Hallo zusammen.

#1
Hallo!

Ich hab das Forum ja schon vor einiger Zeit entdeckt, aber mich bisher noch nicht durchringen können selbst einen Post zu verfassen. Ehrlich gesagt bin ich mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt richtig bin, hoffe dennoch hier meine Situation schildern zu können. Davor muss ich ein bisschen weiter ausholen.

Ich war mein ganzes Leben lang dick. Und mit dick mein ich nicht, hier und da ein *kg zuviel sondern ich war richtig dick. Wie man es sich vorstellen kann, war meine gesamte Schulzeit eine Qual. Beleidigungen und teilweise auch Mobbing war - immer bezogen auf mein Gewicht - quasi Alltag. Anfangs habe ich zwar noch versucht etwas dagegen zu tun (Diät, Lehrer gerufen), aber das Abnehmen hat nicht funktioniert und jedesmal wenn ich es einem Lehrer gesagt habe, wurde es schlimmer. Also hieß es 9 Jahre lang Augen zu und durch, was dank einer glücklichen und liebenswerten Familie als Ausgleich auch geklappt hat. Als ich dann ins arbeiten anfing und die Beleidigungen aufhörten (Unglaubliches Glück mit dem Arbeitsplatz gehabt, dass hier niemand für sein Äußeres beurteilt wird), wurde das Gewicht aber noch schlimmer bis ich irgendwann im 3 Stelligen Bereich war (mit 19 Jahren). Ich hatte mich damit abgefunden für immer fett zu sein und die Außenwelt gemieden wo es ging (auch weil ich mich für mein enormes Gewicht geschämt hab). Als ich dann allerdings mit 25 gemerkt hab, wie glücklich die wenigen Freunde von mir in ihrem Leben sind (aktiv, glückliche Beziehung, Ziele im Leben), wollte ich mich ändern. Da ich - wie immer in meinem Leben - niemanden eine Last sein wollte, lehnte ich auch beim Abnehmen jede Hilfe meiner Familie und Freunde ab. Mit radikaler Ernährungsumstellung und etwas Bewegung schaffte ich es tatsächlich, mein Gewicht fast zu halbieren...

Und dann gings los. Irgendwann ging nichts mehr runter. Über Wochen nicht. Ich fand mich damit ab und hab meine Ernährung von radikal Diät auf "normales Essen" umgestellt. Keine großen Portionen, keine Zuckerhaltigen Getränke ect ... und dennoch schnellte mein Gewicht nach oben. Mir war bewusst, dass nach der Umstellung ein bisschen was raufkommt, aber nach einer fast 2 stelligen Anzahl *kg bekam ich Panik wieder mein altes Gewicht zu erreichen und zog die Reisleine indem ich anfing meine Hauptmahlzeiten zu erbrechen. Anfangs hielt ich mich für so Willensstark, dass ich es kontrollieren und jederzeit damit aufhören kann ... aber ja, falsch gedacht.

Ich erbreche nicht, weil ich mich aufgebläht - unwohl oder sonst was fühle. Ich hab auch nur sehr sehr selten richtige FA. Aber die Angst davor, wieder Dick zu werden und damit quasi die 2 Jahre Quälerei umsonst gemacht zu haben, frisst mich innerlich auf und bringt mich immer und immer wieder dazu, auch Kleinigkeiten zu erbrechen wenn ich die Chance dazu hab und die Waage in eine Richtung ausschlägt, die mir nicht gefällt.
Einer der Gründe warum ich dringend Abnehmen wollte war es ja, ein normales, gesundes und aktives Leben zu führen, eine Beziehung zu finden und glücklich zu werden.
Meine Familie und Freunde wissen nichts davon und sollen es auch auf keinen Fall erfahren. Dass ich ein erwachsener Mann bin, macht die Sache meiner Meinung nach noch schlimmer, da die Krankheit ja im Kreis der nicht-selbst-betroffenen ja als "reine Frauenkrankheit" angesehen wird. Zumindest war das der Tenor, den ich bei Unterhaltungen die irgendwie in diese Richtung gingen mitbekommen hab.

Nichts desto trotz hoffe ich, mich hier mit Menschen austauschen zu können, die die gleichen Ängste und Probleme haben und vielleicht doch irgendwie einen Weg aus dem Teufelskreis zu finden.

