
Ich bin froh, dass ich hier sitze und diesen Beitrag schreibe. Wer weiß, wann und ob ich wieder den Mut dazu gefunden hätte.
Meine Essstörung als solche überhaupt anzusehen, fällt mir unglaublich schwer und rückblickend betrachtet würde ich sagen, dass sie mich wohl mehr oder weniger die letzten Jahre verfolgt hat. Vor allem deshalb, weil ich es doch immer wieder schaffte, die Kurve zu kriegen und ein normales Essverhalten zu entwickeln. Lediglich die Gedanken waren stets meine Begleiter, die Symptome schwankten. Ich erinnere mich an eine Zeit, eine anorektische Zeit, in der ich mir nicht einmal erlaubte, eine Scheibe Brot zu essen. Da stand ich dann eine gefühlte Ewigkeit in der Küche und war wie gelähmt, weil ich einen unglaublichen Hunger verspürte und mich aber nicht entscheiden konnte, wann ich diese Scheibe Brot essen dürfte.
Das war für mich der Moment, der mich aufrüttelte, mir schossen Gedanken durch den Kopf, dass ich es besser wissen sollte (ich hatte damals angefangen mich mit der Psychologie zu beschäftigen) und dass genau das passiert, was man als Kontrollverlust beschreibt. Zu diesem Zeitpunkt war ich nämlich fest davon überzeugt, die Kontrolle über das Essen zu haben und nicht umgekehrt. Ich war zum Glück geistesgegenwärtig genug, die Notbremse zu ziehen und diese Falle als solchen zu erkennen und fest entschlossen, nicht in diese zu tappen. Ab da aß ich wieder regelmäßig, normale Portionen, machte meine Eltern glücklich und war viel ausgeglichener.
Leider blieb es nicht sehr lange so, denn schon bald fing ich an, als Ausgleich zu den täglichen Mahlzeiten exzessiv Sport zu betreiben. Das war ein tolles Gefühl, ich war in einem Rauschzustand und war wie besessen davon meine Leistungen zu steigern, um möglichst viele Kalorien verbrennen zu können. Meine Eltern wurde wieder misstrauischer, meine Noten sanken rasant ab, weil ich nichts mehr auf die Reihe bekommen hatte, also musste ich einen meiner Vereine aufgeben, weil ich sonst innerlich zusammengebrochen wäre. Zu dieser Zeit litt ich an Schlafstörungen, war gereizt und aggressiv. Irgendwann pendelte sich alles wieder ein, ich war nicht mehr so getrieben, dachte einen gesunden Mittelweg zwischen Essen und Sport gefunden zu haben, obwohl ich trotzdem dazu neigte bei kalorienreicheren Mahlzeiten, mein Pensum zu erhöhen. Ich war zwar immer noch unzufrieden mit meinem Gewicht (obwohl ich mir ständig einzureden versuchen habe, dass ich ein Idealgewicht hatte), aber immerhin war das relativ konstant.
Und nun bin ich wieder da, wenn auch mit einer Verlagerung in die Richtung der Bulimie und frage mich, wie zur Hölle ich wieder so tief sinken konnte. Ich habe versucht, das rational zu begreifen und entgegenzusteuern, doch ich merke, dass mir das absolut nichts bringt! Die wohl bitterste Erkenntnis für mich ist die, dass ich trotz all meinem Wissen, welches ich mir in den letzten Jahren im Bereich der psychischen Störungen angesammelt habe, der Essstörung genauso ausgeliefert bin, wie andere Menschen.
Hoffe, der Text ist jetzt nicht zu lange geworden.
Liebe Grüße,
ka