehrer denn alles Fachleute werden?
Lehrer sollten Unterricht machen, professionell sein und sich abgrenzen können. Eine Rettungsaktion für essgestörte Schüler zu machen gehört da finde ich nicht zu. Vor allem wo macht man da den Unterschied? Wo ist die Grenze ? Wem hilft man und wem nicht?
Lehrer sollten kompetent reagieren, wenn jemand sich öffnet. Kompetent reagieren ist in meinen Augen aber einfach an die entsprechenden Stellen zu verweisen.

Und wenn die Hilfsbereitschaft der Lehrer über den Unterricht hinausgeht, dann wären die ersten Problemstellen wohl erstmal die, die die Schule selber betreffen. Also bspw. Mobbing oder ähnliches.
Alles andere kann man wirklich nicht erwarten finde ich

Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#22
Ich oute mich mal als so ein "Fachidiot". :)

Lehrer sollen vieles: Probleme bei den Schülern aufdecken, Hilfestellung geben, Ansprechpartner bei häuslichen Problemen sein, die Schüler optimal fördern, guten Unterricht machen etc. Aber Lehrer sind auch nur Menschen. Wenn ich vor meiner Klasse stehe, dann ist mir durchaus bewusst, dass im Schnitt z.B. eine SchülerIn pro Klasse daheim m*ssb**ch* wird. Aber was soll ich machen? Bei Verdacht meld ich es dem Klassenlehrer, der dem Rektor, dann Schulsozialarbeit und erst dann kommt es zum Jugendamt. Das kann unter Umständen Wochen dauern. Ich habe das gemacht, was rechtlich richtig ist.

Soll ich jetzt aber jedes Problem meiner Schüler zu meinem eigenen machen? Wenn eine Schülerin zu mir kommt und sagt, dass sie eine ES hat, dann hab ich die Möglichkeit es weiterzugeben und ihr anzubieten mit zur Schulsozialarbeit oder so zu gehen. Alles andere ist NICHT meine Aufgabe. Das mag arrogant oder abgestumpft klingen. Ich liebe meinen Beruf und auch meine Schüler, aber ich kann nicht jedes Problem selber lösen und dazu hab ich auch nicht die Kraft. Manchmal sind es 4-5 Schüler pro Woche die mit einem Problem zu mir kommen. Wenn ich mich um jedes alleine kümmern würde, dann hätte ich Burnout und würde meine anderen Schüler im Stich lassen.

Ich brauch meine freie Zeit für mich. Um abschalten zu können und auch Kraft zu tanken für den stressigen Schulalltag (es ist nämlich nicht so, dass ich ab 13 Uhr frei habe). Ich würde NIEMALS einer/m SchülerIn meine private EMail-Adresse oder meine private Telefonnummer geben. Ich hab eine dienstliche Telefonnummer- und das Telefon ist von 18.30-20 Uhr unter der Woche eingesteckt und ansonsten aus. Der Lehrerberuf ist kein 24 Stunden Job. Jeder braucht seine freie Zeit.

Fortbildungen zu Essstörungen etc. gibt es, aber letztendlich kann man keinen Lehrer dazu zwingen sich in etwas fortzubilden, was er nicht möchte und sorry, wenn das blöd klingt, aber für einen Deutschlehrer ist es z.B. wichtiger sich in Förderung der Lese-Rechtschreib-Störung fortzubilden oder für einen Mathelehrer in Dyskalkulie oder generell in neuen Unterrichtsmethoden.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich auch Kollegen habe, diewirklich keine Ahnung haben und auch nach dem Motto leben "Was geht mich das Geschwätz der Schüler nach der Schula an", aber ich zu meinem Teil, denke oft auch in meiner Freizeit an Schüler, denen es offensichtlich nicht gut geht. Aber ich muss auch an mich denken, denn sonst kann man diesen Beruf irgendwann selber nicht mehr ausüben.

Liebe Grüße
Pusteblume

Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#23
Na ja Pusteblume, Fachidiot bezeichne ich als etwas anderes.
Und auch ich sehe die ganzen Problematiken die du da aufgeworfen hast.

