der ambivalente Wunsch, gesund zu werden... :-((

#1
Hi ihr Lieben…

Ich komm grad mit dem Denken nicht nach und vielleicht ist hier ja jemand, der ein paar Gedankenanstöße oder so hat…

Also – ich hab jetzt bei einer neuen Therapeutin begonnen, vorher ein ¾ Jahr schon woanders gewesen, aber das hat nicht so geklappt. Jetzt zu Beginn mit der neuen eh klar – mal abchecken, wegen Motivation und so. Und genau da ist nun mein Problem: Ich leide seit ca 15 Jahren (bin 30) an der ES, mal mehr, mal weniger, mal eher die eine Form, dann die andre.

Und wieder die Frage auf einmal aus heiterem Himmel – wie stehe ich zu p*** (habe ich mal angesehen eher aus Neugier, so will ich nicht sein) aber ich habe immer das Gefühl, dass mir das nicht geglaubt wird. Habe auch von andren (Laien) dann mal gehört z.b. ja wenn du wirklich was ändern willst, dann iss halt einfach. Klar, ne… Und das ist nun das Problem: Ich WILL gesund werden . WIRKLICH. Sonst wäre ich nicht in Therapie, noch dazu mit umfassender medizinischer Betreuung usw ( bin bei Sowhat).

ABER: Klar mache ich mir Gedanken, was bleibt von mir ohne der ES. Habe ich Angst, dick zu werden. Würde ich jetzt im Moment weil ich mich nicht wohlfühle ein bisschen weniger wiegen, mehr Disziplin zum Gesund essen und mehr Sport haben. Beneide ich Menschen, die dünner sind wenn ich sie für hübscher weil dünner halte.

Ich meine, mein halbes Leben hab ich damit verbracht.

Kennt ihr das?? Ich habe Angst, das in der Therapie zum Thema zu machen, weil ich nicht wieder da stehen will als „die will ja nicht gesund werden“. Aber ich glaube, wenn ich das nur für mich behalte und drüber nachgrübel, hindert es mich vielleicht / ziemlich sicher auch am Vorwärtskommen…

Irgendwer Ideen dazu – würdet ihr es ansprechen, noch warten, gar nichts sagen,….??? Wie ist das bei euch, kennt ihr diese Ambivalenz?

Bin grad etwas zerrissen ….
Weltenbummlerin auf der Suche nach dem ICH

Re: der ambivalente Wunsch, gesund zu werden... :-((

#2
Hi, also irgendwie kann ich deine Ambivalenz schon nachvollziehen. Denke es geht vielen so, auch mir-denk.
Ein Teil von dir macht Therapie, weil es mehr Heil sein möchte. Heil sein bedeutet aber auch" noch mehr leisten zu müssen und noch mehr Verantwortung tragen zu müssen, usw.! Denke das macht Angst. Angst dass diese Erwartungen an uns gestellt werden wird, wenn wir als gesund degradiert werden, wir es uns selbst aber nicht vorstellen können, dass es je möglich wird dies alles zu erfüllen, da wir ja noch mitten im Kampf zur Genesung stecken!- puh, glaub das war jetzt sehr kompliziert sorry.(verstehe grad selber nicht ganz).

Ich weiß nur für mich, dass die ES für mich ein Fluch ist, sie mich aber oft vor schwierigen Gefühlen od. so rettet. Vielleicht deshalb die Ambivalenz. Sag das deiner Thera. Wenn sie gut ist, wird sie das nehmen können und mit dir anschauen. Wenn nicht, dann wird es vielleicht nicht passen.
Alles Gute dir.
piggi

Re: der ambivalente Wunsch, gesund zu werden... :-((

#3
Hallo Weltenbummlerin,

ja, ich kenne das sehr gut.

Man hat eine Essstörung ja nicht einfach so zum Spaß sondern aus einem bestimmten Grund (oder auch aus mehreren unbestimmten Gründen, du weißt aber was ich meine...)
Die ES hat eine funktion, sie hilft einem, mit Dingen klarzukommen, mit denen man halt sonst nicht klarkommen würde, sie ist so eine Art Krücke oder Prothese für Teile der Persönlichkeit, die (warum auch immer) nicht voll ausgebildet sind.
Oder manchmal passieren auch Sachen, die für eine sehr stabile Persönlichkeit zu viel sind, so dass sie "Hilfsmittel" wie z.B. eine Bulimie braucht.

Ich denke, du brauchst dich vor niemandem davor zu rechtfertigen oder zu schämen oder was auch immer wenn du sagst, dass du Bulimie haben willst.
Das ist für viele hier eine Tatsache, die sich aber nur wenige eingestehen.

