ich bin hier weil ich hilfe brauche

#1
Hallo an alle!
Ich habe mich nun auch endlich hier angemeldet nachdem ich schon länger mitlese. Ich weiß einfach nicht mehr weiter und bin total am verzweifeln.
Ich bin 27 Jahre alt und habe seit ca. 17 Jahren eine ES, vor 7 Jahren hat es dann mit MS und Bulimie angefangen. In den letzten 1 1/2 Jahren war ich 3mal in Kliniken, aber mir ging es danach nicht wirklich besser. Das einzige was sich geändert hat ist dass mein Gewicht mittlerweile im Normalbereich ist, aber das ist schon das erste Problem mit dem ich gar nicht klar komme. Es macht mich total fertig im letzten Jahr zugenommen zu haben ohne dass sich an meinem katastrophalen Essverhalten irgendwas geändert hat. Ich habe das letzte Jahr auch Doxepin nehmen müssen und ich habe gelesen das man davon stark zunehmen kann. Hab das Doxepin jetzt abgesetzt und ein anderes Anti-Depressiva bekommen, seitdem nehme ich nicht mehr zu.
Mein Leben ist momentan eine einzige Katastrophe. Ich musste mein Referendariat abbrechen und bin jetzt seit 2 JAhren arbeitslos bzw. krank geschrieben. Seit einem 3/4 Jahr wohne ich in einer betreuten WG, aber das hilft mir auch nicht wirklich. Fühle mich von meiner Betreuerin nicht wirklich verstanden. Sie erzählt mir immer, dass ich 5 mal am Tag essen muss dann hab ich auch keine EA. Als wenn das so einfach wäre. Ich habe auch Angst raus zu gehen, fühle mich immer von anderen Leuten beobachtet, wenn sich 2 unterhalten und lachen, dann denke ich sie lachen über mich usw. Und meine Betreuerin sagt zu mir nur, ich soll mich nicht so wichtig nehmen, die Welt dreht sich nicht nur um mich. Ich will schon gar nicht mehr mit ihr reden weil ich das Gefühl hab sie nimmt mich nicht ernst und denkt ich soll mich nicht so anstellen. Aber es geht nicht so einfach wie sie sich das vorstellt.
Ich schaffe es einfach nicht mir zu erlauben zu essen und bei jedem Bissen habe ich Angst zuzunehmen. Und dann habe ich wieder die Momente in denen ich das Essen so brauche um die ganzen Gedanken in meinem Kopf zu verdrängen oder um mir selber zu schaden und mich zu bestrafen dafür dass ich nix im Leben geregelt bekomme und dann esse ich so viel bis nix mehr geht und muss anschließend alles wieder loswerden. Ich weiß wie sehr ich mir durch die Bulimie schade, aber ich habe so oft das Gefühl ich verdiene es gar nicht anders. Ich habe nicht das Recht dazu dass es mir gut geht.
Durch die Bulimie habe ich alles verloren was mir was bedeutet hat, ich hab mega viele Schulden, keine Freunde, habe mich total zurückgezogen, habe meinen Job verloren und jetzt ist die Bulimie das einzige was mir noch geblieben ist. Aber ich will sie loswerden und weiß nicht wie und habe Angst es nicht zu schaffen.
Danke an alle die das gelesen haben und vielleicht schreibt jemand was dazu. Würde mich sehr freuen. Ich weiß einfach nicht mehr wie es mit mir weitergehen soll.

Re: ich bin hier weil ich hilfe brauche

#2
Hallo Livinia,

tut mir Leid, dass es Dir so schlecht geht. Du klingst so, als wärst Du ziemlich am Ende. Ich maße mir nicht an, dass ich Dir groß helfen kann, aber ich hätte ein par Fragen, wenn ich darf, ja? Hast Du Lehramt studiert? Wie kam es zu dem Abruch? Ist das eine WG für Essgestörte speziell oder sind da auch andere psychische Störungen vertreten? Wie bist Du da hingekommen? Hast Du da nette Mitbewohner oder geht es Dir eher schlechter? Hast Du vorher alleine gelebt oder in einer WG, mit Freund oder Familie?

