Und nun?
Verfasst: Mi Jun 21, 2017 16:53
Hallo miteinander, ich bin neu und frage mich, wie es nun eigentlich weitergehen soll....
Ich bin 28 Jahre alt und leide seit 14 Jahren an Bulimie, also ziemlich genau die Hälfte meines Lebens. Ich habe keine Lust mehr darauf und würde sehr gerne eine stationäre Therapie machen. Nach zwei missglückten Versuchen eine Therapie zu beantragen fällt es mir schwer den Mut nochmal aufzubringen. Zudem habe ich in den letzten 5 Jahren nur mit meinem Partner darüber gesprochen und weiß nicht so richtig, wie und ob ich das Thema Ärzten, Familie, Freunde… beibringen soll.
Meine Vorgeschichte in Kurzform:
Als Kind war ich immer etwas pummelig gewesen. Obwohl ich damals sehr lebenslustig und fröhlich war, hatte ich wenige Freunde. Ich war immer anders – zum einen wohl deutlich nerdiger war, zum anderen aber auch direkter, (selbst)kritischer und ganz sicher unsicherer als viele andere. Irgendwann entdeckte ich dann den Sport für mich und hatte Spaß daran. Ich nahm ab, fühlte mich wohler, wurde selbstsicherer und hatte mehr Freunde. Ich leitete daraus den Trugschluss ab, weniger Gewicht, gleich mehr Glück… Mit 14 Jahren rutschte ich daraufhin in eine MS. Durch die MS kapselte ich mich ab und es fiel mehr schwer ernsthaft Vertrauen zu fassen bzw. zu akzeptieren, dass mich Leute tatsächlich mögen könnten. Ich war einsam und sicher auch leicht depressiv. Ich merkte ziemlich bald, dass mich die Krankheit völlig im Griff hat und wollte da schnellstens wieder raus. Ich wollte normal, glücklich und frei leben und mich nicht von so einer blöden Krankheit kontrollieren lassen. Damals nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte meinen Eltern, dass ich eine Therapie machen möchte. Meine Mutter, selbst Psychologin, entgegnete damals, dass mein Fall nicht so schwerwiegend sei, wie das, was sie sonst täglich bei der Arbeit erlebt (obwohl sie eigentlich beruflich nix damit am Hut hat, nur am Rande). Ich gab den Plan auf und beschloss zu funktionieren... und aus der MS wurde eine Bulimie.
Die Jahre bis zum Abitur funktionierte ich also. Ich hatte Freunde, sogar Partner. Trotz einiger Krisen und heftiger Schicksalsschläge ging es mir mehr oder weniger gut, zumindest oberflächlich. Nach außen hin war von der Bulimie kaum etwas sichtbar, nur meine Eltern und meine Schwestern wussten von meinem heimlichen Leben. Zum Abitur hin spitzte sich die Lage dann zu. Kurz bevor ich mich schlussendlich entscheiden musste, wo und was ich studieren will, platzte der ganze Stress der vergangenen Monate aus mir hinaus – und hinein in die Toilette. Während meine Eltern und mein damaliger Partner im Urlaub waren verbrachte ich Tage damit, meine Einsamkeit, den Stress der vergangenen Monate, sowie meine Angst vor falschen Zukunftsentscheidungen auszu…. und die Toilette hinunter zu spülen. Als meine Eltern aus dem Urlaub waren machte ich einen erneuten Versuch und schlug eine Therapie vor. Meine Eltern willigten ein und gemeinsam mit einem Arzt beantragte ich eine Stationäre Therapie. Die dann allerdings abgelehnt wurde, denn (O-Ton) „Mit dem Gewicht sind sie nicht gefährdet“.
