Hallöle

#1
Hey!
Ich habe mich hier gerade angemeldet, weil ich vor ca. 10 min erfahren habe, dass meine kleine Schwester bulimikrank ist oder sich auf dem Weg dorthin befindet. Als sie mir davon erzählte, dachte ich erst, sie würde mich veräppeln (was sie sonst auch gerne tut, auch wenn es um die seriösesten Themen geht.) Aber als sie mir ihr Herz ausgeschüttet hatte war klar, dass sie mir die Wahrheit erzählte.
Ich war geschockt, aber wollte nicht anfangen vor ihr zu heulen, denn nach meiner unglaublich schlechten Reaktion zu Beginn unseres Gesprächs ("Du verarscht mich doch!") wollte ich mir nicht noch einen Faux-pas leisten. Stattdessen hörte ich ihr einfach zu und versuchte, nicht zu weinen und auch nicht so auszusehen, als würde ich gleich damit anfangen. Ich hatte nichts bemerkt, obwohl sie schon seit mehreren Monaten übergibt, weil sie denkt, sie wäre zu dick. Sie meint, es habe damit angefangen, dass sie sich absichtlich übergeben hatte, weil sie dachte, Schweinefleisch gegessen zu haben (meine Mutter ist christlich, mein Vater ist jüdisch, wir müssen uns nicht an die Speisegesetze halten, damit gehen meine Eltern locker um, aber meine Schwester zieht das zumindest im Bezug aufs Schweinefleisch durch). Sie meint, dann habe sie bemerkt, dass das ein effektiverer und schnellerer Weg zum Abnehmen sei als Sport oder irgendwelche Diäten und das fortgeführt. Inzwischen tut sie es "wie in Trance", wie sie meint. Ich habe ihr hundertmal gesagt wie wunderhübsch sie ist (und nichts als die Wahrheit von mir gegeben), aber ich weiß, dass die Sache damit nicht gegessen sein wird. Hinter Bulimi steckt ja oft noch mehr, habe ich gelesen, oder? Nun weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Wie kann ich meiner Schwester am besten helfen? Soll ich ihr Bücher über Bulimi kaufen, soll ich sie dazu ermutigen eine Therapie anzufangen, soll ich ihr einen Spiegel auf dem nur "You look Beautiful" draufsteht schenken? Soll ich viel Zeit mit ihr verbringen? Soll ich ihr raten, dass sie es meinen Eltern sagen soll? Das Problem ist, das wir eine Erziehungsstelle sind: Wir nehmen Kinder aus Familien auf, die in ihren eigenen Familien aus den unterschiedlichsten Gründen nicht bleiben können. Wir haben schon ein Pflegekind, mit dem meine Schwester massivst Probleme hatte (und teilweise immernoch hat) und morgen wird ein zweites kommen. Von dem sie meint, dass sie es nicht in unserer Familie haben will (was sie vorher nicht gesagt hat, vllt um unsere begeisterten Pädagogen und Weltverbesserungseltern zufriedenzustellen). So ein Pflegekind mischt die gesamte Familienstruktur durch und sorgt gerade in der Anfagszeit für enormen Stress. Das tut meiner Schwester, wenn sie es schon selbst sagt, garantiert nicht gut. Soll ich doch mit meinen Eltern reden, um sie davon abzubringen? aber eigentlich wäre es ja Verrat von mir, denn ich musste schwören, niemandem von ihrem Problem zu erzählen, selbst meinem Freund nicht.
An alle die sich bis hier mein Gejammere durchgelesen haben: Danke! Ich kann mit niemandem den ich kenne über meine Schwester reden und es wäre toll, wenn ihr mir vllt auf meine Fragen antworten könntet. Gerade wenn ihr das Ganze selbst durchgemacht habt und wisst, was man auf gar keinem Fall von seinem Gegenüber hören will und was euch geholfen hat.
Liebe Grüße ;)
Zuletzt geändert von lila27 am Mi Jul 18, 2012 16:48, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Neu&zu fertig um irgendein kreativeres Thema zu erstelle

