Kennt das jemand und hat eine Idee?

#1
Hallo zusammen,

Sieht nach sehr viel aus, ich hab trotzdem versuch es auf das nötigste zu reduzieren und mir nicht nur die Seele vom Leib zu schreiben, sonder mein Problem und meine Fragen...
Ich hoffe dass mir hier jemand helfen kann, schon weil ich einfach nicht weiß, an wen ich mich sonst wenden soll und ich hier von vielem gelesen habe, das mich leider nur allzu bekannt vorkommt :(

Von Anfang an:
Ich bin 21, Student und leide an Bulimie, inzwischen seit einem guten Jahr, täglich. Angefangen hat das Ganze auf der anderen Seite der Welt, in Australien. Dort habe ich ein halbes Jahr Work & Travel gemacht (was mir auch viel Spaß gemacht hat, aber mich irgendwie auch an den Rande meiner Selbst gebracht. Sowieso, seit dem bin ich irgendwie ein anderen Mensch - für viele wohl nach außen hin reifer oder "taffer" was man mir so auch oft schon gesagt hat, das erhört aber den Erwartungsdruck nur noch mehr, den nach innen hin fühle ich mich kleiner denn je :/) Ich bin mit Sicherheit jemand der sensiblen Sorte, der mehr auf Musik, Freunde und Urteile anderer gibt als auf die Tatsache dass er den Längsten hat und deswegen und wegen der 1000 anderen Sachen an Ihm der Beste ist. Deswegen auch denke ich, ist mir das überhaupt passiert. Ich studiere jetzt seit ein paar Monaten Mechatronik und fühle mich dem Druck nicht gewachsen. Denke aber auch das es keine anderen Möglichkeit gibt, weil man außer in den Ingenieurswissenschaften und der BWL in dieser Welt ziemlich schnell ausgespuckt wird und ausgebeutet (zeigt ja auch die Geschichte). Gleichzeitig aber finde ich das Studium auch interessant, mach das also nicht NUR wegen meines Die-Welt-ist-böse-pesimismus.
Mit meinen Freunden habe ich immer weniger zu tun, weil ich einfach keine Lust mehr auf diesen Druck von diesen ständigen Vergleichswettbewerben habe. Ich habe sicher keine Machos als Freunde, eher die "Alternativen" und Intellektuellen und keiner von denen meint das böse, wahrscheinlich nicht einmal bewusst, aber trotzdem versuchen sin 99 % aller Menschen auf dieser Welt in Gruppen immer nur zu profilieren.

Ich finde eigentlich relativ schnell neue Freunde und bin insgesamt ein umgänglicher und offener Mensch, ertrage aber nicht das kleinste bisschen Kritik und messe mich indirekt an jedem Gegenüber :/ Das macht das Leben nicht gerade einfach und ist wohl einer meiner größten Fehler und Vorzüge zugleich :(

Mein Vater weiß von meinem Problem, meiner mum kann ich davon unmöglich erzählen, das würde sie fertig macht und ich will sie auch nicht mit meinen Problemen derart belasten, dafür macht sie viel zu viel für meine Familie (wenn auch nicht immer besonders sinnvolles, aber doch gut gemeint.) Von Therapie halte ich nicht all zu viel, damit habe ich etliche Erfahrungen in meiner Vergangenheit gemacht. Schließlich haben mich dabei doch immer in selbst mit Hilfe meiner Familie und Freunde rausgezogen. Ich bin jemand der zu Extremen neigt, wenn ich an etwas einen Reiz gefunden habe, perfektioniere ich das auch. Ich hab die Bitte gelesen, dass man nicht beschreiben soll, wie man sich zum Kotzen bringt und ich verstehe auch warum, nur so viel: Ich habe schon lange bessere Methoden gefunden als den Finger im Hals.
Da man(n) ja noch viel weniger so einen unnötigen und unsinnigen "Tick" zu haben hat, ist es für mich nicht ganz leicht mit irgendjemand aus meinem Freundeskreis darüber zu reden.

