Bulimie ist erlaubt
Verfasst: Do Apr 14, 2005 16:12
Teilweise mit Erschütterung habe ich in diesem Forum schon öfter Beiträge gelesen. Da erfuhr ich von tiefsten Nöten und Ängsten und dem Leid, das mit der Bulimie verbunden sein muss. Das Problem ist nicht die Bulimie, das Problem sind deren Auslöser. Sie selbst ist nur der Indikator dafür, wie schlecht es um das eigene Wohlbefinden bestellt ist. Es scheint sinnlos, gegen die Bulimie angehen zu wollen. Sie wehrt sich dagegen und wird umso präsenter, je stärker man ihr begegnen möchte.
Auch ich habe Bulimie - oder besser das Regulativ, das davon noch übrig blieb - und im Laufe von 15 Jahren verschiedene Stadien durchgemacht. Im Gegensatz zu den ersten fünf Jahren, in denen ich unter häufigen, unkontrollierten Fressattacken litt, und neben der Kotzerei ständig Abführmittel in mich reinschüttete, kann heute von Leiden keine Rede mehr sein. Bis dahin wurde es immer schlimmer. Statt mich den spannenden Themen, die das Leben sonst noch zu bieten hat, zu widmen, war ich ständig damit beschäftigt, geistig die Zutaten für die nächste Fressattacke zusammenzustellen.
Das war sehr praktisch. Die Präsenz des Essens in meinem Kopf lenkten mich von Erfahrungen des frühkindlichen m*ssb**ch*, meinem Versagen als Ehefrau und Mutter, vom Fehlen jeglichen Ziels, nach dem ich streben konnte, der unerfüllten Sehnsucht nach einem gleichgesinnten Partner oder Freund, gnädig ab. Während der Arbeit zählte nur die Frage, in welchem Laden ich diesmal einkaufe, um nicht auffällig zu werden. Ich fieberte dem Ende der Arbeitszeit entgegen, um mich mit Höchstgeschwindigkeit in die erste Fressattacke des frühen Abends zu katapultieren, der ersten von bis zu fünf - Verhaltensweisen, die hier wohl bekannt sein dürften.
Ich hasste mich dafür und dachte, alle Welt müsste mich eklig finden, wenn sie von meinem heimlichen Laster erführe. Natürlich wollte ich sie loshaben, die Bulimie. Das ließ sie dann auch nicht auf sich sitzen. Nach den ersten 5 Jahren stand für mich dann fest, dass ich mich keinen Tag mehr dazu hinreißen lasse, Bulimie abstoßend zu finden und unbedingt damit aufhören zu wollen oder gar, mich dafür zu hassen. Ich kapitulierte vor ihrer Macht und akzeptierte, dass Auslöser sie in mein Leben gebracht hatten und fing fortan an, mich dafür zu interessieren, weshalb das so war.
Bulimie war in meinem Kopf nicht mehr verboten, sondern erlaubt. Das Verhältnis zwischen der Bulimie und mir entspannte sich, ihre Präsenz wurde seltener. Der erste Erfolg war ein Leben frei von Abführmitteln und ähnlichem Unfug. Nur noch zu kotzen war ein enormer und wichtiger Fortschritt, den ich eingeschlagen hatte, als mir gegenwärtig wurde, dass ich ja ursprünglich nur schlank sein, und mich nicht umbringen wollte.
Die Bulimie ist noch an meiner Seite. Aber sie ist recht diskret und bescheiden geworden und beeinträchtigt meinen Alltag nicht mehr. Ich esse öfter ohne zu kotzen als mit. Es macht mir nichts aus, nicht aufs Klo zu können, wenn ich gegessen habe. Essenstechnisch betrachtet führe ich heute ein fast normales Leben ohne Beeinträchtigung.
Wie nebensächlich die Bulimie geworden ist, wurde mir bewusst, als ich zum ersten Mal - zufällig übrigens - in dieses Forum gelangte. Das ist schon eine ganze Weile her. Ich beschäftigte mich wieder verstärkt mit der Thematik (ohne Einfluss auf mein gegenwärtiges Essverhalten) und stieß dabei auf neue, interessante Zusammenhänge.