Nur mir blutet das Herz wenn ich sehe wie es meinen Schülern geht und ich da nichts machen kann. Aber ich weiß auch das ich mich da ausbremsen muss. Gut ich bin noch ein solcher Frischling in der ganzen Chose das ich vielleicht noch so den idealisierten Blick drauf habe :oops: aber ich bin mir da auch manchmal etwas unsicher.

Ich denke da muss jeder Lehrer für sich den eigenen Weg finden, aber ich würde mir wünschen das der Schüler sich angenommener fühlt.
Aber wie das erreichen ohne das Lehrermaterial aufzubrauchen das man hat?
Viele Bundesländern können sich ja kaum schon die Lehrer leisten! Bei vielen Sozialpädagogenstellen fallen im Lauf der Jahre die Mittel weg weil die Bundesförderung ausläuft.
Auch wenn ich das Glück habe in einem Bundesland zu wohnen wo es uns relativ gut geht, irgendwie ist da der Knoten drinnen.

Schwierige Geschichte.
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Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#24
Fireball hat geschrieben: Nur mir blutet das Herz wenn ich sehe wie es meinen Schülern geht und ich da nichts machen kann. Aber ich weiß auch das ich mich da ausbremsen muss. Gut ich bin noch ein solcher Frischling in der ganzen Chose das ich vielleicht noch so den idealisierten Blick drauf habe
Das vertstehe ich zu gut. Mir tut es auch weh, wenn ich sehe, wie ein Schüler leidet, aber man muss sich bewusst werden, dass seiner eigenen Kompetenz auch Grenzen gesetzt sind. Gerade am Anfang ist es sehr schwer. Man möchte etwas verändern, es evtl auch "besser" machen als die eigenen Lehrer- und irgendwann stößt man an seine Grenzen. Einen guten Lehrer zeichnet es aus, dass er in schwierigen Situationen sich Hilfe zu holen und seine Ressourcen einzuteilen weiß. Auch wenn ich mich bspw. mit Essstörungen gut auskenne- ich würde es mir nie herausnehmen ein(e) SchülerIn zu beraten, denn das kann ich einfach nicht. Dazu gibt es professionelle Einrichtungen.

Ich bin jetzt auch noch nicht so lange im Lehrerberuf (2. Schuljahr nach dem Referendariat) und ich musste (und muss) in der Hinsicht viel lernen. Zumal ich an einer sogenannten Brennpunktschule unterrichte, in der viele Grundlagen den Schülern noch vermittelt werden müssen (Pünktlichkeit, Höflichkeit, Zuverlässigkeit, Respekt...). Für mich ist der Lehrerberuf meine Berufung und ich würde mich immer wieder für den Beruf entscheiden, auch wenn man in manchen Situationen hilflos ist.

