Ein paar Fakten über mich

#1
Hallo, ich bin auch neu hier im Forum. Ich habe schon so viele Texte über meine Essstörung verfasst, dass es mir zum Hals raushängt, eine ausführliche Beschreibung meiner Situation abzugeben. Aber trotzdem kurz:
Ich bin 20 und leide seit 6 Jahren an Bulimie. Es ist aber nicht die typische Bulimie als "Ess-Brech-Sucht" (habe mich noch nie wegen Essens erbrochen, kann ich gar nicht), sondern eine untypischere Form. Habe lang gegooglet, weil ich mich weder bei Magersucht, noch Binge-Eating einordnen kann und dann habe ich gesehen, dass Bulimie eigentlich Fressanfälle sind, wobei die Betroffenen danach versuchen das Angefressene wieder loszuwerden, wie auch immer, Sport, Erbrechen, hungern...bei mir ist es irgendwie kompliziert, ich habe keine Fressanfälle, sondern ganze Fressphasen, in denen ich pausenlos esse und in sehr sehr kurzer Zeit schnell zunehme. Und dann kommen die Hungephasen, in denen ich das ganze Zeug wieder los werde mit extrem wenig essen und Sport, sodass ich dann auch möglischst schnell die Kilos wieder loswerde. Diese Phasen ziehen sich meist über 3-5 Monate hin. ich schwanke zwischen am Rande von Übergewicht und am Rande von Untergewicht.
Die Essstörung beeinträchtigt mein Leben derart, dass ich die Schule abgebrochen habe, immer neue Versuche gestartet habe und durch die mangelnde Konzentration und Schwäche in den Hungerphasen und den höllischen Bauchschmerzen und Unwohlsein in den Fressphasen immer wieder abbrechen musste. Ich bin jetzt schon dadurch arbeitsunfähig und meine Gedanken drehen sich nur ums Essen. In einer Klinik war ich schon aber die konnten mir nicht helfen, denn man kann mir mein Schönheitsideal von einem extrem schlanken Körper nicht aus dem Kopf treiben. Wenn ich nicht so aussehe gehe ich nicht unter Menschen, lebe nur vor dem Computer und total isoliert. Unter Menschen fühle ich mich einsamer als alleine. Ich dachte immer, ich hätte noch Chancen, die Essstörung zu besiegen, aber das ist Quatsch, ich bin realistisch, denn um die Essstörung zu besiegen, müsste ich ein normales Essverhalten erlernen (etwas erschwert durch meinen Veganismus), was zur folge hätte, dass ich mein Schönheitsideal eines untergewichtigen Körpers aufgeben müsste, um normalgewichtig durch die Gegens zu wandeln und das will ich deswegen nicht, weil ich mich damit nicht wohl fühle. Stehe mir schön selber im Weg und kann nicht aufhören. Das alles hat angefangen mit 14, als ich aus dem Paradies der Kindheit in eine oberflächliche Welt abgerutscht bin, in der sich alles nur ums Aussehen dreht. Im Gegensatz zu den meisten Essgestörten bin ich selbstsicher und mag mich und meinen Körper, aber möchte ihn trotzdem in dünner Form. Was das Aussehen nach außen angeht bin ich sehr perfektionistisch. (Wenn ich mir meinen Text so durchlese klingt er irgendwie kalt, aber das bin ich nicht, ich hab viel Gefühl, man kann mich leicht verletzen, aber man merkt es mir nicht an).
Doch so lang geworden..oh Mann..
von Lucky
runde Menschen sind gemütlicher

Re: Ein paar Fakten über mich

#2
Ja, du hast Recht, du klingst kalt, durchkontrolliert, von Schönheit und physischen Idealen getrieben.
Kann es sein, dass diese "oberflächliche Welt, in der sich alles nur ums Aussehen dreht" deine Welt ist? Dass du die Welt vielleicht so siehst?
Denn so ist sie nicht... Nicht ausschließlich und auch nicht zum größten Teil.
Es gibt so viele "Normalos", die glücklich und zufrieden durch ihr Leben wandern und sich an anderen schönen Dingen, Aktivitäten, Ereignissen erfreuen.

Warum lebst du denn eigentlich vegan? Und hälst du das in deinen Fressphasen auch durch?
Wie sieht denn dein soziales Umfeld so aus und dein Arbeitsleben, oder existiert das nicht?

