Verzweifelt

#1
Hallo!
Ich bin neu hier und habe mich im Forum angemeldet weil ich endlich über meine Krankheit sprechen will!

Mein Name ist Clara und ich bin 21 Jahre alt.
Ich leide seit mittlerweile fast 4 Jahren an Bulimie.
Ich kann mich nicht mal mehr genau daran erinnern wie das Ganze angefangen hat. Damals war ich ziemlich oberflächlich und wollte unbedingt einen Perfekten Körper. Ich habe mich extrem gesund ernährt und sehr viel Sport getrieben und war auch immer wirklich dünn. Manchmal haben mir Leute gesagt ich sei zu dünn aber wirklich untergewichtig war ich nicht. Und ich habe auch nie gehungert um abzunehmen. Ich war auch immer topfit und voller Energie, also bestimmt nicht gefährdet magersüchtig zu werden.
Ich kann mich nicht mehr genau an das erste mal erinnern als ich gekotzt habe, ich weiss nur mehr dass ich irgendwie zu viel gegessen hatte, und mir danach ziemlich unwohl war und da kam mir der Gedanke "Hey, ich könnte ja versuchen mir den Finger in den Hals zu stecken und das ganze wieder loswerden."
Natürlich hat es nicht wirklich funktioniert und war mehr Qual als Erleichterung... Danach dachte ich, dass das nicht wirklich eine gute Idee war.
Was dann passiert ist kann ich nicht genau sagen. Irgendwie habe ich das mit dem Kotzen öfters gemacht wenn ich das Gefühl hatte zu viel gegessen zu haben und irgendwann wurde das Ganze zur Gewohnheit.

Ich bin noch immer ziemlich dünn, also in den Letzten Jahren hat mein gewicht immer so um +- * bis **kg geschwankt... Wirklich dick war ich nie und bin ich auch jetzt nicht. und ich fühle mich auch nicht zu dick. Ich habe auch nicht den Drang mich dauernd auf die Waage zu stellen und mein Gewicht zu kontrollieren. Ab und zu mache ich es aber wenn die Waage dann mal **kg mehr anzeigt als beim letzten Mal ist mir das auch ziemlich wurscht.

Das ist irgendwie gerade das Komische! Ich verstehe einfach nicht warum ich diese beschi**ene Krankheit überhaupt habe!
Im gegensatz zu den meisten Leuten mit Esstörungen bin ich überhaupt nicht unzufrieden mit mir selbst.
Ehrlichgesagt finde ich meinen Körper wirklich schön! Ich habe schöne Haut, lange blonde Haare, (noch) schöne Zähne, bin groß, habe ein hübsches Gesicht. Wenn ich in den Spiegel schaue gefällt mir fast alles an mir!
Auch die Männer laufen mir förmlich reihenweise nach und sagen mir wie hübsch ich sei.
Ich bin außerdem noch immer Sportlich. Ich fahre schon seit meiner Kindheit Ski (auch Wettkampfmäßig) und bin auch, gerade in letzter Zeit mehr und mehr erfolgreich damit und sehr glücklich darüber.

Also eigentlich gibt es nichts in Meinem Leben worüber ich mich beschweren könnte. Ausser die Bulimie...

Irgendwie habe ich das gefühl in mir leben 2 Verschiedene Personen! Wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde...
Wenn ich etwas zu tun habe, besonders wenn ich Skifahren gehe, denke ich nicht mal an die Krankheit. Alles ist "normal". Ich stehe morgens auf, frühstücke (und mache mir auch keine Gedanken darüber ob ich zu viel oder zu wenig esse) und Fahre los um meinen Tag zu genießen... Alles ist OK...

Sobald ich jedoch alleine zu Hause bin und z.B. mal einen Tag am Wochenende nicht wirklich was zu tun habe beginnt der Teufelskreis schon Morgens wenn ich aufwache.
Ich mache mir gedanken übers Frühstück und so bald ich in der Küche bin ist es sowieso vorbei!
Ich mache mir erst mal was "normales" zu essen und esse weiter und weiter und weiter und kann irgendwann nicht mehr aufhören...

Ich habe dann das Gefühl ich hätte verlernt normal zu essen. Ich weiss nicht mal mehr wann ich satt bin und irgendwann endet das Essen in einer FA... und dann später am Klo.
Und irgendwann bekomme ich natürlich wieder "richtigen" Hunger und das Ganze geht von Vorne los....

