Was ist schon "normal"?

#1
Hey ihr alle,

Ich weiß nicht ob ihr vielleicht mal dasselbe durchgemacht habt oder es gerade durchmacht:
Ich versuche seid einiger Zeit mit meiner Bulimie selber fertig zu werden, mich selbst zu heilen sozusagen. Ich hatte schon einige Therapien hinter mir, die alle nicht geholfen haben, jedenfalls nicht meiner Esstörung. Deshalb hab ich irgendwann angefangen das ganze selbst in die Hand zu nehmen und es auf eigene Faust zu schaffen. Ich hab mir schon verschiedene Bücher und Ratgeber im Internet zum Thema Selbsthilfe durchgelesen und hab eigentlich die nötige Motivation. Meine Freunde, Eltern und mein Freund wissen alle davon und unterstützen mich auch. Ich wohne mit meinem Freund zusammen und er versucht mir irgendwie immer beizustehen, egal wie der Tag gelaufen ist. Leider ist es so, dass meine Fortschritte nur sehr klein sind. Nach wie vor habe ich mind. einmal am Tag einen Rückfall. Eigentlich hatte ich gehofft, dass es besser werden würde, wenn ich jetzt wieder zur Schule gehe, die Sommerferien waren nämlich echt der Horror. Doch bisher kann ich noch nicht viele Erfolge verzeichnen. Ich habe in letzter Zeit wieder ein bisschen zugenommen und bin jetzt vom Untergewicht in das Normalgewicht wieder gewechselt. Damit komme ich einigermaßen klar, im Gegenzug mache ich jeden Abend immer Bauchmuskelübungen, weil ich mir denke, dass ich das überschüssige fett auch gut durch Muskel ersetzen kann. Muskeln sind ja schwerer als Fett und so bin ich nicht in Panik wegen meinem Gewicht. Außerdem wiege ich mich nur noch morgens und dabei versuche ich jetzt auch mal Tage auszulassen, damit ich nicht so fixiert bin. Meine FAs sind an sich auch schon kleiner geworden, ich esse nicht mehr ALLES, sondern nur noch bestimmte Sachen, bei denen ich keine Probleme habe. Die Zeit zwischen FAs versuche ich normal zu essen. Die Schule besuche ich auch jeden Tag und mach fast streberhaft immer meine Hausaufgaben. Ich versuche mich immer an den guten Momenten des Tages festzuhalten und mir zu sagen: hey, das hast du gut gemacht! Trotzdem bleibt der FA abends nicht aus. Sobald ich alles erledigt habe, was ich mir vorgenommen habe und sozusagen "Freizeit" habe, kommen wieder die Gedanken ans Essen.
Ein Teil von mir ist Stolz, dass ich schon so viel geschafft habe und auf dem Richtigen Weg bin, aber trotzdem wäre es ein sehr großer Schritt nach vorne, wenn ich einen Tag mal wieder ohne Essen und Erbrechen schaffe UND mich dabei dann auch noch gut fühle. Ich denke mal ich könnte einen Tag ohne schaffen, allerdings wäre das im Moment vom Kopf her Quälerei und ich will mich nicht quälend durch den heilungsprozess bringen, sondern stolz sein und es wirklich nicht WOLLEN.

Was mache ich da am besten, wie kann ich jetzt wieder einen Schritt nach vorne machen und mich dabei auch noch gut fühlen?
Ich gehe diese Weg nur ein einziges Mal; alles Gute und Freundliche, das ich irgendeinem Menschen erweisen oder bezeigen kann, lasst mich deshalb sogleich tun.

Re: Was ist schon "normal"?

#2
Hi Schattenelfe,
Eigentlich hatte ich gehofft, dass es besser werden würde, wenn...
In deinem Fall schreibst du vom Schulbeginn. Der Umstand allein bringt zwar wieder mehr Tagesstruktur mit sich, aber auch wieder einen Haufen Stress... und dieser Stress löst im Eigentlichen keine Probleme. Er verursacht sie vielmehr und es bleibt leider bei der Hoffnung, dass es besser wird, wenn...

Tatsächlich wird sich nur dann etwas zum Besseren verändern, wenn du aktiv etwas unternimmst. Sei es, deine Einstellung zu deinem Körper zu verändern, an deiner Angst vor dem Essen zu arbeiten, ein stärkeres Selbstbewusstsein zu entwickeln, usw. Und diese Dinge erfordern leider immer eine ganze Portion Kraft, ein Sich-durchquälen durch unangenehme Gefühle.

Wenn du es langsam angehen möchtest, step-by-step, versuche doch einfach mal einen bestimmten Tag in der Woche das Kotzen sein zu lassen. Egal, wie es dir dabei geht, du wirst merken, dass auch dieser Tag irgendwann sein Ende hat und ein neuer Tag beginnt. Ohne diese Erfahrung wird sich leider auch nichts ändern... so von selbst.

Also: Auf! Auf!

LG!
Zuletzt geändert von blueberry am Mi Aug 15, 2012 19:52, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Was ist schon "normal"?

#3
Ich glaube, dass es eine Illusion ist, etwas zu "machen", damit man sich gut fühlt. Oder zu meinen, man käme "weiter". Was ist "weiter"? Weniger essen (mit dem Resultat Heißhungerattacke und Rückfall) oder mehr essen? Gut fühlen ist außerdem keine Aktivität, sondern ein Zustand. Es ist keine Zukunft, sondern wenn dann nur erlebte Gegenwart. Du kannst dich eigentlich sofort, in genau diesem Moment, gut fühlen; aber nur, indem du dein Bewertungssystem und dein Denken änderst. Du bist, was du wahrnimmst. Solange du deine Wahrnehmung nicht änderst, gibt es kein "besser".

Vielleicht würde es helfen, konkrete Wünsche aufzulisten; und sie dir möglichst lebhaft in der Fantasie auszumalen. Und dann, nach intensivem Einfühlen in diese Szenarien, noch einmal bewerten, wer sich darüber am meisten freuen würde: Deine Krankenversicherung, deine Freunde, deine Eltern, deine Lehrer oder aber du selbst. Solange die Antwort nicht letzteres ist, ist es auch kein Ziel. Kein "besser".

Dieser innere Dialog braucht lange; aber irgendwann wirst du eine Antwort erhalten.