LG

Re: Ein paar Fakten über mich

#3
Hey Christie :) das ist oft das Problem, dass ich nach außen hin eine andere Wirkung habe, als ich innen drin fühle, deswegen werde ich auch so oft missverstanden. Also bin auf jeden Fall sehr warmherzig, bin ein Beziehungsmensch und lege viel Wert auf Charakter bei Menschen. Ich selber achte kaum auf Schönheitsideale bei anderen, weder bei einer festen Beziehung, noch bei Freundschaften, noch sonst wo. Ich verachte sowas. Und gleichzeitig kann ich mich selber nicht davon losreißen, meine Idealvorstellung von meinem eigenen Körper aufgeben. Die oberflächliche Welt, in der sich alles ums Aussehen dreht ist nicht meine Welt, wenn ich alleine bin laufe ich herum wie ein Penner, aber unter Menschen fhle ich mich nur wohl, wenn ich ein bestimmtes Gewicht habe. Deswegen geht es immer auf und ab, immer zurück zum Untergewicht und dann als Jo-Jo-Effekt wieder rauf. Ich weiß selber, dass es viele Menschen gibt, die nicht nur aufs Aussehen schauen, eben genau wie ich nicht Wert lege darauf, wie jmd anders aussieht, aber allgemein dreht es sich in der Welt darum, dass wer "schön" ist mehr Aussichten auf Erfolg hat, sowohl in der Partnerwahl, als auch im Berufsleben, dazu gibt es etliche Studien..aber darauf wollte ich gar nicht hinaus..das sollte nur erklären, wie ich wahrscheinlich zu der Essstörung gekommen bin, dass ich damit nicht so ganz kla kam, ach egal wie auch immer. Ich weiß ja selber, dass man im Alltag als Normalo glücklich leben kann, aber wenn ich mich nicht in meinem Körper wohl fühle, dann möchte ich keinen Alltag, kein Leben, dann ziehe ich mich zurück. Das Ding ist ja, ich fühle mich in meinem Körper wohl, ich mag ihn, aber eben nur in den Hungerphasen.

Vegan lebe ich, weil ich kein Fleisch mag (also rein aus Ekelgründen, wie wenn jmd keinen Spinat mag zb.) und weil Milchprodukte bei mir fast immer FAs auslösen. In den Fressphasen hab ich das früher nicht durchgehalten. Aber momentan schon, esse dann eben Unmengen an Reis, Hirse, Nudeln, Kartoffeln und sowas, weil ich auch keinen Zucker mehr esse.

Mein soziales Umfeld existiert nicht, ich lebe wieder bei meinen Eltern nachdem 2 Internate und eigene Wohnung wegen der Essstörung gescheitert sind, einmal hatte ich so heftige FAs, dass das Konto vom Essenseld im Minus war und das andere mal war ich im bedrohlichen Untergewicht und hatte einen Zusammenbruch. Jetzt bin ich wieder zu Hause. Habe zwar Freunde, aber kaum Kontakt mit ihnen, wenn dann über Internet und Handy. Arbeitsleben war bei mir folgendermaßen: Schule-Abbruch-Schule-Abbruch-Ausbildung-Abbruch-Praktikum-Abbruch-Fernstudium-Abbruch-Berufskolleg-Abbruch und in den Zwischenphasen halt immer zu Hause, den ganzen Tag essen, oder irgendeine Beschäftigung im Haushalt. Und in den Hungerphasen Konzentration = 0. Leb also als Schmarotzer bei meinen Eltern und versuche immer iregdnwas zu finden und scheiter. Ich fühl mich schrecklich, ich will sie nicht ausnutzen und von ihrem Geld leben, aber ich schaff es irgendwie nicht. Ich denke gerade wieder nach, ob es irgendeine Beschäftigung gibt, die ich machen kann. Ich lebe nur, um den Ta rumzukriegen.
Liee Grüße Lucky
runde Menschen sind gemütlicher

Re: Ein paar Fakten über mich

#4
Hey...

Ich verstehe dich, weil ich selbst sehr rational bin und deshalb oft kalt und abgebrüht rüber komme. Auch ich bin das nicht. Aber dann lass uns in dieser Sprache reden, wir beide scheinen sie zu verstehen.

Du redest so oft von Schönheit. Ja, jeder will schön sein. Aber was ist schön? Schönheit mit Schlankheit gleichzusetzen ist fatal. Das wird so dargestellt, von Medien und dem allgemeinen, westlichen Weltbild. Aber wann fühlt man sich schön? Ich war auch dünn und bin es immer noch. Aber mittlerweile finde ich das nicht mehr schön. Schönheit kommt von innen, Schönheit ist etwas kraftvolles. Wenn du dich runter hungerst, dann hast du keine Kraft. Du bist ein Schatten deiner selbst, gefangen in Hunger und Perfektionismus, den du so nie erreichen kannst. Ein Körper ist für mich dann schön, wenn er stark und gesund ist. Ich habe mich irgendwann ganz bewusst in die Badewanne gelegt und meinen Körper gespürt, habe mich mit ihm angefreundet und mich für das entschuldigt, was ich ihm zumute. Ich will mit mir Frieden schließen und das Leben leben.

Das ist schwer. Aber ein erster Schritt. Werde dir dessen bewusst, was du deinem Körper mit der dauernden Zu- und Abnahme antust. Und was nutzt dir ein (für dich) schöner Körper, wenn du ihn doch nicht zeigen kannst? Vielleicht fühlst du dich für ein paar Wochen oder Monate einigermaßen wohl, aber dann beginnt wieder die Fressphase und du verlierst all die Menschen, die du in der anorektischen Phase kennen gelernt hast. Ist es das wert? Gewinnst du so wirklich Freunde? Anscheinend nicht. Dein einziger treuer Freund bleibt die ES. Ein solch undankbarer Freund.


Es sind vielleicht im ersten Moment sehr harte Worte. Ich will dich nicht maßregeln, ich weiß, dass das eine Krankheit ist. Aber deine Definition von Schönheit ist absurd.

Ich sende dir liebste Grüße. Verstehe meinen Beitrag nicht falsch. Ich glaube, ich verstehe dich.

Tina
Lebe wild und wunderbar.