Brauche einen (fremden) Rat, kann mit "niemanden" reden.

#1
Hey,
ich möchte ungerne viel von mir preisgeben, da meine Angst sehr groß ist.
Kurz zu mir, ich bin gerade dabei in eine Essstörung zu geraten, doch ich kann es immer noch nicht wirklich akzeptieren und glauben. Es ist einfach so unwirklich und ich rede mir immer selbst ein, dass es ja gar nicht so schlimm ist. Ich schäme mich dafür, dass ich so denke!
Es fing damit an, dass ich einfach nur etwas abnehmen wollte, dann aß ich kaum noch etwas, bekam Angst vor den Lebensmitteln und Ekel. Ich sehe nicht, dass ich abgenommen habe. Stattdessen halte ich mich an Zahlen fest und versuche es immer wieder, nichts zu essen. Ich weiß, dass dies nicht bulimisch ist, sondern eher anorektisch. Aber hinzukommt nun, dass ich im April das erste Mal "versucht" habe, es wieder hinauszubefördern und seit dem passiert es immer öfters. Nun ist es meistens so, dass ich richtige Fressattacken habe, weil ich mich schlecht fühle und es dann mit dem K*tzen nicht sein lassen kann oder AFM benutze (Ich weiß, dass es kalorientechnisch absolut nichts bringt, aber ich fühle mich danach einfach leer und befreiter von allen Gefühlen).

Und anvertraut habe ich mich einer Freundin, aber nur so nebenbei auf dem Schulhof, weil ich so fertig war. Nun schweige ich wieder komplett und tue so, als wäre nie etwas gewesen. Sonst weiß mein Partner davon, aber ich fühle mich nichts wirklich ernst genommen. Zudem kommt hinzu, dass ich mich schuldig fühle und ein schlechtes Gewissen habe, da ich unsere Beziehung mit der Sache belaste. Aber ich kann nicht anders.
Letztens sprach mich eine außenstehende Person an, weil sie sich Sorgen macht. Ihre Worte waren, ich kenne Sie nun seit mehreren Jahren, sie müssen aufpassen. Sie stehen auf der Stufe und ich habe eine Freundin, die stieg nicht ab und leidet nun seit Jahren an einer Essstörung. Das hat mich einfach schockiert, weil ich es selbst nicht glauben kann. Habe mir meinen Kopf darüber zerbrochen und bin dann zur Schulsozialpädagogin gegangen, um mir eine Anlaufstelle zu suchen. Nun habe ich eine Nummer hier liegen, die Beratung zu Essstörungen anbietet, aber ich traue mich nicht dort anzurufen und ich weiß nicht, mit wem ich darüber reden kann. Über meine Gedanken, meine Ängste und darüber, dass ich mir selbst nicht erlaube, diese Hilfe anzunehmen, weil ich ja nicht richtig schlimm betroffen bin. Könnt ihr mich verstehen? Was soll ich nur tun, ist es wirklich so, wie ich denke und ich bin einfach nicht esssgestört und bilde mir das ein? (Blöder Gedanke, denn eigt. liegt es doch auf der Hand, dass mein Verhalten gegenüber Essen auf jeden Fall nicht "normal" ist und schon irgendwie gestört ist)

Ich bin einfach so durcheinander, sollte ich ich überwinden und dort anrufen?

Vielen Dank fürs Lesen. :)

Re: Brauche einen (fremden) Rat, kann mit "niemanden" reden.

#2
hi bambina!
das, was du schreibst, klingt in der tat besorgniserregend.
ich finde es sehr gut, dass du zumindest einmal dein problem erkennst und dir schon einmal eine erste hilfe geholt hast!
ich glaube, wir wissen hier so ziemlich alle, wie schwer es ist, sich seine krankheit einzugestehen.
ich würde dir auf jeden fall empfehlen, anzurufen, so schwer es auch fallt.
die leute, auf die du dort triffst, werden dich sicher in keinster weise verurteilen! weder vorher, noch nachdem du ihnen deine geschichte erzählt hast!
es gibt da niemanden, der _zu wenig betroffen_ ist, als dass er bei sowas ernst genommen wird! (abgesehen davon klingst du ob deinem verhalten schon so verzweifelt, dass ich nicht denke, dass du es auf die leichte schulter nimmst und dir denkst: da komm ich eh jederzeit wieder raus...)
das ist mE schon sehr wichtig zu glauben! ich finde, es ist wichtig, einmal mit jemanden zu reden, der sich damit professionell auskennt, um die hintergründe deines verhaltens zu erkennen. vielleicht können sie dir ja tipps und anregungen geben, um aus dieser situation wieder herauszukommen?
lg

Re: Brauche einen (fremden) Rat, kann mit "niemanden" reden.

#3
Hallo bambina,

Schön, dass du hierher gefunden hast :)

Ich stimme vollkommen mit Naruta überein, es gibt niemanden, der "zu wenig" betroffen ist!! Ich merke immer wieder, wie in unserer heutigen Gesellschaft viele, vor allem junge Frauen unter "leichten" Essstörungen leiden. Es fällt mir schon schwer, unter meinen weiblichen Freundinnen eine einzige zu finden, die ein gänzlich gesundes Verhältnis zum Essen hat.

