Hallo zusammen, ich bin neu hier ...

#1
Hallo zusammen,
ich möchte mich mal kurz vorstellen und weiß nicht so recht wie ich anfangen soll. Vielleicht ganz von vorne …
Ich war als Teenie schon übergewichtig. Ich kann aber mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass ich niemals, weder in Schule, Berufsschule oder auf Arbeitsstellen gemobbt oder mit „Du bist fett“ beschimpft wurde. Dennoch begann ich nach Abgang der Schule mit einer Diät und nahm ganz schnell ab, irgendwann ernährte ich mich nur noch von einem Apfel am Tag und ich fühlte mich gut, wenn jemand zu mir sagte, dass ich zu dünn sei.
Irgendwann kamen die Fressattacken und ich fiel in die Bulimie, fühlte mich immer schlechter, schwächer und hasste mich von Tag zu Tag mehr und mehr. In der Zeit machte ich Führerschein und eine Ausbildung und mein Selbstbewusstsein rutschte dermaßen in den Keller, dass ich gar nicht mehr wusste wer ich bin und was ich überhaupt machte. Ich würde sogar behaupten, dass ich unter Depressionen litt.
Nachdem ich dann von heute auf morgen die Ausbildung hinschmiss, auch den Führerschein nicht mehr machen wollte, entschloss ich eine Therapie zu machen und sie half mir, zwar nicht so wie ich es gehofft hatte, dennoch stoppte ich/sie die Bulimie und mein Selbstbewusstsein kam wieder zurück. Ich hatte wieder Spaß am Leben, nahm sogar zu, war wieder leicht übergewichtig und fühlte mich dennoch wohl. Ich genoss einfach mein Leben, tat was mir Spaß machte und was mir nicht gut tat, machte ich einfach nicht. Mir war es egal, was andere von mir dachten. Ich ging einfach so wie ich bin durchs Leben und genoss es. Ich dachte, dass mich nichts mehr so schnell umhauen würde und dass ich die Bulimie besiegt hatte.
Falsch gedacht!
Leider!
Anfang 2015 hatten wir einen plötzlichen Todesfall in der Familie, dazu kam noch ein nicht so schönes Erlebnis mit einem Mann, ich wurde krank und ich verlor meinen Job. Ich bin eigentlich nicht der Typ Mensch, der gleich nach ein paar Problemen den Kopf in den Sand steckt, schon gar nicht aufgibt oder denkt, dass gleich die Welt untergeht. Aber ich denke, dadurch, dass das alles auf einmal kam, dass ich dadurch wieder völlig „abstürzte“.
Ich weiß, dass das ein großer Fehler ist, aber ich behalte meine Probleme immer alle für mich, rede mit niemandem darüber, weil ich niemanden damit verletzten oder belästigen will. Meine Familie und Freunde merken, dass etwas nicht stimmt, bieten mir ihr Ohr und Hilfe an. Aber ich kann es einfach nicht. Ich will nicht, dass man sich um mich sorgt, ich will weiter die Starke sein, die, die nichts umhaut, die, die immer lacht, die, die anderen hilft ihre Probleme zu lösen, die, die immer für andere da ist.
Aber vielleicht ist es an der Zeit endlich mal an mich zu denken!
Nach außen hin bin ich immer fröhlich, nett, spiele die Glückliche, würde nie jemandem etwas Böses, egal wie schlecht gelaunt ich bin. Aber in meinem Inneren herrscht seit eineinhalb Jahren ein ständiger Kampf, es nervt mich nur noch, schlaucht mich und ich möchte endlich wieder gesund sein.
Ich habe schon an eine Therapie gedacht, das würde jedoch niemals funktionieren, ohne dass es jemand von meinem Lieben mitbekommt und das möchte ich nicht.
Seit Anfang 2015 übergebe ich mich täglich, wenn einmal nicht, dann esse ich nichts. Ich mag nicht mehr, ich hasse es, es ekelt mich an, es bestimmt meinen Alltag. Ich hatte keine schlechte Kindheit, überhaupt nicht. Ich habe meine Eltern, meine Schwester, Freunde und eine riesen große Familie, die immer für mich da ist. Ich habe eigentlich alles was ich möchte und mache was ich möchte. Ich habe wieder einen guten Job, der mir Spaß macht, dazu habe ich noch Fans, die hinter mir und meiner Arbeit stehen. In meinem Leben läuft zurzeit alles gut – sehr gut sogar und deshalb verstehe ich einfach nicht, wie ich mir das Leben so zur Hölle mache, warum ich meinem Körper das antue und wenn ich länger darüber nachdenke auch meiner Familie und Freunden. Ich verstehe es einfach nicht, ich spiele jedem etwas vor, belüge sie und mich.
Ich weiß, dass ich nicht dick bin, ich weiß es und erbreche mich trotzdem. Vor ein paar Tagen war ich mit einer Freundin einkaufen, kam an einem Spiegel vorbei und erschrecke vor mir selbst. Dünn, ausgemergelt und krank, das war das erste was mir zu meinem Ich einfiel. Ich habe Kopfschmerzen, kann nicht mehr richtig schlafen, liege nachts im Bett und spüre meinen unregelmäßigen Herzschlag. Mir tut alles weh, mein ganzer Oberkörper schmerzt. Schon allein daran müsste ich doch schon die Reißleine ziehen, aber es gelingt mir einfach nicht ganz.
Dennoch sehe ich ein Licht am Ende des Tunnels. Seit fünf Tagen konnte ich normal essen und habe mich nicht mehr übergeben. Der Drang war groß, ich stand mehrmals vor der Kloschüssel und ich dachte die ganze Zeit nur an das Essen, welches in meinem Magen liegt (jetzt auch noch) und verdaut wird. Seitdem stand ich nicht mehr auf der Waage und möchte das auch beibehalten. Eine große Hilfe für mich ist zurzeit auch Meditieren und Yoga und ich merke, auch wenn ich mich erst seit fünf Tagen nicht mehr erbreche, dass es mir immer leichter fällt.
Ich weiß, dass der erste Rückfall wahrscheinlich nicht lange auf sich warten lässt, aber diese fünf Tag, vielleicht ist morgen schon mein sechster, sind schon ein großer Schritt für mich in die richtige Richtung. Ob ich es alleine schaffe, weiß ich noch nicht, ich hoffe es, es wird sich zeigen.
Ich danke jedem, der es bis hierher geschafft hat zu lesen :)
Ich möchte meine Erfahrungen gerne mit euch teilen, dem ein oder anderen helfen, suche Menschen, denen es genauso geht, mit denen ich reden kann. Viellicht ergeben sich sogar nette Kontakte oder Freundschaften.
Gute Nacht und ganz liebe Grüße Herbstmine

