ich WILL alles falsch verstehen...

#1
hey ihr!

ich hab vor zwei tagen mal wieder länger mit meinem freund geprochen.
nein, ich hab das mit der bulimie immer noch nicht über die lippen bekommen. wohl aber, dass ich nach wie vor schwierigkeiten habe zu vertrauen. liegt allerdings nicht an ihm, sondern daran, dass ich einfach nicht glaube, dass ich "genug" bin. ich finde mich einfach langweilig und habe oft das gefühl, dass ich schauspielere, dammit die anderen mich mögen und eben nicht merken, wie langweilig ich eigentlich bin. (ich bin da in der thera dran.)
naja, er weiß auch, dass ich auch mit meinem körper nicht immer sooo zufrieden bin, und meinte auch deshalb, dass ich für ihn gar nicht langweilig wäre, weil er zb meinen po mag (und, und, und...)
im normalfall ja wirklich lieb. allerdings ist mir aufgefallen, dass ich ihn falsch verstehen WOLLTE. ich habs irgendwie so verquer interpretiert, dass ich mich nur noch wie ein "objekt" gefühlt hab, was die ganze sache ja nicht besser macht.
und mir ist aufgefallen, dass ich das praktisch immer so mache.
ich weiß zb, dass mir meine freunde viel erzählen, weil ich gut zuhören kann, mir die zeit nehme und versuche zu helfen.
aber wenn mir das jemand sagt (oder sonst irgendein kompliment macht), beziehe ich das immer auf das "objekt" "maske". das heißt, ich interpertiere das nur im hinblick auf die schauspielerei, die ich die ganze zeit veranstalte, und fühl mich immer nur als objekt. egal ob nun als "objekt, das gut zuhören kann" oder "objekt mit schönem po",...
ich schaffs also irgendwie komplimente so zu verdrehen, dass sie mir hinterher mehr weh tun als alles andere, weil sie nicht MICH betreffen (ich bin ja die langeweile dahinter), sondern nur meine maske.
ich weiß auch, wie bescheuert (bzw wehleidig) das klingt. vor allem, nachdem mir das in der nacht klar geworden ist, aber ich weiß nicht, was ich daran ändern kann.
und es tut wirklich weh. nicht nur in dem moment, wenn ich nett gemeinte aussagen verdrehe, sondern auch, wenn ich so wie jetzt darüber nachdenke und ja eigentlich weiß, dass mein freund MICH mag, ich aber trotzdem dieses stimmchen im hinterkopf hab, das die ganze zeit sagt "pah! bild dir doch nix ein. der mag deinen körper. sobald was besseres kommt, ist der weg!" (war auch meine spontane, gedankliche antwort, als er bei dem gespräch meinte, ich sollte mal selbst überlegen, warum er noch da wäre, weil ich das eben übehaupt nicht nachvollziehen kann.)
das tut mir weh und macht mich traurig, das ist aber auch ihm gegenüber total gemein. und es verhindert, dass ich noch mehr nähe zulassen kann, mich fallen lasse kann bzw darauf vertrauen kann, dass er da bleibt.

kennt das jemand von euch?
bzw hat vielleicht sogar jemand eine idee, wie ich damit umgehen kann?
(ich werd das auf jeden fall in der nächsten thera-stunde ansprechen, jetzt, wo mir das klar ist, aber trotzdem...)

ich möchte mich nicht so langweilig fühlen. und nicht so, als ob ich die ganze zeit schaupielere.
ich möchte "ich" sein und so gemocht werden.
und ich möchte komplimente annehmen können und mich wirklich darüber freuen.
nur, wie?!

grüße stella

Re: ich WILL alles falsch verstehen...

#4
Liebe Stella,

Ich kenne das Gefühl, das du hier beschrieben hast, aus eigener Erfahrung leider sehr gut.

Während meiner Studienzeit hab ich mich nach Außen hin stark verändert, aus dem unsicheren Teenager wurde ein vermeintlich selbstsicheres Mädel. Es war dann auch kein Problem mehr für mich Leute kennen zu lernen, ich hatte Freunde, die mir auch sagten, dass sie mich gern haben, teilweise hab ich sogar Bewunderung bekommen für meine Erfolge und meine Stärke, aber auch bei mir hat sich alles irgendwann nicht mehr echt angefühlt.
Ich hatte mich immer bemüht jeden zufrieden zu stellen, für jede Gesellschaft hatte ich eine andere Maske um dort gemocht zu werden. Ich war immer für alle da gewesen, hatte aber nie zugelassen, dass auch jemand für mich da wäre.

Hinter der Fassade, saß aber eben noch immer das unsichere Mädchen, das sich, genau wie du, eigentlich fruchtbar langweilig fand und dazu noch hässlich und sich sicher war, dass keiner es gern haben könnte, wenn es sich so zeigen würde, wie es ist.

Als ich dann zunehmend depressiv wurde und die Bulimie, die für mich lange das einzige Ventil für meine Gefühle war, völlig aus dem Ruder lief, stürzten meine Fassaden ein und ich hatte das Gefühl in einem einzigen Schutthaufen zu stehen.
Die Frage, die sich mir dann stellte, war wer ICH denn nun eigentlich sei hinter all den Masken und Rollen beziehungsweise meiner Fassade?