Liebe Grüße
Pusteblume

Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#25
Als angehender Lehrer, der bald sein Referendariat beginnt, hier mein Kommentar.
Heartbeat hat geschrieben:Z.B. haben wir in der Klasse einen Jungen, der von den anderen richtiggehend und offensichtlich gemobbt und verlacht und ausgeschlossen wird (er ist ein bisschen autistisch, und ich denke, die anderen sind einfach neidisch wegen seinen 1er -Zeugnissen). Hat sich noch nie ein Lehrer drum gekümmert. Seit sechs Jahren nicht.
Kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Bei mir wurde auch 98% der Zeit weggeschaut, und 2% der Zeit sinnlose Lehrerkonferenzen oder Unterrichtsstunden zum Thema "Wie können wir erreichen, dass sich Schattenwolf besser in die Klassengemeinschaft integriert?" abgehalten. Im besten Fall hielt der Effekt ca. 1-2 Wochen, im schlechtesten Fall gab's danach (falls ich selbst um Hilfe gesucht hatte) erstmal extra was auf die Fr****.
Fireball hat geschrieben:Mir ist vollends klar das man sehr gut fachlich ausgebildet sein muss aber rein Richtlinienmäßig hat der Lehrer pädagogisch gesehen cool face zu bewahren.
Nein, das ist definitiv nicht so. Als Lehrer hast du neben deinem Bildungsauftrag immer auch einen Erziehungsauftrag.
Fireball hat geschrieben:Also die letzte größere Aussage war das es eben kaum richtige Pädagogen als Lehrkräfte gibt sondern das sie häufig Fachidioten seien. so mal sehr flott übersetzt :)
Das ist, meiner Beobachtung nach, leider wirklich oft so. In meiner eigenen "Laufbahn" (als Schüler und als Lehramtsstudent) habe ich schon viel zu viele Negativbeispiele von sog. Lehrern gesehen, die den Beruf nur als zweite Wahl ergriffen haben. Das sind dann sog. Quereinsteiger, d.h. aus einem Ex-Ingenieur wird dann mittels Zusatzausbildung ein Mathe/Physiklehrer. Wenn der dann auch noch nicht verbeamtet wird, sondern für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommt als seine Kollegen, dann gute Nacht.
Fireball hat geschrieben:Wirkliche Pädagogen die im Herzen etwas bewegen wollen haben es in der Ausbildung bzw. in ihrem späteren Beruf sehr schwer.
Da würde ich sagen, teils-teils. Es hängt immer sehr von der jeweiligen Schule und ihren Rahmenbedingungen ab. Manche Schulen haben ein sehr effizientes Management (z.B. meine Wunschschule für's Referendariat). Andere arbeiten nach dem Chaos-Prinzip. Ob ein Lehrer sein Engagement in die Praxis umsetzen kann, hängt demnach v.a. davon ab, wie der Schulleiter so 'drauf ist und unter welches pädagogische Leitkonzept er seine Schule gestellt hat. Und natürlich, ob seine Schule attraktiv genug ist, um entsprechend motivierte Kolleginnen und Kollegen in großer Zahl anzuziehen.

Nach allem, was ich so beobachtet habe, scheint es eine Tendenz zu geben, dass sich gute Lehrer an wie oben beschriebenen Schulen zusammengnubbeln, und schlechte Lehrer an Problemschulen in Problembezirken.
mäuschen hat geschrieben:Wenn ich meinem KV von der Bulimie erzählen würde, würde sie mich auslachen und zusammenschreien...
Bitte was?! :shock:
*Tine* hat geschrieben:Es ist außerdem extrem schwer, wenn man 28 Schüler vor sich hat, sich wirklich auf einzelne zu konzentrieren. Erst recht, wenn man nicht nur diese eine Klasse hat, sondern noch viele andere Klassen mehr.
Leider wahr. Das kann natürlich auch einfach daran liegen, dass ich selbst noch blutiger Anfänger bin. Meine Unterrichtsstunden liefen zwar immer gut, aber trotzdem ist es sau schwer, vor der Tafel stehend konstant den Überblick über 25-30 Schüler zu behalten. Seitdem ich das erste Mal selbst unterrichtet habe, ist mir 100% klar, wieso man im Unterricht problemlos Zettel schreiben oder Spiele zocken kann. Alles, was nicht direkt Lärm macht, zieht so schnell keine Aufmerksamkeit auf sich. :mrgreen:
*Tine* hat geschrieben:Dazu kommt, die meisten Jugendlichen sind 'heute' einfach viel komplizierter, Kräftezehrender, als noch vor 15 Jahren. Leider. Heute gibt es Dinge, die Pädagogen aushalten müssen, die es eben vor mehreren Jahren definitiv nicht gab.
Ich persönlich glaube, dass das oft eher an den übertriebenen Ansprüchen (und der vernachlässigten Erziehung) vieler Eltern liegt, als an den Schülern selbst. Bei mir ist jedenfalls noch keiner frech geworden, sondern ganz im Gegenteil, die waren alle super nett zu mir. Guter Unterricht vorausgesetzt!
(natürlich hab ich auch noch den Neulings-Bonus gehabt...)
Piggi hat geschrieben:Bei uns im Ort gibt es in der HS(jetzt Mittelschule) eine Lehrerin, bei der schon seit vielen , vielen Jahren bekannt ist, dass sie Alkohlikerin ist und auch immer wieder mal im Unterricht trinkt, doch sie fliegt nicht raus. So müssen alle Kinder bei ihr drunter leide, bis sie endlich in Pension geht.
Wenn sie verbeamtet ist, kann sie auch nicht gekündigt werden, sondern nur an eine andere Stelle versetzt werden. Es sei denn, sie leistet sich etwas so Gravierendes, dass sie ihren Beamtenstatus verliert.
Piggi hat geschrieben:Das ist übrigens auch so eine Sache. Viele der älteren Lehrer meinen, sie müssen sich nciht mehr weiter bilden oder versuchen nur noch die Zeit bis zur Pension hinzubiegen(was manchmal ja zu verstehen ist) und bleiben bei ihrem alten System sitzen. So haben die JUngen Lehrer kaum Chancen auf Veränderungen und wenn sie dann endlich mal an der Reihe sind, naja wird wohl auch schon viel Energie beim KÄmpfen für die Schüler verloren gegangen sein.
Den Gedankengang kann ich absolut verstehen. Leider ist das oft so.

