der Tag an dem die Welt für mich eine andere Seite öffnete

#1
Hallo Ihr Lieben,

ich hab mich heute hier angemeldet.
Wer möchte, kann hier ein paar Zeilen über meine Person lesen :wink:

Ich war 13 als ich das erste Mal nach dem Essen erbrach. Damals versuchte ich meinen ersten Liebeskummer zu betäuben. Mein erster richtiger Freund sagte mir, dass ich ihm nicht gut täte und dass er mich nun nicht mehr sehen will.
Bis heute kann ich nicht nachvollziehen, was an mir nicht gut war. Ich war aus heutiger Sicht betrachtet wirklich unkompliziert, dachte nie über meinen Körper oder meine Leistung nach, war sehr schlank, sozial integriert und in vielen Vereinen aktiv. Ich engte ihn nicht ein und mit meinen Eltern verstand er sich prächtig.

Meine Essstörungen begleiten mich seit daher. Bei Problemen versuchte ich erst einmal den Druck durch Essen und Erbrechen abzubauen, das wirkte sich auf alle Bereiche aus (Schule, Familie, Ausbildung, Freizeit, Sport).

Ich hab das Gefühl meine Störungen wurden von Jahr zu Jahr, von Ereignis zu Ereignis ausgeprägter. Sie wurden quasi mit mir groß. Mein Freundeskreis verringerte sich, ich war zunehmend besessen von dem Gedanken Leistung zu bringen und ich war der Meinung, ich brauche niemanden um glücklich zu sein, ich hab ja mich :(
Zu dieser Zeit muss ich sagen, hab ich bewusst noch nicht stark genug unter diesen Zwängen gelitten. Ich hab die Essstörung benutzt als Entspannung und als Ventil um Druck jeglicher Art los zu lassen.

Mit 19 wurde ich zum ersten Mal in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen. Ich war stark abgemagert, hatte extremen Haarausfall (bzw. es waren nur noch ein paar dünne Haare auf meinem Kopf übrig), ich hatte Herzrhythmusstörungen, bekam Akne und ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nie meine Periode (was mich aber damals nicht störte).
Die Esstörung hatte mich soweit im Griff dass ich meine zu der Zeit angefangene Ausbildung nur unter der Bedingung fortsetzen durfte, dass ich eine Therapie machte.
Nach 3 Monaten wurde ich entlassen und setze meine Ausbildung fort.

Leider war ich nicht stabil genug um durchzuhalten. Mit 21 wurde ich wieder in eine Klinik eingewiesen, weil ich ausgetrocknet war (Abführmittel, Wassertabletten, Erbrechen). :cry:
Mein 3. Klinikaufenthalt war dann mit 22.

Seitdem war ich nicht mehr in klinischer Behandlung. Eine ambulante Therapie hab ich einmal angefangen, aber es hat mir neben meinem Vollzeitjob soviel Druck und Stress bereitet, dass ich sie wieder abgebrochen habe.

Im Moment lebe ich alleine, habe keine Freunde mehr, verletze mich selbst, erbreche meist die ganze Nacht und habe sehr große Angst dass mein Leben endlos so weitergeht und ich nicht von meinen vielen Zwängen loskomme.

Ich glaube dass sind genug Eckpunkte um mich (eigentlich nicht mich als Person, eher die Persönlichkeit meiner Störungen) ein klein bisschen kennen zu lernen. Ich freue mich auf den Austausch mit euch, vielleicht profitieren wir alle ein bisschen in dem wir uns Mut und Kraft geben weiter zu kämpfen.

Liebe Grüße,
Mariella :)


P. S. Ich bin erst ab nächstem Wochenende wieder online. Habe momentan selbst kein Internet.
Zuletzt geändert von MariellaPrincess am So Jun 09, 2013 14:01, insgesamt 1-mal geändert.

Re: der Tag an dem die Welt für mich eine andere Seite öffne

#3
Hallo Zoa,

es ist für mich sehr fremd mich in einem Forum zu bewegen. Ich bin nicht unbedingt der Typ für den Austausch im Internet. Ist ne ganz neue Erfahrung und etwas mulmig ist mir schon.

Wies mir geht.
Ich hab im Moment das Gefühl, dass meine Bulimie sehr viel Macht hat. Täglich wenn ich von der Arbeit komme esse ich alles in mich rein was mir in die Finger kommt. Oftmals merke ich erst nach ner Weile was ich mache. Ich weiß nicht ob du dir vorstellen kannst was ich meine? Ich handle und merke es gar nicht mehr. Es ist schon so automatisiert. Wenn ich da erstmal drin bin, dann kann ich es nicht mehr stoppen, dann muss ich weiter essen bis zu dem Punkt wo ich mich dann übergebe. ..
Dann nach ner Stunde beginnt meist alles wieder von vorn.

Ich glaube gerade gelesen zu haben, dass du selbst nicht betroffen bist? Ist das richtig? Wenn ja, wie bist du denn drauf gekommen, dich in einem solchen Forum anzumelden?

lg

Re: der Tag an dem die Welt für mich eine andere Seite öffne

#4
Hallo Mariella!!