Ich kämpfe immer noch mit meiner Unsicherheit, aber in der Therapie hab ich verstanden, dass eigentlich alle Menschen in ihrem Leben unterschiedliche Rollen spielen und die Kunst dabei ist zu verstehen, dass man in jeder Rolle noch immer man selbst bleibt.
Ich hatte große Angst, dass die Menschen aus meinem Umfeld mich nicht mehr mögen würden, nachdem meine Fassade kaputt gegangen war, was aber bei meinen echten Freunden letztlich ganz und gar nicht der Fall war.

Mein Therapeut hat zu mir dann mal gemeint, ob ich mir schon mal überlegt hätte, was eine Fassade brauche um zu stehen? Stützmauern! Vielleicht kannst du dir auch klar machen, dass deine Fassade trotzdem du bist, denn du kannst nur deshalb klug und witzig und interessant wirken, weil du es eben innen drinnen auch bist!

Versuch dich doch deinem Freund und den anderen Menschen in deinem Umfeld ein wenig zu öffnen, lass sie auch mal deine schwachen, unsicheren Seiten sehen, vielleicht hast du dann mehr das Gefühl du selbst zu sein und wirklich als ganzer Mensch gemocht zu werden...

LG, Flora

Re: ich WILL alles falsch verstehen...

#5
Ich muss Flora zustimmen.
Einer leeren Hülle könnte man nicht so einfach eine Maske aufsetzen. Was ich meine ist, dass das was du als Maske empfindest, ggf ein Teil deines Inneren sein kann.
Und ich denke, dass all diese positiven Eigenschaften ganz einfach eins sind: DU.
Klar kann man gute Laune mimen, obwohl man traurig ist. Oder Geduld und Interesse, obwohl man gelangweilt ist. Aber meinst du nicht, dass die äußeren , von dir beschriebenen Eigenschaften mit deinem Inneren verknüpft sind?
Verknüpft sein müssen?
Nur als kleine gedankliche Anregung..
VG
Zoa

Re: ich WILL alles falsch verstehen...

#6
Hey WitchStella!
Ich kenne das bzw. glaube es zu kennen. Ich habe immer Angst, dass mich andere langweilig finden könnten etc etc etc.. daher setze ich auch immer eine Maske auf, wenn ich mit anderen zusammen bin.. - & Komplimente sind sowieso der totale Horror

Was ist in der Thera herausgekommen?

Liebe Grüße

Re: ich WILL alles falsch verstehen...

#7
Hey,
wow du hast das so gut beschrieben, dass mir meine eigene Situation gerade selber klarer wird.
Man bekommt Komplimente und danach fühlt man sich trotzdem mies, weil genau wie du sagst, man fühlt sich wie ein Objekt. Kennst du den Spruch
"You don't feel loved, you just feel used" ?
Das passiert mir so oft, vor allem auch in der Beziehung mit meinem Freund, dabei weiß ich eigentlich ganz genau,dass er mich liebt, so wie ich bin, und nicht nur auf meinen Körper aus ist.
Und dann bekomme ich auch immer noch ein schlechtes Gewissen, eben weil ich ihm diese Sachen "unterstelle" (aussprechen tue ich es nur selten).
Helfen kann ich dir nicht wirklich, weil ich ja in derselben Situation fest stecke, aber vllt hilft es dir ja zu wissen, nicht die einzige zu sein (:
Alles gute noch!

Re: ich WILL alles falsch verstehen...

#8
hey!

danke für die interessanten antworten!

@flora: über den ansatz mit der "stütze für die fassade" muss ich noch nachdenken. bzw kopfmäßig ist mir das ja irgendwie schon klar. aber es fühlt sich halt nicht so an... also heißt der satz wohl eher "ich muss da noch nachFÜHLEN"...

@adnil: in der thera ist das thema zwar häufiger aufgetaucht, allerdings haben wir das nie im fokus behandelt, weil mein therapeut bisher wohl der meinung war, dass positive soziale erfahrungen, die ich in den letzten beiden jahren auch wirklich gesammelt habe (zuletzt ja mein erster freund jetzt seit einem halben jahr), irgendwann die angst vor dieser langeweile nehmen würden.
ist aber nicht so.
und nachdem ich ihm mehr oder weniger das beschrieben habe, was ich euch hier beschrieben habe, wollen wir das jetzt richtig fokussieren. dazu gehört halt auch, dass ich meinem freund endlich von der bulimie erzähle...
finde ich ja auch wichtig und will ich unbedingt, aber ich hab halt angst.
mein therapeut meint, ich sollte versuchen von der personenbezogenen sicht weg zu kommen (also das normale XY ist so und so), und hin zu einer beziehungsorientierten sicht (zwischen A und B ist das und das. da entsteht das und das; schlechter zu beshreiben, hoffe aber, ihr versteht, wie ich das meine!).
finde ich auch interessant. ich versuche ja auch grade darauf zu vertrauen, dass unsere beziehung das aushält und es sogar ein plus für die beziehung ist, wenn ich davon erzähle (mehr ehrlichkeit, mehr nähe), aber der gedanke, dass die bulimie ein minuspunkt für mich ist, bleibt halt...
ich arbeite daran!

@littleHell: nein, den spruch kannte ich noch nicht. aber er passt irgendwie... traurig...
schon irgendwie beruhigend, dass ich nicht alleine bin. aber auch traurig.
aber irgendwie ists auch ein trost, dass ich dir ein bisschen helfen konnte.
hat dir die neue erkenntnis denn jetzt auch weitergeholfen?

grüße stella