Ein herzliches Hallo

#1
....allerseits! :)

Ich bin froh, dass ich hier sitze und diesen Beitrag schreibe. Wer weiß, wann und ob ich wieder den Mut dazu gefunden hätte.
Meine Essstörung als solche überhaupt anzusehen, fällt mir unglaublich schwer und rückblickend betrachtet würde ich sagen, dass sie mich wohl mehr oder weniger die letzten Jahre verfolgt hat. Vor allem deshalb, weil ich es doch immer wieder schaffte, die Kurve zu kriegen und ein normales Essverhalten zu entwickeln. Lediglich die Gedanken waren stets meine Begleiter, die Symptome schwankten. Ich erinnere mich an eine Zeit, eine anorektische Zeit, in der ich mir nicht einmal erlaubte, eine Scheibe Brot zu essen. Da stand ich dann eine gefühlte Ewigkeit in der Küche und war wie gelähmt, weil ich einen unglaublichen Hunger verspürte und mich aber nicht entscheiden konnte, wann ich diese Scheibe Brot essen dürfte.
Das war für mich der Moment, der mich aufrüttelte, mir schossen Gedanken durch den Kopf, dass ich es besser wissen sollte (ich hatte damals angefangen mich mit der Psychologie zu beschäftigen) und dass genau das passiert, was man als Kontrollverlust beschreibt. Zu diesem Zeitpunkt war ich nämlich fest davon überzeugt, die Kontrolle über das Essen zu haben und nicht umgekehrt. Ich war zum Glück geistesgegenwärtig genug, die Notbremse zu ziehen und diese Falle als solchen zu erkennen und fest entschlossen, nicht in diese zu tappen. Ab da aß ich wieder regelmäßig, normale Portionen, machte meine Eltern glücklich und war viel ausgeglichener.
Leider blieb es nicht sehr lange so, denn schon bald fing ich an, als Ausgleich zu den täglichen Mahlzeiten exzessiv Sport zu betreiben. Das war ein tolles Gefühl, ich war in einem Rauschzustand und war wie besessen davon meine Leistungen zu steigern, um möglichst viele Kalorien verbrennen zu können. Meine Eltern wurde wieder misstrauischer, meine Noten sanken rasant ab, weil ich nichts mehr auf die Reihe bekommen hatte, also musste ich einen meiner Vereine aufgeben, weil ich sonst innerlich zusammengebrochen wäre. Zu dieser Zeit litt ich an Schlafstörungen, war gereizt und aggressiv. Irgendwann pendelte sich alles wieder ein, ich war nicht mehr so getrieben, dachte einen gesunden Mittelweg zwischen Essen und Sport gefunden zu haben, obwohl ich trotzdem dazu neigte bei kalorienreicheren Mahlzeiten, mein Pensum zu erhöhen. Ich war zwar immer noch unzufrieden mit meinem Gewicht (obwohl ich mir ständig einzureden versuchen habe, dass ich ein Idealgewicht hatte), aber immerhin war das relativ konstant.
Und nun bin ich wieder da, wenn auch mit einer Verlagerung in die Richtung der Bulimie und frage mich, wie zur Hölle ich wieder so tief sinken konnte. Ich habe versucht, das rational zu begreifen und entgegenzusteuern, doch ich merke, dass mir das absolut nichts bringt! Die wohl bitterste Erkenntnis für mich ist die, dass ich trotz all meinem Wissen, welches ich mir in den letzten Jahren im Bereich der psychischen Störungen angesammelt habe, der Essstörung genauso ausgeliefert bin, wie andere Menschen.


Hoffe, der Text ist jetzt nicht zu lange geworden.

Liebe Grüße,
ka
Unser Leben hängt davon ab, was wir aus dem machen, was aus uns gemacht wurde.
Jean-Paul Sartre

Re: Ein herzliches Hallo

#2
Ein herzliches hallo auch an dich:)
Ich bin grad ein bissel ausgelaugt und nicht mehr fähig klare Gedanken zu fassen, aber ich wollt dir trotzdem was schreiben;)
Mit Vernunft gegen die B. anzugehen ist meiner Meinung nach vergebene Mühe, denn das sind gerade mal 2 prozent unseres Bewusstseins... Also keine Chance...
Weißt du denn, was dich "ankotzt"?