Ich kenn das nur zu gut - die ganze Nacht erbrechen und am nächsten Morgen wieder mehr oder weniger fit für Arbeit/Uni zu sein...
Darf ich fragen wie alt du bist? Bist du aus Österreich? Und seit wann hast du die Krankheit?

Du scheinst dich mit deiner Krankheit ziemlich abgefunden zui haben - gibts da nichts, was dich motivieren könnte, rauszukommen? ich weiß dass das sehr schwierig ist, denn auf der Suche bin ich auch grad...

Was machst du beruflich? Oder welche Ausbildung machst du gerade?
Ich kenn das mit der Angst, dass es so weitergehen wird...war vor 2 Jahren für 3 Monate stationär in Behandlung, jetzt bin ich bis 21.6.in einer Tagesklinik, möchte es aber verlängern weil ich weiß, dass es so noch nicht weitergehen kann..bin an der Grenze zum Gewicht wo man die Sonde bekommt....und ich hab einfach wahnsinnige Angst dass ich aus diesem ganzen Schei* nie mehr rauskomm...obwohl ich einen Freund hab der alles für micht tun würde...hast du einen Freund oder bist du allein?

Liebe Grüße,
defiant

Re: der Tag an dem die Welt für mich eine andere Seite öffne

#7
Defiant,
ja, das hast du richtig erkannt. Ich habe nach ca. 14 Jahren täglichem Erbrechen im Moment einfach keine Kraft mehr aktiv dagegen anzukämpfen, es hat sich quasi schon automatisiert. Ich betreibe derzeit eher Schadensbegrenzung :( Natürlich würde ich sooo gerne einen Schnitt machen und noch einmal da ansetzen wo ich noch gesund war.

Ich bin jetzt 27. Ich habe erst als Krankenschwester gearbeitet, dann im Seniorenheim, jetzt im Moment arbeite ich als Verwaltungsfachangestellte.
Nein, ich bin nicht aus Österreich, ich bin aus Bayern.

Du bist 21 wenn ich richtig sehe. Wie lange bist du schon von deiner ES betroffen? Einen Aufenthalt in einer Tagesklinik hatte ich noch nie. Das gibt es bei uns in der Nähe nicht. Da gibt es mehr niedergelassene Therapeuten und vollstat. Therapieangebote. Wie läuft denn die Therapie in einer Tagesklinik ab? Wie ist das denn mit deinem Studium vereinbar?

Liebe Grüße

Re: der Tag an dem die Welt für mich eine andere Seite öffne

#12
ohhhh man,
ich hab mir gerade dein text durch gelesen und ich fand es wirklich sehr schockierend.
Das tut mir so leid, es macht mich gerade voll traurig, dass du so abgestürzt bist.

Das eine Essstörung einem das ganze leben ruinieren kann, ist schon hart.

Ich bin 10 Jahre jünger und mir geht es so ziemlich gleich!!!!!!
Zuerst Bulimie dann Magersucht, Bulimie....

Ich hab mir dadurch schon einiges vermasselt !!

Naja wird ziemlich sicher auch so weiter gehen, und wäre kein wunder wenn ich es mein leben lang haben würde.


Ich wünsche dir alles gute, und ich hoffe du wirst eines Tages wieder gesund und glücklich.

Re: der Tag an dem die Welt für mich eine andere Seite öffne

#13
Hallo Mariella!!

Wie war dein Wochenende?

Hast du wieder mal dran gedacht, in Therapie zu gehen? Also ambulant oder stationär?
Wie gehts dir eigentlich gesundheitlich? nach 14 Jahren müsstest du doch auch schon gesundheitliche Folgen davontragen oder? :/
Darf ich fragen, wieso du beruflich umgesattelt hast?

Noch bin ich 20 (bis nächsten Dienstag)....sichtbar ist die Essstörung seit ich 15/16 bin - die erste Diät hat jedoch schon so mit 11/12 begonnen...ja Tagesklinik find ich prinzipiell ein tolles Konzept - man geht in der Früh hin und kommt am Nachmittag wieder heim, es is so ein Mittelding aus ambulant und stationär, man ist nicht so komplett von der Außenwelt abgeschnitten und lebt doch noch sein Leben weiter...allerdings dadurch dass mein Freund vor 1 Woche ausgezogen is (auf meinen Wunsch, wir sind aber noch immer zusammen), kommt es jeden Abend zu FA's die teilweise bis in die Früh dauern :( Also körperlich is es nicht so toll, psychisch tut sich schon einiges...
Das Studium is momentan halt pausiert...leider schon zum 2. Mal weil ich schon mal stationärin Behandlung war...mittlerweile hör ich von meinen Eltern aber eh nur mehr, dass ich Zeit vergeud und endlich schaun soll dass ich weiter studieren kann....

Liebe Grüße!!

Re: der Tag an dem die Welt für mich eine andere Seite öffne

#14
Hi,
ich melde mich zurück. Wie bereits in der Vorstellung erwähnt, habe ich während der Woche keinen Internetzugang, weil mein Internetstick da wo ich wohne nicht funktioniert.