Die FAs überkommen mich meistens am Abend nach den Vorlesungen, wenn ich heim komme und nichts zu tun habe. Dabei spielt bei mir auch Alkohol eine Rolle, da bin ich seit meinem Australienaufenthalt auch ziemlich zügellos geworden. Ich habe oft den ganzen Tag nichts (oder fast nichts) gegessen und dann Abends mit Bier angefangen (es gibt für mich LEIDER kein schöneres Gefühl als ein kaltes Hefe auf nüchternen Magen und dann noch 2 oder 3 Bier hinterher). Gleichzeitig habe ich seit dem auch viel mehr potenziellen Erfolg bei Frauen um mich rum, ich bin abgemagert (ist schon wieder besser geworden) und ich merke einfach dass das bei vielen ankommt. Mir geht es dabei auch nur darum begehrt zu werden nicht begehrenswert zu sein - ich kann mich inzwischen selbst nicht mehr leiden. Wer könnte ich das auch, wenn mein einzige Lebenssinn darin besteht, den ganzen Tag bis Abends nichts zu essen und dann zu trinken, anschließend ein totalen Heißhunger zu bekommen und dann aufs Klo? :oops: :cry:




Ich möchte da raus, dringend. Ich weiß inzwischen schon gar nicht mehr WIE oft ich mir gesagt habe: Und das war das letzt man, du Idiot! Schluss, aus, vorbei. Ich habe mir Strichlisten gemacht und alles für die Katz :(:(

Ach ja. Den Alkoholiker versuche ich schon zu bekämpfen, dafür brauche ich aber irgendwas was mir meinen Lebenssinn ersetzt und das ist denke ich auch meine größte Frage an euch:
Hat jemand eine Idee oder Erfahrungen, Tipps oder irgendwas, wie ich das Ganze durchbrechen kann?? :( :?:

Ist es eine gute Idee (zusätzlich zu meinem eng gestrickten Studium) ein Hobby anzufangen oder wieder aufzunehmen (Sport, Musik, oder andere Vorschläge?!) ?
Hat da irgendjemand von euch schonmal sowas geholfen?
Wo sehr ihr das Problem, wo soll ich ansetzten?



Vielen Dank schon jetzt (:(:(:(:

Re: Kennt das jemand und hat eine Idee?

#2
Lieber MeisterLampe

erst mal willkommen im Forum!

Vieles von dem was du beschrieben hast kommt mir aus meiner eigenen Geschichte sehr bekannt vor.

Nach außen hin stark, während hinter der Fassade viel Angst und Unsicherheit stehen.

Du scheinst sehr überlegt zu sein zum Beispiel in deiner Berufsplanung. Kontrolle ist vielleicht ein Schlüsselthema in deinem Leben?
Angefangen hat das Ganze auf der anderen Seite der Welt, in Australien. Dort habe ich ein halbes Jahr Work & Travel gemacht (was mir auch viel Spaß gemacht hat, aber mich irgendwie auch an den Rande meiner Selbst gebracht.
Darf ich dich fragen wie das gemeint ist, dass es dich an den Rand deiner Selbst gebracht hat und inwiefern du dich damals verändert hast?
... aber trotzdem versuchen sin 99 % aller Menschen auf dieser Welt in Gruppen immer nur zu profilieren.
Bis zu einem gewissen Grad würde ich dieser Aussage durchaus zustimmen, aber vielleicht überschätzt du die Rolle der "Vergleichswettbewerbe" im Zusammenhang mit deinen Freunden auch deshalb weil du selbst dich jeweils sehr stark vergleichst?
Ich hab die Erfahrung gemacht, dass ich mit meinen wirklichen Freunden nicht konkurrieren muss, dass ich mich bei ihnen mit Stärken und Schwächen zeigen darf und so angenommen werde wie ich bin, was ein unheimlich gutes Gefühl ist.
... dafür brauche ich aber irgendwas was mir meinen Lebenssinn ersetzt ...
Die Sinnfrage ist vermutlich eine der schwierigsten Fragen überhaupt im Leben. :wink:
Siehst du einen Sinn in deinem Leben? Ein Ziel?
Das andere ist ein Lebensinhalt, etwas das die Zeit füllt. Da können Hobbies, Interessen, Freunde, Studium oder Beruf eine Rolle spielen, aber letztlich ist es auch wichtig mal mit sich allein sein zu können.

Darf ich dich noch fragen inwiefern deine Erfahrungen mit Therapie schlecht waren?
Aus meiner Sicht kann ich dir absolut dazu raten Hilfe zu suchen, sowohl professionelle, als auch privat. Es kann schon sehr helfen sich nicht mehr so allein zu fühlen....