Anfangs waren die FAs nicht sooo schlimm aber mittlerweile wenn ich in diesem "Bulimie Modus" bin esse ich einfach ALLES!! Alles was ich finden kann. Ich leere den Kühlschrank, die Vorratskammer, das Tiefkühlfach... Einfach alles was ich irgendwie finden kann...
An solchen Tagen habe ich oft das Gefühl ich weiss überhaupt nicht was ich da eigentlich mache. Es ist als wäre ich ferngesteuert und kann mir selbst zusehen, aber nicht eingreifen...

Außerdem habe ich das "Problem", dass mir das Kotzen überhaupt nicht mehr schwer fällt. Ich muss mir dazu nicht mal mehr meinen Finger in den Hals stecken sondern das Essen kommt quasi von selbst wenn ich mich nur ein bisschen nach vor beuge. Und es dauert dann auch nur ein paar minuten bis alles draussen ist.
Wenn ich zum Beispiel mit meinen Freundinnen Abendessen gehe und das Gefühl habe mich danach übergeben zu müssen, gehe ich einfach aufs Klo und nach 2 minuten komme ich zurück, sehe ganz normal aus und es ist als wäre nie etwas gewesen.
Es ist viel zu einfach geworden!

Ich will endlich damit aufhören! Ich weiss nicht was ich machen soll! Ich kann mit niemandem darüber reden.
Und da ich die Krankheit jetzt schon fast 4 Jahre habe, habe ich extreme Angst, dass ich meinen Körper damit zerstöre. Und auch meine sportliche Leistung beeinträchtige. Wie gesagt "noch" habe ich keine Probleme. Ich gehe immer wieder zum gesundheits-Check und Laut den Ärzten fehlt mir nichts. Voriges Jahr hatte ich kurzzeitig leichten Kaliummangel aber wirklich nur minimal. Mitlerweile ist das auch wieder weg.
Aber ich weiß dass das sicher nicht so bleiben wird wenn ich so weiter mache.
Außerdem habe ich die Nase voll davon unendlich viel Geld für Essen auszugeben. Denn wenn ich für eine Woche einkaufen gehe und am selben Tag eine FA habe ist alles weg. Das nervt mich ebenfalls schon extrem.

Ich weiß wirklich nicht wie ich aus der Sache rauskommen soll. Vorallem denke ich nicht, dass mir eine Therapie helfen würde. Ich meine dabei geht es ja vorallem darum ein Positives Selbstbild und mehr Sicherheit und Selbstvertrauen zu bekommen. Aber daran fehlt es mir ja nicht.
Ich habe genug Selbstvertrauen, viele sehr gute Freunde, großartige Eltern und drei Geschwister die immer hinter mir stehen. Und trotzdem diese s***** Krankheit.

Wie kann das sein??? Und warum ist es nur so schwer da raus zu kommen??? Egal wie oft ich mir schon gesagt habe "Du machst das jetzt NIE WIEDER!!!" ich kann einfach nicht aufhören.

Was meint ihr dazu?
Was soll ich machen?
Geht es irgendwem so wie mir?
Bin dankbar für jede Hilfe und tipps. ;)
Zuletzt geändert von Caruso am Mo Apr 06, 2015 21:21, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Verzweifelt

#2
Hallo!

Ja, ich kann dich SEHR gut verstehen. Ich war auch nicht die typisch Bulimiekranke und muss auch sagen, dass ich größtenteils super zufrieden bin mit meinem Körper und eine tolle Familie und Freunde habe, eine super Kindheit hatte etc. Mir gehts toll- nur die Bulimie hat mich zerstört!

Ich kann dir nur eins raten: Besorg dir das Buch "Brain over Binge"- ist auf Englisch (weiß nicht, ob es eine deutsche Version gibt). Wenn du einen ebook reader hast, kann ich dir auch einen link schicken, wo du es dir runterladen kannst!

Ich litt fast 10 Jahre an der Krankheit, war in Therapie, hab nach wahren Gründen meiner Bulimie gesucht und bin daran verzweifelt. Erst vor kurzem habe ich diese Buch in die Hand bekommen und es hat mein Leben geändert. Du bist nicht Hilflos. Dein primäres Problem ist dein Verlangen nach Essen, welchen du dir erlernt hast und dir zur Gewohnheit wurde. Du kannst es stoppen, wenn du willst. Immerhin bist du der Mensch, der zum Kühlschrank geht, der das Essen in sich reinstopft. Du hast die Wahl. Jedes einzige Mal. Du bist nicht Hilflos. Wie du beschreibst, dass du wie ferngesteuert Essen einkaufst und isst- ich kam mir auch vor wie so ein Roboter. Aber du musst genau hinhören und dann kannst du die falschen Signale deuten und NICHT auf sie eingehen. Aber bitte, lies das Buch!!!

