Neu/Verzweifelt

#1
Hallo, ihr Lieben!

ich bin neu hier und möchte mich kurz vorstellen, hoffe ihr könnt mir eventuell weiterhelfen. Ich bin 26 Jahre alt und leide an Bulimie seit 10 Jahren, normalgewichtig, aber körperlich doch ziemlich kaputt, da in dem gesamten Zeitraum keinen einzigen Tag ohne FAs (insgesamt wahrscheinlich 10 Tage ohne). Bei mir ist wahrscheinlich so alles schief gelaufen, was nur möglich ist. Mit 16 hatte ich damit angefangen. Die Psyche ist in dem Alter sowieso labil und wenn die äußeren Umstände auch kritisch sind...Ich habe mir in den vergangen 10 Jahren ganz schön was angetan (Drogen, gewalttätige Männer, Abi geschmissen etc) und hatte mich immer wieder versucht mit radikalsten Methoden davon abzulenken wie verloren ich bin...
Jedenfalls bin ich heute eine alleinerziehende Mutti von einem 3-jährigen Sohn und es hat sich alles verändert, außer der Bulimie) Deswegen bin ich zu einem Therapeuten gegangen, bin mir endlich der Tatsache bewusst geworden, dass das so nicht weiter gehen kann, ich werde irgendwann einfach auf der Straße umfallen. Das Skurrile bei mir ist, dass ich seelisch ziemlich ok war bzw. ich hatte meine FAs und konnte mich zwischendurch meinem Kind oder meiner Arbeit widmen. Doch nachdem ich die ambulante Therapie angefangen habe...und damit auch angefangen habe mir Gedanken über meine innere Welt zu machen, geht es mir richtig dreckig und ich merke, dass ich in die Depression reinrutsche. Ich habe auch jegliches Interesse an allem verloren und beschäftige mich nur mit der Bulimie und mit der Wut auf meine Mutter, die mich irgendwann mal schlecht behandelt hatte. Mal ehrlich, wozu soll das gut sein? Haben nicht alle Eltern mal ein Paar Fehler gemacht und ist es nicht so, dass wenn man sich so versessen darauf fokussiert es auch nicht gesund für Einen ist? Das klingt jetzt schräg, aber vielleicht war es nicht richtig die Therapie anzufangen. Für mein Kind ist es doch besser wenn ich zwischendurch einen zweistündigen FA habe, als wenn ich den ganzen Tag einfach nur die Wände anstarre und für ihn emotional unerreichbar bin. Wohl gemerkt die FAs sind auch nicht weniger geworden...

Wie seht ihr das? Gebe ich sehr schnell auf oder gehe ich die Therapie irgendwie falsch an? Hat jemand den gleichen Prozess durchlebt gehabt? Würde mich über eure Antworten freuen!

Re: Neu/Verzweifelt

#2
Hm, ich denke eigentlich nicht, dass du deine Therapie falsch angehst, aber im Großen und Ganzen kannst du das nur du selbst beantworten.

Irgendwie ist es etwas ähnlich bei mir gewesen.
Ich habe so ziemlich zu Beginn der zehnten Klasse angefangen sehr heftig zu fressen und k*tzen, habe aber nebenbei noch bestens "funktioniert" und ein Einserzeugnis abgeliefert. Dann bin ich damals in Therapie und ab da hat sich bei mir ein Schalter umgelegt und ich bin einfach Zuhause geblieben. Diese Depressionen hatte ich wahrscheinlich schon lange vorher, ich glaube, die sind regelrecht "explodiert", als ich ihnen endlich den Raum dafür gegeben habe. Wenn ich nicht in Therapie gegangen wäre, hätte ich die Schule wahrscheinlich abgebrochen.

Und auch als ich dann eine Therapeutin gesehen habe, ich habe unverändert oder fast noch gestörter gegessen. Bei mir war es wichtig, erstmal gedanklich weiter zu kommen.

