Hallo ihr Lieben,
lang ist's her, dass ich hier regelmäßig geschrieben habe. Aber alle Distanz zum Forum ist doch keine Hilfe gegen die inneren Dämonen, die mir immer wieder auflauern. Ich weiß gar nicht genau, was ich mit diesem Beitrag bezwecken will; vielleicht möchte ich mich einfach nur auskotzen, ohne dabei bestimmten Einzelpersonen auf den Wecker zu fallen.
Was ist es nur, dass mich zu so einem gierigen und faulen Menschen macht? Eigentlich will ich den ganzen Tag nur daliegen, mein Leben verdrängen, mich mit Fett und Kohlenhydraten vollstopfen und zwischendurch aufs Klo rennen, um Platz für mehr zu machen. Nach jeder Runde wird erstmal eine geraucht. Nach dem Aufstehen wird geraucht, in Wartezeiten wird geraucht, vorm PC, vor dem Fernseher und selbst wenn ich lese, rätsle oder Sudokus mache, ärgere ich mich, dass ich keine Extrahand für meine Kippe habe. Als ich letztens ernstlich meine Kippe mit aufs Klo genommen habe, drängte sich mir die Frage auf, ob ich noch alle Latten am Zaun hab.
Bin ich bei meinem Freund, klappt es besser mit dem Essen. Ich überfresse mich zwar ständig und nehme stetig zu, aber wenigstens wird danach nicht die Kloschüssel umarmt. Dass ich meinen Tagesbedarf dennoch locker in doppelter und dreifacher Form in mich reinstopfe, führt abwechselnd zu einer Scheiß-Egal-Mentalität und absolutem Selbsthass. Bei ihm wird zudem noch deutlich mehr geraucht. An einem normalen Tag gehen locker 30 Kippen pro Nase drauf; wenn wir abends trinken, sind es deutlich mehr. Und damit wären wir schon beim nächsten Thema. Mein Freund trinkt verhältnismäßig oft (um nicht zu sagen, bei jeder Gelegenheit) und ich neige immer öfter dazu, als Ersatzbeschäftigung für meine Fress-Kotz-Marathons einfach mitzusaufen. Er kann nur dann ruhig schlafen, wenn mindestens 12 halbe Liter Bier im Kühlschrank sind, und die gehen an einem feucht-fröhlichen Abend zu zweit auch locker weg.
Wir witzeln öfter über unser abgefucktes Leben, aber für mich hat das viel zu oft überhaupt keine charmante Komik mehr. Heute wäre mein 10. kotzfreier Tag am Stück gewesen - für meine Verhältnisse ein kleiner Rekord. Leider haben wir uns gestern dermaßen die Kante gegeben, dass allein schon meine Übelkeit heute das Ganze ins Kippen brachte. Noch dazu bin ich jetzt wieder allein in meiner Wohnung, da läuft ohnehin immer alles aus dem Ruder.
Ich bin ein körperliches Wrack. Gehe ich eine Treppe, muss ich röcheln wie eine alte Oma - sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich Asthmatikerin bin? Den Rest der Lunge schrotten dann die Zigaretten. Ständig dämliche Kopfschmerzen, Magenschmerzen, undefinierbare Gliederschmerzen, ich fühle mich schlapp, werde immer schwabbliger, bekomme Cellulite, nach jeder Mahlzeit wird mir übel (meine Taktik: weiteressen), dazu kommt das übliche Spiel nach jedem Fress-Kotz-Tag: Sodbrennen, Zahnfleischschmerzen, Kreislaufprobleme etc. Stehe ich jedoch morgens auf mit dem Vorsatz, nicht zu fressen, fällt es mir umso schwerer, überhaupt einen Fuß aus dem Bett zu setzen. Da kommt dann eine ekelhafte, teils latente, teils akute Depression zum Vorschein. Das Leben ist doch eh sinnlos. Umso mehr, wenn man sich nicht mal auf ein hemmungsloses Vollstopfen freuen kann. Scheiß Süchte. Darauf erstmal eine rauchen. Und Kaffee, bitte, viel Kaffee.
Ich weiß, ich sollte Sport machen. Was für ein Witz. Bereits der Gang vom Bett zur Toilette erscheint mir oft so anstrengend, dass ich bis zur letzten Sekunde kneife. Mal abgesehen davon, dass meine Lunge nach drei Minuten laufen schon schlapp macht. Und ich bereits als Nichtraucherin immer die war, die im Schulsport als Letzte in jede Mannschaft gewählt wurde.
