Bulimie ehemalige, aber nicht geheilt

#1
Hallo!

Nach einer schwierigen Kindheit in der Essen irgendwie immer Trost war hatte ich erst eine Phase in der ich sehr, sehr wenig gegessen habe und dann über zweieinhalb Jahre hinweg Bulimie. Essanfälle, teilweise mehrmals am Tag und danach zum Klo. Das Erbrechen habe ich irgendwann einfach nicht mehr gekonnt. Da hab ich echt Glück gehabt. Ich habe dann über ein halbes Jahr hinweg einfach mit den FA weitergemacht, nur eben ohne das Erbrechen. Mittlerweile bin ich seit ungefähr einem Jahr eigentlich so weit, dass ich nur noch sehr selten mal einen Fressanfall habe. Meistens, wenn ich sehr gestresst bin oder unglücklich. Mein eigentliches Problem wird meine Kindheit sein. Meine Eltern haben sich nur angeschrien. Wir haben nichts zusammen gemacht, nicht mal gegessen. Beim MIttagessen sassen mein Bruder und ich mit meiner Mutter in der Küche und mein Vater hat im Wohnzimmer gegessen. Meine Mutter hat ihn immer sehr schlecht gemacht, gesagt wir könnten und gar nicht vorstellen, "wozu der Alte fähig sei". Dennoch war mir mein Vater immer lieber als meine MUtter. Meine Mutter hatte regelmässig Anfälle in denen sie mich beleidigt und beschimpft hat. Bei uns war es auch sehr unordentlich, ich habe nie Freunde einladen wollen und hatte deswegen auch nicht viele.
Seit 2008 wohne ich nicht mehr zuhause und mein Leben wurde Stück für Stück normal. Ich habe Freunde, ich gelte als selbstbewusst. Aber alles ist noch nicht heil. Ich kann mich nicht überwinden meinen Geburtstag zu feiern. Meine Mutter hatte vor meinem 13. Geburtstag gesagt "Zu deinem Geburtstag brauchst du keinen einladen, da würde sowieso niemand kommen." Auch konnte ich mich noch nie auf einen Mann einlassen. Jedesmal wenn jemand Interesse gezeigt hat, hatte ich Angst es wär nicht Ernst gemeint. Ich bin mit 24 noch Jungfrau.
Ich wünschte ich hätte eine Familie die mir halt gibt, wie so viele sie haben. Ich kann meiner Mutter nicht vergeben, aber den Kontakt abbrechen kann ich auch nicht. Sie ist krank und wird immer kränker. Ich habe irgendwie Mitleid mit ihr. Depressiv ist sie wohl schon immer gewesen, jetzt wurds mal diagnostiziert. Dazu Lungenerkrankung, Herzinfarkt, etc.
Ich fahre zweimal im Jahr für 4-5 Tage nach Hause.
Von meinen Problemen weiß nur eine Freundin grob, dass ich kein gutes Verhältnis zu meinen Eltern habe, sonst nichts.

Re: Bulimie ehemalige, aber nicht geheilt

#2
Hallo Coleoptera,

es tut mir immer wieder leid, wenn ich lese oder höre wie Mütter ihren Kindern die Liebe entziehen, die sie eigentlich brauchen, um gesund groß zu werden.
So wie ich es lese, bist du bis zu dem Punkt, an dem du jetzt bist, ganz allein geklettert? Das ist eine wahnsinns Leistung, ehrlich! Auch mit Therapie ist das schwer, aber allein den Weg zu gehen ist noch mal eine ganz andere Geschichte.
Ich glaube, so ganz "weg" ist die Essstörung sowieso nie. Ich selbst bin auch symptomfrei seit bald schon zwei Jahren. Aber hin und wieder schleicht die Essstörung doch um mich herum und ich falle mal mehr mal weniger tief in alte Muster zurück. Meine Therapeutin hat gemeint, dass mir das immer wieder passieren kann. Immerhin war es ja mal eine "gute" Lösung für unsere Psyche, es hat zumindest funktioniert. Und mir gibt es ehrlich gesagt manchmal auch Sicherheit, wenn ich in der Realität am Schweben bin. Vielleicht kennst du das auch. Aus Frust oder Stress etwas zu viel zu essen, ich glaube, da sind wir ESler nicht die einzigen. So wie ich das von meinen Freunden kenne, passiert das auch ansonsten gesunden Menschen. Vielleicht schaffst du es ja aber auch tatsächlich irgendwann mal ein anderes Ventil zu finden. Sport, Kunst, Tiere oder sogar Kontakt mit anderen.

