Zurück nach einer halben Ewigkeit, tiefgreifenden Erfahrungen und neu gewonnenen Lebensansichten - Jen ist wieder da!

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Hallo ihr Lieben,

seit einigen Tagen schon lese ich mich durch damals verfasste Zeilen und es ist ein seltsames Gefühl, dadurch nochmal so tief in meine eigene Vergangenheit einzutauchen.

2004 habe ich mich hier erstmals angemeldet. Ich war noch mitten im Abitur, machte zögerlich und entschlossen zugleich die ersten Schritte auf dem erst neu gepflasterten Weg heraus aus der Essstörung. Ich berichtete hier von einigen Höhen und Tiefen, es ging um meine ganz persönlichen, aber auch gesellschaftskritischen Kämpfe, um Ermutigung und Verständnis und ganz viel um Hoffnung.

Vielleicht gibt es noch Mitglieder, die sich an mich erinnern, vielleicht auch nicht. Ich schrieb oft sehr reflektiert, durchdacht, schlichtend und kritisch. Regte mich fürchterlich über Dinge auf, die mir wichtig waren und konnte selten etwas mit den hier immer beliebter werdenden oberflächlichen, lustigen Themen anfangen. Meine Besuche hier wurden weniger, weil ich das Gefühl hatte, hier nicht mehr den Anschluss zu finden.
Ich kam mir oft zu verkopft, zu ernst, zu nachdenklich, zu komplex für den oft lockeren Umgangston vor- den ich übrigens nie schlecht fand. Mir fiel es schwer, wenige und lockere Worte zu hinterlassen und leicht, viel zu lange und ausführliche Zeilen zu schreiben😂. Vielleicht war das rückblickend so manchen einfach zu viel, was ich heute sogar gut verstehen kann.
Irgendwann entschied ich mich, das Forum zu verlassen. Ich wollte einen Strich ziehen. Es als eigenen Lebensabschnitt für sich stehen lassen, um mich mehr auf das zu konzentrieren, was noch folgen sollte.
Ich wollte es mir offen halten, mich unter einem neuen Namen irgendwann in ferner Zukunft noch einmal anzumelden.

Offiziell habe ich den Schlussstrich aber scheinbar nicht gemacht. Mir war so, als hätte ich es, vielleicht, weil ich für mich in meinem Innersten damit abgeschlossen hatte.
Ich war überrascht, dass ich mich hier noch normal einloggen kann. Nach all den vielen Jahren....

Heute sehe ich das anders. Wie so Vieles. Ich habe mich verändert, ich bin gewachsen, reich an Erfahrungen geworden. Aber das Wichtigste: ich habe den Teil in mir, den ich hier selten zeigen konnte, der damals noch tief in mir vergraben schien, ausgegraben und lebe ihn nun. Somit ist es für mich sogar stimmiger, wieder an mein altes Ich hier anzuknüpfen und nicht komplett neu zu starten. Das war das Fundament und es hat sich erweitert, nicht völlig verändert. Ich versuche heute eine gesunde und stabile Brücke zu schlagen zwischen Selbstreflexion, vielem Nachdenken, Wissensdurst, Fachwissen - der kognitiven Ebene also- und Intuition, Emotion, Vertrauen, Zuversicht, Kraft auf der anderen Seite.

Ich bin nicht mehr nur Tochter, sondern inzwischen auch Mama. Ich habe neue Perspektiven dadurch hinzugewonnen und mein gesamtes Leben wurde dadurch noch einmal mit Kraft, Glaube und vor allem Mut zur Intuition durchflutet.

Ich bin nicht mehr Auszubildende, sondern bilde aus. Ich stehe auf der anderen Seite. Ich lebe den Traum, von dem ich immer sprach, seit vielen Jahren erfolgreich.
Ich habe mich gegen die wissenschaftliche Laufbahn entschieden, weil mir der Gedanke völlig ausreichte, dass ich es sicher weit hätte bringen können. Ich arbeite lieber an der Front, im direkten Kontakt mit Schülern, Eltern und Kollegen. Ich würde das so vermissen, wenn ich mich für den theoretischeren Weg entschieden hätte. Das Schreiben rückte in den vergangenen Jahren immer mehr in den Hintergrund, eine sich für die Schwächeren stark machende und für ein faires, durchdachtes und effizientes Bildungssystem kämpfende Jen immer mehr in den Vordergrund.
Ich legte den Füller zur Seite und tauschte ihn mit vielen wertvollen unvergesslichen praktischen Erfahrungen. Meiner eigenen Familiengründung. Meiner Selbstfindung als Mama.
Es fehlte die Zeit zum Schreiben, aber es war immer viel Raum für die Liebe, den Glauben an das Gute, für absurde Einfälle und übertrieben durchdacht vorbereitete Unterrichtsstunden. Für spontane Flexibilität und die kleinen Pannen des Alltags sowie das Lachen darüber.