Jedenfalls wünsch ich dir viel Austausch im Forum und alles Gute!

LG, flora

Re: Kennt das jemand und hat eine Idee?

#3
Willkommen im Forum, MeisterLampe :)

Hm, so wie Du das beschreibst, dürftest Du eine multiple Suchtproblematik haben: ES u. Alkohol?
Daß es Dir schlecht geht, kommt verständlich rüber und ich kann gut nachvollziehen, daß es hilfreich ist, sich hier im Forum ein wenig "von der Seele zu schreiben" *tröst*

ABER: Um die Ursachen für Deine Symptome, den Perfektionismus u. Leistungsdruck usw. zu finden, bedarf es professioneller Hilfe! Ja, man(n) macht auch negative Erfahrungen (hatte ich auch), dann halt den Therapeuten wechseln.
ICH habe nach einer langen Odysee einen TH gefunden, der für mich passt. Naja, manchmal hasse ich ihn, manchmal spüre ich, daß er mich "ein bisserl" weiterbringt. Aber ohne TH würde es mir noch viel schlechter gehen, denn ihm kann ich erzählen, was mich gerade beschäftig u. belastet und er hilft mir beim Reflektieren darüber (analytische Einzeltherapie).

Auch bei der Frage zum Lebenssinn kann Dir sicher am ehesten ein Therapeut weiterhelfen.

Mach bitte Therapie, denn in den meisten Fällen schafft man(n) es nicht alleine u. schlittert nur immer tiefer rein. Ist zumindest meine Erfahrung.
Alles Liebe, maxi
Vorstellung: Hi, ich bin maxi | Privat: Blog

Re: Kennt das jemand und hat eine Idee?

#4
Hallo flora, hallo maxi,

vielen Danke erst einmal für eure Antworten und Hilfsbereitschaft (:


flora, das was du geschrieben hast, bringt vieles auf einen Nenner. Nachdem ich deinen Beitrag gelesen habe, ist mir in den letzten Tage der Satz
Kontrolle ist vielleicht ein Schlüsselthema in deinem Leben?
irgendwie nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Nicht weil er mich vor völlig neue Tatsachen stellt, sonst eher weil du da ein ziemlich starkes Wort benutzt hast, dass den Nagel aber gleichzeitig auf den Kopf trifft.
Kontrolle ist mir wirklich wichtig oder vielmehr noch der Verlust von Kontrolle. Und die Angst davor die Kontrolle über meine Unantastbarkeit zu verlieren, das jemand ein Schlupfloch in der Mauer findet, die ich um mich selbst aufgebaut habe und mich mit all meinen Fehlern und von all meinen Seiten sieht, mein "normales" Ich, so wie ich eben bin und nicht nur so, wie ich von anderen will, dass sie mich sehen.
Weil ich glaube, dass ich so wie ich wirklich bin nicht gut genug bin.

Darf ich dich fragen wie das gemeint ist, dass es dich an den Rand deiner Selbst gebracht hat und inwiefern du dich damals verändert hast?
Insofern, dass ich gemerkt habe, oder vielmehr mit der knallharten Realität konfrontiert wurde, dass auch in meine Grenzen habe. Dass auch ich nicht, nachdem ich 7 Jahre leidenschaftlich Gitarre gespielt, mich am Schluss ziemlich in mein Abitur gekniet (dass ich trotz einer größeren chronischen und unschönen Krankheitsgeschichte mit vielen Fehlzeiten ganz gut gemeistert habe), meinem ehrenamtlichen Engagement in 2 Vereinen und meinem jahrelangen sportlichen Ehrgeiz und dem Ziel das best mögliche Englisch zu beherrsche es NIEMANDEN interessiert hat, da drüben auf der anderen Seite der Welt. Vor allem bei der Jobsuche (ich bin nebenbei auch begeisterter Hobbykoch und Bäcker und über die Jahre auch darin ziemlich gut geworden), habe ich trotzdem über meinen Lebenslauf lügen müssen, dass sich die Balken biegen um an etwas heran zu kommen, nur um dann zu merken, dass es tatsächlich etwas anderes ist, ob man zu Hause oder in einer professionellen Küche arbeitet und ich total überfordert war. Mir das einzugestehen, war und ist fast unmöglich und statt dessen habe ich das ganze verleumdet, mir selbst gegenüber und lieber meinen Job geschmissen, mir ein Auto gekauft, mitten in die Wüste gefahren und dort den nächsten Job in der Küche eines Minencamps anzufangen, wo die Bedingungen noch härter waren (längere Schichten, 47 ° C im Schatten, noch schneller Arbeiten). Dafür habe ich auch mehr verdient. Den Job musste ich auch wieder schmeißen, weil ich es einfach nicht gepackt habe. Ich war auch da schon als ich anfing ziemlich runtergehungert. Habe während dieser Zeit übrigens ziemlich eisern zugenommen, hatte damals noch keine Bulimie. Zugenommen, weil es für den Job nicht anders ging, schon der harten, schnellen und langen Arbeitsweise wegen.

