Neu:Bulimie besiegt-mit (dauerhaften?) Folgeschäden umgehen?

#1
Hi,
ich bin zum ersten Mal in einem Forum angemeldet und schreibe diesen Beitrag auch nur, weil ich einfach nicht das Richtige zu meinen Problemen finden konnte und mir auch nicht zu hundert Prozent sicher bin, ob die folgenden Schwierigkeiten, mit denen ich zu kämpfen habe, aus meiner Ess-Brech-Sucht entstammen - Ich erhoffe mir, dass sich jemand die Zeit nimmt, meine Geschichte zu lesen und mir jemand eventuell mit seinem Wissen und Erfahrungen hier helfen kann :) Wenn bereits das passende Thema vorhanden sein sollte, gerne einfach den Link einfügen, das würde auch schon weiterhelfen.

Es geht um Folgendes:
Ich hatte 5 Jahre mit Bulimie zu kämpfen, mit 15 hat es begonnen und das letzte Erbrechen war mit 20 und ist nun 9 Monate her, also c.a. April 2016. Es hat oft geschwankt zwischen * die Woche erbrechen bis (auch über längere Zeiträume) bis zu * täglich erbrechen. In der Zeit habe ich 3x versucht, aufzuhören, einmal hab ich es nur 2 Wochen geschafft, das andere mal 1 Monat (bis der Gedanke kam ''ach komm, wenn du's einmal wieder machst, wirst du schon nicht regelmäßig wieder damit anfangen -.-) und der 3. Versuch hält bis jetzt.
Ich denke nicht, dass ich wieder rückfällig werden kann. Ich versuche alles, um meine Figur ohne Hungern oder Erbrechen in Stand zu halten und bin auch Recht zu frieden - ich lebe nun seit 10 Monaten vegan und betreibe intensiv Kraftsport und Fitness c.a. 5x die Woche und strukturiere meine Ernährung genau durch, koche selbst regelmäßig.

Diese ganzen Dinge sind für mich notwendig, damit ich nicht wieder rückfällig werde und meine Figur beibehalte. Nun ist es leider so, dass ich noch immer andauernd Appetit habe, sobald ich nicht abgelenkt bin. Um den Appetit einigermaßen zu zügeln trinke ich enorm viel, mind. * am Tag, ich war vor 2 Monaten noch bei * (Ich bin weiblich und 1,71m), versuche mich da aber zu zügeln, weil ich mir sonst die ganzen Nährstoffe wieder ausschwemme...
Am Wochenende kann ich mich aber leider gar nicht zurückhalten und snacke aandauernd! Ich könnte den ganzen Tag nur essen, egal ob ich nur Gemüse, nur ausgewogene Mahlzeiten oder nur Schokobrownies etc. esse. Es kann aber nicht an meiner Ernährungsweise liegen, weil ich 1. die Probleme schon vor meiner veganen Ernährung hatte und 2. penibel darauf achte dass ich genug Fette, Nährstoffe, Proteine (aufgrund meines Sports) und vor allem auch genügend kcal an sich zu mir nehme. Andere sind schon nach der Hälfte satt - bei mir gibt es kaum ein Ende, erst wenn mir fast schlecht ist.

Hinzu kommt, dass ich totale Verdauungsprobleme habe, ich habe verschiedene Nahrungsmittel, Protein- und Fettanteile in meiner Ernährung durchprobiert, aber ich habe fast immer Blähungen, Magenschmerzen und eine sehr langsame Verdauung.

Ich verstehe ja, dass der Körper seine Zeit braucht, um sich daran zu gewöhnen, die Nahrungsmittel tatsächlich auch zu verdauen und dass er es nicht gewohnt ist, große Mengen zu verarbeiten, da sie ja vorher immer erbrochen wurden, aber mittlerweile sollte sich das doch reguliert haben - auch das Sättigungsgefühl sollte doch so langsam mal wiederkommen..

Habe ich durch meine Bulimie nun für ewig meine Verdauung zerschossen? Und muss ich ewig Appetit haben?
Zuletzt geändert von Caruso am So Jan 29, 2017 21:53, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Neu:Bulimie besiegt-mit (dauerhaften?) Folgeschäden umge

#2
Für mich klingt es eher so, als stecktest du noch mitten drin in einer Essstörung.
Die Symptome haben sich verschoben: klar, du kotzt nicht mehr. Aber deine Gedanken drehen sich um gesunde Ernährung, Sport, den Körper, das Essen, zunehmen...
Das klingt für mich absolut nicht gesund und auch nicht nach dem Punkt, an dem es zu fragen gilt, inwiefern das Kotzen deinen Körper kaputtgemacht hat. Denn ob deine derzeitige Lebensweise deinem Körper so zuträglich ist... ich wage es zu bezweifeln (mal ganz abgesehen davon, dass du damit nur ein Symptom - das Essen -bekämpfst, und die Gefühlsebene völlig ausklammerst).