Allerdings haben wir jungen Lehrer durch den gerade stattfindenden Generationenwechsel in den Lehrerzimmern nun erstmals seit vielen Jahrzehnten die Möglichkeit, mal wirklich etwas zu verändern und der Schule unseren Stempel aufzudrücken. Wer's nicht weiß: In den kommenden ca. 10 Jahren werden massenweise Lehrer in den Ruhestand gehen, das ist jetzt schon im vollen Gange. Deshalb auch die vielen jungen Neuzugänge in den Kollegien.

Wer also noch arbeitslos ist, sich für den Beruf des Lehrers interessiert, und zufälligerweise an einer als schwierig geltenden Schulform (Hauptschule, Realschule, Berufsschule) interessiert, an einem Mangelfach (oft: Mathe, Physik, Kunst, Latein, Informatik, Chemie u.a.) Spaß hat, und/oder sich sonderpädagogisch engagieren möchte (Inklusion!), der braucht sich meiner Meinung nach um Arbeitslosigkeit keine Gedanken mehr zu machen. :D

Es ist natürlich nicht jeder dafür geeignet, aber: Es gibt seit neuestem ein verpflichtendes Eignungspraktikum, das vor Beginn des Studiums (oder im 1. Semester) abgeleistet werden muss. Die Lehrerausbildung wurde vor kurzer Zeit komplett reformiert. Ich schreib das deswegen, weil ich mir nicht sicher bin, ob das überhaupt in den Medien deutlich herübergekommen ist. Es hat sich in den letzten Jahren wirklich viel geändert.

Auf Unterrichten in einer Schule mit einem völlig vergreisten Lehrerkollegium hätte ich nämlich auch keine Lust! :D
Piggi hat geschrieben:Dann ist da noch die Regierung, die es Familien erschwert, für die KInder gut da sein zu können und das Bildungssystem den Bach runter geht. Ich muss nur daran denken, wie mein Sohn in die Sporthauptschule in Wien gegangen ist. Es war eine Katastrophe. Viele Kinder, die kaum deutsch sprechen, wo die Lehrer auch wieder einspringen müssen. Eltern, denen die Kinder wurscht sind und auch zu Hause viel Gewalt erleben müssen(also die Kinder).
Hauptschule ist besonders kritisch, meine Mutter war die letzten ca. 15 Jahre an einer Hauptschule, ich weiß wovon ich rede. 10 Liter Kartoffelsuppe an die Wand gekippt, mit Messern aufeinander losgegangen, ... die Mittagstischgeschichten waren immer göttlich. :wink:
Piggi hat geschrieben:Deshalb bewundere ich die engagierten Lehrer, dass sie sich so versuchen einzusetzen für unsere Kids und dass sie diesen Beruf als ihre Berufung sehen.
Ich wünsche allen angehenden Lehrern(natürlich sind da die weiblichen genau so gemeint) viel KRaft und Geduld und naja dass ihr die Freude am Unterrichten nicht verliert.
Und es muss auch mal ein riesen Dankeschön an solche Leute ausgesprochen werden, dass man sich diese Aufgabe eben stellt.
Dankeschön! ;)
kleines Ich-bin-ich hat geschrieben:Aber - auch wenn man das sicher nicht pauschalisieren kann - in manchen Fällen ist eben die Ursache für dieses Verhalten, die schlechten Umgebungsbedingungen, die ihnen zu viel abverlangen ohne ihnen das passende Material an die Hand zu geben.
Ich hab wie gesagt gerade eine tolle Wunschschule angegeben, an die ich unbedingt hin möchte, weil dort nämlich genau solche Probleme qualifiziert adressiert werden. Unter anderem haben alle Schüler der Sek. I (also 5.-9. Klasse) jeden Tag spätestens um 13:40 Uhr frei, und die Unterrichtsstunden dauern alle 60 Minuten. Das Schulkonzept sieht auch ausdrücklich vor, dass die Schüler der Sek. I dadurch auf jeden Fall genügend Zeit haben sollen, um Dinge zu tun, die nichts mit Schule zu tun haben, d.h. Hobby/Freunde/Partys/... was ich sehr gut finde.
Sophie11 hat geschrieben:Zumindest in Berufsschulen ist es z.B. so, dass so ein Fachkräftemangel herrscht, dass die Lehrer dort zwar ein Studium haben. Aber kein Lehramtstudium.
Ja genau, das sind dann die o.g. "Quereinsteiger". Die müssen zwar auch das 18-monatige Referendariat durchlaufen, aber haben kein Lehramtsstudium gemacht.