Liebe Grüße, die Sed:)
Kinder dürfen nur leise weinen, damit sie keiner hört. Damit niemand merkt, dass sie gerade sterben. Kinder sterben leise und allein.

Re: Ein herzliches Hallo

#3
hallo kunstaufstrich,

herzlich willkommen!

wie lange geht das denn bei dir schon so?

ich weiß, was du meinst. mir ging es damals nicht anders. ich hatte auch hungerphasen, die sich mit FA und k*** abwechselten.


hast du schon einmal an eine therapie gedacht?
kunstaufstrich hat geschrieben: Meine Eltern wurde wieder misstrauischer,
das heißt, deine eltern wissen eigentlich von der ES?



liebe grüße
jersey

Re: Ein herzliches Hallo

#4
Danke euch.
Sed, das ist um 2 Uhr in der Nacht auch kein Wunder. ;)
Ich hab versucht mein Verhalten zu analysieren, aber ich bin einfach auf keine Lösung gekommen (was mich selbst furchtbar wütend macht). Mittlerweile wachsen meine Brüste aus unerklärlichen Gründen (Hormone?) und das finde ich alles andere als schön. Das passt einfach so überhaupt nicht zu mir.
Ich weiß aber zum Beispiel, dass meine Essstörung wohl irgendwie mit meinen Eltern zu tun haben muss, weil das Thema Essen bei uns immerzu präsent ist.
Meine Mutter ist selbst essgestört und mein Vater ist sehr auf Kontrolle fixiert. Seine einzige Lebensaufgabe (so wie mir scheint) besteht darin, meine Mutter in ihrem Essverhalten zu kontrollieren. Kann natürlich sehr gut möglich sein, dass ich mir die Maßstäbe meines Vater verinnerlicht habe. Nun bin aber ausgezogen und eigentlich sollte es besser werden. Ich finde es außerdem zu einfach, das familiäre Umfeld dafür verantwortlich zu machen, das mag vielleicht mitunter eine Rolle spielen, aber die Aufrechterhaltung der Essstörung ist etwas, das von Innen kommt.
Ein Freund von mir meinte, dass man durch das Bewusstmachen der unbewussten Vorgängen auch in der Lage dazu ist, diese zu ändern. Dann frage ich mich aber, warum das bei mir nicht klappt.
Ich bin ein lebensfroher Mensch, ich lache viel, habe gute Freunde und überhaupt keine Grund, eine Essstörung zu haben.
Ich empfinde auch nicht diese Leere, die viele Betroffene beschreiben.
Alles sehr suspekt. Zumindest für mich.

Jersey, wie lange das alles geht, kann ich nicht genau sagen. Einige Jahre sicher, aber wann genau alles angefangen hat, weiß ich leider nicht. Habe mir sehr lange einfach nicht eingestehen können, dass ich tatsächlich eine Essstörung habe. Es ist heute immer noch so, dass ich Momente habe, in denen ich sage, dass eigentlich alles nicht so schlimm ist. Früher ließ sich das besser verbergen, weil ich unter dem Vorwand, eine Diät zu halten, mich selbst beruhigen konnte. Aus der Bulimie kann man sich nicht so gut rausreden.

Meine Eltern wissen das auch nicht. Früher haben sie geahnt, dass etwas mit mir nicht stimmen kann und machten sich Sorgen. Aber da ich mich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen konnte, waren sie wieder beruhigt. Ich denke auch, dass sie viel zu wenig darüber wissen, dass sie die Anzeichen erkennen könnten. Meine Gedanken können sie nicht lesen und wenn ich mehr oder weniger ein akzeptables Essverhalten an der Tag legte, ist es alles andere als offensichtlich. Aber wie so viele, habe auch ich meine Lügen gut perfektioniert, so gut, dass ich selbst daran glaubte.