Re: Hallo zusammen, ich bin neu hier ...

#2
Liebe Herbstmine,

willkommen im Forum und direkt einmal herzlichen Glückwunsch, dass du fünf (jetzt sechs) :wink: Tage durchgehalten hast! Das ist wirklich gut, weil jeder einzelne Tag ohne Erbrechen zählt-auch wenn man weiß, dass es Rückfälle geben wird.

Ich konnte mich beim Lesen deiner Geschichte so richtig in dich hinein fühlen, bei mir war es ähnlich, auch von den Episoden her. Therapie, dann gut und plötzlich haut einen wieder etwas aus der Bahn und man greift (unbewusst) auf die Bewältigungsstrategie zurück, die man schon kannte-wie schlecht und schmerzhaft sie damals auch war, zunächst ist da wieder dieses Hochgefühl und oft auch Komplimente, wie du es ja auch beschreibst.

Du schreibst von einem "nicht so schönen Erlebnis" mit deinem Mann. Du musst gar nichts dazu sagen, wenn es dir unangenehm ist-aber worum ging es dabei grob? Wie gesagt-erzähl nur, was du magst :)

Ich kann dich sehr gut verstehen, dass du nicht möchtest, dass deine Familie etwas mitbekommt-vielleicht hilft dir ja aber schon der Besuch bei einer Beratungsstelle? Da kannst du einfach hin, ohne Arzt, Krankenkasse oder sonstigem Kram. Und du könntest Familie/Freunden sagen, dass du eben in der Stadt bist oder sowas.

Den Grund für eine Therapie könntest du übrigens auch verschleiern. Da du von einem Todesfall schreibst, der dir sehr nahe gegangen zu sein scheint, könntest du schlicht sagen, du möchtest das aufarbeiten. Ich weiß, dass es viele Meinungen gibt, die sagen, noch mehr Lügen als durch die ES ohnehin schon sollte nicht sein, aber ich kenn das nur zu gut, dass man sich dann während jeder Mahlzeit beobachtet fühlt oder die Leute überfordert reagieren.
Aber jetzt erstmal eins nach dem anderen. :)

Liebe Grüße
bright

Re: Hallo zusammen, ich bin neu hier ...

#3
Hallo bright,

ich danke dir für deine Antwort.

