täglich geplante Essanfälle

#1
Hallo, ich bin neu hier..

Kurz zu mir:
ich bin 24 Jahre alt und bin Studentin.
Seit meinem 13. Lebensjahr schleppe ich nun schon meine Esstörung mit mir herum.
Angefangen hat alles mit einer Magersucht(starkes Untergewicht), von der ich dann in heftige Essanfälle (ohne erbrechen,mit heftiger Gewichtszunahme-Übergewicht) gerutscht bin und jetzt, seid etwa 5 Jahren nun auch täglich erbreche.

Seid 3 Jahren ist es so, dass ich täglich,abends, meine Fressorgien(die sich über fast 6 std belaufen) lebe. ich sage bewusst "lebe" weil das momentan tatsächlich mein Lebensmittelpunkt ist und worum sich all meine Gedanken drehen.
Ich plane meinen alltag so dass ich spätestens zum Nachmittag auch wieder zuhause bin, um gegebenenfall noch meine "Fresssachen"zu kaufen,damit es nicht allzu spät wird,da ich ja nun 6 stunden essen vor mir habe, dann noch irgendwann schlafen gehen muss, um den nächsten Tag bis zum Nachmittag nicht ganz so durchzuhängen, und auch Konzentration für die Uni zu haben..
Aber ich kann einfach nicht mehr...Es ist frustrierend, zu wissen dass mein Tag mit beginn des nachmittags ja nun schon iwie vorbei ist, bzw ich ja dann weder zeit für verabredungen oder sonst iwas anderes habe..klar vor jeder Essorgie freue ich mich drauf , aber danach?
Dazu muss ich sagen dass ich währenddessen immer vor dem PC sitze. Ob ich nun lerne,wenn man das lernen nenn kann, im internet foren duchstöbere, jobs suche...ich mache während der 6 stunden all das was ich mir den tag über so als "to do " vornehme.. wenn iuch mich nebenbei vollstopfe habe ich iwie das gefühl ich könnte mich besser konzentrieren, kennt ihr das auch?

Meine Fragen an euch wäre jetzt,
kennt ihr solche geplanten essanfälle auch?Also täglich und auch in dem zeitlichen Ausmaß?
Fühlt ich euch währenddessen auch irgendwie Leistungsstärker?
(wenn ich zb lerne und eben das nicht während meiner anfälle tu, habe ich das gefühl nichts behalten zu können,mich nicht konzentroieren zu können und auch oft mir sage ,ach das kannst du doch eh nicht..)
Habt ihr es vllt geschafft davon wegzukommen?Wenn ja wie ?
(ich will da unbedingt weg von, -wegen des finanziellen-,-der vergoldeten zeit-,-der zerstörung meines Körpers-,-..............)

mir schwirrt gerade echt viel im kopf rum, was ich am liebsten alles gerade in dieses Beitrag packen würde ..es mir aber gerade echt schwer fällt meine gedanken so richtig in worte zu fassen(so jetzt merke ich gerade selbst wie mein Perfektionismus mich wieder dazu drängt mich erklären und entschuldigen zu müssen...ok egal..)