An eine Therapie habe ich schon oft gedacht, war einmal sogar bei einem Erstgespräch, aber aus Angst nicht krank genug dafür zu sein, wieder verworfen. Außerdem war ich und bin ich immer noch der Meinung, dass ich das selbst schaffen kann.
Aus diesem Grund habe ich mich hier angemeldet, weil ich hoffe, hier etwas zu finden, was mich weiterbringt.
Zuletzt geändert von kunstaufstrich am Sa Feb 11, 2012 14:14, insgesamt 1-mal geändert.
Unser Leben hängt davon ab, was wir aus dem machen, was aus uns gemacht wurde.
Jean-Paul Sartre

Re: Ein herzliches Hallo

#5
hallo,
kunstaufstrich hat geschrieben:An eine Therapie habe ich schon oft gedacht, war einmal sogar bei einem Erstgespräch, aber aus Angst nicht krank genug dafür zu sein, wieder verworfen.
das ist quatsch. und das weißt du sicherlich auch.
natürlich bist "krank genug" und du hast natürlich auch ein recht, dir hilfe zu holen.

ob du es ganz alleine schaffen kannst, weiß ich nicht.
es scheint ja so, als ginge das schon einige jahre so und somit ist es auch etwas, an das du dich "gewöhnt" hast und das du seit langer zeit so praktizierst.
dass man dieses verhalten einfach so wieder ablegen kann, bezweifle ich.
ich war zwar auch nie in therapie, aber ich war auch nicht so lange betroffen wie du.

vielleicht solltest du nochmal darüber nachdenken.

Re: Ein herzliches Hallo

#6
Hey kunstaufstrich,
joa, nicht schön die Situation mit deinen Eltern... Da hast du dann wahrscheinlich schon dein ganzes Leben lang essgestörtes Verhalten eingeimpft bekommen... Kontrolliert dein Papa nur deine Mutter oder auch dich? Könnte ich mir gut vorstellen...
Ich finde auch, dass man nicht die Schuld bei jemandem anderen suchen sollte, aber noch weniger solltest du sie bei dir suchen... Du kannst nix für deine Umstände, aber praktischerweise hast du immer die Wahl etwas zu verändern, was natürlich auch ne Menge Eigenverantwortung bedeutet.
B. ist meiner Meinung nach eine Summe der gesamten Umstände und es liegt auch bestimmt nicht nur an deinen Eltern, die Gründe sind aber so individuell, dass auch nur du ganz genau weißt, was dein Verhalten auslöst. Das ist wie eine Reise zu dir selbst. Wobei du diesen Weg nicht allein gehen musst und ich kann auch nur von mir aus sagen, dass ich ohne meine Therapeutin es viel schwieriger gehabt hätte. Immerhin ist das eine neutrale Person, die deine Situation von außen betrachtet und die genau weiß, was du ihr sagen willst...

Und diese unbewussten Vorgänge lassen sich auch nicht so von heut auf morgen ändern. Du hast ganz schön große Ansprüche an dich, oder? Mit Gewalt wird das nix... Deine Essstörung kommt nicht von ungefähr und sie hat auch einen Zweck und es ist wichtig sie ernst zu nehmen! Und wer weiß, wie tief dein Grund für die B. in dir verbuddelt ist... Das sieht häufig alles sehr unscheinbar aus und ist sehr individuell, auch wenn du nicht diese "Leere" fühlst, kann es ein anderes Loch sein, dass du stopfen willst.

Aber schön, dass du hier bist! Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass du wieder gesund wirst:)
Kinder dürfen nur leise weinen, damit sie keiner hört. Damit niemand merkt, dass sie gerade sterben. Kinder sterben leise und allein.