Re: Neu:Bulimie besiegt-mit (dauerhaften?) Folgeschäden umge

#4
Hallo Jaire,

also zunächst mal würde ich nicht alles so negativ malen. Wir alle wissen ja, dass es ein großer Schritt ist, nach mehreren Jahren Bulimie nicht mehr zu kotzen.

Außerdem möchte ich Dich in der Hinsicht ermutigen, dass ich nicht glaube, dass Du Deinen Körper irreparabel geschädigt hast. Ich hatte mit verschiedenen Formen von essgestörtem Verhalten viel länger zu tun.

Bei mir gibt es mittlerweile ein paar gesundheitliche Einschränkungen, aber das hilft mir, besser auf meinen Körper aufzupassen. Und bei mir fing die ES vor fast 15 Jahren an. Natürlich ist jeder Körper anders. Aber ich glaube nicht, dass Du Dir Dein Sättigungsgefühl in fünf Jahren dauerhaft ruiniert hast. Warst Du eigentlich mal bei einem Arzt wegen Deiner Esstörung oder den Folgeproblemen? Oder hast Du alles immer mit Dir alleine ausgemacht? Was hat Dich motiviert, mit dem Kotzen aufzuhören? Hast Du eigentlich eine Ausbildung oder studierst Du? Und wie klappt das?

Ich denke mittlerweile, dass es nicht nur entscheidend ist, was man isst, sondern vielmehr auch, was für eine innere Haltung man hat:
Kannst Du Deinen Körper lieben, ihn wohlwollend betrachten?
Kontrollierst Du ständig Dein Gewicht?
Kriegst Du ein mulmiges Gefühl, wenn Du an Essen denkst?
Kriegst Du Panik, wenn Du nicht zum Fitnessstudio kommst?

Mittlerweile wiege ich deutlich mehr als vor 10 Jahren, finde meinen Körper aber gut so, wie er ist. Ich habe eine gute Fettverteilung, das muss man schon sagen.

Also, es gibt Hoffnung. Lass Dich nicht unterkriegen, auch wenn jetzt noch alles schwierig und anscheinend zwanghaft ist.

Und vergiss nicht, dass eine Essstörung immer auch eine innere Suche nach etwas ist, was Essen aber nie ausfüllen kann: Liebe, Gefühlsbewältigung, Sicherheit.... Letzten Endes kann eine Esstörung das aber nicht leisten. Ganz egal, wie viel Essen man in sich reinstopft, wie viel man kotzt oder wie viel Sport man macht. Ich bin meinem Herrn Jesus Christus dankbar, dass Er mich heute ausfüllt - und mich x-Mal vor einem Fressanfall bewahrt hat, wenn ich ihn darum gebeten habe. Leider hatte ich nicht immer die Motivation, um Hilfe zu bitten. Manchmal war mir einfach alles egal. Aber wenn ich gebittet habe, hat er mich immer da raus geholt....

Liebe Grüße!

Sophie
Zuletzt geändert von Sophie11 am Mo Jan 30, 2017 2:38, insgesamt 3-mal geändert.
So spricht der Herr: "[...] Nein, wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er klug sei und mich erkenne, daß nämlich ich, der Herr, es bin, der auf Erden Gnade, Recht und Gerechtigkeit schafft!" (Jeremias 9,22-23)

Re: Neu:Bulimie besiegt-mit (dauerhaften?) Folgeschäden umge

#5
Sophie11,

danke, deine Worte helfen mir sehr weiter, ich habe mich persönlich noch nie mit jemanden darüber ausgetauscht und ich bin sehr froh zu hören, dass es noch Hoffnung gibt was meine jetzigen Probleme angeht.
Mein vorrangiger Beweggrund weg von der Bulimie zu kommen waren ehrlich gesagt meine Zähne und meine Freizeit. Durch die Magensäure ist mein Zahnschmelz deutlich weniger geworden und es hat sich Karies trotz regelmäßiger Zahnpflege gebildet. Außerdem habe ich viel Zeit mit essen einkaufen, kochen, essen und wieder erbrechen verschwendet, Zeit die ich besser nutzen kann. Ich mache zur Zeit eine Ausbildung und möchte danach studieren, es hilft mir sehr, einen geregelten Alltag und vollen Zeitplan zu haben, aber von meinem jetzigen Standpunkt aus, auch wenn ich im Studium keine festen Zeiten mehr haben werde, kann ich mir nicht vorstellen, rückfällig zu werden..
Ich habe auch darüber nachgedacht, mit einem Arzt zu reden, aber an wen wendet man sich da am Besten? Es ist auch nicht einfach für mich das Thema anzusprechen, ist ja klar...