Und selbe gilt für die Mädchen und Frauen im Hostel. Ich dachte, dass diese, wenn sie Work & Travel am anderen Ende der Welt machen, reifer und interessanter sind. Sind sie wohl auch, aber deswegen ist mir eben trotzdem nichts zugeflogen und ich hatte der Sprache wegen und dem komplett-auf-mich-alleine-gestellt-sein nur noch mehr Schwierigkeiten. Aber aufgeben und sich schwäche ist bei mir einfach nicht drin, davor schaufel ich mir lieber mein eigenes Grab. (Oder werde zum Bulemiker :( )

Genau daran möchte ich arbeiten, ich weiß aber nicht wie. Ich habe von dieser Fähigkeit zur Selbstliebe nicht allzuviel abbekommen um nicht zu sagen es nie wirklich gelernt. Ich lebe von Anerkennung, deswegen weiß ich auch nicht so richtig wie man das angeht. Ich komme mir vor als würde ich versuche die Farbe Grüne zu verstehen, obwohl ich Farbenblind bin.

Ich hab die Erfahrung gemacht, dass ich mit meinen wirklichen Freunden nicht konkurrieren muss, dass ich mich bei ihnen mit Stärken und Schwächen zeigen darf und so angenommen werde wie ich bin, was ein unheimlich gutes Gefühl ist.
Das Selbe glaube ich auch, und ich glaube mich wage zu erinnern, dass so etwas in meiner Vergangenheit einmal existiert haben muss. Freundschaft ohne Hintergedanken und Sorgen. Ohne Misstrauen. Und ich bin sogar überzeugt davon, dass das bei dem ein oder anderen völlig ungerechtfertigt ist.
Siehst du einen Sinn in deinem Leben? Ein Ziel?
Nein. Das kann ich frei heraus sagen und das macht mich fertig. Ich hatte vor langer Zeit mal einen mit meiner damaligen Freundin, aber ich glaube inzwischen, dass man nur geliebt werden kann und lieben kann, wenn man sich selbst liebt.... wo sich die Katze aber in den schwanz beißt :roll:

das geht jetzt an euch beide, maxi und flora
Darf ich dich noch fragen inwiefern deine Erfahrungen mit Therapie schlecht waren?
Auch bei der Frage zum Lebenssinn kann Dir sicher am ehesten ein Therapeut weiterhelfen.
Mach bitte Therapie, denn in den meisten Fällen schafft man(n) es nicht alleine u. schlittert nur immer tiefer rein. Ist zumindest meine Erfahrung.
Ich war schon in zwei verschiedenen Lebenssituationen in Therapie, was jeweils wahlweise dazu gefühlt hat, dass der Therapeut ein Idiot war und eine Strichliste abgearbeitet hat um mich schließlich an die Pharmaindustrie weiterzureichen, oder einen guten Therapeuten, einer davon sogar ein sehr guter, die mir allerdings beide nichts sagen konnten, was ich nicht schon selbst wusste.
Ich denke einfach, dass man sich am Schluss immer selber aus dem Sumpf ziehen muss.
Zudem finde ich es wirklich schwierig überhaupt an einen Therapeuten ran zu kommen. Man bekommt kaum einen Termin und wenn, dann mit einem halben Jahr Wartezeit.

Ich gebe zu es tut gut jemand zum reden zu haben und jemandem der einem zuhört. Jemand der möglichst objektiv ist und versucht einem den ein oder anderen Hinweis zu geben. Mir fällt das schon jetzt auf an euch 2 und noch anderen mit denen in geschrieben habe, vielen Danke auf jeden Fall dafür :) :) :)



Viele Grüße,
der Hase
cron