In den darauffolgenden fünf Jahren während des Studiums besuchte ich regelmäßig eine Therapeutin. Die Therapie tat gut, aber dennoch gab es in Bezug auf die Bulimie kaum Fortschritte. Das Studium lief so nebenbei, am Ende hielt ich meinen 1,0 Abschluss sogar 3 Monate zu früh in der Tasche. Nach Ende des Studiums, als die (zu) großen Zukunftsfragen wieder auftauchten, rutschte ich erneut von der Bulimie in die MS. Die Suche nach einer Antwort auf die große Frage der Zukunft verschob ich und begann zunächst mit der naheliegendsten Lösung - zu promovieren. Die Magersucht entspannte sich und auch die Bulimie hatte ich phasenweise bis zu 8 Monate im Griff. Die Promotion habe ich trotz gewaltiger Hochs und Tiefs dann tatsächlich nach 3 Jahren abgeschlossen. In der Zeit ging es mir mal gut mal schlecht, dank meines Partners insgesamt aber relativ stabil.
Gegen Ende der Promotion dann wieder dasselbe Spiel und dieselbe Frage: Wie geht es danach weiter? Die MS kam zurück, und fast alles was ich aß, fand ihren Weg in die Toilette… Eine Entscheidung musste her, und so entschied ich mich dazu, mit zwei Kollegen ein Unternehmen zu gründen. Die Entscheidung bereue ich keinesfalls: Das Start-Up läuft besser als erwartet und ich lerne wahnsinnig viel in sehr kurzer Zeit – auch über mich. Zum Beispiel, wie unsicher und leicht verletzlich ich bin. Und wie sehr ich Anerkennung und Wertschätzung brauche - doch die kommt für mich viel zu selten. Der Job ist natürlich wahnsinnig stressig: Schlafstörungen, Reizdarm und Migräne gehören zum Standard, und auch eine stressbedingte Endometriose liegt dank OP hinter mir. Die Bulimie ist für mich nach wie vor das zentrale Mittel mit dem Stress umzugehen – das denke ich zumindest oft. Mittlerweile frage ich mich aber genauso oft, inwiefern sie den Stress nicht selbst auslöst. Bulimie hin oder her weiß ich inzwischen, dass mir das Start-Up persönlich kaum längerfristig Perspektiven bietet. Ich wollte nie Karriere machen, wollte und will Kinder und eine Familie, ein entspanntes Leben, ohne große materielle Ansprüche. Eigentlich ist klar, dass ich irgendwann da raus muss… aber dazu würde ich gerne ein bisschen besser wissen, wer ich bin. Oder eher wer ich wäre - ohne die Bulimie!
Ich bin 28 Jahre alt und leide seit 14 Jahren an Bulimie, also ziemlich genau die Hälfte meines Lebens. Ich habe keine Lust mehr darauf und würde sehr gerne eine stationäre Therapie machen. Nach zwei missglückten Versuchen eine Therapie zu beantragen fällt es mir schwer den Mut nochmal aufzubringen. Zudem habe ich in den letzten 5 Jahren nur mit meinem Partner darüber gesprochen und weiß nicht so richtig, wie und ob ich das Thema Ärzten, Familie, Freunde… beibringen soll.
Meine Vorgeschichte in Kurzform:
Als Kind war ich immer etwas pummelig gewesen. Obwohl ich damals sehr lebenslustig und fröhlich war, hatte ich wenige Freunde. Ich war immer anders – zum einen wohl deutlich nerdiger war, zum anderen aber auch direkter, (selbst)kritischer und ganz sicher unsicherer als viele andere. Irgendwann entdeckte ich dann den Sport für mich und hatte Spaß daran. Ich nahm ab, fühlte mich wohler, wurde selbstsicherer und hatte mehr Freunde. Ich leitete daraus den Trugschluss ab, weniger Gewicht, gleich mehr Glück… Mit 14 Jahren rutschte ich daraufhin in eine MS. Durch die MS kapselte ich mich ab und es fiel mehr schwer ernsthaft Vertrauen zu fassen bzw. zu akzeptieren, dass mich Leute tatsächlich mögen könnten. Ich war einsam und sicher auch leicht depressiv. Ich merkte ziemlich bald, dass mich die Krankheit völlig im Griff hat und wollte da schnellstens wieder raus. Ich wollte normal, glücklich und frei leben und mich nicht von so einer blöden Krankheit kontrollieren lassen. Damals nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte meinen Eltern, dass ich eine Therapie machen möchte. Meine Mutter, selbst Psychologin, entgegnete damals, dass mein Fall nicht so schwerwiegend sei, wie das, was sie sonst täglich bei der Arbeit erlebt (obwohl sie eigentlich beruflich nix damit am Hut hat, nur am Rande). Ich gab den Plan auf und beschloss zu funktionieren... und aus der MS wurde eine Bulimie.