Ja, ich bin in Therapie. Ja, ich war mal in 'ner Klinik. Ja, ich bin mir über meine Auslöser bewusst. Ja, ich hab's mit Antidepressiva versucht. Gerade das dritte erfolglose Präparat abgesetzt und langsam keine Lust mehr. Wahrscheinlich deswegen auch die momentane Weltuntergangsstimmung, denn selbst wenn das Zeug nicht hilft, geht es einem stets noch mieser, wenn man es versucht wieder loszuwerden.
Blicke ich in den Spiegel, sehe ich momentan einfach nur einen hoffnungslosen Fall in jeder Beziehung. Denke manchmal, um den ganzen Scheiß zu ertragen, bräuchte ich eigentlich noch viel stärkere Drogen.
Hab hier gerade einen riesigen Stapel Briefe von meiner Krankenversicherung und vom Arbeitsamt liegen, muss mich weiter bewerben, parallel in meinem momentanen Job Fehlstunden abarbeiten, mich vor meiner Familie rechtfertigen, mich trotz der ganzen Suchtscheiße mit meinen Finanzen über Wasser halten. Warum reden einem Eltern und Lehrer eigentlich ein, dass es einen Sinn ergibt, fleißig in der Schule und im Studium zu sein, in die Zukunft zu investieren, Praktika zu machen, nebenbei immer fleißig zu arbeiten und das als oberste Priorität zu sehen? Irgendwie hab ich trotz jahrelanger Suchtexesse mein Abi und meinen Studienabschluss geschafft, beides sogar mit zufriedenstellenden Noten. Und was habe ich jetzt dafür? Ich bin mit Mitte 20 reif für meine Beerdigung, habe ein Einkommen von 400 Euro, bald keine Wohnung mehr und bewerbe mich gerade widerwillig auf Jobs, die ich im Leben nie machen wollte.
Wie machen es die Leute, die glücklich sind? Wie halten sie diesen ganzen Müll namens Leben aus, ohne sich ständig mit irgendetwas vollzustopfen oder abzuschießen? Und wenn ich so werden will, wo soll ich bitte anfangen? Positive Mantras dringen nicht in mein Gehirn vor und ich hasse mein Leben und mich zu sehr, um so etwas wie ein Selbstbewusstsein aufzubauen. Soll ich wieder versuchen, das Rauchen zu kappen, weiter wie ein Idiot kotzfreie Tage sammeln und mich nebenbei trotzdem vollstopfen oder eine Bierpause machen und dafür dann noch mehr Schokolade essen? Jeder Kampf für eine gesündere Zukunft erscheint mir aussichtslos bis absurd. Ich war noch nie gesund im Kopf, wieso also meine Gestörtheiten abschneiden und es noch schwerer machen?
Die Zukunft, auf die ich momentan hinarbeite, bedeutet einen unterbezahlten Job, für den ich meine Seele verkaufen muss und ein Zusammenleben mit jemandem, der mindestens genauso viele Probleme, Süchte und depressive Tendenzen hat wie ich. Ich liebe diesen Mann, aber ich bin so hoffnungslos. Ich will eigentlich gar nicht mehr. Mit 19 hatte mein Leben seinen Zenit erreicht; in der gesamten Zeit danach war ich nur noch ein Schatten meiner selbst, ein körperlicher und emotionaler Krüppel, ein hässlicher Tumor in einer trostlosen Welt und nirgends kommt das Skalpell, um ihn herauszuschneiden.
Entschuldigt das viele Selbstmitleid. Weiß nicht mal, ob ich das so abschicken sollte, aber ich mach es einfach. Alle paar Jahre sollte jeder Mal sein Leid sinnlos in die Welt herausbrüllen dürfen, oder?
Kippen, Kekse, Kummerbier
#1
Zuletzt geändert von Keiko am Fr Okt 19, 2012 18:51, insgesamt 1-mal geändert.
"Denn wenn es eine Sünde gegen das Leben gibt,
so besteht sie vielleicht nicht so sehr darin, an ihm zu verzweifeln,
als darin, auf ein anderes Leben zu hoffen
und sich der unerbittlichen Größe dieses Lebens zu entziehen."
Albert Camus
so besteht sie vielleicht nicht so sehr darin, an ihm zu verzweifeln,
als darin, auf ein anderes Leben zu hoffen
und sich der unerbittlichen Größe dieses Lebens zu entziehen."
Albert Camus