Ich schreib aber an dieser Stelle ganz ausdrücklich, dass auch diese Leute hervorragende Pädagogen werden können! In unserem eigenen Lehramtsstudium haben wir zwei Unterrichtsfächer plus Erziehungswissenschaft studiert. Den erziehungswissenschaftlichen Teil hätte ich mir komplett sparen können, das ist Kindergartenniveau. Du lernst nichts. Wirkliches Lernen findet da bei vielen erst im Referendariat statt, un das müssen ja beide Berufsgruppen durchlaufen.

Der Knackpunkt ist hier eher die Motivation des Referendars: War der Lehrerberuf sein Herzenswunsch, oder nur zweite/dritte Wahl?
Das schlägt sich dann in der Pädagogik nieder.
Sophie11 hat geschrieben:Ich würde mich vermutlich nie vor eine Gruppe von regulären Schülern stellen, wo die Hälfte sich unterhält, ein viertel mit dem Handy unter dem Tisch spielt, 2% mutwillig stören und höchstens der Rest sich in einer halbwegs annehmbaren Arbeitshaltung befindet....
Ich würde mich ungern zu weit aus dem Fenster lehnen wollen, aber so wie ich das in meinen paar Unterrichtsstunden beobachtet habe, färbt hier die Motivation des Lehrers ganz entscheidend auf die Schüler ab - oder eben auch nicht. :lol:

Ich hab schonmal eine hööööchst illegale Vertretungsstunde in Chemie gehalten; als Praktikant. Ich stand unvorbereitet vor der Klasse, da ich nur hospitieren (=zugucken) wollte, als mir plötzlich gesagt wurde, dass die Lehrerin krank sei. Die Vertretungslehrerin hatte allerdings die Fächerkombination Englisch/Sport und das nächste, was ich hörte, war der Satz: "Ach, dann können Sie dann ja die Stunde machen!"

Das war sozusagen mein persönlicher Härtetest, nach dem ich wusste, dass ich in dem Beruf richtig bin. Ich hab es geschafft, ohne Vorbereitung 45 min. lang eine Klasse wild pubertierender Achtklässler, die so ungefähr bei der demotiviertesten schlimmsten Chemielehrerin hatten die ihr euch nur vorstellen könnt, zu unterrichten. Da hat niemand mit dem Handy gespielt, sondern die haben nur noch Fragen gestellt. Die haben mich, und das war auch mein Arbeitsauftrag an sie, alles fragen dürfen was sie jemals über Chemie wissen wollten, aber sich nie getraut haben zu fragen.