Und, ganz ehrlich, langfristig hat dein Sohn viel, viel weniger von einer Mutter, die sich derart kaputtmacht, als von einer, die versucht es heilen zu lassen!

Es braucht nun einmal Zeit. Aber, wenn dich das belastet, dann sprich auf jeden Fall einfach mal mit deiner Therapeutin/deinem Therapeuten drüber!

"Alles ist gut. Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß, dass er glücklich ist."

Re: Neu/Verzweifelt

#3
ich könnte mir vorstellen das es daran liegt, das du dich jetzt erst richtig mit deiner bulimie auseinander setzt.
wenn man den gedanken an die krankheit verdrängt bzw. sich nicht großartig damit auseinander setzt, merkt man natürlich auch nicht wie schlecht es einem eigentlich wirklich geht. bei mir ist es zumindest so, das wenn ich meine bulimie am tag ausleben kann es mir gut geht. wenn ich einen tag nicht dazu komme, geht es mir schlecht, ich werde depressiv und nachdenklich.. sobald es aber ein paar tage ohne fa's und k* weitergeht, merk ich das es mir besser geht auch ohne die bulimie; ich habe immer das gefühl als hätte ich anfangs entzugserscheinungen was ich körperlich und seelisch merke.

ich denke es braucht einfach zeit, deshalb würde ich an der therapie festhalten. langfristig gesehen wird es dir damit einfach besser gehen und es ist natürlich besser für deine gesundheit.
und wegen deinem sohn, wenn du irgendwann an deiner krankheit zu grunde gehst wird es viel schlimmer sein als die situation momentan.

liebe grüße
pain is inevitable, suffering is optional.

Re: Neu/Verzweifelt

#4
Hallo Lena,

ich weiß nicht genau, was ich dir schreiben soll, denn ähnliche Gedanken habe ich auch oft. Meine Essstörung wurde IN der Therapie erst einmal viel schlimmer, hat mir Klinikaufenthalte beschert, mich Studienzeit und zu viel Geld gekostet und die Therapie viel Kraft extreme Stimmungsschwankungen und Leistungseinbußen. Los geworden bin ich die Bulimie noch nicht, aber es wird besser.

Gerade ist es auch wieder so, dass infolge der Therapieergebnisse und der fortlaufenden Therapie, wenn die Bulimie nicht da ist, die große Traurigkeit kommt und ich nur heule und nicht zu gebrauchen bin.

Insofern: Was meinen ALLTAG betrifft, war eine Therapie nicht sonderlich sinnvoll und hat mich oft überfordert. Wahrscheinlich hätte man therapeutisch auch einiges anders machen können, ABER, was mein inneres "Wachstum" betrifft, bin ich richtig viel weiter gekommen. Oft denke ich mir zwar "Na toll, jetzt kann ich alles durchanalysieren, weiß wie Dinge zusammenhängen unnd besser wird es dennoch nicht." Aber das stimmt nicht. Es ist viel besser in vieler Hinsicht. Ich gehe besser mit mir um, kann wieder Gefhle wahrnehmen, Beziehungen leben uvm. Langfristig wird es sich also hoffentlich lohnen, aber wenn ich vorher gewusst hatte, wie schwer es wird, hätte ich mich wahrscheinlich nciht drauf eingelassen...

Was mir noch einfällt:
- Ist es die richtige Therapieform für dich?
- Kommst du mit dem/der Therapeutin klar?
- Hast du mit ihm/ ihr schon mal über deine Sorgen gesprochen? Was sagt er/ sie dazu?
- Lernst du in der Therapie Stabilisierungsübungen, die du im Alltag anwenden kannst?
- Kannst du dir vielleicht zusätzliche Unterstützung im Alltag holen? SHG, Sozialarbeiter, Babysitter,...
- Hast du schon einmal über einen stationären Aufenthalt nachgedacht? Dort ist Zeit für alle Gefühle und man muss nicht funktionieren.
- Denkst du denn, es ginge dir OHNE Therapie langfristig besser?

Alles Gute :)