Danke schonmal für ein paar antworten und erfahrungen

Re: täglich geplante Essanfälle

#2
Hallo,
herzlich Willkommen hier im Forum....
Also was du beschreibst erinnert mich stark an meinen eigenen Tagesablauf während dem Studium...ich glaube dass ganz viele Betroffene sowas planen.....
Ich würde mich jetzt nicht als geheilt oder ehemalig beschreiben, allerdings sind diese Art der Anfälle bei im Laufe der Zeit mir langsam schwächer geworden.
Damals war es so, dass ich mir meinen Unitag zu einer täglichen Tortur gestaltete....also extra früh aufstehen, mit dem Fahrrad einen Umweg zum Bahnhof, den ganzen Tag nur Wasser und schwarzen Kaffee.....so viel zwischen den Vorlesungen laufen wie möglich anstatt mit jemandem in die Mensa zu gehen...egal ob Regen, Schnee, Hitze usw.... Wenn ich dann nach Hause kam war es eine Art Belohnung oder so auch wenn natürlich damals schon klar war, wie schwachsinnig der Gedanke ist. Heute noch mehr.
Aber irgendwie legte ich damit den ganzen Druck des Tages ab und konnte den Alltag irgendwie verlassen. Ich hab auch allesmögliche dabei gemacht, geskypt, Referate vorbereitet, gelernt usw....
Rückblickend war es aber auch die schwierigste Zeit der Bulimie. Ich hab damals so viel versucht, dieses Alltagsmuster zu druchbrechen, aber zunächst einmal hat nichts richtig funktionert.
Daraus resultierte natürlich eine noch viel größere Verzweiflung und Wut, weil man sich so hilflos vorkommt. Ich fühlte mich machtlos gegen mein eigenes Handeln.
Aaaaaaber....man kann es schaffen, mit viel Kraft und Geduld mit sich selbst :)
Ich hab überlegt, was mir dabei geholfen hat. Also wichtig war zunächst, dass ich trotzdem eine Tagesstruktur hatte, an die ich mich klammern konnte. Also feste Termine nach der Uni. ich bin dienstags immer abends mit einer Freundin spazieren gegangen. Dienstag war dann immer der erste Tag, an dem ich frei war, weil ich wusste, ich esse was und hab dann noch einen schönen Termin. Nach dem Spaziergang war dann oft der Druck einfach weg und der Tag irgendwie auch vorbei und ich war super stolz ;) ....Nach und nach hab ich. Wenn du so einen oder zwei Tage geschafft hast und das vielleicht über ein paar Wochen, hast du plötzlich ganz neue Erfahrung gemacht. So ging es mir jedenfalls. Ich hab gemerkt, dass ich es ja doch schaffen kann. An den Tagen tickte die Uhr dann plötzlich ganz anders und ganz banale Sache, wie etwa ein bisschen Fernseh gucken um dabei runter zu kommen, waren wie neu für mich. Vieles geht ja vorher in den Fressanfällen total unter. Du brauchst ein bisschen, damit sich solche Erfahrungen verinnerlichen können, aber es geht. So hab ich dann immer mehr Selbstvertrauen zurückgewonnen und konnte solche Muster auch auf andere Tage übertragen. Es wird leichter mit der Zeit, aber der erste Schritt erfordert vieeeel Kraft und Disziplin.
Hast du denn Personen, die dich ein bisschen unterstützen, vielleicht auch unbewusst, indem sie dich einfach ablenken können?
Ich wünsch dir auf jedenfall schonmal alles Liebe!
Schnuddel
Let me take you down
'Cause I'm going to Strawberry Fields
Nothing is real
And nothing to get hung about

Re: täglich geplante Essanfälle

#4
hallo, also ich bin ganz neu hier und äußere mich zum ersten mal zu einem Beitrag. zu deinen geplanten Essanfällen. Ich bin 17 jahre alt und leide jetzt auch schon seit 3 Jahren an Bulimie ( mit anorektischen Phasen). Diese geplanten Essanfälle hatte ich die letzen paar Jahre so gut wie jeden Tag. Mir wurde deshalb von meinen Eltern auch schon vorgeworfen dass ich doch garnicht gesund werden will etc. Doch eigentlich will ich ja aufhören doch ich denke dan einfach an das gute essen dass ich essen könnte die ganze Schokolade die Kekse,....
Eigentlich denke ich dann den ganzen Tag nur darüber nach was ich nach der Schule alles kaufen und essen werde. Es ist eigentlich schrecklich und ich schäme mich auch wenn meine Eltern die leeren Packungen finden doch ich kann einfach nicht anderst. Bei mir dauern solche 'Orgien' meist [...].
Zuletzt geändert von Hirngespinst am Do Mai 04, 2017 16:03, insgesamt 1-mal geändert.

Re: täglich geplante Essanfälle

#5
Anniloxo, wenn du gesund werden willst, zumindest zu 90% - wer kann schon von Anfang an, nach einiger Therapiearbeit wenn es dann ums Zunehmen, Aushalten, Durchhalten geht sagen, dass er immer zu 100% motiviert ist, sein wir ehrlich :lol: - was hindert dich denn dran, es mit Therapie zu versuchen? Damit du eben diese Essanfälle loswerden kanns,t wenn es alleine nicht geht - was ja uach nur allzu schön wäre aber in den meisten Fällen leider utopisch... ?
Weltenbummlerin auf der Suche nach dem ICH

Re: täglich geplante Essanfälle

#6
Liebe Sina,

Dein Text hätte nahezu meiner sein können :lol: ich habe gerade im Forum einen neuen Fred eröffnet der fast das gleiche behandelt:

Kaum bin ich Zuhause bei mir in meiner eigenen Wohnung nach einem längeren Tag fällt es mir so schwer runterzukommen, mich zu konzentrieren auf das was ich eigentlich tun sollte (lernen/arbeiten/hausarbeit), dass ich währenddessen ständig am futtern bin.
Zeitweise sogar gefrorene Erbsen :roll: einfach weil ich dieses futtern zur Stressreduktion brauche und um fokussiert zu bleiben. Meistens am Pc...
Befürchte auch dass es da keine Lösung gibt wie einfach-nix-essen oder das berühmte nimm-ein-tolles-Bad-und-entspann-dich.
Mir fehlt eine Ersatzhandlung sonst futtere ich ebenfalls gute 6h durch :x
(Vielleicht sollten wir uns auch gern mal per PN austauschen)

Re: täglich geplante Essanfälle

#7
Hallo ihr Lieben!

Geplante Essanfälle... viel Jahre hatte ich das.
mein Leben dreht sich nur mehr um Geldbeschaffung, Lebensmittel kaufen, und darum, dass es endlich 16.00 Uhr wird, damit ich den Fernseher oder Laptop einschalten und mit der Essensprozedur anfangen kann.
Ich freute mich jeden Tag darauf und umso mehr litt ich danach und machte mir Vorwürfe, noch immer nicht gescheiter zu sein. Natürlich weiß jeder, was für eine Folter es für den Körper ist, trotzdem hört die Selbstbestrafung nicht auf.
Interessanterweise habe ich irgendwann mal rausgefunden, dass ich sobald ich aufhöre mit den Anfällen sogar abnehme. Mein Körper war durch das Hungern am Tag und durch die Anfälle ab Nachmittag auf Sparflamme gestellt und ich nahm sogar zu während der Bulimie. Als ich wieder regelmäßig zu essen begann, nahm ich ganz von alleine ab, obwohl ich mehr in meinem Magen ließ wie vorher.

Heute könnte ich mir wohl einen schicken BMW um das Geld kaufen, dass ich für die Jahre der Selbstkasteiung und Bestrafung ausgegeben habe. Ich habe mir jedoch selbst schon dafür vergeben. Mein Körper hat mir übrigens auch vergeben.

Ich glaube, mein einschneidendes Erlebnis, fast bewusstlos am Klo zu liegen hat mir den Tritt in den Hintern verpasst, in die Gänge zu kommen. Eine wichtige Erkenntnis für mich war, dass ich selbst die Verantwortung für mein Leid übernehmen musste, um aus der Opferrolle heraus und in die Schöpferkraft hinein zu kommen.
Die Krankheit war lange Zeit meine engste Freundin und Feindin zu gleich. Sie war immer für mich da. Sie spendete mir Trost, Zuflucht und eine scheinbare Sicherheit.
Ein wichtiger Aspekt meiner Genesung war auch, dass ich aufhören musste zu glauben, die Anfälle sind das Problem. Die Anfälle sind nur das Symptom. Es war eine Überlebensstrategie für mich. Heute weiß ich, dass es wenig nutzt dem Süchtigen sein Suchtmittel zu nehmen, ohne die Ursachen dafür zu erforsche. Ich habe eine Weg von Innen nach Außen gefunden. Zuerst meinen Mangel an Selbstachtung und liebe, meine Andersartigkeit (schon von Kindheit an) meine übermäßige Sensibilität und vor allem meine vermiedenen Gefühle zu integrieren, ließ mein zerstörerisches Verhalten wieder aus meinem Leben verschwinden.
Ich brauchte viiiiieeel Geduld mit mir (leider gibts die nirgends zu kaufen :roll: ).

Eines möchte ich aus heutiger Sicht noch dazu sagen: diese Jahre der Krankheit verbargen auch ein großes Geschenk für mich. Ich wurde immer mehr zu der Frau, die ich schon immer im Verborgenen war. Diese Jahre lehrten mich, zu mir selbst zu stehen, meiner inneren Stimme zu vertrauen, mutig durchs Leben zu gehen und Neues zu wagen.

Wer mitten drinnen steckt mag sowas vielleicht gerade nicht hören, aber jeder hat das Werkzeug dazu bekommen, um wieder gesund zu werden.
Wenn ich es geschafft habe, schaffst ihr das auch! Ich glaube an dich. Ich glaube an euch!

Alles Liebe,
Anjoy