Draußen scheint die Sonne

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Ich möchte gerne eine für mich sehr typische Situation schildern in der ich mich gerade mal wieder befinde. Aber erst wie es davor war:

Vor ein paar Wochen war alles anders. Ich war richtig gut drauf, es war schon recht ungewohnt für mich für so lange Zeit so gut drauf zu sein. Ich hatte sehr viel Energie, wollte ständig etwas unternehmen, raus gehen, Leute treffen. Ich hab mich auf den Tag gefreut, wollte nicht dass er endet. Alles hat Spaß gemacht, ich war wie verliebt in das Leben. Dadurch habe ich natürlich auch viele neue Leute kennengelernt, viel erlebt und bestehende Kontakte gestärkt. Andere hatten richtig Lust auf mich habe ich gemerkt. Warum auch nicht? Es war glaube ich auch ziemlich toll in meiner Nähe zu sein. Ich habe gute Laune verbreitet. Das hielt etwa zwei Wochen an. Ich fand es sogar etwas überfordernd so gut drauf zu sein. Hatte das Gefühl nicht still stehen zu können. Und hatte glaube ich auch Angst, dass wenn ich still stehe, wenn Ruhe einkehrt, ich mich mit mir selber auseinander setzen muss und die Energie endet.
Ich muss dazu sagen, dass mein Therapeut in der Zeit nicht da war und es sich gut anbot sich nicht genauer mit den Problemen auseinander zu setzen. Es war ein bisschen wie Urlaub von meinen Problemen. (Für alle die jetzt glauben, dass Therapie vielleicht mehr schadet als hilft, verständlich, den Gedanken habe ich manchmal auch, aber um den Ursprung der Probleme zu lösen müsste ich mich dennoch damit auseinander setzen. Trotzdem brauch ich manchmal Pausen von dieser Auseinandersetzung, die ist ja auch anstrengend).

Dann war er zurück. Er hat die Energie noch kurz mitbekommen. Aber in der Zeit war ich schon erkältet. Das hat mich unglaublich ausgebremst. Ich wollte viel unternehmen, aber ich konnte nicht. Ich brauchte viel Schlaf, viel Ruhe und den ganzen ausbremsenden Mist. Ich hatte versucht dennoch in Maßen rauszugehen. Aber es ging immer schlechter damit.

Jetzt.. heute.. alles weg. Draußen scheint die Sonne. Alle sind draußen und machen irgendetwas damit. Ich habe heute fünf, vielleicht sechs möglichen Verabredungen abgesagt. Alle zu ganz unterschiedlichen Uhrzeiten. Ich hätte die Chance gehabt. Zu allen möglichen Dingen. Stattdessen sitze ich zu Hause. Rollos runter. So soll mich niemand sehen. Alles woran ich denken kann ist das bald wieder Sommer ist und wie jedes Jahr wenn diese Erkenntnis mich ergreift ist es so, das langsam eine Panik in mir aufsteigt. Sommer überfordern mich. Da kann ich mich nicht unter meinem Wintermantel verstecken. Da wollen alle raus und an den See und ich kann mir das obwohl es schön wäre, überhaupt nicht vorstellen. Nicht so. So vergeht Jahr um Jahr. Es wiederholt sich. Ich fühle mich so gefangen in meiner Depression an diesen Tagen. Ich kenne sie schon so gut. Morgen werde ich es so bereuen und gar nicht mehr verstehen warum ich heute nichts unternommen habe. Warum ich nicht wenigstens eine Runde um den Block spazieren bin. Ich hätte Sonntags so gerne einen Reset-Knopf für solche Wochenenden. Wo ich wieder Freitags morgens aufstehen und das Wochenende ganz anders angehen kann.
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