Ende vom Lied: In der nächsten Unterrichtsstunde habe ich Mäuschen gespielt, und durch den Vorbereitungsraum die Klasse beobachtet. Thema: "Was ist ein Ion?", und darauf aufbauend, Elektrolyse. Nach 20 min. (!) war die Lehrerin mit ihrem Stoff durch, und ich hörte allen ernstes den Satz:

Frau K., was sollen wir denn jetzt machen?
- {Pause...} - {fragende Augen von Achtklässlern} - {Pause...} - Jetzt nehmt ihr eure Buntstifte heraus. Malt die Natriumionen braun an, und die Chloridionen grün!

:mrgreen:

Sorry, ich hoffe, das kam jetzt nicht zu arrogant herüber. Ich wollte damit nicht ausdrücken, dass ich der Gott im Unterrichten bin, sondern, dass man tatsächlich sehr effizient einen sehr angenehmen und produktiven Unterricht gestalten kann, wenn man denn nur einen Draht zu seinen Schülern entwickelt.
mäuschen hat geschrieben:Man sollte eigentlich annehmen, dass Lehrer in ihrer Ausbildung als Pädagogen über psychische Krankheiten und deren Auswirkungen lernen und sich korrekt verhalten sollten. Leider ist das ganz und gar nicht der Fall, wie ich das so mitbekommen haben (Fireball, vl kannst du was dazu sagen?)
Absolut null Information in 5 1/2 Jahren Studium.

Und ich habe Biologie als Unterrichtsfach mit drin.
mäuschen hat geschrieben:Ich glaube einfach, dass Lehrer viel häufiger keine Ahnung von solchen Dingen haben, als man vermuten sollte. Auch Vertrauenslehrer nicht - und das finde ich wortwörtlich scheiße. Essstörungen treten immer häufiger auf; Jeder Mensch kann daran erkranken und die Risikogruppen werden immer größer (fast jeder Mensch hat heutzutage Minderwertigkeitskoplexe und Selbstwertgefühl im Keller), und Essstörungen sind leider Krankheiten, die man in seinem ganzen Leben nie wieder ganz verbannen kann. (Ich meine damit: natürlich kann man symptomfrei leben lernen und die Gedanken zeitweise verdrängen, aber sie werden nie ganz verschwinden und immer wieder kommen. Nur weil man symptomfrei ist, heißt das noch lange nicht, dass man gesund ist, wie wir ja alle wissen. Und in schwierigen Situationen ist es menschlich in alte Muster zurückzufallen.)

Ich wünsche mir sehr, dass man daran etwas ändert. Gerade bei psychischen Krankheiten, die sehr viel mit einer gestörten Selbstwahrnehmung und Minderwertigkeitskomplexen (usw.) zu tun haben, können schon geringste Aussagen, die für andere völlig normal sind, ganz große Schäden anrichten. Und das muss nicht mal aus Boshaftigkeit passieren, sondern einfach, weil sie es nicht besser wissen.
Mehr als das: Das Sozialsystem Schule fördert sogar noch diese Minderwertigkeitsgefühle, indem es Mobbing und verletzende Sprüche zulässt.

Außerdem lernt man im Biologieunterricht stundenlang die gefährlichen Folgen von Übergewicht, und wie böse Fett ist. (zumindest war das in meiner Zeit als Schüler so)

Dass der menschliche Körper zwei essenzielle Fettsäuren benötigt (d.h. Fettsäuren, die genau wie Vitamine täglich zugeführt werden müssen, weil man sonst Mangelerkrankungen bekommt), und dass zu dünn genauso ungesund ist wie zu dick, wird hingegen oftmals überhaupt nicht thematisiert. Es ist das große Paradoxon unserer Gesellschaft: Einerseits sind Fett und Übergewicht böse, Diäten cool und Light-Produkte mit 0,1% Fett der Normalzustand, um die von Männern wie Frauen allseits erstrebenswerte Bikinifigur zu erlangen - andererseits finde ich als schlanker junger Mann beim Einkaufen fast nur noch T-Shirts in XL, XXL, 3XL, 4XL und 5XL. Bei C&A gibt es inzwischen sogar eine "XL-Kollektion".