Ich gewann Lockerheit.

Rückfälle gab es seit meinem Klinikaufenthalt 2003 vor allem in den ersten Jahren. Ein richtiges Untergehen, Abtauchen und völliges Verlieren in der Sucht tatsächlich nicht mehr. Seit vielen- wirklich vielen- Jahren bin ich nun rückfallfrei.

Es gibt dieses Leben danach wirklich, an das ich damals so gar nicht glauben konnte. Es ist möglich, Essen zu genießen, nach Gefühl zu essen und kein Interesse mehr an der Zahl auf der Waage zu haben. Auch mit so einer krassen Vorgeschichte. Auch, wenn man irgendwann in fernster Vergangenheit tatsächlich geglaubt hat, der Tod wäre besser als sich die Schwäche einzugestehen, Essen zutiefst zu verabscheuen, danach süchtig zu sein und keinen gesunden Bezug dazu mehr herstellen zu können.

Es ist so Vieles möglich, was euch vielleicht heute noch völlig aus der Luft gegriffen, utopisch und abgefahren erscheint. Nichts ist stärker als ein sanfter Hauch Zuversicht gepaart mit dem tiefen Glauben an euch selbst sowie dem Willen, etwas zu verändern. Ich will nicht naiv wirken, nicht träumerisch vernebelt. Natürlich siegt die Bulimie manchmal. Und jedes Mal davon ist eines zuviel. Aber was ich eigentlich sagen will: es ist nie zu spät. Nie zu spät für den Kampf, nie zu spät für einen neuen Weg.

Und darum bin ich wieder hier.

Ich möchte Mut machen. Ich möchte meine Erfahrungen gerne teilen, um zu stärken, inspirieren, zu begleiten.
Ich möchte es nochmal versuchen, heute aus wieder einem neuen Lebensabschnitt heraus. Vielleicht hat es diesen gebraucht, um zurückzukehren.

Gleichzeitig will ich ehrlich sein. Ich suche auch Stabilität für mich selbst. Mir geht es grundsätzlich wirklich gut mit meinem Körper. Aber diese Phasen, in denen alte Gedanken aufkommen, die gehören wohl für viele von uns dazu, auch wenn wir es schaffen, ihnen die Macht zu nehmen. Es hat mir immer geholfen, Gefühle in Worte zu fassen, um stabil zu bleiben. Auch deshalb habe ich mich angemeldet. Ich bin aktuell noch sehr stabil, aber ich habe in den letzten Jahren auch viel durchgemacht und bin reflektiert genug, rechtzeitig meinen Boden unter mir zu verstärken. Er könnte bröckeln, er könnte mich ins Schwanken bringen. Meine Entscheidung für das Leben habe ich vor vielen Jahren getroffen und zurückzugehen ist keine Option für mich. Ich bin sehr stark. Aber eben auch nur ein Mensch mit Fehlern.

Auf ein Neues!

Eure Jen
Lauf der Sonne entgegen, anstatt auf sie zu warten...

Re: Zurück nach einer halben Ewigkeit, tiefgreifenden Erfahrungen und neu gewonnenen Lebensansichten - Jen ist wieder da

#3
Hallo liebe jen
Ich bin auch noch da, wenn auch selten. Ich kann mich gut an dich erinnern, erinnere mich auch, wie wir lange und tiefgreifende messages ausgetauscht haben.
Es freut mich, dass du die Kurve gekriegt und heute ein Leben hast, welches dich zufriedenstellt und glücklich macht.
Ganz liebe Grüsse
Peter_B
Auch mit in den Weg gelegten Steinen kann man ein gutes Bauwerk errichten