Re: Ein herzliches Hallo

#7
Bestimmt weiß ich das irgendwo tief in mir drin, Jersey.
Ich habe ja ein schönes Leben, eigentlich. Es ist ja "nur" die ES, sonst läuft alles. Deswegen kann ich das einfach nicht glauben.
Wenn ich es schlimmer wird, denke ich nochmal darüber nach, aber bis dahin möchte ich es doch alleine versuchen.

Sed, mein Vater hat einfach immer mal wieder Kommentare von sich gegeben, wenn ich mal über die Stränge gegriffen habe, sprich mal mehr Süßigkeiten gegessen habe als sonst. Nach dem Motto: "Oje, jetzt wirst du schon so wie deine Mutter.." (Meine Mutter kann sich seiner Meinung nach überhaupt nicht beherrschen in Bezug auf Essen) So direkt hat er das natürlich nicht gesagt. Andererseits, wenn ich mal weniger gegessen habe, hat er mir oft mein Lieblingsessen gekocht und darum gebettelt, dass ich was essen sollte. Ich habe damals auch nur mit Widerwillen gegessen, wenn er dabei war, aus Angst, ich könnte es wieder falsch machen. Ich muss dazu sagen, dass ich nie dick war und auch nicht nie richtig viel gegessen habe. Klar, holt man sich das ein oder andere Mal Nachschlag oder isst vielleicht mal eine Tafel Schokolade, aber das ist ja nichts besorgniserregendes.
Dieser Kontrolle wollte ich mit meinem Auszug ja auch entgehen, war auch ein sehr befreiendes Gefühl (auch wenn sich das jetzt mies anhört) für mich. Absolut nicht nachvollziehbar für mich, warum das jetzt wieder bergab geht.
Mit den hohen Ansprüchen hast du auch Recht. Ich bin ehrgeizig, nur mit Geduld habe ich es nicht so. :roll:
Unser Leben hängt davon ab, was wir aus dem machen, was aus uns gemacht wurde.
Jean-Paul Sartre

Re: Ein herzliches Hallo

#8
hmm... kommt mir ein kleines bisschen bekannt vor mit deinem dad... da ists dann doch kein wunder, dass die kinder verunsichert werden, wie solls denn auch anders kommen?-.-
dumm nur, dass man das als kind noch nicht weiß :?
ich find das absolut nicht mies, wenn man für sich selbst sorgt! du hast schließlich ein recht darauf glücklich zu sein, immerhin ist es dein leben!
naa, vllt wird das dein thema mit dem ehrgeiz... ich glaube nicht, dass du so gesund werden kannst. es gibt schon einen grund, warum du die anzeichen hast, die du hast, auch wenn der auslöser im moment vllt noch nicht klar ist.
ich wünsch dir, dass du ihn findest!

liebste grüße, Sed
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Re: Ein herzliches Hallo

#9
auch von mir willkommen im forum! du hast also schon einige esstörungs-richtungen "ausprobiert"... magersucht, sportsucht, und jetzt bulimie. und da glaubst du immer noch, nicht krank genug für eine therapie zu sein? ;) die tatsache dass du immer wieder ein ventil brauchst um dich abzulenken, sollte dir zeigen, dass da etwas in dir schlummert, das heraus will. ich bin eigentlich der falsche ansprechpartner dafür, weil ich selbst schon jahrelang bulimie habe und mich noch nicht zu einer therapie durchgerungen habe. ich hoffe du nimmst es mir nicht übel, dass ich dir trotzdem dazu rate!

allein deine familiensituation könnte ein mitauslöser sein. deine mutter ist essgestört - das ist leider die perfekte voraussetzung für dich, egal wie wenig du auch davon mitbekommen magst, auch eine ES zu entwickeln. und das verhalten deines vaters, der offensichtlich relativ hilflos in dieser situation ist, könnte auch "unterstützend" gewirkt haben. als angehöriger ist es wirklich sehr schwer sich "richtig" zu verhalten...