Ihr könnt euch darauf verlassen, dass man in meinem eigenen Biologieunterricht lernen wird, sich gesund zu ernähren, und dass die Förderung eines gesunden Körperbilds ein Lernziel meines Unterrichts sein wird. Frauen sehen naturgemäß nicht aus wie Kate Moss. Eine kleine Fettschicht ist durchaus normal und ein gesundes Zeichen eines gut funktionierenden Körpers. Dennoch gibt es kaum ein Werbeplakat, auf dem nicht mit Photoshop nachretuschiert wurde, um künstliche Beauty"standards" zu erreichen und so den Eindruck zu erwecken, jeder müsse das haben, und wer das nicht habe, habe ein Defizit. Das muss aufhören!
mäuschen hat geschrieben:Ich gehe sogar noch weiter - es ist die Schuld unserer Weltanschauung: Geld ist Zeit. Profitorientiert, Leistungsorientier, Mainstream. Gut ist nur der, der schnellst möglich sein Programm durchzieht - der frühe Vogel fängt den Wurm. Da ist leider kein Platz für Individualismus. Den muss man sich verdienen und dazu haben nur ganz wenige die Chance...
*verbeug*
Fireball hat geschrieben:ALLERDINGS liegt es bei jedem einzelnen Studenten selbst wie weit er sich in die Thematik einarbeitet.
Man kann an vielen Unis noch extra Kurse belegen von Krisenmanagment (Schüler kommt z.B. mit einer ES zu einem o.ä.) über psychische Störungen im Schüleralltag bis zu Präventionskursen für einen selbst. Aber eben im freien Bereich den manche halt lieber für etwas anderes nutzen.
Freu dich, ehrlich. Bei uns gibt's nur Kurse á la "Möglichkeiten der Krisenintervention für marxistische Untergrundkämpfer in Nordostsomalia - eine erziehungswissenschaftliche Perspektive auf den Stellenwert des Antikapitalismus in der Erziehung achtjähriger Mädchen mit Transgender".
Fireball hat geschrieben:ABER es ist doch häufig so das man als ES-Betroffener vielleicht gar keine direkte Hilfe möchte sondern sich einfach auskotzen.
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:mrgreen:
Fireball hat geschrieben:Der Lehrer sollte aber dringend Hilfe suchen für den Schüler. Es ist wirklich schwierig und fordert dann auch viel persönliches Engagement vom Lehrer.
Doch die sind häufig dann schon mit anderen Dingen überlastet.

Ich weiß jetzt nicht ob ich da den richtigen Input gegeben habe. Wenn nicht einfach melden ;)
Du hast mir auf jeden Fall einige Denkanstöße für mein Referendariat gegeben, dafür vielen Dank!

Ich weiß, dass man sich nicht um alles selbst kümmern kann, aber ich werde zumindest jedes "Herr Schattenwolf, kann ich mal kurz auf Toilette?" kritisch betrachten. Wenn das alle tun würden, wäre schon viel getan.
Fireball hat geschrieben:Doch es ist auch so das man als Lehrer mit anderen Defiziten und Störungen deutlich häufiger zu tun hat als Essstörungen.
Und da sagen halt die oberen das lieber im Bereich Lese- und Rechtschreibschwäche oder ähnliches mehr Mittel zur Verfügung stehen sollen oder Zeit im Studium aufgewandt werden soll.
Es ist eine sehr schwere Geschichte :(
Blöderweise stimmt das. Lese-Rechtschreib-Schwäche und ADS/ADHS sind da leider gefragter als Anorexie/Bulimie. Mit welcher Berechtigung die Schwerpunktsetzung und Mittelvergabe da so erfolgt, das kann man sich tatsächlich fragen. Ob die Fallzahlen von Essstörungen so viel geringer sind als die von Schülern mit LRS, sei nämlich dahingestellt... .
cooky hat geschrieben:Also ich persönlich finde es nicht die Aufgabe eines Lehrers sich SchülerInnen mit Essstörungen näher anzunehmen...

Dafür gab es bei uns eine Schulpsychologin...
Wenn es die gibt, dann ja.

