Alles ist so normal geworden, trotzdem muss ich was ändern.
Verfasst: Di Nov 17, 2009 16:23
von Senai
........................
Re: Alles ist so normal geworden, trotzdem muss ich was ändern.
Verfasst: Mi Nov 18, 2009 0:25
von maruja
hi senai.
Verrückt, oder?
nicht wirklich. deine geschichte liest sich wie der klassische werdegang einer person, die seit 12 jahren unter einer essstörung leidet. die fixiertheit auf die glücksformel "schlank=die welt ist in ordnung" bestimmt anscheinend noch immer extrem stark dein leben. es ist schlichtweg falsch, während "dünner" phasen zu glauben, die sucht sei überwunden. irgendwo in deinem bewusstsein lauert sie ja noch immer und schlägt wieder zu.
Hab mir selbst schon Pläne gemacht, die ich allerdings alle nicht einhalten konnte.
Aber was das Essen anbetrifft, weiß ich eigentlich alles und irgendwie setz ich´s halt nicht um.
Jeden Abend nehme ich mir immer vor, ab Morgen alles zu ändern.
Also mein Problem ist nicht, dass ich abnehmen will (will es einfach nur halten) und deshalb erbreche, sondern dieser Heißhunger, einfach ständig diese Lust auf Essen.
klingt alles nach gewaltigem druck, den du täglich und permanent auf dich selbst ausübst...
es ist ein grosser irrtum zu glauben, dass bulimie überwunden sei, wenn es einem/r gelingt, abzunehmen und das gewicht über einen gewissen zeitraum zu halten. vor allem nicht, wenn es derart krampfhafte weise geschient, wie du sie beschreibst.
"alles ist normal geworden, ..." der titel deines threads weist in gewisser weise auch darauf hin, dass du "dünn sein" mit "geheilt sein" verwechselst und - sorry - das problem nicht in seinem gesamten umfang erkennst - wie mir scheint.
der erste schritt, die sucht und gier nach nahrung zu überwinden besteht mmn im loslassen der konditionierung, mit dem "dünnsein" sei die welt in ordnung.
lg
maruja
Re: Alles ist so normal geworden, trotzdem muss ich was ändern.
Verfasst: Mi Nov 18, 2009 0:42
von Senai
Hallo maruja,
danke für deine ehrliche Antwort.
Stimmt, in gewisser Weise ist es so (wahrscheinlich unterbewusst): Solange ich einigermaßen schlank bin, ist es für mich ok und kann ich auch mit der Bulimie leben. Hab mich irgendwie so daran gewöhnt, halt immer alles zu essen, worauf ich Lust habe und mich nicht zusammen reißen zu müssen, weil´s halt diese Möglichkeit des Erbrechens gibt. Doch sobald ich dann mal ne Weile nicht erbreche und einige Kilos zunehme, kommt die Panik. Hab´s halt irgendwie geschafft, so damit umzugehen, dass ich gut damit leben kann - leider. Nur machmal habe ich Tage, wo´s so extrem ist, dass ich mich total geschwächt fühle oder so. In solchen Fällen will ich das dann auch echt nicht mehr.
Aber ich habe nicht gesagt, dass die Bulimie damit weg ist, dass ich schlank bin. Für mich wäre die Bulimie (bzw. die Essstörung) auch nicht weg, indem ich einfach aufhöre zu erbrechen, denn darin sehe ich nicht das Problem. Sondern die Bulimie wäre für mich dann weg, wenn ich esse, weil ich Hunger habe oder weil ich es genieße und nicht mehr aus einem innerlichen Zwang heraus. Dieses Gefühl :"Ich brauch das jetzt unbedingt, damit mir´s gut geht" muss weg sein - dann würde ich auch nicht mehr erbrechen müssen und dann wäre ich für mich geheilt. Tja, und so ist es halt nicht.
Liebe Grüße
Senai
Re: Alles ist so normal geworden, trotzdem muss ich was ändern.
Verfasst: Mi Nov 18, 2009 1:13
von maruja
hmmm...warum sagst du die therapien hätten dir überhaupt nicht geholfen? darf ich fragen, welche art von thera die waren?
du schreibst, alles hätte angefangen, als du 13 warst. 12 jahre, das ist eine verdammt lange zeit um sein verhältnis zum essen gehörig durcheinanderzubringen. nachvollziehbar, dass du verzweifelt nach normalität suchst, aber klar ausgedrückt, hast du eigentlich im erwachsenwerden/erwachsenenalter nie ein ausgeglichenes essverhalten erlebt oder erlernt...stimmt das? ich meine,
Hab mich irgendwie so daran gewöhnt, halt immer alles zu essen, worauf ich Lust habe und mich nicht zusammen reißen zu müssen
diese ernährungsweise kenne ich eigentlich nur von kindern. nach der pubertät stellt sich das bei den meisten menschen um, und irgendwann muss - glaube ich - jeder anfangen, sich für sich selbst damit auseinanderzusetzen. wieviel, was, wann, was tut mir gut, ist es zu viel/zu wenig, etc...scheinbar funktioniert das bei "gesunden" manschen automatisch, wobei ein klein wenig disziplin wohl bei jedem eine rolle spielt (im gesunden maße). der direkte weg in die ES erfolgt ja häufig in eben dieser "trnasit"phase. bin keine expertin, aber ES-lerinnen scheinen diesem schritt des "erwachsen werdens" udn des übernehmens der eigenen verantwortung über sich und über den eigenen körpe ausweichen zu wollen. es wird zur srategie, zur methode. worauf ich hinaus will ist, dass du möglicherweise einiges am rad zurückdrehen solltest (idealerweise in therapeutischer begleitung), um langam die ersten schritte in die richtige richtung zu tun. scheint, als hättest du eine stufe übersprungen - verstehst du, was ich meine? vielleicht liege ich falsch, sind aber so meine gedanken zu dem, was du hier schilderst.
alles liebe!
maruje
Re: Alles ist so normal geworden, trotzdem muss ich was ändern.