Leider muss ich sagen, dass sämtliche Selbsthilfebücher mir nicht geholfen haben und auch die Therapie nicht, da immer nach einem speziellen Grund gesucht wurde und die Bulimikerin als 'krank' abgestempelt wird und ja nicht persönlich dafür kann. Es passiert ihr einfach. Sie hat keine Macht einzugreifen!

So, wie ich deine Geschichte lese, musste ich dir einfach zurückschreiben! Lass dich nicht irre führen!! Ich hab das Buch auch als pdf Format! Schick mir einfach ein PN und ich sende es dir gerne zu!!

Wenn du Fragen hast, dann schreib mir!

Alles Liebe,
Veilchen
It´s finally over!
Ich bin FREIIIIIII!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! :D :D :D :D :D

Re: Verzweifelt

#3
Liebe Clara,

wie kommst du denn auf die Idee, dass alle Bulimikerinnen unzufrieden mit ihrem Körper sind? Auch wenn bei den meisten Vorstellungen vom "perfekten" Körper eine Rolle spielen - die wenigsten Bulimikerinnen nehmen auf Dauer ab, sondern eher zu, und sehr bald erfüllt die Bulimie (auch bei ihnen) eine ganz andere Funktion, als den Körper zu kontrollieren.

So wie sich deine Geschichte liest, würde ich spontan sagen, gerade du könntest von einer Therapie profitieren. Denn es geht in der Therapie nicht unbedingt um ein positives Körper- und Selbstbild - das kann ein Teil davon sein, muss aber nicht. Therapie ist so individuell wie es Patienten sind und gerade, wenn du nicht weißt, warum du an diesem Verhalten festhältst, obwohl doch alles "gut ist", könnte eine Therapie eine Chance sein, genau das herauszufinden und daran zu arbeiten oder deine festgefahrenen Verhaltensweisen zu hinterfragen.

Vielleicht wäre eine Beratungsstelle eine gute Idee? Die Beratung läuft völlig anonym ab und dort kann dir auch in Sachen Therapie und/ oder bestimmte Therapierichtungen geraten werden.

Alles Gute =)

Re: Verzweifelt

#4
Hey Clara,

würde mich gerne mit dir ein wenig austauschen, finde mich in deinem Beitrag sehr gut wieder und suche nach einer Austauschpartnerin.
Würde mich freuen wenn du mir darauf antwortest.

Liebe Grüße

Nina

Re: Verzweifelt

#5
Hey!

@kaladi:
Hmmm... Ich weiss nicht aber damit fängt es doch meistens an oder? Abnehmen wollen???
Hast du schon mal eine Therapie gemacht?
Wenn ja, welche erfahrungen hast du gemacht?

Ich habe schon auch darüber nachgedacht, aber am Ende habe ich mich bis jetzt immer dagegen entschieden. Vielleicht weil ich auch Angst habe was dabei auf einen zukummt. Und natürlich auch nicht unbedingt lust habe mit Irgend einem Psychiater über die Bulimie zu sprechen. Das wäre mir uuuunglaublich unangenehm. Allein die Vorstellung in irgend eine Praxis reinzuspazieren und zu sagen, "Hallo, ich bin da weil ich Bulimie habe!" :shock: :shock: :shock: :shock:
OMG... :shock:

@nvna:
Ja auf jeden fall. :D Ich will mich auch unbeding mit jemandem austauschen. Vorallem jetzt wo ich beschlossen habe der Bulimie ENDLICH den Kampf anzusagen! This time for good!!!!
;)

Ich habe jetzt auch schon angefangen das Buch "Brain over Binge" (danke nochmal dafür @Veilchen) zu lesen. Ist wirklich empfehlenswert. Ich kann mich echt gut mit dem identifizieren was die Autorin von sich erzählt. Der Gedanke, dass man eben nicht HILFLOS ausgeliefert ist. Sondern die sache selbst in der Hand hat, hat meine Einstellung jetzt schon extrem geändert!
Sie schreibt eben auch darüber warum so wenige Therapien bei essstörungen Erfolgreich sind, und die Antwort ist: Weil da nicht das Problem AN SICH behandelt wird. Und das problem ist eben schlicht und einfach FA's die so extrem zur gewohnheit geworden sind, dass dein Gehirn glaubt das ist lebensnotwendig. Wie bei Rauchern die total nervös werden wenn sie keine Zigaretten mehr haben.
Und somit hat die Bulimie nichts mehr mit allen anderen Problemen die man so im Leben hat zutun.

Für mich ist das der erste Ansatz der irgendwie Sinn macht. ich werde auf jeden Fall mal weiterlesen und berichten wie's mir so dabei geht. ;)