Wer Gott kennt,...

#1
...weiß, dass er nie tiefer fallen kann, als in seine Hände.

Daran glaube ich, doch oft habe ich Angst, an meinen Aufgaben zu zerbrechen :cry: .

Ich bin schon ein paar Tage angemeldet. Heute möchte ich mich vorstellen - auch wenn es mir etwas davor graut.

Alles begann mit einem Gefühl der Leere, dass sich wie ein roter Faden durch mein ganzes Leben zieht. Meine Kindheit verbrachte ich damit, der Liebe meines Vaters hinterher zu rennen. Heute weiß ich, dass es diese Liebe gar nicht gibt und ich als Kind einfach nur daran glauben wollte. Ich fühlte mich Zeit meines Lebens ungewollt, ungeliebt und irgendwie falsch. Ich war nicht mein Bruder, der Papas Liebling und sein ganzer Stolz war.

Mit 15 lernte ich den miesesten Menschen kennen, den ich je kennengelernt habe. Ich war 3 Jahre mit diesem Mann zusammen, der behauptete, mich abgöttisch zu lieben und mich jeden Tag mehr erniedrigte und demütigte. Er hat alles in mir zerbrochen. Das Essen war das einzige, worauf ich noch Einfluss hatte. Ich hasste meinen Körper und lehnte ihn ab. Den Körper, mit dem mein Freund machte, was ihm gefiel und ihn benutzte wie sein Eigentum - wann und so oft er es wollte. Ich wollte meinen Körper nicht mehr, wollte ihn so unattraktiv und unweiblich machen, wie ich konnte. Ich verletzte mich selber und versuchte, den inneren Schmerz irgendwie zu ubertreffen. Aber es reichte nie aus. Gewalt, Alkohol, Manipulation,...

Mit 20 Jahren wollte ich endlich alles richtig machen und ein Leben nach den Normen führen, mit dem man ganz einfach glücklich werden musste! Ich heiratete einen Mann, der von meiner Familie akzeptiert wurde, der einen guten Job hatte, der gut aussah und den ich mochte. Wir heirateten, bekamen 2 Kinder, kauften ein Haus und ein großes Auto. Mein Vater beachtete mich nach jahren wieder. Und doch brodelte es immer in mir. Während meinen Schwangerschaften hatte ich mich immer im Griff. Umso größer waren dann aber die Löcher, in denen ich nach den Entbindungen fiel. 1 Jahr nach der Geburt meines zweiten Sohnes kam ich nach der ambulanten Therapie in eine Klinik. Von dort aus reichte ich die Scheidung ein und brach damit mit meinem Vater erneut.

Ich lernte in der Klinik jemanden kennen, mit dem ich ein neues Leben beginnen wollte, weit weg von zuhause. Die Kinder wollte ich mitnehmen. Der Sorgerechtsprozess begann, die Scheidung lief. Unser Wunschkind war unterwegs und schon bald trennte sich mein Freund von mir, als ihm alles zu viel wurde.

Ich begann von vorne und zog wieder in meine Heimat. Seither versuche ich jeden Tag, den Kopf über Wasser zu halten. Nach außen hin sieht alles ganz gut aus. Ich habe mein Leben geregelt, bin meinen Kindern eine gute Mutter 8die großen sehe ich nur an den Wcochenenden), meistere mein Leben, gehe ab Oktober wieder arbeiten, habe einen liebevollen Partner und bin immer fröhlich. Ich habe nach außen alles im griff, bin ausgeglichen, immer für andere da und gesund und stark. Aber in mir sieht es ganz anders aus. Ich stehe immer unter Strom, ich zweifle so sehr an mir, meinem Handeln und zerbreche an den Fehlern, die ich in meinem Leben gemacht habe. Ich habe Angst zu versagen und der Druck wird immer größer.

Mein geheimes zweites Leben gewinnt bald wieder die Überhand. Ich habe im Moment keinen Therapieplatz, habe wieder mit Fluoxetin begonnen und breche fast täglich, so wie ich mich wieder täglich wiege und ich damit heraumschlage, besser zu werden.

Das war es mal für den Anfang.

Eure
justme

#2
Oh je, einige Passagen erinnern mich total an mich...
Schon unhiemlich, wie als hättest Du die Gedanken aus meinem Kopf abgeschrieben.
Aber erst mal hallo! :-)
Wie schaut es mit Deiner Mutter aus? Ist sie Dir gegenüber auch so abweisend wie Dein Vater?
Ich kann gut verstehen, dass Du so dringend geliebt werden wolltest. Jeder Mensch braucht Liebe, sehnt sich danach. Einfach nur traurig, wenn Eltern es nicht schaffen, ihre Kinder zu lieben...
Aber deswegen gibt es ja zwei "Familien". Die, in die wir hineingeboren werden, und die, die wir uns aussuchen - unsere Freunde! Hast Du ein paar gute Freunde um Dich heruum, die Dich unterstützen? Ist sicher schwer, durch das Umziehen...
Wie geht es Deinen Kindern? Kriegen die mit, dass Dein Essverhalten gestört ist?
Schön, dass Du jetzt hier bist!
Alles Liebe,
Sol
Musik ist Freiheit

#3
Hallo Solstice,

wir scheinen eine Menge gemeinsam zu haben, ja! Das ist schön.

Mit meiner Mama verstehe ich mich sehr gut. Wir hatten immer und haben ein sehr enges Verhältnis. Nur steht sie eben immer zwischen mir und meinem Vater (und auch zwischen meinem Bruder, denn zu ihm habe ich keinen Kontakt mehr). Mein Vater ist indirekt das Familienoberhaupt, sein Wille ist das, was zählt, seine Meinung die wichtigste, nach der man sich richtet. Gefühle oder andere zählen nicht, Hauptsache nach außen hin sieht alles prima aus. Meine Mama tut mir leid. ich möchte nie ein leben oder eine Ehe führen, wie sie es tut. Krass, ich habe es nie erlebt, wie sich meine Eltern küssen oder umarmen.

Meinen Jungs geht es gut. Ich habe noch nie vor ihnen gebrochen (!!!) oder mich gewogen, und esse ganz bewusst mit ihnen. Themen wie Kalorien, dick oder dünn sein, Gewicht oder Diäten spielen bei uns keine Rolle. Und da ich normalgewichtig bin, sehen sie auch nichts. meine Jungs sind 6,5 und 3 Jahre alt.

Hast Du Kinder? Wie geht es Dir? Was für ein Verhältnis hast Du zu Deinem Vater?

LG

justme

#4
Hallo liebe Justme,
So was hasse ich - wenn es den Menschen nur darum geht, dass die Fassade gut aussieht und die Familie dadurch leidet!
Ich habe keine Kinder, ich studiere ja auch noch und naja... dazu braucht man ja auch erst mal einen Mann, den man sich als Vater vorstellen kann. Und ich und Kinder - naja... -.-
Ich habe zu meinen Eltern eigentlich ein gutes Verhältnis. Zum Glück. Wobei es diese Fassadeaufrechterhalterei auch gibt. Meine Eltern machen sich viel zu viele Gedanken darum, was andere denken, udn wie Virus hat sich das auf mich übertragen.
Ich finde es toll, dass Du es schaffst, vor Deinen Kindern normal zu essen! Das ist wirklich, wirklich bewundernswert!
Glg!
Sol
Musik ist Freiheit