Re: Ein herzliches Hallo

#10
Ihr Lieben, ich danke euch für den Zuspruch, das tut wirklich gut.
Heute war überhaupt kein guter Tag für mich. Habe mich auf das leckere Essen gefreut, danach plötzlich Panik, also schnell nach Hause und auf die Toilette. Das ging dann wiederum auch nicht, noch mehr Panik. Also ging ich laufen bis ich dann vor Bauchschmerzen nicht mehr konnte. Argh!! Habe schon Angst davor, was kommt, wenn ich für eine Woche nach Hause fahre. Erschreckend. Aber womöglich ist das sogar besser so.

Sed, war(ist) das bei dir genauso in der Familie?
Als Kind war bei mir alles noch ganz anders. Hat sich jetzt nur in den letzten Jahren so verändert.

Joliana, aber die Tatsache, dass ich es immer wieder schaffe die ES zu überwinden, spricht doch auch für mich?
Und nein, ich nehme dir das überhaupt nicht übel! ;)
Das kennt doch jeder, dass man seine eigenen Ratschläge nicht befolgen kann. Das ist nur menschlich.

Hmm, habe meinen Vater auch noch nie als hilflos betrachtet. Eigentlich dachte ich eher, dass er für die Aufrechterhaltung der ES meiner Mutter sorgt, eben weil er Kontrolle ausübt. Mag sein, hätte sie vielleicht ohne die Einmischung meines Vaters schon längst geschafft ein normales Essverhalten an den Tag zu legen. Es ist ein Teufelskreis.
Und mein Vater ist auch unzufrieden mit der Figur meiner Mutter (leichtes Übergewicht laut BMI hat sie schon, aber für mich sieht sie einfach so aus wie eine Mutter, die schon zwei Kinder zur Welt gebracht hat. Ich finde das vollkommen normal.) und zeigt und sagt ihr das auch ganz deutlich. Nein, hilflos ist anders. :?
Unser Leben hängt davon ab, was wir aus dem machen, was aus uns gemacht wurde.
Jean-Paul Sartre

Re: Ein herzliches Hallo

#11
naja, angehörige wissen oft nicht was sie tun sollen - und oft denken sie, es sei am besten, zu kontrollieren und unter druck zu setzen. lebensmittel wegsperren, essenspläne aufstellen, und so weiter. in den meisten fällen macht das die ES nur noch schlimmer, aber wie gesagt, das ist die hilflosigkeit...

klar spricht es für dich dass du immer wieder ohne auskommst! das heißt dass du außer der ES noch viel hast, das dein leben erfüllt, und das ist gut so. aber die frage ist: wieso brauchst du dann überhaupt noch irgendetwas in die richtung sucht, an dem du dich "festhältst"? bei mir ist es nämlich auch so, dass ich oft wochen- und monatelang nicht kotze. und dann auf einmal kommt es wieder...

Re: Ein herzliches Hallo

#12
Ich habe mit meinem Vater schon oft über dieses Thema gesprochen und versucht zu erklären, dass seine Maßnahmen keinen Sinn haben und die ES nur verschlimmern. Und dann meinte er nur: "Anders funktioniert es aber anscheinend nicht."
Ich wünschte, er würde das irgendwann einsehen.

Ich bin jetzt mal gespannt, wie es zu Hause läuft und je nachdem würde ich wohl die psychotherapeutische Beratungsstelle meiner Uni aufsuchen. Erkenne mich selbst kaum wieder und das macht mir furchtbare Angst.
Unser Leben hängt davon ab, was wir aus dem machen, was aus uns gemacht wurde.
Jean-Paul Sartre

Re: Ein herzliches Hallo

#13
Ihr Lieben,

wollte mich mal wieder melden und berichten, wie es bisher gelaufen ist (nachdem ich mich ewig dazu nicht aufraffen konnte)..