Ich finde meinen Körper momentan ziemlich ideal, mein höchstes Gewicht hatte ich tatsächlich auch in der Hauptphase meine Bulimie, da ich gar nicht alles komplett erbrechen konnte was ich zu mir genommen habe. Danach hab ich mich unwohl gefühlt und eine sehr ungesunde Diät begonnen bei der ich einige kilos abgenommen habe, erbrochen habe ich in der Zeit allerdings nur selten und nur am Wochenende. Dadurch ist auch mein Stoffwechsel schlechter geworden, Haare ausgefallen - das ganze Programm. Irgendwann habe ich nur noch Fehler aufgrund mangelnder Konzentration auf der Arbeit gemacht und erkannt, dass ich nicht weiter hungern kann, habe mit Sport und veganer Ernährung dann tatsächlich wieder einige Kilos an Fett und Muskeln wieder aufgebaut und auch meinen Grundumsatz erhöht. Ich wiege mich max. alle 2 Wochen, da mir die Zahl auf der Waage wenig über meinen Fettanteil aussagt. Mir ist mein Aussehen immer noch unglaublich wichtig und obwohl mein Selbstbewusstsein schon deutlich stärker geworden ist, ist mir die Meinung anderer über mich noch immer sehr wichtig, weiß aber auch nicht was ich noch tun kann um es aufzubauen.

Ich weiß, dass ich noch immer an der Ursache für meine Bulimie zu knabbern habe und ein gestörtes Essverhalten aufweise, ich hoffe aber dass sich das irgendwann mit viel Mühen irgendwo in eine kleine dunkle Ecke in meinem Hinterkopf verkriecht und mein Leben kaum bis gar nicht mehr beeinflusst
Zuletzt geändert von Jaire am Di Jan 31, 2017 19:46, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Neu:Bulimie besiegt-mit (dauerhaften?) Folgeschäden umge

#6
Liebe/r Complessa & ImLikeABird

dass ich noch nicht aus der ganzen Sache raus bin, ist mir allzu schmerzlich bewusst, was auch der Grund war warum ich den Beitrag nicht unter den Rubriken der Ehemaligen erfasst habe..

Ich fühle mich schön so wie ich bin - aber ich will halt auch so bleiben was meine Form angeht. Ich finde das auch an sich nicht weiter schlimm, das wird es erst dann, wenn es wie bei mir mein ganzes Handeln und Denken bestimmt. Zumindest bin ich mittlerweile soweit, dass ich nicht mehr meine Gesundheit riskiere um abzunehmen / mein Gewicht zu halten indem ich mich übergebe, hungere oder sonst wie unter meinem Grund-/ Nährstoffbedarf ernähre, was für mich ein riesiger Schritt ist.

Meine Frage dabei ist jetzt, wieso ist meine Lebensweise noch immer essgestört? Ich meine mein Denken ja klar und das Handeln auch dadurch dass ich alles durchplane, aber ich führe meinem Körper doch alle Dinge die er braucht in den passenden Mengen zu, ich achte genau darauf, dass ich auch nicht zu wenig esse und wenn mein Körper keine Kraft für Sport hat, dann leg ich auch Ruhetage ein. Wie kann es dann daran liegen dass Magenprobleme und Dauerappetit habe? Die habe ich ja auch, wenn ich (wie z.B. Weihnachten) ein paar Wochen im Überschuss esse?

Re: Neu:Bulimie besiegt-mit (dauerhaften?) Folgeschäden umge

#7
Jaire hat geschrieben:Liebe/r Complessa & ImLikeABird

dass ich noch nicht aus der ganzen Sache raus bin, ist mir allzu schmerzlich bewusst, was auch der Grund war warum ich den Beitrag nicht unter den Rubriken der Ehemaligen erfasst habe..

Ich fühle mich schön so wie ich bin - aber ich will halt auch so bleiben was meine Form angeht. Ich finde das auch an sich nicht weiter schlimm, das wird es erst dann, wenn es wie bei mir mein ganzes Handeln und Denken bestimmt. Zumindest bin ich mittlerweile soweit, dass ich nicht mehr meine Gesundheit riskiere um abzunehmen / mein Gewicht zu halten indem ich mich übergebe, hungere oder sonst wie unter meinem Grund-/ Nährstoffbedarf ernähre, was für mich ein riesiger Schritt ist.