Ist es dir persönlich sehr wichtig Geburtstag zu feiern? In meiner Familie feiert niemand Geburtstag, außer die kleinen Kiddies. Es ist nicht wichtig, aber nicht, weil wir den anderen nicht wertschätzen (einen Anruf und eine Kleinigkeit gibt´s immer), sondern weil wir es einfach nicht möchten. Ich finde daran nichts Schlimmes. Es ist kein MUSS seinen Geburtstag zu feiern, auch wenn es vielleicht von der Norm abweicht. Ich habe letztes Jahr zum ersten Mal seit fünf Jahren meinen Geburtstag gefeiert auf Drängen meiner Freunde. Herrjee, das war mir unangenehm! Ich hasse es im Mittelpunkt zu stehen, Geschenke sind mir unangenehm. Ist vielleicht auch nicht "normal", aber was ist das schon? Ich möchte es nicht, also lass ichs. Oder gehts dir um die Bestätigung? Da du ja auch bei einer Beziehung Angst hast, dass es nicht ernst gemeint sein könnte, hast du dann Angst, dass dich niemand mag, sich also die Aussage deiner Mutter bestätigt?
Das mit den Männern... Dass du so denkst, kann ich gut verstehen. Ist ja auch kein Wunder, wenn die Mutter einem vermittelt man sei sowieso nichts wert für andere und dann auch noch behauptet dein Vater wäre ein A*, obwohl du ihn ganz anders wahrnimmst. Das würd mich auch verwirren! Woran genau spürst du denn, dass jemand Interesse hat? Hast du schon einmal gewagt es zuzulassen ohne die Zukunft gleich in allen Versionen durchzuplanen? Ich kann dich verstehen, ich hab das Problem dauernd, nicht nur in Beziehungen. Ich glaube, sämtliche Nettigkeiten sind nur Höflichkeit und hinter der Fassade mag mich eigentlich niemand, ich geh jedem auf den Keks und alle sind froh, wenn ich wieder weg bin. Tatsächlich habe ich einen Freund, den ich nun seit vier einhalb Jahren an meiner Seite habe. Es ist also möglich seinen gedanklichen Begleiter etwas beiseite zu schieben und nein, es war nicht einfach. Zudem habe ich durch schlechte Vorerfahrungen mit körperlicher Nähe und allem Drum und Dran große Schwierigkeiten gehabt. Zunächst einmal bleibt dir ja nichts anderes übrig als das zu glauben was dein Gegenüber dir mitteilt. Das heißt nicht, dass du naiv durch die Welt spazieren solltest, aber dir ein wenig Offenheit antrainieren kannst. Du kannst nicht in die Köpfe der anderen sehen und es steht auch niemandem zu (zum Glück ;-) ) Wie wäre es, wenn du dich auf eine Freundschaft einlässt, wenn ein Mann Interesse zeigt? Hat er tatsächlich so viel Interesse, dann wird er die Freundschaft gern in Kauf nehmen, um dich besser kennenzulernen. Im Übrigen finde ich es nicht schlimm, wenn man offen zugibt etwas mehr Zeit zu brauchen. So bist du. Und nur wer DICH auch haben will, der hält die Zeit der Freundschaft ohne Probleme durch. Du kannst dann ohne Gefahr kennenlernen und ganz wichtig: langsam Vertrauen aufbauen.
Mach dir außerdem bloß keinen Stress mit deinem Alter und deinen Erfahrungen. Das ist wirklich nicht wichtig. Man hört es immer wieder, aber im Endeffekt ändert es ja nichts. Du bist genauso ein wertvoller Mensch wie mit dieser einen mikrigen Erfahrung. ;-)

Noch was zu deiner Mutter. Auch wenn sie selbst krank ist, ist das keine Rechtfertigung dafür, so mit dir umzugehen. Da sie deine Mutter ist, kann ich verstehen, dass du den Kontakt halten möchtest. Wie viel Engagement zeigt sie denn in der Beziehung den Kontakt zu dir zu halten?

Viele liebe Grüße!
Juliana

Re: Bulimie ehemalige, aber nicht geheilt

#3
Hallo Juliana,
danke für deine Antwort!
Juliana hat geschrieben: So wie ich es lese, bist du bis zu dem Punkt, an dem du jetzt bist, ganz allein geklettert? Das ist eine wahnsinns Leistung, ehrlich! Auch mit Therapie ist das schwer, aber allein den Weg zu gehen ist noch mal eine ganz andere Geschichte.
Ja, ich hab das ohne Therapie geschafft. Ich hatte mich mal hier beim Psychologischen Dienst der Uni gemeldet, aber da war ein halbes Jahr Wartezeit für Essstörungen. Wäre eine Gruppentherapie gewesen. Ich bin froh, dass es auch ohne geklappt hat, da war wohl viel Glück dabei.

Juliana hat geschrieben: Ist es dir persönlich sehr wichtig Geburtstag zu feiern? (...) Oder gehts dir um die Bestätigung? Da du ja auch bei einer Beziehung Angst hast, dass es nicht ernst gemeint sein könnte, hast du dann Angst, dass dich niemand mag, sich also die Aussage deiner Mutter bestätigt?
Mir ist es nicht wichtig, nein. Aber es fällt auf. Ich finde immer Ausflüchte, warum ich nicht feiern muss. Ich denke ich habe unterschwellig tatsächlich Angst.
Juliana hat geschrieben:Woran genau spürst du denn, dass jemand Interesse hat? Hast du schon einmal gewagt es zuzulassen ohne die Zukunft gleich in allen Versionen durchzuplanen?


Ganz ehrlich, ich spüre es nur wenn jemand mit nem Holzhammer kommt. Und obwohl ich mir da eigentlich sicher sein könnte, bin ich es nicht. In letzter Zeit war da jemand, den ich über Freunden kannte, der mir angetrunken irgendwann erzählte er würde mich so gerne haben und würde so gerne was mit mir machen. Oder ein Freund meines Mitbewohners, der mich über den ganzen Winter gefragt hat, ob ich mit ihm Essen gehen will, ob wir zusammen Kochen wollen, Film gucken. Ich habe immer verneint. Jetzt hat er vor letzte Woche sich noch einmal gemeldet und gefragt, ob ich nicht doch mal mit ihm ausgehen will. Ich habe gesagt ich melde mich,wenn mein Praktikum vorbei ist. Das wäre nächste Woche. Mal sehen.
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