Allerdings hängt der Lehrer trotzdem in der Diagnostik mit drin, sollte also ein wachsames Auge haben. Insbesondere gehört dazu, einen gewissen Draht zu seinen Schülern zu haben, so dass einem solche Sachen leichter auffallen. Wenn ich nur 1x im Halbjahr mit einer bestimmten Schülerin rede, fällt mir eine Veränderung in ihrem Aussehen und Verhalten womöglich gar nicht erst auf.
cooky hat geschrieben:Sie sind halt keine Therapeuten und haben so viele SchülerInnen, wovon viele unschöne Schicksale mit sich herumtragen.. das ist nicht machbar.
Das ist ein berechtigter Punkt, wie ich finde. Kernkompetenzen des Lehrers sind Bildung und Erziehung, nicht Therapie. Das ist Kernkompetenz des Psychologen/Psychotherapeuten. Es ist auch aufgrund der hohen Fallzahlen insgesamt fraglich, ob jeder Lehrer überhaupt von seinem Zeitkontingent her die Chance hat, sich intensiv um alle Fälle zu kümmern, sofern er überhaupt alles entdeckt was es so in seiner Klasse zu entdecken gibt (das allein wäre schon utopisch).

Ich finde es daher gut und richtig, die weiterführenden Maßnahmen dann in die Hände ausgebildeter Spezialisten zu legen. Aber: Ohne dabei die Verantwortung für den Schüler gleich mit abzugeben! Ich persönlich würde immer noch ein Auge darauf halten, wie die Entwicklung dieses Schülers weitergeht. Ggf. kann man dann weitere Gespräche mit z.B. den Eltern führen, wenn man merkt, dass bestimmte Maßnahmen nicht funktionieren. Auch die Schulpsychologin ist da auf die Unterstützung von Eltern und Lehrern angewiesen, ohne ist das nicht durchführbar.

Aber wie gesagt...ich schätze, der Kernpunkt ist erstmal, überhaupt ein Problembewusstsein für Essstörungen in der Schule zu erzeugen. Insbesondere, weil das entwicklungsmäßig der Ort ist, wo oft alles losgeht.
Pusteblume hat geschrieben:Soll ich jetzt aber jedes Problem meiner Schüler zu meinem eigenen machen?
Kann und sollte man nicht. Mit Burnout nützt du keinem Schüler mehr was.
Pusteblume hat geschrieben:Einen guten Lehrer zeichnet es aus, dass er in schwierigen Situationen sich Hilfe zu holen und seine Ressourcen einzuteilen weiß. Auch wenn ich mich bspw. mit Essstörungen gut auskenne- ich würde es mir nie herausnehmen ein(e) SchülerIn zu beraten, denn das kann ich einfach nicht. Dazu gibt es professionelle Einrichtungen.
*unterschreib*
Genau so sehe ich das auch!

P.S.: Ich gehe zwar jetzt erst ins Referendariat und habe daher nur sehr begrenzte Erfahrungen mit dem Beruf des Lehrers, aber falls irgendwer irgendetwas von mir wissen möchte, fragt ruhig.

Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#26
Vielen Dank Schattenwolf!

Ein sehr interessanter Beitrag.
Bedenkenswert und sehr detailiert.
Werde ich überdenken.
Die Antwort weiß die Wissenschaft
denn das ist eine Wissenschaft,
die vielfältiges Wissen schafft,
durch das man schweres Wissen rafft,
womit man den Beweis, dass man was weiß,
mit weißer Weste und mit ruhigem Gewissen schafft.


Wise Guys

Re: Lehrer - Pädagogen oder Fachidioten

#27
Ich bin selber Lehrerin mit
Einer ausgeheilten Bulimie, wen. Es sowas
Wie Heilung gibt.
Der Job ist enorm, man hat oft leider keine Zeit
Auf den einzelnen einzugehen, dafür lässt das System
Es nicht zu, zu wenig geld da.
Es ist schlichtweg unmöglich. Man kann nur nach shggruppen
Fragen oder adressen
Viele Lehrer sind selbst in eigenen Problemen verstrickt, oder haben Sorgen und sind nicht ganz bei der Sache. Leider.
Ich Wunsch dir alles Liebe
Und sorry dass ich auf gender Gerechtigkeit nicht geachtet babe