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Gedanken

Verfasst: Mo Dez 06, 2010 20:43
von BlackAndWhite
Erst einmal ein hallo an Alle!

Seit gut 10 Jahren begleitet mich die Anorexie und Bulimie nun schon. Zunächst 4 Jahre des reinen Hungerns, mit 18 dann ein MIX aus beidem. Seitdem bestimmt das Essen und Nicht-Essen mein Leben Wenn es nicht um Schule, später Uni ging, dann ging es darum, wie ich mich zum Essen abhalten konnte bzw. mich ungestört beim Lernen vollstopfen konnte. In der Zeit zwischen Uni oder Essen bin ich gelaufen, gelaufen und/oder habe mich in diffuse Beziehungen gestürzt.

In diesen 10 Jahren gab es einige, wenn auch wenige und verhältnisweise kurze Zeiten in denen meine Sucht nicht ganz so stark war und sich auch manchmal ganz verflüchtigt hat. Das waren die Zeiten in denen ich aus dem „Alltag“ fliehen konnte und mich in fernen Ländern getummelt habe. Wenn ich mich erinnere glückliche Zeiten. In den letzten 2 Jahren habe ich meine Waage aus dem Badezimmer und meinem Bewusstsein gänzlich verbannt.

Mittlerweile bin ich an der Spitze meines Gewichts angekommen und ich fange wieder an mich und meinen Körper zu hassen. Warum ich es liebe wenn ich meine Knochen spüre, sehen, ertasten kann? Ich weiß es nicht. Ich frage mich: Ist dieses Verhalten „nur“ Ausdruck meines seelischen Schmerzen oder buhle ich um Aufmerksamkeit, eventuell sogar das sich Sorgen der Menschen um mich herum? Oder möchte ich mich einfach nur „wieder“ spüren?

Ich habe Angst. Angst, dass ich nie mehr „normal“ (wobei, was ist schon normal und will ich diesen Zustand wirklich anstreben?) oder besser: nicht mehr essgestört sein werde.
Objektiv habe ich alles erreicht, was Frau sich wünscht. Guter Studienabschluss, gut bezahlter Job, Freunde, mit denen ich, sofern die ES es zulässt, etwas unternehmen kann, etwas Grips im Hirn … .

In mir sieht es anders aus. Leere, Angst, Trauer, Genervt sein, Wut, Unlust, Verzweiflung.
Hunger nach Liebe? Sehnsucht nach einer Beziehung die ich zu führen nicht im Stande bin?
Wer bzw. was für ein Mensch wäre ich ohne ES geworden? Wäre ich dann noch am Leben oder hat sich mich „gerettet“? Gerettet vor Gefühlen und Situationen, die ich ohne Sie nicht im Stande gewesen wäre auszuhalten? Oder habe ich mich feige versteckt?!

Ich merke zunehmend, dass ich mich wieder mehr beschäftigen will, möchte und muss. Mit mir, meiner ES, meiner Situation. Die Angst: ist es ein unnötiges Aufwühlen alter Gefühle? Werde ich dann immer noch funktionieren wie unsere Gesellschaft es fordert insb. In Bezug auf meinem Job?

Zu viele Gedanken gehen mir durch den Kopf …

Bin für jeden Kommentar dankbar … .

Seid alle lieb gegrüßt!

BlackAndWhite

Re: Gedanken

Verfasst: Di Dez 07, 2010 17:25
von Kittycat82
Liebe Black&White

Erstmal herzlich Willkommen bei uns hier im Forum!

Zu einem sehr großen Teil könnte deine Geschichte von mir stammen, was mal wieder bestätigt, wie ähnlich wir ESler uns alle in unserer chaotischen Gefühlswelt sind!

Du schreibst, du fragst dich, wie dein Leben ohne ES verlaufen wäre. Ich glaube, dass ist die falsche Frage. Viel wichtiger finde ich, dass du herausfindest, was dich in die Sucht "getrieben" hat.

