Ich habe mich hier gerade angemeldet, weil ich vor ca. 10 min erfahren habe, dass meine kleine Schwester bulimikrank ist oder sich auf dem Weg dorthin befindet. Als sie mir davon erzählte, dachte ich erst, sie würde mich veräppeln (was sie sonst auch gerne tut, auch wenn es um die seriösesten Themen geht.) Aber als sie mir ihr Herz ausgeschüttet hatte war klar, dass sie mir die Wahrheit erzählte.
Ich war geschockt, aber wollte nicht anfangen vor ihr zu heulen, denn nach meiner unglaublich schlechten Reaktion zu Beginn unseres Gesprächs ("Du verarscht mich doch!") wollte ich mir nicht noch einen Faux-pas leisten. Stattdessen hörte ich ihr einfach zu und versuchte, nicht zu weinen und auch nicht so auszusehen, als würde ich gleich damit anfangen. Ich hatte nichts bemerkt, obwohl sie schon seit mehreren Monaten übergibt, weil sie denkt, sie wäre zu dick. Sie meint, es habe damit angefangen, dass sie sich absichtlich übergeben hatte, weil sie dachte, Schweinefleisch gegessen zu haben (meine Mutter ist christlich, mein Vater ist jüdisch, wir müssen uns nicht an die Speisegesetze halten, damit gehen meine Eltern locker um, aber meine Schwester zieht das zumindest im Bezug aufs Schweinefleisch durch). Sie meint, dann habe sie bemerkt, dass das ein effektiverer und schnellerer Weg zum Abnehmen sei als Sport oder irgendwelche Diäten und das fortgeführt. Inzwischen tut sie es "wie in Trance", wie sie meint. Ich habe ihr hundertmal gesagt wie wunderhübsch sie ist (und nichts als die Wahrheit von mir gegeben), aber ich weiß, dass die Sache damit nicht gegessen sein wird. Hinter Bulimi steckt ja oft noch mehr, habe ich gelesen, oder? Nun weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Wie kann ich meiner Schwester am besten helfen? Soll ich ihr Bücher über Bulimi kaufen, soll ich sie dazu ermutigen eine Therapie anzufangen, soll ich ihr einen Spiegel auf dem nur "You look Beautiful" draufsteht schenken? Soll ich viel Zeit mit ihr verbringen? Soll ich ihr raten, dass sie es meinen Eltern sagen soll? Das Problem ist, das wir eine Erziehungsstelle sind: Wir nehmen Kinder aus Familien auf, die in ihren eigenen Familien aus den unterschiedlichsten Gründen nicht bleiben können. Wir haben schon ein Pflegekind, mit dem meine Schwester massivst Probleme hatte (und teilweise immernoch hat) und morgen wird ein zweites kommen. Von dem sie meint, dass sie es nicht in unserer Familie haben will (was sie vorher nicht gesagt hat, vllt um unsere begeisterten Pädagogen und Weltverbesserungseltern zufriedenzustellen). So ein Pflegekind mischt die gesamte Familienstruktur durch und sorgt gerade in der Anfagszeit für enormen Stress. Das tut meiner Schwester, wenn sie es schon selbst sagt, garantiert nicht gut. Soll ich doch mit meinen Eltern reden, um sie davon abzubringen? aber eigentlich wäre es ja Verrat von mir, denn ich musste schwören, niemandem von ihrem Problem zu erzählen, selbst meinem Freund nicht.
An alle die sich bis hier mein Gejammere durchgelesen haben: Danke! Ich kann mit niemandem den ich kenne über meine Schwester reden und es wäre toll, wenn ihr mir vllt auf meine Fragen antworten könntet. Gerade wenn ihr das Ganze selbst durchgemacht habt und wisst, was man auf gar keinem Fall von seinem Gegenüber hören will und was euch geholfen hat.
Liebe Grüße