Meine Frage dabei ist jetzt, wieso ist meine Lebensweise noch immer essgestört??
Ich finde den dick Absatz zugegebenermaßen schon bedenklich und in gewissen Weise essgestört. Ich kenne diese Verlagerung von mir selber auch und gerade dieses festgefahrene und unflexibel was die Form angeht ist für mich ganz klar essgestört. Und sorry deine Ernährung klingt überhaupt nicht frei, sondern sehr kontrolliert, auch wenn du darauf achtest dass du genug kcal und so zu dir nimmst , dein Körper scheint damit ja nicht zufrieden zu sein.

Bitte verstehe mich nicht falsch, ich glaube dass du auf einem guten Weg bist. Ich bin einen ähnlichen gegangen, aber aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass dieses kontrollierte noch viel mit einer ES zu tun hat. Man merkt das aber erst, ein man "weiter" ist, ich verstehe dass du daran festhältst und finde du kannst echt stolz auf dich sein, aber versuche auch das ganze mal rational zu sehen und gucke ob der Lebensstil wirklich zu dir passt oder du nur einen anderen Weg suchst, deine ES auszuleben.

Viel Erfolg weiterhin.

Re: Neu:Bulimie besiegt-mit (dauerhaften?) Folgeschäden umge

#8
Hallo Jaire,

danke für Deine ausführliche Antwort. Ich bewundere es, was Du für eine Disziplin aufbringst, und wie schnell Du gemerkt hast, dass Du krank bist, und auch Konsequenzen gezogen hast. Bei mir hat das seinerzeit viel länger gedauert. Ich habe damals die Augen verschlossen, ich wollte mich auch nicht abwenden von der Krankheit, von diesem Status "Ich bin krank, seid nett zu mir". Das war als Kind immer so: Wenn einer von uns krank war, dann hat unsere Mutter den anderen immer ermahnt, nett, zuvorkommend, hilfsbereit und rücksichtsvoll zu sein. Ich habe mir daher als Kind gewünscht, ich hätte eine chronische Krankheit. Asthma oder so. Und mir dann vorgestellt, wie sich Leute, die ich lieb habe, um mich kümmern. Ziemlich krank, so vernachlässigt war ich ja auch nicht. Aber jedenfalls war es mir auch oft egal, dass ich mit dem Essverhalten "gegen die Wand laufe". Es wäre mir egal gewesen, wenn mir gesundheitlich was passiert wäre. Ich hatte so ein gewisses Maß an Selbsthass. Solange es funktionierte, dass ich meine Gefühle irgendwie runter halten konnte und den inneren Druck irgendwie kompensieren, waren mir die Schattenseiten egal. Es kam mir eh vor, als gäbe es keinen anderen Weg. Die ES war auch Teil meiner Identität. 2006 bei einer stationären Therapie in einer psychosomatischen Klinik wurde mir klar, dass ich mir auch nicht vorstellen konnte, wer ich bin ohne die Essstörung. Mir hat dann der Gedanke geholfen, dass ich nicht "für immer" mit der ES aufhöre, sondern nur probeweise. Und jederzeit mit dem Kotzen wieder anfangen kann, wenn ein Leben ohne Es wirklich so schlimm ist.

Also, von daher bewundere ich Dich, dass Du zu einem viel früheren Zeitpunkt Deines Lebens den Anker ausgeworfen hast und gesagt hast, "Stopp! So will ich nicht mehr leben!" Und klar, man eiert dann leicht in die Suchtverlagerung. Aber trotzdem zählt ja die Intention, gesund u werden. Und ich habe auch 2007 viel hin- und her verlagert, ehe es dann 2008/2009 besser wurde.

Eine Schwester in der Klinik meinte mal zu mir, der Heilungsprozess von einer ES würde ungefähr so lange dauern, wie der Weg rein. Ich weiß nicht, wie sie darauf kam. Aber es ist irgendwo was dran. Jedenfalls ist es ein Prozess, mit Umwegen, Irrwegen, Rückschlägen....

Du machst das schon gut. Mit Ärzten zu reden ist schon schwierig. Mir fällt es bis heute schwer, über meine Essstörung zu reden. Schreiben ist was anderes. Das ist okay. Aber reden zieht mich sehr runter. Ich fühle mich dann immer beschämt und beschmutzt. Es hat auch Nachteile, mit dem Arzt zu reden. Oft ist es dann so, dass alle weiteren Wehwehchen und Symptome, mit denen man ankommt, auf die Essstörung geschoben werden.

Trotzdem denke ich, auch darüber zu reden in einem geschützten Rahmen, wo Du nicht verurteilt wirst wegen Deiner Essstörung, gehört zur Genesung dazu.

Liebe Grüße

Sophie
So spricht der Herr: "[...] Nein, wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er klug sei und mich erkenne, daß nämlich ich, der Herr, es bin, der auf Erden Gnade, Recht und Gerechtigkeit schafft!" (Jeremias 9,22-23)