Beziehungskrise und Hilfegesuch!!!

#1
Hallo zusammen

ich bin neu hier und bräuchte dringend eure Hilfe. Ich habe auch noch nie so etwas in einem Forum geschrieben und weis nicht so recht wie ich alles formulieren soll...

Ich fang einfach mal an zu erzählen:

Ich bin mit meiner Freundin jetzt seit 6 Jahren zusammen. Gleich am Anfang unserer Beziehung hat Sie mir gesagt, dass sie Bulimie hat.
Sie war damas auch in psychotherapeutischer Behandlung und schon nach kurzer Zeit stellte sich die Essstörung ein.
Mir war damals schon bewusst, dass Bulimie nicht so einfach verschwindet und dass es jederzeit zu Rückfallen kommen kann.

Soweit ich weis hat sie bis jetzt auch keinen Rückfall erlitten.

Nun stand bei uns seit ca. eineinhalb jahren das Thema "gemeinsame Wohnung" zur Diskussion. Ich stand dem ganzen anfangs noch sehr zögerlich gegenüber, da es für uns beide den Auszug aus dem Elternhaus bedeudete und ich noch sehr an meinem bisherigen Zuhause hing.
Doch nach einer Weile hatte ich mich dann auch damit angefreundet und so haben wir Mitte letzten Jahres begonnen uns nach einer geeigneten Wohnung umzuschauen. Angang September wurden wir dann auch fündig und unterschieben den Mietvertrag.
Nach dem anschließenden Sommerurlaub haben wir damit begonnen, die Wohnung herzurichten, Möbel zu kaufen und den Umzug zu planen, der dann auch anfang November gut über die Bühne ging. Anfang diesen Jahren kamen dann auch die letzten Möbel und die Wohnung war, bis auf ein paar Kleinigkeiten, nun fertig. Das es bei dem ganzen Wohnungsthema immer wieder zu Streitigkeiten zwischen uns kam habe ich als Reibungen wahrgenommen, die nun mal auftreten, wenn zwei Menschen zusammenziehen.
Soweit zur aktuellen Wohnlage.
Beruflich sind wir beide den ganzen Tag unterwegs und kommen meist erst später nach Hause. Da ich mich nebenbei doch weiterbilde und bei mir im Januar einige Prüfungen anstanden, kam es häufig vor, dass wir abends oder am Wochenende nicht viel Zeit für einander hatten.
Ich habe mir diesbezüglich auch weiter keine Gedanken gemacht.

Doch letzte Woche kam es dann zum Supergau. Meine Freundin sagte zu mir, dass sie mich nicht mehr lieben kann und dass sie nicht selbstverständlich ist. Einen wirklichen Grund konnte sie mir nicht nennen und ich habe auch nichts böses gemacht (bin nicht fremdgegangen, etc). Sie hat mir auch versichert, dass es keinen anderen gibt und das glaube ich ihr auch.
Das ganze hat mich dermaßen aus de Bahn geworfen, dass ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren soll...
Für mich ist sie auch nicht selbstverständlich, sie ist meine große Liebe!!!
Ich würde alles für sie tun und habe auch alles, was ich bisher hatte, für sie und unsere gemeinsame Zukunft losgelassen.

Da sie meinte, dass sie Zeit für sich braucht bin ich jetzt erst mal mit dem Nötigsten zu meinen Eltern zurückgegangen.

Zu allem Übel hat mich jetzt auch noch ein Virus heimgesucht und ich musste deswegen am Montag zu meiner Hausärztin .
Sie ist nicht nur Hausärztin, sondern auch Psychotherapeutin und da sie mich schon von klein auf kennt, hat sie anscheinend sofort gemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmt. Also hab ich ihr alles erzählt und sie hat sich viel Zeit für mich genommen.
Sie hat mir klar gemacht, dass es bei meiner Freundin eindeutig ein Rückfall der Bulimie ist.
Indikatoren dafür sind laut ihr unter anderem folgendes:
- seit wir zusammengezogen sind achtete meine Freundin wieder extrem auf ihr Gewicht. Sie hat auch abends keine Kohlenhydrate mehr zu sich genommen um wieder abzunehmen.
- beruflich war es bei ihr so, dass die Stelle, auf der sie gearbeitet hat und die ihr auch sehr gut gefiel einem anderen gegeben wurde und sie sich mit einer anderen Stelle abfinden musste, die sie nicht leiden kann
-.....