Klingt vielleicht etwas komisch, aber ich bin jetzt froh nach einer Woche wieder hier zu sein (ich arbeite ca 240 km von meiner Heimatstadt weg). Ich fühle mich unter der Woche immer schrecklich einsam. Einsam einerseits weil ich es verlernt habe Kontakte zu halten und zu pflegen und weil da wo ich momentan wohne keiner von meinen ganzen Störungen weiß und die Menschen da wirklich ganz schlimme Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen haben.

Daheim ist es leider auch nicht besser im Moment. Meine Mutter und meine Schwester, die ich beide am Wochenende sehe, sagen mir immer dass ich selber Schuld bin, dass ich Niemanden habe, dass sie sich schämen weil ich in meinem Alter keinen Partner hab und dass ich selbst schuld bin dass ich mit meinem gestörten Verhalten alle Menschen denen ich mal wichtig war vergrault hab und jetzt alleine da sitze.
Auch wenn Sie mich immer wieder beleidigen, sind sie doch meine Familie und ich komm trotzdem immer wieder. Ich bin schon mal auf Abstand gegangen und hab sie nicht mehr besucht, aber da gings mir dann noch schlechter weil ich dann 1 Monat gar keinen Kontakt zu vertrauten Menschen hatte und außer der Arbeit wochenlang nichts geredet hab, weil es einfach niemanden mehr gibt in meinem Leben (als mir das bewusst war, war das unendlich schlimm und ich hasse mich nur noch mehr dass ich so bin wie ich bin).

Ich merke grad dass es mir schrecklich peinlich ist so über meinen "Absturz" zu reden :oops: :cry:

bigmonster,
danke dir für deine lieben Wünsche. Das tut gut :) Du schreibst, du hast dir durch deine Essstörung schon einges vermasselt. Darf ich fragen was das war? Wie gehts dir denn im Moment? Du gehst noch zur Schule oder?
Ich finde es ganz traurig dass du schreibst, dass du deine ES sicher dein ganzes Leben lang haben wirst. Das muss nicht so sein. Bei mir war es eine Verkettung von Ereignissen auf die ich reagiert hab (leider krank reagiert hab)...
Bitte rede dir nicht ein, dass es dein Schicksal ist deine Essstörung zu tragen, sie leben zu lassen. Du hast es in der Hand, umso früher du ihr sagst, dass du sie blöd findest und sie keinen Platz hat umso besser. Dass das nicht einfach ist, das ist uns allen klar. Eine Essstörung ist so teuflisch und tückisch. :evil:
Ich wünsche Dir so sehr, dass du den Weg heraus findest.

Re: der Tag an dem die Welt für mich eine andere Seite öffne

#15
Defiant,

schön von dir zu hören.
Wie schon gesagt, ich konnte leider nicht früher antworten, weil ich unter der Woche keinen Internetzugang hab.

Ob ich wieder an Therapie gedacht hab. Ja, ich spiele oft mit dem Gedanken an ne erneute Therapie. Ich weiß dass ich so sehr ich es auch versuchen würde, es allein nicht mehr schaffen kann. Nach so vielen Jahre ist das Verhaltensmuster so eingespielt, das kann ich alleine nicht umprogrammieren.
Eine ambulante Therapie ist für mich nur mit Stress und Leistungsdruck verbunden. Ich kann mich noch gut an meine ambulante Therapie erinnern. Ich hab mich vor und nach der Sitzung immer mehrmals vollgegessen und übergeben weil ich den Druck sonst nicht aushalten konnte. Der Therapeut hat als ich ihm das erzählt hab, öfter mal gelacht.. Ich fühlte mich dort gar nicht ernst genommen. Ich hab dann nach ner Zeit gemerkt, dass ich mich in dieser Stunde gar nicht öffnen kann. Hab die Therapie dann nach nem halben Jahr wieder abgebrochen.

Stationär zu gehen würde mir sicherlich helfen. Nur gibt es momentan einfach zu viele Dinge die mich hemmen. Zum einen weiß ich dass ich während und nach der Therapie keinen Rückhalt von zu hause habe. Es ist sehr schwierig in das alte Umfeld zurückzukehren ohne irgendeine vertraute Person, die mich dann unterstützt. Damals war mein Vater immer mein Strohhalm in der Not, der mir Mut gemacht hat. Wenn ich am Boden war, hat er mich mit seinen ruhigen Augen angesehn und mir gesagt, dass ich es schaffen kann, weil ich schon so viel gemeistert hab und er immer an mich glauben wird. Jetzt ist er gestorben und für mich ist das Loch riesengroß dass er hinterlässt.

Wie gehts dir denn grade im Moment? Hast du nächsten Dienstag Geburtstag oder hattest du letzte Woche?
Wie ist es bei dir, feierst du deine Geburtstage?
Ja, leider haben die Eltern oftmals keinen Blick für das "wirklich Wichtige". Das wäre dass du erstmal gesund wirst und dir die Zeit nehmen kannst die du brauchst zum studieren. Ohne dass von Seiten der Familie der Erwartungsdruck steht. Darf ich fragen was du studierst?
Deine erste Diät hat schon mit 11 begonnen? Warst du denn aus heutiger Sicht damals zu dick?

lg