Dein Beteuerin hat im Prinzip schon Recht mit dem was sie sagt (na ja, man natürlich streiten, ob 5 oder drei Mahlzeiten und sofort gehen die EA auch nicht weg). Aber sie hat Recht, dass andere Leute meistens mit sich beschäftigt sind,nicht mit Dir. Sie bringt es halt nicht besonders sensibel rüber. Wahrscheinlich verzweifelt sie ein bisschen an den Leuten, wenn sie merkt, ihre Versuche zu helfen kommen überhaupt nicht an und alle kotzen "munter" weiter. Sie meint es aber bestimmt gut. Hast Du mal mit ihr darüber gerdet, wie Du ihre hilfe empfindest? Wie ist eignetlich dein Verhältnis zu Deiner Familie, davon hast Du gar nichts geschrieben

lg und willkommen hier, fühl Dich wohl...

aire

Re: ich bin hier weil ich hilfe brauche

#3
Hallo!
Vielen Dank für eure Antworten!
Ich lebe jetzt in einer WG für psychisch kranke und bin die einzige mit Bulimie. Davor hab ich allein gewohnt, da konnte man sich natürlich "prima" zurückziehen und keiner hat was gemerkt. Bei meinem 2. Klinikaufenthalt ist mir dann vorgeschlagen worden in eine betreute WG zu ziehen und weil ich unbedingt aus meiner alten Wohnung raus wollte hab ich ohne groß zu überlegen zugestimmt. Dachte das wäre meine Rettung und danach wird endlich alles besser. Ich merke dass das wieder total typisch für mich ist, dort wo ich gerade bin fühle ich mich nicht wohl und will unbedingt woanders hin und wenn ich dann dort bin merke ich wieder dass das immer noch nicht der richtige Ort für mich ist.
Das Verhältnis zu meinen Eltern ist nicht besonders gut, wir streiten uns viel und sie sind auch gegen die WG, sie wollten dass ich zu ihnen zurückziehe, dann könnten sie sich um mich "kümmern", was bedeutet entweder lebe ich nach ihren Regeln oder es gibt Streit. Ich habe meinem Psychiater davon erzählt und er fand es keine gute Idee zu meinen Eltern zurückzuziehen und damit bin ich in der WG geblieben, obwohl ich mich hier auch nicht so wohl fühle.
Stimmt, ich habe Lehramt studiert, es ist mir bis heute noch ein Rätsel wie ich das überhaupt noch geschafft habe obwohl es mir schon ziemlich beschissen ging, aber ich bin wohl eine gute Schauspielerin und hab alles irgendwie noch hinbekommen. Aber dann im Referendariat hab ich gemerkt dass ich keine Kraft mehr habe, war körperlich und psychisch total am Ende, bin sogar vor der Schulklasse umgekippt. Naja, dann hab ich mich endlich meinem Hausarzt anvertraut, der mich sofort krankgeschrieben hat und nach weiteren 2 Monaten wurde mir dann von offizieller Seite nahegelegt das Referendariat abzubrechen. Wenn ich daran zurückdenke werde ich auch gleich wieder depressiv, wenn ich es gepackt hätte wäre ich jetzt mit meiner Ausbildung fertig, könnte normal arbeiten und mein Leben wäre geregelt. Aber stattdessen hab ich alles kaputt gemacht, fühle mich echt wie die totale Null. Und meine Eltern setzen mich auch ziemlich unter Druck und fragen ständig nach wann ich denn endlich wieder arbeiten gehe.
Ich möchte gerne eine Umschulung machen, aber davor soll ich noch in eine Tagklinik gehen, damit meine Belastbarkeit getestet wird.
Nach langer Wartezeit hatte ich im Dezember ein Vorgespräch bei einer ambulanten Therapeutin, sie meinte auch zwischen uns würde es passen, aber ich soll jetzt erstmal in die Tagklinik gehen und danch kann ich bei ihr Therapie machen.
Das mit meiner Betreuerin muss ich irgendwie regeln. Sie war jetzt 2 Monate nicht da und mit ihrer Vertretung kam ich viel besser klar, da war das Reden viel entspannter und ich konnte frei reden und fühlte mich verstanden, aber es geht nicht dass ich die Betreuerin wechsle, irgendwie wegen dem Betreuungsvertrag.
Naja, ich würde am liebsten ausziehen, aber das wäre wohl nur wieder eine weitere Flucht, außerdem wüsste ich nicht wie ich das finanziell bewältigen sollte, da ich vom Amt abhängig bin :-( Und ja auch so viele Schulden hab. Naja, und da würde ich mich dann wieder komplett zurückziehen. Ich habe das Gefühl ich bin in einem Laufrad gefangen und schaffe es einfach nicht da endlich rauszukommen. Es ist so frustrierend, alle scheinen ihr Leben im Griff zu haben und was zu erreichen, aber ich bin so blöd dass ich nichts schaffe. Oh, ich fange wohl schon wieder an mich fertig zu machen, das ist auch was was ich sehr gut kann :-(

Vielen Dank fürs Lesen!

