Das Übel bei der Wurzel packen...

#1
Hallo Zusammen!

Ich hab mich jetzt mal so ein bisschen durch das Forum gelesen.
Und ich habe sehr viel über die Versuche gelesen, die viele hier starten um
aus der Essstörung zu kommen. Dieses "Ich reiß mich jetzt zusammen" oder
"Ich versuche jetzt x Tage oder x Wochen "abstinent" zu bleiben" ist mir
auch nur allzubekannt.

Aber habt ihr euch schon mal gefragt WARUM man sich plötzlich inmitten einer
Essstörung wiederfand? Ich bin mir nicht sicher, ob Heidi Klum mit ihren Topmodels
oder der Gesundheits-, Schönheits- und Erfolgswahn die vordergründige Ursache ist.
Natürlich leben wir inmitten einer Leistungsgesellschaft und man scheint darin nur einen Platz zu finden,
wenn man jung, schön und erfolgreich ist. Ich denke, jeder hat einen ganz persönlichen
Grund, warum er das tut, was er eben tut.

Was bringt es mir, wenn ich stolz darauf zurücksehen kann, dass ich 7 Tage oder 7 Wochen
die Toilette mal nicht zweckentfremdet habe, wenn aber meine Seele noch immer krank
ist und die eigentliche Ursache nicht berücksichtigt oder auch noch gar nicht enttarnt wurde.
Ich kann mir vorstellen, dass viele gar nicht genau wissen, warum sie diesen Drang zum Essen und zum
Erbrechen haben.
Vordergründig geht es eigentlich um die Esssucht.
Das Erbrechen ist nur eine Verhinderungstaktik um zuzunehmen. Würden wir nicht erbrechen, dann
wären wir alle dick und könnten uns in die Kategorie "Fettsucht" einstufen.
Essen als Ersatzbefriedigung, als Trost, als kurzfristiger Stimmungsaufheller.
Wir essen nicht um uns zu ernähren und zu stärken für das Leben, sondern um etwas in uns
kurzfristig zum Schweigen zu bringen. Etwas, was wir nicht ertragen können, wenn es laut ruft.

Es ist meistens sehr sehr schwer ganz alleine auf die Ursachen der Bulimie zu kommen.
Denn wir sind oft nicht ehrlich zu uns selbst, wenn es um eigene Schwächen, verletzte Gefühle und
eigene Fehler geht. Manchmal braucht es noch jemandem, der einem ins Gesicht schreit was Sache ist.

Es geht nicht darum den Drang zum Essen und zum Erbrechen zu UNTERDRÜCKEN,
sondern darum diesen Drang gar nicht mehr ZU HABEN.
Erst wenn ich nichts mehr unterdrücken muss, dann ist Heilung eingetreten - denke ich.

Liebe Grüße
Cassandra♛

Re: Das Übel bei der Wurzel packen...

#3
Ja, das denke ich auch. Das Problem ist vielleicht, dass wir uns eine gewisse Schwäche
nicht zu gestehen. Schwache Menschen überleben in dieser leistungsorientierten Welt nicht.
Hier muss man belastbar und strapazierfähig und flexibel sein. Aber die Menschen sind verschieden.
Die einen können mit Stress besser umgehen, andere sind da sensibler und erreichen schneller
ihr Limit.
Aber ich denke gar nicht, dass Stress eine der Primärursachen darstellt.
Irgendwie geht es meistens um Liebe und Anerkennung. Aber da weiß jeder für sich am Besten,
was die ware Ursache für diese leidvolle Erkrankung ist. Stress, Ärger oder der Anblick schöner
schlanker Frauen ist möglichweise nur der Auslöser für das Aufbrechen von Wunden, die ganz
tief sitzen. Und es ist wirklich schwer die Masken dieser Wunden herunterzureissen, denn
sie wollen nicht entlarvt werden. Sich mit diesen Wunden zu beschäftigen tut oft sehr
sehr weh. Das kann man neben dem ganzen Ess-Brech-Wahn und dem Stress des Lebens
oft nicht auch noch gebrauchen. Wir spielen uns oft selbst etwas vor. Das klappt auch erstaunlich
gut - eine lange Zeit.

Viele Mädchen und Frauen machen Therapien und gehen in Klinken, wehren sich aber im gleichen
Atemzug immens dagegen. Einerseits verspüren sie eine Sehnsucht nach Genesung, andererseits
verteidigen sie ihre Krankheit bis aufs Blut und spielen Eltern, Ärzten und Therapeuten ein Lügenschauspiel
vor. Mit einer Therapie können sie sich vor anderen und sich selbst rechtfertigen ja etwas für sich getan zu haben,
aber sie wissen alle, dass die feindliche Therapie, die nur an der Oberfläche zugelassen wird,
nicht so sehr weh tun wird, als würde man die Wunden in sich aufreissen und erneut zum Bluten bringen.
Und wer noch nichts um seiner
Wunden weiß hat vielleicht große Angst vor dem, was sich da auftun könnte.
Der Mensch ist ein Meister der Verdrängung. Das was er nicht sehen will kann er total ausblenden - für
eine sehr lange Zeit. Aber irgendwann kommt die Zeit und das Versteckspiel hat ein Ende.

Ich möchte wirklich keine Schauermärchen erzählen, aber Bulimie ist eine wirklich ernstzunehmende Erkrankung.
Das hat nichts mit vermeintlicher Schwäche und sich-nicht-beherrschen-können zu tun. Die Wut, die
einen bei einem neuen FA überkommt, ist eigentlich total fehlgeleitet. Die Ansprüche sind zu hoch, die wir an
uns selbst stellen.
Wir wollen nicht für uns perfekt sein, sondern immer nur für andere. Mal ganz ehrlich! Man möchte damit schließlich
ein Zeichen setzen und seine Rolle in der Gesellschaft finden. Besonders in einem noch sehr jungen Alter. Da
ist so viel Unsicherheit und sind so viele Ängste. Wenn man da niemanden hat, an dem man sich mal kurz festhalten
kann, dann droht man an dem ganzen Druck und diesem großen
Unbekannten zu zerbrechen. Wir alle brauchen irgendwo einen Halt. Wir sind schließlich Menschen
und keine Maschinen.

Liebe Grüße
Cassandra♛

Re: Das Übel bei der Wurzel packen...

#4
An Ulrike:
Ich glaube, allein schafft man es kaum auf die tatsächlichen Ursachen der Bulimie zu kommen.
Ich habe noch nie von einem Fall gehört, der sich da allein wieder hausgewunden hat.
Wir sind zwar masochistisch was unseren Körper angeht, aber wir sind nicht masochistisch,
was unsere Gefühle betrifft. Wir gehören alle zur sensibleren Gattung Mensch, denn diese
robusten Hau-drauf-Degen werden sowas wie eine Essstörung gar nicht erst entwickeln.

Andere können ehrlicher mit uns umgehen, als wir es zu uns selbst in so einer Situation sein können.
Und sie können gleichzeitig Halt bieten und Lösungsmöglichkeiten vorschlagen.
Aber jede Therapie ist nur eine Hilfe; die Hauptarbeit muss jeder selber machen um wieder
gesund zu werden.

Liebe Grüße
Cassandra♛