Verfasst: Mi Nov 18, 2009 22:24
von Senai
Bei mir ist es so, dass ich ja immer geregelt esse. Mag dieses Hungergefühl nicht und weiß, dass das ja auch viel besser ist.
Nur wenn ich z.B. nach der Arbeit nach Hause komme, brauch ich erstmal ganz viel. Wahrscheinlich ist das dann schon Stressabbau, denn ich arbeite als Grundschullehrerin und das ist manchmal ganz schön anstrengend. In letzter Zeit hab ich mir dann immer nachmittags oder noch spät abends Süßigkeiten eingekauft. Es ist halt so, dass ich das z.B. nicht aufheben kann, ich muss es jeden Tag neu kaufen. Na ja, egal. Das ist ein Grund.
Manchmal fühle ich mich auch extrem einsam, weil ich keinen Freund habe. Ich muss auch immer das Gefühl haben, dass einer für mich da ist. So telefoniere ich z.B. jeden Tag mit meinem Ex-Freund (mit dem ich schon seit 1 Jahr getrennt bin), wir sind Freunde und ich denke immer, ich brauche diese Gespräche. Dann fühle ich mich nicht so alleine. Ich wohne halt auch alleine. Wenn ein Wochenende auf mich zukommt, an dem ich wirklich allein bei mir daheim sein muss, weil ich z.B. nicht nach Hause fahren kann, bekomme ich voll die Panik. Das war z.B. vor zwei/drei Wochen so. Das hat sich dann auch extrem aufs Essen ausgewirkt. Ich überleg dann auch echt, wo ich hinfahren kann oder wen ich einladen kann. Meistens gelingt es mir, dass ich dann doch nicht alleine bin. Und schwubsdiwups bin ich wieder glücklich und habe auch nicht mehr so nen Heißhunger.
Diese Woche weiß ich z.B., dass ein Freund zu Besuch kommt und ich bin total ausgeglichen. Ich weiß, dass das ein großes Problem bei mir ist. Und das ist auch das Einzige, was mir einfällt, ehrlich gesagt. Ich konnte schon als Kind nicht alleine sein, hab auch Geschwister und wollte immer unter den anderen sein.
Jetzt bin ich ja unter der Woche immer alleine, aber da ich morgens mit so vielen Menschen zu tun habe, bin ich dann auch froh, wenn ich mich entspannen kann und hier meine Dinge in Ruhe vorbereiten kann.
Doch allerdings hatte ich auch zwei Jahre diesen festen Freund und damals war es so, dass die ES sogar viiieel schlimmer wurde. Der HH wurde noch schlimmer. Er wollte mir halt auch immer helfen, hat mich dann immer stark kontrolliert (wir hatten nur eine Fernbeziehung).
Früher hatte ich dann auch immer extrem Angst, ich könnte meine Ausbildung nicht schaffen. Aber jetzt bin ich ja fertig und die Arbeit läuft auch gut. Also ist das auch kein Grund mehr.
Ich weiß schon, warum die ES bei mir überhaupt kam. In meiner Familie gab es große Probleme. Mein Vater war / ist Alkoholiker und vermittelte mir immer das Gefühl, dass ich störe, dass ich alles falsch mache, dass er mich nicht mag. Hab ja die ES schon seit ich 13 bin (also 12 Jahre, also Magersucht Pause Bulimie). Er wurde, wenn er getrunken hat auch agressiv und brüllte nur rum. Man hatte kaum ruhe. Es war schrecklich. Er war entweder manisch (überdreht) oder depressiv (und redete kaum was mit uns). Mir ist schon klar, dass ich mit dem Essen auch gedanklich in eine andere Welt gereist bin (Hauptthema war auf einmal das Essen und nicht mehr mein Vater, die Böse zu mir war auf einmal ich selbst). Aber 2003 sind wir ausgezogen und ich lebe seitdem in Ruhe, das ist herrlich. Das war echt das Beste, was mir je passiert ist. Und trotzdem hörte das mit dem Essen nicht auf. Meinem Vater habe ich schon längst verziehen. Ich weiß ja, dass er selbst psychisch krank ist, deshalb war er auch so und der Alkohol gab dann noch den Rest dazu. Ich habe auch ein gutes Verhältnis zu ihm. Wir sehen uns ab und zu mal. Ich weiß auch, dass es nicht an mir lag, dass er so war und dass er mich auch liebt.
Insofern ist dieses Thema für mich auch schon längst abgeschlossen und ich weiß nicht, was jetzt noch der Grund sein könnte, dass ich dieses Problem noch mit mir rumtrage.
Vielleicht habe ich das ja unterbewusst noch nicht verarbeitet.
Aber auch in der Therapie (Einzelgesprächstherapien, spezialisierte Psychologinnen für ES) konnten die mir nicht weiterhelfen. Es war halt so und fertig. Hatte früher schon immer viele Gespräche mit meiner Mutter, was mir sehr geholfen hat, diese ganze Situation (meinen Vater) zu verstehen und damit umzugehen.
Ach so, eine Therapiel kann ich momentan eh nicht machen, denn hier wo ich wohne, gibt es keine Psychologinnen, die Kassenpatienten nehmen. Auch eine SHG gibt es hier nicht. Und ein Klinikaufenthalt kommt auch nicht in Frage. So schlecht geht es mir ja nicht. Und außerdem will ich auch nicht meinen Beruf aufgeben und will nicht, dass das meine Freunde und Verwandte alle wissen.