Re: ich bin hier weil ich hilfe brauche

#4
hey,

hab grade deinen beitrag entdeckt, bin noch nicht lange angemeldet, aber deine geschichte hat mich echt traurig gemacht. eine harte zeit die du da hinter dich gebrcht hast, aber lass das mit dem zurückblicken und was du denn alles falsch gemacht hast und was du schon längst hättest tun sollen etc. es ist sinnlos. in erster linie zählt deine gesundheit und das es dir wieder gut geht und dann kannst du deine ausbildungen immer noch machen! egal wie viel zeit du dafür brauchen solltest!! hoffe der mut wird dich nie verlassen und das mit der betreuung und wg wird geregelt. lass einfach von dir hören es würde mich sehr intressieren wie es bei dir so weitergeht :)
liebe grüße carina

Re: ich bin hier weil ich hilfe brauche

#5
Liebe Livinia,
ich fühle mich total mit dir verbunden!

Nebst der seit ca. 7 Jahren bestehenden Bulimie (ES seit jüngster Kindheit) habe ich früher auch Drogen konsumiert und erst letztes Jahr nach 21 Jahren Alkoholismus diesen ablegen können.
Ich litt jahrelang unter Agoraphobie (Panikattacken) und Depressionen und mein Selbstwert war fast bei 0. Ich hatte Angst vor Licht, Menschen, großen Plätzen, Gelächter und konnte keine Geräusche ertragen oder zu viel an Geschehnissen.
Naja usw.usf.

Ich hatte bis letztes Jahr fast 6000 Euro Schulden, wegen Alkohol und der ES (hatte nur deswegen auch einen Kredit aufgenommen, einen Dispo etc.) und habe viele Menschen verloren, die mir wichtig waren...

Es ist ein langer, steiniger, schmerzhafter Weg, bei dem ich öfter aufgab und mich eine Weile schleifen ließ.
Mir hilft dieses Forum sehr. Da merkt man immer wieder "Hey, du bist mit dem Mist nicht alleine" und "Jeder da draußen könnte dasselbe Problem haben" Es holt einen wieder ein bisschen auf den Boden zurück und spendet Trost und Kraft.

Also willkommen und gib nicht auf.Klingt bescheuert, ist aber so.
Lg
Sol

Re: ich bin hier weil ich hilfe brauche

#6
@ Hallo Livinia,

eine knallharte Lebensgeschichte in der das schlechte Verhältnis zu Deinen Eltern wohl eine große Rolle spielt.
Versagensangst. Totaler Tiefpunkt. Kontrollverlust.

Es ging mir auch schon so. Ich habe mich so geschämt für mein Leben und dem vielen Versagen, daß ich dachte, ich sterbe daran, an der ganzen Beschämung. Habe es aber überlebt. Mußte damals sehr viele Medikamente nehmen, so habe ich es aber wenigstens durchgestanden.

Dann habe ich mit dem schämen aufgehört, und statt dessen mal geschaut, wer ich denn eigentlich bin, wer ich sein will und was ich selbst will. Es hat gedauert, aber irgendwann wurde es mir klar, daß es mein Leben ist, meine Geschichte, mein Versagen, meine Schulden, meine Eßstörung, meine Fehler, mein Weg. Meine Baustelle. Daß es das einzige ist, was mir gehört. Und daß das nicht wenig ist. Viel Leid, viel Heilung.

Zwei gesunde Augen, ein ganz passables Gehirn, zwei Beine, einen Bauch, ein Hinterteil und was sonst noch dazugehört, Ohren, Nase, Schultern, Hals usw.. Mal ein bißchen mehr oder weniger Kilos, aber sonst alles dran und drin.
livinia hat geschrieben:um mir selber zu schaden und mich zu bestrafen dafür dass ich nix im Leben geregelt bekomme...
Durch die Bulimie habe ich alles verloren was mir was bedeutet hat ..., ist die Bulimie das einzige was mir noch geblieben ist. Aber ich will sie loswerden und weiß nicht wie und habe Angst es nicht zu schaffen.
Du wirst sie loswerden. Du bist verzweifelt genug. "Wie" findet sich, und die Versagensangst, die hattest Du ja schon vorher. Die Angst das Versagen nicht zu schaffen?
Räum auf in Deinem Leben und schmeiß alles raus, was Du nicht mehr haben willst, vielleicht auch diese hartnäckig destruktive Versagensangst. Es ist Dein Leben, es sind Deine Fehler, es sind Deine Erfolge. Es ist Dein Weg, und wem steht es zu, darüber zu urteilen? Es gibt wichtigere Dinge, als äußere Ziele - es gibt Dich.
Was hast Du noch zu verlieren? Außer der Bulimie.

Ich denk an Dich und wünsche Dir ganz viel Kraft zum weitermachen!

@Hallo Sol,
ich denk auch an Dich, wünsche Dir auch alles Gute und ganz viel Kraft zum weitermachen!

Liebe Grüße

Mary Mary
Zuletzt geändert von mary mary am Mo Jan 11, 2010 3:01, insgesamt 2-mal geändert.
Aus Begierde bist Du an die Welt gefesselt,
mittels derselben Begierde wirst Du von ihr befreit.

(Aus dem Hevajra-Tantra)