Re: Hallo zusammen.

#2
Hast du dich denn schon mal an eine Ernährungsberatung gewendet?
Neben eventueller therapeutischer Unterstützung wäre das in deinem Fall wahrscheinlich ganz ratsam
Wohnst du denn noch zu Hause?

Ich kann dir nur so viel sagen: von "normalen" Portionen nimmst du nicht zu, wenn du nicht im UG bist. Zunächst vielleicht ein wenig - Wassereinlagerungen - aber das ist kein echtes Gewicht.
Auch vom sog "Jojoeffekt" nimmt man nicht im 2stelligen Bereich zu.
Deswegen der Gedanke mit der Ernährungsberatung, weil du scheinbar nicht recht einschätzen kannst, was denn eine normale Mahlzeit eigentlich ist.

Re: Hallo zusammen.

#3
Hallo Complessa.

Zuerst danke für deine Rückmeldung.

Nein, Ernährungsberater hab ich noch keinen Aufgesucht. Hauptsächlich aus der Befürchtung, das ganze könnte doch irgendwie Bekannt werden. Die Firma für die ich arbeite hat unter anderem 95% aller Ärzte und Gewerbetreibenden als Kunden und ich fürchte hald einfach, dass es doch irgendwie raus kommt.

Nein wohne ich nicht. Hab meine eigene Wohnung was den Effekt noch verstärkt hat nach meinem Auszug vor einigen Jahren.

Ich esse relativ viel auswärts (Kantine, Cafe) und ich aß hald die normal bestellbaren Portionen (ohne Nachspeise).

Aber was meinst du mit "von normalen Portionen nimmst du nicht zu wenn du nicht im UG bist"? Ich hab zwar schon davon gelesen und gehört, dass wenn man zuwenig isst nichts abnimmt, aber davon zunehmen?

Re: Hallo zusammen.

#4
Wenn du NORMALE Portionen isst, also eine für einen Mann deiner Größe und deines Alters normale Kalorienzahl zu dir nimmst, dann wirst du nicht zunehmen (es sei denn, du bist im Untergewicht - was du ja nicht bist).
Man nimmt dann zu, wenn die Energiebilanz nicht stimmt, sprich: Wenn die zugeführte Kalorienzahl die verbrauchte übersteigt.
Die Tatsache, dass man ein zu viel an Kalorien nicht sieht und denkt, man ernähre sich doch ganz normal, mag an verzerrter Wahrnehmung liegen, Vergessen von Kleinigkeiten, die hier und da gegessen und getrunken werden, Nicht-Einschätzen-Können von Portionsgröße und Nährwert etc. Worans bei dir liegt, weiß ich nicht.

Tatsache ist allerdings, dass du in der Zeit, in der du "normale" Portionen gegessen und massiv zugenommen hast, wohl nicht so ganz richtig den Überblick über deine Ernährung hattest bzw. deine Nahrungsaufnahme einfach falsch eingeschätzt hast.
Wären es für deinen Kalorienbedarf normale Portionen gewesen, hättest du nicht zugenommen.

Ärzte haben doch mit Ernährungsberatern erstmal nichts zu tun.
Und was spricht dagegen? Du kümmerst dich um deine Gesundheit, ist doch toll - selbst, wenn das jemand rauskriegen sollte, was eh ziemlich unwahrscheinlich ist.
Selbst, wenn dus jemand erzählst, wird derjenige wahrscheinlich eher positiv dem gegenüber sein, denn, dass du übergewichtig bist sieht man ja, deiner Aussage nach. Da ist es doch - aus Sicht der anderen - toll, wenn du da was verändern willst.

Re: Hallo zusammen.

#5
Lieber Akatsuki,

danke für deine offenen und berührenden Worte. Es ist wirklich sehr schade, wie gemein Kinder und Jungedliche sind. Ich kann mir gut vorstellen, wie du dich gefühlt haben musst.