Die Jahre bis zum Abitur funktionierte ich also. Ich hatte Freunde, sogar Partner. Trotz einiger Krisen und heftiger Schicksalsschläge ging es mir mehr oder weniger gut, zumindest oberflächlich. Nach außen hin war von der Bulimie kaum etwas sichtbar, nur meine Eltern und meine Schwestern wussten von meinem heimlichen Leben. Zum Abitur hin spitzte sich die Lage dann zu. Kurz bevor ich mich schlussendlich entscheiden musste, wo und was ich studieren will, platzte der ganze Stress der vergangenen Monate aus mir hinaus – und hinein in die Toilette. Während meine Eltern und mein damaliger Partner im Urlaub waren verbrachte ich Tage damit, meine Einsamkeit, den Stress der vergangenen Monate, sowie meine Angst vor falschen Zukunftsentscheidungen auszu…. und die Toilette hinunter zu spülen. Als meine Eltern aus dem Urlaub waren machte ich einen erneuten Versuch und schlug eine Therapie vor. Meine Eltern willigten ein und gemeinsam mit einem Arzt beantragte ich eine Stationäre Therapie. Die dann allerdings abgelehnt wurde, denn (O-Ton) „Mit dem Gewicht sind sie nicht gefährdet“.
In den darauffolgenden fünf Jahren während des Studiums besuchte ich regelmäßig eine Therapeutin. Die Therapie tat gut, aber dennoch gab es in Bezug auf die Bulimie kaum Fortschritte. Das Studium lief so nebenbei, am Ende hielt ich meinen 1,0 Abschluss sogar 3 Monate zu früh in der Tasche. Nach Ende des Studiums, als die (zu) großen Zukunftsfragen wieder auftauchten, rutschte ich erneut von der Bulimie in die MS. Die Suche nach einer Antwort auf die große Frage der Zukunft verschob ich und begann zunächst mit der naheliegendsten Lösung - zu promovieren. Die Magersucht entspannte sich und auch die Bulimie hatte ich phasenweise bis zu 8 Monate im Griff. Die Promotion habe ich trotz gewaltiger Hochs und Tiefs dann tatsächlich nach 3 Jahren abgeschlossen. In der Zeit ging es mir mal gut mal schlecht, dank meines Partners insgesamt aber relativ stabil.
Gegen Ende der Promotion dann wieder dasselbe Spiel und dieselbe Frage: Wie geht es danach weiter? Die MS kam zurück, und fast alles was ich aß, fand ihren Weg in die Toilette… Eine Entscheidung musste her, und so entschied ich mich dazu, mit zwei Kollegen ein Unternehmen zu gründen. Die Entscheidung bereue ich keinesfalls: Das Start-Up läuft besser als erwartet und ich lerne wahnsinnig viel in sehr kurzer Zeit – auch über mich. Zum Beispiel, wie unsicher und leicht verletzlich ich bin. Und wie sehr ich Anerkennung und Wertschätzung brauche - doch die kommt für mich viel zu selten. Der Job ist natürlich wahnsinnig stressig: Schlafstörungen, Reizdarm und Migräne gehören zum Standard, und auch eine stressbedingte Endometriose liegt dank OP hinter mir. Die Bulimie ist für mich nach wie vor das zentrale Mittel mit dem Stress umzugehen – das denke ich zumindest oft. Mittlerweile frage ich mich aber genauso oft, inwiefern sie den Stress nicht selbst auslöst. Bulimie hin oder her weiß ich inzwischen, dass mir das Start-Up persönlich kaum längerfristig Perspektiven bietet. Ich wollte nie Karriere machen, wollte und will Kinder und eine Familie, ein entspanntes Leben, ohne große materielle Ansprüche. Eigentlich ist klar, dass ich irgendwann da raus muss… aber dazu würde ich gerne ein bisschen besser wissen, wer ich bin. Oder eher wer ich wäre - ohne die Bulimie!