Es heißt immer, Erkenntnis wäre der erste Schritt zur Besserung... man muss Sachen erst mal Wahrnehmen, um sie dann später ändern zu können.
Natürlich ist es bescheuert und richtig schlimm, Bulimie zu haben aber wenn man diese Krankheit annimmt kann man dadurch sehr viel über sich selbst lernen.
Diese Fressattacken (oder Hungerphasen oder was man halt sonst so alles veranstaltet) sind nichts was einem von außen übergestülpt wird sondern so etwas wie eine Botschaft von deiner Seele an dich selbst.
Also verurteile dich nicht, wenn du zu viel oder zu wenig isst, das tust du ja nicht aus Sturheit und Ignoranz und Boswilligkeit (usw.) sondern weil du das irgendwie tun "musst".
Mir hat es damals geholfen, mir bewusst zu machen, dass ich fressen DARF.
Ich MUSS das aber nicht und ich darf auch wieder damit aufhören, auch mitten in einer Fressattacke weil es eben nicht "eh schon alles egal" ist und ich diesen Einbruch jetzt NICHT "nutzen" muss um noch möglichst viel in mich reinzustopfen weil "morgen ja alles anders wird".
Du darfst auch mitten in der Nach mit vollgefressenem Bauch vor dem Kühlschrak sitzenbleiben und dich selbst fragen, was eigentlich dahinter steckt, was du selbst dir gerade mit dieser Fressattacke sagen wolltest.
Und sollte es danach noch nötig sein kannst du immernoch kotzen gehen.
Für mich war das sehr wichtig zu wissen, dass ich kein schlechter Mensch bin und keinen total bösen, verdorbenen Charakter habe und mit der Bulimie nicht alles kaputt mache sondern dass es eher so etwas wie ein hilfloser Versuch ist, etwas gutes zu tun, für mich selbst und irgendwie auch für andere.
Um eben nicht auseinanderzufallen.

Dass gesundwerden Angst macht ist ganz normal, man muss sich selbst ja erst mal neu kennenlernen, gerade wenn man so lange Bulimie gehabt hat, hat man wahrscheinlich viele Aspekte seiner selbst verdrängt und weiß nicht (mehr) so genau wer man ist.
Deswegen braucht es auch seine Zeit, ich glaube die wenigsten werden von einem Tag auf den anderen Gesund.

Ich hoffe, du verstehst was ich meine (es ist noch etwas zu früh am Morgen um mich klarer auszudrücken :? ) und es konnte dir vielleicht ein bisschen helfen.
"You," he said, "are a terribly real thing in a terribly false world, and that, I believe, is why you are in so much pain."

Re: der ambivalente Wunsch, gesund zu werden... :-((

#4
Danke Danke DAAAAAAAAAANKE Hirngesprinst, für deine Antwort!
Ich bin grad sehr down, quasi wie gewonnen so zerronnen, kaum geht's bergauf und man will was gegen die ES tun, kriegt man ständig zu hören, dass mans ja doch nicht will, nur weil man nicht sofort was weiß ich wieviel zunimmt.... das zehrt dann irgendwie an der Willenskraft, wo man doch eigentlich Unterstützung brauchen würde.

Hab heute Therapiestunde und weiß echt nicht, ob ich das ansprechen soll - auch wenn ich weiß, dass es vermutlich sinnvoll wäre... aber dann hab ich Angst, nur noch mehr Bestätigung zu liefern, dass ich "es ja eh nicht schaffen will"....

Ach verdammt....
Weltenbummlerin auf der Suche nach dem ICH

Re: der ambivalente Wunsch, gesund zu werden... :-((

#6
Naja ich bin total entmutigt weil gestern hatte ich Arzttermin bei Sowhat und ich hatte ca. **kg weniger (das war aber echt nicht geplant, also - ich hab halt jetzt im Sommer mehr Obst gegessen u kann endlich wieder Sport machen) und dann meint die so: NA, also der Antrag ist jetzt durch, aber ganz ehrlich - überlegen Sie sich halt, obs das wirklich wollen, weil wenns jetzt wieder abgenommen haben (ich bin nicht soooo dünn, also BMI ist jetzt nicht so schlimm!!!) und ich solls mir halt mal das Quartal anschaun, blabla... ich mein - da sucht man wo Hilfe, weil man allein nicht mehr weiterkommt und statt Stütze kriegt man sowas... klar könnt ich für die andren jetzt auf einmal ganz viel essen u zunehmen aber dann geht ja alles wieder von vorne los, weil mein Kopf nicht mitkommt.... bin einfach grad bissl vor den KOpf gestoßen, v.a. weil ich von der Ärztin beim 1. MAl einen sehr lieben EIndruck hatte - streng aber nett...
Zuletzt geändert von Caruso am Mi Jul 01, 2015 11:33, insgesamt 2-mal geändert.
Weltenbummlerin auf der Suche nach dem ICH