Ich mache mir ehrlich gesagt ehrer mehr Sorgen darum, dass du weiter in die Bulimie rutschst als dass du zunehmen wirst. Denn meine Erfahrung zeigt, dass sich die Bulimie meistens immer mehr breit macht und du am Ende immer mehr isst und erbrichst als Kleinigkeiten. Und das Problem ist wirklich fürchterlich, viel schlimmer als übergewichtig zu sein. Deshalb würde ich mich an deiner Stelle darauf konzentrieren, erstmal mit dem Erbrechen aufzuhören. Ich war letztes Jahr in einer Klinik, wo auch adipöse Patienten waren. Genauso wie bei allen Essstörungen stecken hier natürlich psychische Ursachen hinter der Erkrankung. Und ich denke, in erster Linie ist es wichtig, sich darum zu kümmern, dass es deiner Seele wieder gut geht, dass du gut zu dir bist und gut über dich denkst. Es klingt so, als ob bisher der "gesunde Lifestyle"/das Abnehmen ein Verzicht oder eine Qual für dich war. Wie wäre es, wenn du einfach mal dein Gewicht vergisst. Mach die Augen zu und stell dir vor, du bist fit und gesund und dann machst du, was du gerne tun möchtest. Warte nicht, bis es soweit ist. Sondern lebe jetzt. Du kannst auch jetzt schon ein erfülltes Leben führen. Vielleicht machst du andere Sachen als schlankere Personen. Aber du kannst doch auch abends weggehen, kleine Spaziergänge machen oder sonst was. In der Klinik haben die adipösen Patienten oft mit 15 minütigen Spaziergängen begonnen, weil sie so starke Beschwerden in den Knien hatten. Aber dann wurde es immer besser. Und noch etwas zur Ernährung. In der Klinik haben die adipösen Patienten und die im Normal und Untergewicht die gleichen Portionsgrößen bekommen. Dadurch, dass die Mahlzeiten regelmäßig waren, drei Hauptmahlzeiten, zwei Zwischenmahlzeiten, immer gleich groß, haben die Adipösen trotzdem abgenommen. Auch sie haben morgens zwei Brötchen und abends ihre 3 Brote gegessen. Aber es gab kein Übermaß mehr und auch kein Hungern. Ich denke, wie eine ausgewogene Ernährung aussieht, weißt du bestimmt. Dazu gibt es ja genug Infos im Internet. Aber wichtig ist die Regelmäßigkeit. Es soll kein Verzicht sein. Lebe!
Ich wünsche dir alles Gute!

Re: Hallo zusammen.

#6
Vielen Dank für eure ermutigenden Worte und Ratschläge.

@complessa

Das mit dem Ernährungsberater ist eine gute Idee denk ich. Ein Besuch bei einem ist, im Gegensatz zu einem Arzt, wesentlich natürlicher für jemanden der viel abgenommen hat und es auch halten will. Ich bin hald, und das ist ein Punkt den ich an mir persönlich sogar hasse, extrem Beratungsresistent, wenn ich etwas nicht von mir aus mache. Diäten, die mir von diversen Personen empfohlen wurden haben nie funktioniert, mein Abnehmen wurde erst möglich als ich eine für mich eigene Variante gefunden hab. Kennst du das Gefühl vielleicht, dass dich etwas tun (zB Rasen mähen) ansich gar nicht stört, aber sollte es dir jemand sagen du MUSST jetzt Rasen mähen, wirds plötzlich unendlich mühsam?

@engel

Ich glaube nicht, dass ich jemals in meinem Leben wirklich das getan habe, was ich gern gemacht hätte. Dank dem Spott/Anfeindung in der Schule war ich quasi die ganze Zeit auf einem Selbstgeisselungstrip (was natürlich nicht funktioniert hat), in der Arbeitswelt war zwar kein Spott oder Hohn mehr da, aber da ich ja das Gewichtsproblem hatte war es natürlich jeden Tag ein Thema. Ich hab mir oft gedacht "Hey ... scheiss aufs Gewicht, genieß doch mal das Leben" ... aber meistens war nach ein paar Stunden schon wieder die Waage, das Gewicht oder Bilder meines dicken Ich's als Angstgespenst in meinem Kopf.

Ich bin wirklich froh, auf das Forum gestoßen zu sein. Nach 22 Jahren mal mit anderen darüber reden zu können, ohne befürchten zu müssen verurteilt zu werden, ist schon Balsam für die Seele.