Also habe ich mich jetzt die ganze Woche daran gemacht, mich wieder mit dem Thema Bulimie zu beschäftigen. Ich bin direkt auf einen Artikel von Bärbel Wardetzki gestoßen und habe mich wahnsinnig erschrocken, denn fast alles, was Frau Wardetzki in ihrem Bericht über "Bulimie und den Hunger nach Anerkennung" schreib, eins zu eins zu unserer Beziehung passt.
Für steht nun auch eindeutig fest, dass es sich um einen Rückfall handelt.....

Doch jetzt weiß ich nicht, wie ich das meiner Freundin sagen soll.... Wie soll ich ihr nur beibringen, das es sich wieder um Bulimie handelt? Ich habe wirklich wahnsinnige Angst sie zu verlieren und ich will auch während dem Gespräch nichts falsch machen...

Könnt ihr mir da bitte weiterhelfen???


Vielen Dank
Zuletzt geändert von Mr X am Fr Feb 06, 2015 16:57, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Beziehungskrise und Hilfegesuch!!!

#6
Es ist immer wieder erstaunlich, aber auch erschreckend, wie schnell Urteile gefällt werden, wenn man die Vorgeschichte einer Person kennt.

Der Begriff und die Krankheit Bulimie sind immer wieder ein gern genommenes Alibi für Verhaltensweisen, die einem selber nicht "normal" vorkommen, oder wenn Dinge nicht so laufen, wie man sie sich selber vorgestellt hat. Gibt es eine Krise in einer Beziehung - klar, Bulimie ist Schuld. Wird es draußen dunkel - könnte die Bulimie gewesen sein.

Anstatt Dinge einfach mal nüchtern und ehrlich selber zu hinterfragen, wie es zu einer Situation hat kommen können, ne - ist ja die Bulimie da, die war es !

Das ist mir zu pauschal und viel zu einfach gemacht und gedacht.
Ich habe mir diesbezüglich auch weiter keine Gedanken gemacht.
Eben !

Manchmal hilft es und es ist auch nicht schwer - bevor man eine Art von hilflosem Aktionismus beginnt, sich in Fachliteratur stürzt oder sich von halbkompetenten Ärzten eine Ferndiagnose geben läßt:

Redet doch einfach mal miteinander !!Hör ihr doch einfach mal zu, was sie zu sagen hat !

liebe Grüße

Caruso
Die Weisheit lief mir nach, doch ich war schneller .....

Re: Beziehungskrise und Hilfegesuch!!!

#7
Hallo Mr X,

die Frage nach dem »Warum« ist nur natürlich, wenn eine Beziehung in der Krise steckt. Ich kann gut verstehen, dass die Bulimie sich in deiner/eurer Situation als »Sündenbock« anbietet. Ich würde mich nach der Lektüre eines Artikels und einer ärztlichen Ferndiagnose aber nicht darauf versteifen wollen, dass mein Partner automatisch einen Rückfall hat, nur weil es gerade nicht rund läuft. Ein Rückfall in alte Verhaltensmuster ist natürlich möglich, leider, aber auch für Essgestörte nicht die einzig logische Reaktion auf Belastungen. :wink:

Der Auszug aus dem elterlichen Haushalt ist ein einschneidendes Ereignis. Die erste eigene Wohnung ist der Startschuss für einen neuen Lebensabschnitt, der mich vielen Veränderungen einhergeht – nicht nur für dich, auch für deine Freundin.
Hattet ihr vielleicht große Erwartungen an euer Leben als Paar in der ersten gemeinsamen Wohnung? Erwartungen, die sich mit der Realität im Nachhinein nicht vereinbaren ließen und nun zu massiven Spannungen geführt haben? Hat deine Freundin sich euer Zusammenleben vielleicht anders vorgestellt als du? Habt ihr darüber schon einmal geredet?