Momentan stecke ich wohl in einer Art Identitätskrise, weiß nicht wohin mit mir, fühle mich total leer und hab Angst vor der Zukunft.
Kurzes Update:
Möchte auf jeden Fall mein Studium beenden, dieses Semester werde ich noch abschließen (wobei ich einige Kurse schon abgewählt habe), aber wie es danach weiter geht, steht noch in den Sternen. Würde ja gerne Psychologie studieren, aber da warte ich noch eine sehr wichtige Mail ab, ob das überhaupt klappt. Ansonsten gibt es absolut nichts, was mich reizen würde. Vielleicht eine Ausbildung? Aber dann die Frage: Zu was? Studiengang wechseln? Zu groß die Angst, erneut eine falsche Entscheidung zu treffen. Deswegen schiebe ich das Problem so vor mir her, obwohl ich weiß, dass das sicher nicht die Lösung sein kann.
Als ich meine Eltern damit konfrontiert habe, war die Enttäuschung nicht zu übersehen. Vor allem bei meinem Vater. Seitdem habe ich so gut wie keinen Kontakt mehr zu ihm. Alles sehr oberflächlich gehalten, auch mit meiner Mutter. Man spielt weiterhin heile Welt und tut so, als hätte niemand ein Problem damit.
Eine weitere Veränderung, die ich momentan gar nicht beurteilen kann, hat mit meinem Beziehungsleben zu tun. Seit ungefähr 6 Wochen habe ich einen neuen Freund (Anmerkung dazu: Wir kannten uns vorher schon sehr lange) und fühle mich wie auf einer Achterbahnfahrt. Es gibt sehr viele schöne Momente, da genieße ich es bei ihm zu sein, habe Schmetterlinge im Bauch etc. Andererseits gibt es auch Tage, an denen ich seine Nähe unter keinen Umständen ertragen kann (Gab auch schon Streit deswegen, weil ich ihn vorzeitig nach Hause schicken wollte), weil mir alles zu viel wird.
Nach langem Zögern meinerseits habe ich ihm dann von der Bulimie erzählt -besser gesagt, ist er selbst dahinter gekommen, weil ihm bei mir ein "anderes" Verhältnis zum Essen und die verzerrte Wahrnehmung meines Körpers aufgefallen sind- und war dann sehr überrascht von seiner Reaktion, weil ich Ablehnung und Ekel erwartet habe. Stattdessen wurde mir versichert, dass er mich deshalb nicht wie ein Monster sieht und auch nicht Schluss machen wird. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass er mit mir und meinen Stimmungsschwankungen überfordert ist (auch wenn er das nie zugeben würde) und ich möchte ihm das alles auch nicht antun.
Aus dieser Motivation heraus und auch weil es auch mit der Symptomatik immer schlimmer wurde (schlimmere Fa's, Alkoholmissbrauch), hatte ich mich dazu entschlossen, die Psychotherapeutische Beratung meiner Uni aufzusuchen. Dort wurde mir eine stationäre oder wenigstens ambulante Therapie ans Herz gelegt und nach anfänglichen Bedenken hatte ich gestern ein Erstgespräch, welches relativ gut verlief.
Soviel dazu...nun sitze ich hier, bin ein wenig verzweifelt, weil ich mich so wenig spüren kann und nur hoffe, dass der morgige Tag kommt. Aber was sollte morgen schon besser werden? Es ist schwer gegen einen Feind zu kämpfen, der sich in deinem Kopf eingenistet hat. Habe mir jetzt einen neuen Plan überlegt: Seit Mittwoch esse ich nur noch in der Mensa mit Freunden zusammen, weil es mir dann leichter fällt, das Essen drin zu behalten, wenn Menschen um mich sind. Heute wieder einen Rückfall gehabt, da alle nach Hause gefahren sind und ich noch nicht alle Sachen zu Hause aufgebraucht habe (kaufe mir extra schon nichts mehr, in der Hoffnung auf Besserung). Wahrscheinlich ist das kein so toller Plan, aber immerhin ein paar Tage habe ich damit geschafft.
Zuletzt geändert von kunstaufstrich am Sa Mai 12, 2012 19:29, insgesamt 1-mal geändert.
Unser Leben hängt davon ab, was wir aus dem machen, was aus uns gemacht wurde.
Jean-Paul Sartre