Hey Blaue Blume,
danke für Deine Nachricht!
Schön, dass Du eine Anlaufstelle in einem Zentrum gefunden hast, viel Erfolg damit!
Deine Frage:
Ich habe ein Jahr nach dem Auftreten der B*, in 1985, den ersten Klinikaufenthalt gehabt. Für 4 1/2 Monate auf einer offenen Station für Depressionen, Ängste und Ess-Störungen im Universitäts-Klinikum Berlin Charlottenburg. Damals gab es noch so lange Klinik-Aufenthalte, heute gibt es höchstens acht Wochen. Ich war tierisch dankbar dafür, diese Zeit hat mein Leben grundlegend verändert. Ich habe danach mein Leben wirklich in die Hand genommen, habe gearbeitet und studiert und mich weiterentwickelt. Obwohl meine Eltern mich nicht unterstützt haben. Direkt nach der Klinik habe ich eine ambulante Gruppentherapie gemacht für 1 1/2 Jahre. Anschließend eine Psychoanalyse für drei Jahre und sieben Jahre stützende Gespräche bei dem Analytiker, 1-2 mal im Monat. Später noch diverse Kurzzeittherapien und einige Klinikaufenthalte. Ich war nicht bescheiden, habe um Hilfe gebetet noch und nöcher, und habe auch viel bekommen. Wenn mir erst mal "der Kittel brennt" muss ich laufen und mir Hilfe holen. Ich habe nichts davon je bereut, mit jedem Mal bin ich ein Stück gewachsen. Ansonsten wäre ich wohl schon nicht mehr am Leben.
Es war ein auf und ab über Jahre, drei oder vier Jahre clean und dann wieder Rückfälle, die immer heftiger ausfielen. In 1998 habe ich noch mal kapituliert und bin in eine sehr gute Klinik in Bad Zwesten, Hardwaldklinik II, gegangen. Da habe auch ich den Entschluss getroffen, so zu leben, dass ich dauerhaft clean bleibe. Es hat dann noch mal zwei Jahre gedauert mit hin und her, dann kam ich zu OA, bekam den Essplan. Das war im Januar 2000. Bis heute ist es gut gelaufen, keine richtigen Rückfälle mehr. Höchstens noch unwohlsein mit dem Essen, zu wenig, zu viel oder das Falsche gegessen. Und dann: das Aushalten. Das ist für mich auch heute noch schwer, auszuhalten, wenn ich chaotisch gegessen habe und mich körperlich "vollgestopft" oder "ausgehungert" fühle. Dabei ist es durchaus möglich dies "clean" zu überstehen, dann heißt es für mich wirklich "cool bleiben". Darauf vertrauen, dass ich es von selbst wieder in die Reihe bekomme. Das muss ich üben, mit jedem Mal, wo ich es schaffe wächst meine innere Stärke.
Ich bin sehr dankbar, für alles was ich bekommen habe in meinem Leben, das Gute und auch das Schlimme. Es hat mir letztlich viel Nutzen gebracht. Ich lebe mit meinem Freund in einem Miethaus für alte Menschen und Behinderte mit 36 Wohnungen, die Leute dort sind alle sehr nett. Wir haben aber beide getrennte, eigene Wohnungen, das war lange Zeit schon unser Wunschtraum. Ich bin seit 2000 gehbehindert, mit Rollator. Zufall oder nicht? Ich weiß es nicht. Wie auch immer, ich bin seitdem in Rente und wirklich glücklich mit meinem Leben. Mein Freund ist seit neun Jahren der Mann meiner Träume. Ich habe einen super Nebenjob von zu Hause aus, Auftragstexte schreiben im Internet. Ist nicht so gut bezahlt, macht mir aber echt Spaß. Wir sind beide Buddhisten und wir haben hier mit einigen anderen einen Buddhistischen Verein gegründet, wo wir uns treffen und zusammen buddhistische Sachen lernen. Ich habe meine OA Gruppe, ein weiterer Stützpfeiler in meinem Leben. Eine gute Internistin und ein guter Neurologe helfen mir auch seit neun Jahren. Ich werde dort regelmäßig untersucht, mindestens alle drei Monate. Auch auf Gewicht und Ernährung. Mit ihnen ich absolut aufrichtig, sie kennen meine Story von Anfang bis Ende.
Was ich damit sagen will: seitdem ich clean bin, läuft mein Leben rund. Es ist eine starke, positive Kraft die dann zum Tragen kommt, wenn ich mich von der Negativität und Destruktivität abwende. Wenn ich nach positiven Lösungen Ausschau halte, laufen sie mir auch über den Weg. Es gibt immer einen positiven Weg, wenn ich konsequent für mich selbst lebe. Ohne Egoismus, nur so dass ich immer für mich einstehe, egal was abläuft.
Der Spruch "Sei Dir selbst eine Insel" (Buddha Shakyamuni) trifft es, was ich meine.
Ich wünsche Dir weiter einen guten Weg. Vor allem, dass Du Deine Wünsche verwirklichen kannst, statt im Käfig der Selbst-Ablehnung gefangen zu bleiben. Sprich Dir immer Mut zu, denk immer an das, was Du wirklich möchtest, egal wie absonderlich es für andere aussieht. Ich glaube, wenn Du konsequent zu Dir selbst stehst und Dich so liebst wie Du bist, egal ob in guten oder in schlechten Zeiten, wird alles andere gelingen. So erlebe ich es jedenfalls bei mir.
Liebe Grüße,
Mary Mary