Ich wurde von besagtem Mann hingehalten, belogen und betrogen. Wären es "normale Umstände" gewesen, hätte ich es vielleicht noch einigermaßen verkraftet, aber das passierte alles zu genau dem Zeitpunkt, an dem ich ihn am meisten gebraucht hätte. Er wusste nichts von meiner Krankheit und ich hätte ihm auch nie etwas davon erzählt, denn ich sah mich ja als geheilt an.
Es ist jetzt schon eine Weile her. Ich habe den Kontakt sofort abgebrochen. Und eine neue Liebe kommt auch wieder, ist wahrscheinlich schon da :)
Jedoch bin ich sehr zurückhaltend aus Angst wieder verarscht zu werden. Schon allein ein gemeinsames Essen stellt sich als problematisch dar, da ich mich nicht auf einer öffentlichen Toilette oder bei ihm erbrechen will.
Aber bis jetzt sieht es ja ganz gut aus … :) mal sehen, was das Wochenende so bringt.

Auch, wenn ich mich seit sechs Tagen nicht mehr erbrochen habe, dreht sich jedoch alles nur ums Essen und wie und wo bekomme ich es wieder los, sollte mich plötzlich wieder eine Fressattacke überrumpeln.
Ich weiß nicht wie es bei dir/euch ist. Aber ich nehme mir den ganzen Tag vor, mich nicht zu erbrechen, esse normal und dann auf einmal, innerhalb einer Sekunde, schaltet irgendetwas in meinem Gehirn um und ich kann nichts mehr machen. Es passiert einfach und ich habe das Gefühl neben mir zu stehen, mir dabei zuzusehen wie ich eins nach dem anderen esse und mich dann erbreche.

Eine Freundin fragt mich, ob ich Lust auf Kino hätte und mein erster Gedanke ist: Oh, nein, sie will davor bestimmt etwas Essen und ich hatte heute doch schon Frühstück und Mittagessen. Ein anderer sagt einfach zu oder ab.
Genauso wie bei Geburtstagen. Da habe ich es mir schon zur Angewohnheit gemacht, dass ich erst komme, wenn alle schon gegessen haben, damit es nicht zu sehr auffällt, wenn ich nichts esse und so nur der Gastgeberin verklickern muss, dass ich „keinen“ Hunger habe, obwohl ich gerne das ganze Buffet auf einmal in mich stopfen würde.

Ich möchte auch niemandem von meiner ES etwas sagen, weil ich Angst habe, was sie dann sagen oder denken werden, aber auch, dass sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Ich habe Angst, dass von Nichtbetroffenen solche Aussagen wie „Du bist bescheuert, warum machst du das?“ oder „Hör doch einfach auf“ kommen.
Aber es ist einfach nicht einfach. Und ich glaube, wir wissen alle, dass es falsch ist und das wir unserem Körper damit schaden, ja, auch mit unserem Leben spielen. Ich ziehe vor jedem den Hut, der offen damit umgeht, sich helfen lässt und diese Krankheit besiegt oder besser gesagt in den Griff bekommt.

Ich möchte eigentlich nicht noch mehr lügen. Doch, wenn ich es nicht allein schaffe, dann muss ich mir Hilfe holen, das weiß ich. Aber, ob ich dann die Kraft dazu finde, es wirklich zu schaffen … Das weiß ich nicht. Ja, wie du sagst: Eines nach dem anderen :) Ich werde jeden Tag optimistischer und das möchte ich im Moment genießen.

Ganz liebe Grüße
Herbstmine

Re: Hallo zusammen, ich bin neu hier ...

#4
Liebe Herbstmine,

freut mich zu hören, dass du (vielleicht) :wink: wieder neu verliebt bist. Ich hoffe, dass derjenige dir gut tut und dich eine neue Liebe wieder etwas selbstbewusster macht.

Was du beschreibst kenne ich sehr gut und kann auch deine Ängste gut nachvollziehen. Als ich mal ein zwei Freundinnen eingeweiht hab bzw meine Eltern als Teen, haben die gar nichts gesagt, konnten einfach nichts damit anfangen. Das ist zwar keine schlimme Reaktion, aber insofern blöd, weil man sich so viel Erleichterung von der Last des Geheimnisses versprochen hatte und letztendlich genauso allein dasteht. Insofern würde ich persönlich es jetzt nicht mehr Freunden und Familie erzählen..wohne aber auch alleine, da muss ich niemandem etwas erklären.

Jedenfalls ist es toll, dass du immer optimistischer wirst, bewahre dir dieses Gefühl so lange es geht!
Solltest du aber mal jemand zum reden brauchen, empfehle ich dir wirklich Beratungsstellen. Es kann so gut tun, einfach mal überhaupt über alles reden zu können.

Alles Liebe
bright