Frauen mit Esssörungen leiden oft gleichzeitig unter einer sehr großen und unerfüllbaren Sehnsucht eine funktionierende Beziehung zu führen, scheitern aber leider oft immer wieder daran (So wie ich auch), weil das Grundproblem doch in uns, bzw. schwierigen Umständen in unserer Vergangenheit liegt. Wir haben Angst uns Fallen zu lassen, Angst davor wieder enttäuscht zu werden und den Menschen, den wir ins Herz geschlossen haben wieder zu verlieren.
Viele sind durch ihre Vergangenheit auf emotionalen Schmerz gepolt und können sich aus dieser destruktiven Abhängigkeit nur schwer befreien. Wir richten die Aggressionen, die wir nach Außen tragen sollten, gegen uns selber.

Wie sieht es den Therapiemäßig bei dir aus? Du bist ja schon sehr lange krank, da kann ein professioneller Seelsorger nie schaden :-)

Ich schicke dir ganz viel Kraft und eine große Tasse heißen Kakao (kann man bei der Kälte immer gebrauchen)
Kitty

Re: Gedanken

Verfasst: Di Dez 07, 2010 20:02
von BlackAndWhite
Liebe Kitty,

erstmal vielen Dank für Deine Antwort. Mir geht es auch so. Viele Beiträge hier im Forum spiegel genau das wieder was ich denke, fühle oder erlebt habe.

Was mich in die ES getrieben hat?
Ich denke da kamen viele unterschiedliche Komponenten zusammen. "Vernachlässigung (?)" in frühster Kindheit, keine festen Beugspersonen, das Gefühl nicht dazuzugehören, Verlustangst, Erlebnisse die ich als Kind nicht zuordnen konnte; später Leistungsdruck, meine äußerst sensiblen Antennen ... .

Die ES gab und gibt mir, so banal wie es klingt, ein Stück Sicherheit. Wenn ich Sie brauche ist Sie da. Gefühle können, wenn auch nicht nachhaltig, verdrängt werden. Sie lässt mich nt. allein. Mit Ihr kann ich wunderbar wichtige Dinge in den Hintergrund schieben. Im Endeffekt ist es sch**** egal ob ich so und *kg oder *kg wiege. Wen interessiert es? Nur mich und meiner ES. Ein bessere Mensch werde ich weder mit *kg mehr oder *kg weniger.

Bisher habe ich 2 Mal den Versuch einer amb. Therapie gewagt. Beide habe ich aufgrund von Wohnortwechseln nicht weitergeführt bzw. nicht weiterführen können (Nach dem Abi und nach dem Studium). Mein letzter Therapeut war wirklich gut - nur leider ist die Entfernung einfach zu groß. Von daher habe ich seit 1 Jahr keinen professionellen Seelsorger.

Anfangs habe ich versucht mir hier jemanden zu suchen. Problem ist nur, dass hier alle Therapeuten keine freien, wie nennen Sie es: Kapazitäten haben ich ich nicht mal auf die Warteliste komme. ... "wir können die Wartelisten nicht ins Endlose führen" ... Ok. Ich hab verstanden. Ein Anruf bei meiner Krankenkasse brache mir einen Termin bei einem Therapeuten, der nur vormittags Zeit hat und 1 1/2 Std. entfernt ist. Nur dumm, dass ich Vollzeit arbeite. Da fühlt man sich doch schon ein bisschen ver******!

Na ja, that's life! Könnt mich immer noch ärgern ...

Hoffe Euch bleibt der Spaß erspart!

Genießt den Abend!

Re: Gedanken

Verfasst: Mi Dez 08, 2010 12:48
von Kittycat82
Ja, das ist echt toll, mit den Kapazitäten.

Wenn man dann endlich mal an einen Punkt gelangt ist, an dem man sich eingestehen kann, das man Hilfe braucht, werden einem überall die Türen vorm Gesicht zugeschlagen.....hmpf.

Ich komme mit meinem neuen Therapeuten zwar noch nicht so wirklich klar, aber bevor ganz ohne durch mein Leben paddele, bleib' ich lieber bei ihm!

Re: Gedanken

Verfasst: Mi Dez 08, 2010 15:24
von fairygirl
Hallo BlackandWhite,

ich wollte dir ein "Willkommen" da lassen und dir sagen, dass ich mich in alles was du geschrieben hast
sehr gut hineinversetzten kann.

Ich freue mich mehr von dir zu lesen!
LG Fairygirl