#2
hallo lila27, willkommen im forum!
es ist wahnsinnig schwer, angehöriger eines suchtkranken menschen zu sein. und besonders schlimm wird es, wenn man für diese person ein großes maß an verantwortung empfindet, wie für ein kind oder wie bei dir für eine kleine schwester oder einen kleinen bruder. ich kann mir vorstellen, wie schlimm es für dich gewesen sein muss, das zu erfahren. aber ich finde es super von deiner schwester, dass sie sich dir anvertraut hat. viele machen das nicht! ich habe seit 5 jahren bulimie und bei mir weiß es niemand.

die frage ist jetzt - wie kannst du ihr helfen? grundsätzlich muss ich sagen: nur wenig. du kannst sie zwar unterstützen, aber du kannst nicht für sie handeln und nicht für sie gegen die krankheit kämpfen. dir bücher zu kaufen, um das ganze besser zu verstehen, halte ich für eine sehr gute idee. danach kennst du dich mit der krankheit aus und kannst dich etwas besser in sie hineinversetzen. ich bin mir nicht sicher, ob für sie solche bücher eine so gute idee wären. wie alt ist sie eigentlich? jugendbücher zu dem thema hatten leider auf mich eher einen zum abnehmen anspornenden effekt - ich bin durch ein buch über einen essgestörten teenager, das als abschreckung gemeint war, sogar erst auf das erbrechen von mahlzeiten gekommen :( und bei büchern für erwachsene kommt es darauf an, wie alt und wie reif sie ist.

was ihre probleme mit ihrem körper angeht... ich kann mich sehr gut in sie hineinversetzen. sie wird dir nicht glauben, dass sie hübsch und schlank ist. sie wird sich denken, dass du das nur sagst, weil du ihre große schwester bist und sie nicht verletzen willst (bzw. jetzt auch nicht willst, dass sie einfach mit dem erbrechen aufhört). das selbstbewusstsein muss von innen kommen... einer essgestörten person kann man noch so oft sagen, wie gut sie aussieht, so wie sie ist - sie muss es selbst erkennen, sonst bringt es nichts.

die gründe, wieso sie in die essstörung gerutscht ist, sind bestimmt vielfältig. in den meisten fällen steckt wirklich mehr dahinter, wie eine schlimme kindheit, die pubertät, eine schlechte erfahrung, zu viel druck... bei ihr würde ich spontan sagen, dass sie sich zurückgesetzt fühlt neben dem pflegekind, das sie nicht mag. sie denkt vielleicht unterbewusst (oder auch bewusst), dass sie mehr aufmerksamkeit und liebe bekäme, wenn sie dünner wäre. dagegen würde definitiv helfen, mehr zeit mit ihr zu verbringen - aber das sollten dann auch deine eltern mitmachen - erzählen solltest du es ihnen jedoch auf keinen fall, damit würdest du ihr vertrauen m*ssb**ch*. sieh das nur als letzte möglichkeit, ansonsten gib ihr die chance, es selbst zu tun. und glaubst du, es gäbe eine möglichkeit, dass sie und ihr pflegegeschwister sich irgendwie annähern können?

eine therapie zu machen, wäre für sie auf jeden fall sehr sinnvoll, keine frage. ich weiß jedoch nicht, inwieweit sie selbst bereit dazu ist, sich helfen zu lassen... und wenn sie nicht will, wenn sie weiter abnehmen will, dann wird es so nicht funktionieren. das ist das kernproblem an der ganzen sache. ab einem gewissen punkt muss man natürlich helfen - zum beispiel wenn sie schon enorme folgeschäden hat. aber ohne ihre mithilfe und ihren willen ist eine therapie zum scheitern verurteilt. wie alt ist sie denn eigentlich?

ein kleiner tipp, mach doch am besten einen thread im angehörigen-forum auf. dort haben auch schon viele andere angehörige (freunde, freundinnen, eltern, geschwister) um rat gebeten. oder, wenn du willst, verschiebe ich diesen thread unter einer passenden überschrift dorthin.