Ich bin Rettungssani und hatte heute eine Patientin, nur wenig älter als ich, die am Tag zuvor einen Suizidversuch unternommen hatte und heute morgen auch zum wiederholten male geritzt hatte. Ich habe mich länger mit der Patientin unterhalten und mich mit ihr darauf geeinigt, dass es für sie wohl das beste wäre, wenn sie mit uns auf eine Psychiatrie fahren würde. Gesagt getan, das Krankenhaus in das wir mussten war allerdings am anderen Ende der Stadt und so hatten wir recht lange um uns zu unterhalten, ich habe ihr einige Dinge zur Therapie erklärt (z.b. hat Sie sich gewundert, warum es ihr jetzt zu Beginn einer ambulanten Therapie schlechter als vorher geht und ich hab ihr den Grund dafür erklärt) und ich hatte eigentlich das Gefühl, dass die Chemie zwischen uns passte. Plötzlich beginnt sie ihre Taschen zu durchsuchen, nimmt eine Nagelschere heraus und beginnt sich den Pulli hochzuschieben. Vor mir, einer wildfremden Sanitäterin im fahrenden Auto!
Ich hab ihr gesagt dass das nicht geht und dass sie mir die Schere geben sollte, aber sie hat sie ganz fest in ihrer Faust eingeschlossen. Erst nach dem der Fahrer stehen geblieben ist und ich einen Kollegen gebeten habe dazu zu kommen hat sie mir die Schere gegeben. Ich hab ihr dann angeboten sie soll mir erzählen was momentan diesen Druck auf sie ausübt um die Erzählung statt dem Ritzen als Ventil zu benutzen, was sie auch getan hat, aber nur wenige Minuten später hatte sie die Nagelfeile in der Hand... Diesmal musste ich schon fast Gewalt anwenden, um sie davon abzuhalten, sie hat mir (mit einem breiten Grinsen im Gesicht) gesagt, dass der Drang zu groß sei. Wieder habe ich ihr das Gespräch angeboten und ihr erklärt dass ich sie in ihrer Krankheit zwar verstehe, dass ich aber trotzdem nicht zulassen kann, dass sie sich jetzt verletzt. Vorm Anmeldeschalter hatte sie dann plötzlich noch etwas in der Hand, was zum SVV zu verwenden mir nie in den Sinn gekommen wäre (was werde ich aber nicht schreiben, um niemanden zu triggern...) - diesmal mussten wir ihr die Finger schon fast aufbiegen. Aber ich kann doch nicht zuschauen, wie sich meine Patientin vor der versammelten Rettungsmannschaft selbst verletzt!!!!! Und die ganze Zeit hat sie mich dabei angelächelt, als sei das ein Spiel. 
So, jetzt meine Frage: Könnt ihr euch vorstellen, dass der Drang wirklich so groß ist, dass man sich vor den Augen eines Sanis im Rettungsautos ritzt??? Ich hab mich dann an meine FAs zu meinen schlimmsten Zeiten zurückerinnert, aber ich bin mir ganz sicher: Selbst wenn ich wegen meiner ES auf eine Psychiatrie gebracht worden wäre und eine ganze Tasche voll Schokolade mitgehabt hätte, hätte ich nicht vorm Sani zu fressen begonnen! Ich hab fast das Gefühl, dass es für sie wirklich ein Spiel war, um sich meine Aufmerksamkeit zu sichern.
Wie seht ihr das? Ist das jetzt vollkommen daneben, oder darf ich mich von dieser Patientin ein wenig "verarscht" vorkommen? Ich mein, ich weiß, dass es eine Krankheit ist, aber man kann sich - meiner Meinung und Erfahrung nach - doch auch innerhalb der Krankheit ein klein wenig selbst steuern, oder? DANKE für eure Verständnis-Hilfe, ich will hier niemanden beleidigen oder zu nahe treten, aber ich dachte bis dato wirklich, ich könnte es zumindestens halbwegs nachvollziehen durch meine ES und würde jetzt gerne wissen, wie es euch mit der Geschichte so geht??? Mich hat das Ganze nämlich ziemlich verwirrt und éin bisschen mitgenommen - v.a., weil ich wirklich das Gefühl hatte, dass das Sani-Patient-Verhältnis bei uns wirklich sehr gut war...
Danke, euer Hörnchen