Je früher du dich mit jemandem darüber austauschst, der professionell damit arbeitet, desto besser. Es klingt so banal, aber es ist nun mal so: je länger du wartest und das ganze in dich "reinfrisst" oder wie auch immer, desto mehr wird es zur Normalität für dich, und das soll es bei Gott wirklich nicht werden!!!! Ich kann dir nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass es grauenhaft ist, wenn man ständig in diesem Gedankenkreis gefangen ist. Und es kostet sooo viel Kraft und Energie, sich da wieder rauszuboxen! Ich sehe es momentan an meiner Schwester, dass sie definitiv Züge einer Essstörung zeigt. Und da erlebe ich erst mal, wie das von der anderen Perspektive aussieht.

Inwiefern meinst du, dass das ganze schon deine Beziehung zu deinem Freund belastet? Du wirst hier ganz viele Beiträge von anderen Mädels finden, die darüber erzählen, wie schwierig es ist eine Beziehung trotz ES zu führen. Ich bin sehr glücklich mit meinem Partner und möchte nicht einen Tag missen, aber ich fühle mich oft schlecht bzw. schuldig, weil meine ES schon manchmal eine kleine Last für die Beziehung ist. Glücklicherweise hilft er mir sehr, aber ich würde ihm manchmal schon eine "leichtere" Freundin wünschen :roll:

Ich wollte dich damit jetzt auf keinen Fall abschrecken! Aber nimm dein Problem bitte ernst! Denn selbst wenn du (noch) nicht tief in einer ES steckst, du bist auf jeden Fall nicht "frei" oder "klar" mit deinen Gedanken und wie du mit Situationen oder Problemen umgehst. Und das ist das, was einen auf Dauer wirklich belasten kann. Ich wünsche mir, dass ich eines Tages einfach genießen kann und ein "normales" Leben führen kann, ohne immer wieder meinen Körper kritisch begutachten zu müssen, mich selbst herunterzumachen, wenn ich mal mehr esse oder andauernd nach einem "Makel" suche, den ich jetzt unbedingt beheben muss.

Liebste Grüße & noch einmal herzlich Willkommen!!
black_white
Auf Regen folgt Sonne.

Re: Brauche einen (fremden) Rat, kann mit "niemanden" reden.

#4
Hey,
erst einmal ein großes Danke für eure Antworten. :) War zurzeit recht viel unterwegs und auch nicht Zuhause, daher konnte ich mich nicht früher zu Wort melden.

Ich habe mich am Freitag dazu überwinden können und habe bei einer Beratungsstelle angerufen, habe nun übernächste Woche einen Termin, um zu sehen, was man mit mir "anstellt" und wie man mir helfen kann...
Habe ganz schönen Bammel und mein Kopf ärgert mich ganz schön. Der versucht mir einzureden, dass die mich fort auslachen werden, wenn sie mich sehen, dabei ist das Unsinn. Jeder, der unter dem Thema Essen leidet, darf und miss sich vielleicht sogar Hilfe holen, damit er aus diesem Teufelskreis herauskommen kann! Sobald das Essen einen im Leben einschränkt, stimmt etwas nicht und ich habe es alleine geschafft und es funktionierte einfach nicht.. Nun bin ich aber echt gespannt, aufgeregt, habe Angst und schäme mich sogar... Und das Essen fällt mir nun noch schwerer.

@ black_white: Inwiefern es meine Beziehung belastet, ist ganz einfach zu erklären. Ich habe viel geschwindelt, fühlte mich deshalb schlecht und schuldig, konnte nicht wirklich glücklich sein und war oftmals sehr bedrückt. Dies alles merkte mein Partner und machte sich Sorgen, was bloß mit mir los ist. Ich konnte aber nicht reden und mein schlechtes Gewissen wurde immer größer. Ich zog mich zurück, wir konnten auch nicht mehr ausgelassen weggehen oder Freunde von ihm treffen, weil ich immer Angst davor hatte, dass wir etwas essen oder alle anderen trinken und er wieder davon genervt sein wird, dass ich alles ablehne... Ich wollte oftmals lieber zuhause schlafen, damit ich unbemerkt AFM benutzen kann. Obwohl ich gerne auch mehr Zeit zusammen verbringen würde... Natürlich zog ihn das auch runter und er machte sich immer größere Sorgen, aber ich konnte nicht reden. Das hat die Beziehung ziemlich belastet.
Nun konnte ich endlich zumindest ein wenig reden und er weiß, dass es mir nicht einfach um das Abnehmen geht, sondern, dass ich es selbst kaum kontrollieren kann und es immer ein Kampf in mir drin ist. Nun versteht er mich ein wenig und will mich unterstützen und kann es auch verstehen, wenn ich lieber gesundes Essen möchte, mal nein zu etwas sage, kein Alkohol beim ausgehen trinken möchte oder er passt auch schon von sich aus auf, dass eben doch weniger Fett, Zucker etc. im Essen landet, weil er weiß, dass er es mir damit leichter macht, "normal" zu essen, was zumindest die Menge angeht...

Ich hoffe einfach, dass wir alle hier im Forum irgendwann Essen wieder genießen können, ohne Angst, ohne Kontrollzwang usw. Und irgendwie glaube ich auch fest daran!