Ich denke schon, dass es wichtig ist, dass du mit deiner Freundin über deine Rückfall-Sorgen sprichst. Das ist auf jeden Fall ein wichtiges Thema, das in einer funktionierenden Partnerschaft mMn nicht totgeschwiegen werden sollte.
Ich denke aber auch, dass so ein Gespräch schnell in die falsche Richtung laufen kann. Im schlechtesten Fall erweckst du unabsichtlich den Eindruck, dass du die Schuld für die Beziehungskrise allein bei deiner Freundin (bzw. bei ihrer Bulimie) siehst.
Dass du dich über die Erkrankung informiert hast, finde ich super! Psychologisieren dürfte aber eher kontraproduktiv sein. (Psychologisieren in dem Sinne, dass du versuchst, deiner Freundin ihre Psyche anhand dessen zu erklären, was du in dem Artikel gelesen hast. Da läuft man schnell Gefahr, über statt mit jemandem zu reden, was eher dazu führt, dass das Gegenüber abblockt.)
Ich würde die Frage nach ihrem Zustand wahrscheinlich ganz offen formulieren. »Wie geht’s dir jetzt eigentlich so mit dem Essen?«, oder so ähnlich. Der Rest ergibt sich dann schon, denke ich …
Zuletzt geändert von Camouflage am Fr Feb 06, 2015 22:43, insgesamt 2-mal geändert.

Re: Beziehungskrise und Hilfegesuch!!!

#8
noch ein Nachtrag
Wie soll ich ihr nur beibringen, das es sich wieder um Bulimie handelt?
Bulimiker sind sich ihres Tuns voll bewußt ! Man muß ihnen nichts "beibringen". Sie wissen über Rückfälle und können diese selber ganz klar definieren. Sie setzen sich mit ihrer Krankheit auseinander, zumal sie nicht vom Himmel fällt, wie ein Eimer Wasser, sondern ein schleichender Prozess ist, wie fast alle Suchtkrankheiten.

Sie sind nur in der Regel ohnmächtig dagegen, sehr oft auf Hilfe angewiesen von außen. Nur ist die Annahme von Hilfe mit Scham verbunden, weil wer gibt es schon gerne zu, daß er mit einer Situation in seinem Leben nicht alleine klar kommt ? Sie dient als "Krücke", um mit besonderen Umständen klar zu kommen.

Entmündige sie nicht, in dem Du darauf hinweisen willst, daß Du der Meinung bist, sie hat "wieder" Bulimie. Diese Krankheit wird sie nie zu 100% verlassen, aber deswegen hat sie dennoch das Recht auf eigene Entscheidungen und seien diese auch für Dich aus dem Bauch heraus getroffen, oder unlogisch. Und ganz ehrlich - Menschen, die nicht unter der Krankheit leiden tun oft genug genau dasselbe - Entscheidungen treffen, die hin und wieder seltsam erscheinen. Nur nicht für den Entscheider selbst und das ist die Freiheit, die er nun mal hat.

Es ist so, wie Camouflage beschrieben hat - ein Umzug ist eine wesentliche Veränderung der Lebenssituation. Und das, was für Dich vielleicht mit Vorfreude verbunden ist, macht ihr Angst. Sprich mit ihr ! Aber schalte dabei die Überschrift "Bulimie" aus. Die ist nicht der Grund, sondern eher das "Pflaster".

Frag sie, wie man das neue häusliche Umfeld vielleicht so gestalten kann, daß sie "Fluchtwege" offen hat. Etwas, was ihr alleine gehört, eine Art Insel vielleicht.

Es gibt so viele Möglichkeiten ein Problem zu lösen - aber es führt immer über Kommunikation.
Zuletzt geändert von Caruso am Sa Feb 07, 2015 1:01, insgesamt 1-mal geändert.
Die Weisheit lief mir nach, doch ich war schneller .....