Vor 10 Jahren hätte ich mich hilfesuchend und aus purer Verzweiflung in dieses Forum eingetragen. Ich weiß, was viele von Euch da durch machen. Heute entspreche ich vielleicht eher dem, was Ihr in 10 Jahren sein könntet. Mir geht es gut - seelisch und körperlich. Es war ein langer und teilweise recht unbequemer Weg zurück ins Leben. Die daraus resultierende, tiefgehende Selbsterkenntnis hat mir auch in vielen anderen Lebenslagen geholfen. Es ist nicht alles so hoffnungslos, wie es vielleicht scheint. Das wollte hier bloß mal sagen, um Euch Mut zu machen.
Auch ich habe Bulimie - oder besser das Regulativ, das davon noch übrig blieb - und im Laufe von 15 Jahren verschiedene Stadien durchgemacht. Im Gegensatz zu den ersten fünf Jahren, in denen ich unter häufigen, unkontrollierten Fressattacken litt, und neben der Kotzerei ständig Abführmittel in mich reinschüttete, kann heute von Leiden keine Rede mehr sein. Bis dahin wurde es immer schlimmer. Statt mich den spannenden Themen, die das Leben sonst noch zu bieten hat, zu widmen, war ich ständig damit beschäftigt, geistig die Zutaten für die nächste Fressattacke zusammenzustellen.
Das war sehr praktisch. Die Präsenz des Essens in meinem Kopf lenkten mich von Erfahrungen des frühkindlichen m*ssb**ch*, meinem Versagen als Ehefrau und Mutter, vom Fehlen jeglichen Ziels, nach dem ich streben konnte, der unerfüllten Sehnsucht nach einem gleichgesinnten Partner oder Freund, gnädig ab. Während der Arbeit zählte nur die Frage, in welchem Laden ich diesmal einkaufe, um nicht auffällig zu werden. Ich fieberte dem Ende der Arbeitszeit entgegen, um mich mit Höchstgeschwindigkeit in die erste Fressattacke des frühen Abends zu katapultieren, der ersten von bis zu fünf - Verhaltensweisen, die hier wohl bekannt sein dürften.
Ich hasste mich dafür und dachte, alle Welt müsste mich eklig finden, wenn sie von meinem heimlichen Laster erführe. Natürlich wollte ich sie loshaben, die Bulimie. Das ließ sie dann auch nicht auf sich sitzen. Nach den ersten 5 Jahren stand für mich dann fest, dass ich mich keinen Tag mehr dazu hinreißen lasse, Bulimie abstoßend zu finden und unbedingt damit aufhören zu wollen oder gar, mich dafür zu hassen. Ich kapitulierte vor ihrer Macht und akzeptierte, dass Auslöser sie in mein Leben gebracht hatten und fing fortan an, mich dafür zu interessieren, weshalb das so war.
Bulimie war in meinem Kopf nicht mehr verboten, sondern erlaubt. Das Verhältnis zwischen der Bulimie und mir entspannte sich, ihre Präsenz wurde seltener. Der erste Erfolg war ein Leben frei von Abführmitteln und ähnlichem Unfug. Nur noch zu kotzen war ein enormer und wichtiger Fortschritt, den ich eingeschlagen hatte, als mir gegenwärtig wurde, dass ich ja ursprünglich nur schlank sein, und mich nicht umbringen wollte.
Die Bulimie ist noch an meiner Seite. Aber sie ist recht diskret und bescheiden geworden und beeinträchtigt meinen Alltag nicht mehr. Ich esse öfter ohne zu kotzen als mit. Es macht mir nichts aus, nicht aufs Klo zu können, wenn ich gegessen habe. Essenstechnisch betrachtet führe ich heute ein fast normales Leben ohne Beeinträchtigung.
Wie nebensächlich die Bulimie geworden ist, wurde mir bewusst, als ich zum ersten Mal - zufällig übrigens - in dieses Forum gelangte. Das ist schon eine ganze Weile her. Ich beschäftigte mich wieder verstärkt mit der Thematik (ohne Einfluss auf mein gegenwärtiges Essverhalten) und stieß dabei auf neue, interessante Zusammenhänge.
Vor 10 Jahren hätte ich mich hilfesuchend und aus purer Verzweiflung in dieses Forum eingetragen. Ich weiß, was viele von Euch da durch machen. Heute entspreche ich vielleicht eher dem, was Ihr in 10 Jahren sein könntet. Mir geht es gut - seelisch und körperlich. Es war ein langer und teilweise recht unbequemer Weg zurück ins Leben. Die daraus resultierende, tiefgehende Selbsterkenntnis hat mir auch in vielen anderen Lebenslagen geholfen. Es ist nicht alles so hoffnungslos, wie es vielleicht scheint. Das wollte hier bloß mal sagen, um Euch Mut zu machen.