Frage zum Weg aus der ES

#1
Hallo,

mich würden mal eure Erfahrungen zum Weg aus der ES interessieren.

Ich glaube ich habe zu hohe Erwartungen. Noch bis vor ein paar Monaten war mein Essverhalten sehr schlecht, mittlerweile läuft es aber eigentlich verhältnismäßig gut. Irgendwie hatte ich aber erwartet, dass es sich gut anzufühlen hat, wenn ich mal normal esse. Das ist aber gar nicht der Fall. Ich vermisse eigentlich hauptsächlich die extreme ES-Zeit, sehne mich danach mich mal fallen lassen zu dürfen, mich nicht so sehr unter Kontrolle haben zu müssen (das jetzt nicht nur aufs Essen bezogen, sondern auch allgemein), hasse mich für die normalen Mahlzeiten, erwarte von meinem Körper, dass es zu funktionieren hat, hasse es immer wieder Hunger zu haben, immer wieder essen zu müssen, immer wieder das Essen in mir ertragen zu müssen, trotzdem Kreislaufprobleme zu haben.

Kann es irgendwann kommen, dass man sich ohne ES besser fühlt als mit ES? Kann man sich irgendwann wieder an normales Essen gewöhnen? Verschwinden die essgestörten Gedanken irgendwann, wenn man "einfach" trotzdem normal isst?

Ich bin momentan etwas verzweifelt, sehe keinen Sinn im Kampf gegen die psychischen Probleme.

Ich hoffe das Thema ist jetzt nich total unpassend.

Lg schn33

Re: Frage zum Weg aus der ES

#2
Hallo Schn33,

wieso soll das thema denn unpassend sein? :) Ist doch schön, wenn mal jemand eine Frage hat zu dem Weg raus aus der ES. :D

Wenn Du immer noch Kreislaufprobleme hast, solltest Du vielleicht mal zum Arzt dackeln. Vielleicht hast Du einen niedrigen Blutdruck.
Irgendwie hatte ich aber erwartet, dass es sich gut anzufühlen hat, wenn ich mal normal esse. Das ist aber gar nicht der Fall.
Ich glaube, irgendein Mitglied hat hier mal die Vermutung angestellt, dass für den Normalzustand anscheinend von der Natur keine großen Serotoninausschüttungen vorgesehen sind. ;) Ich fürchte, das muss man einfach akzeptieren. Allerdings wird es Dir mit der Zeit leichter fallen, Essen in dir zu ertragen. Und vermutlich wirst Du aufhören, die extreme ES Zeit zu vermissen. Du kannst ja mal überlegen, in welchem Bereich Du Dich sonst fallen und gehen lassen könntest. Im Wald schreien? Musik machen? Malen? Auch essenstechnisch kannst Du Dich ab und zu gehen lassen. Ich habe auch gerade eine Phase, wo ich darauf achte, gesund zu essen (viel Gemüse, kein Süßkram, pflanzliche Fette, insgesamt nicht zu viel). Aber ich hatte auch schon andere Phasen, und das ist auch okay....

Ich denke, mit der Zeit wirst Du sehen, wie viel Zeit, Geld und Kraft die ES Dich gekostet hat. Zeit, Energie und Geld, die Du für schönere Sachen nutzen kannst - und solltest. :)

LG

Sophie
So spricht der Herr: "[...] Nein, wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er klug sei und mich erkenne, daß nämlich ich, der Herr, es bin, der auf Erden Gnade, Recht und Gerechtigkeit schafft!" (Jeremias 9,22-23)

Re: Frage zum Weg aus der ES

#3
hey schn33,

super, dass dein essverhalten momentan ganz gut läuft! darauf kannst du echt stolz sein :)
ich kenne die von dir beschriebenen Gefühle sehr gut, ich fühle mich meist auch nicht so pralle, wenn ich jetzt eine normale Portion gegessen habe. ich fühle mich höchstens gut, wenn ich nicht so viel gegessen habe, dass ich mich richtig voll fühle. aber die Gedanken danach sind doch noch sehr präsent, ob das jetzt nötig war, ob es zu viel war,wieviel kcal das jetzt wohl hatte usw.

ich hasse es auch,dass ich andauernd wieder Hunger bekomme!!! warum kann mein Körper nicht einfach mal satt sein und nichts wollen? aber wenn es wirklich ein körperliches Bedürfnis ist, sollte man dem schon nachgehen, auch wenn es schwer ist..ich erwarte auch von meinem Körper,dass er funktioniert,dass ich ihn doch noch irgendwie kontrollieren kann usw. aber das ist so ermüdend und anstrengend, ich will das nicht mehr.
ich bin momentan eher in so einer resignations-stimmung, so von wegen "okay,dann geb ich dir jetzt halt wieder was zu essen.jetzt hab Ichs gegessen und kanns eh nicht mehr ändern (könnte schon,aber nein nein nein!) und muss mich wohl damit abfinden. und dann am besten gar nicht mehr daran denken und sich versuchen abzulenken,denn durch das nachdenken macht man es ja nicht ungeschehen oder besser, sondern quält sich nur selbst und verschwendet unnötig Energie und kraft!

ich glaube auf jeden fall, dass es immer leichter werden wird, das essen in sich zu ertragen. die ersten tage sind immer die schwersten, aber ich habe innerhalb der kurzen zeit, in der ich jetzt clean bin, doch schon eine mini-entwicklung dahin gesehen,dass ich weniger Probleme damit habe,es drin zu lassen und das Gefühl nicht als belastend zu empfinden.

gib nicht auf!! es hat IMMER sinn, gegen die ES und psychische Probleme anzugehen. es ist ein sehr langer und mühsamer weg, ja, aber es lohnt sich. ich fühle mich jetzt schon so viel besser, fitter, stärker, irgendwie auch ein wenig selbstbewusster und fröhlicher. das sind alles sehr schöne dinge und die genieße ich! man muss erst mal aus seinen mustern und Gewohnheiten raus, was mega schwierig ist. aber sobald man da raus ist (hoffe ich) wird es noch mal leichter. so hat mir das auch eine ehemalige bei einem shg-treffen erklärt. halte dir immer die fortschritte vor Augen und die positiven dinge! das ist so viel motivierender als alles andere. und halte dir positive Gedanken vor Augen wie "ich will gesund werden" oder "ich will wieder fröhlich, stabil und fit werden und dinge aushalten können" anstatt die Sätze negativ zu formulieren.

dass die essgestörten Gedanken verschwinden, passiert glaube ich erst ganz am ende des Prozesses. wenn man wirklich seine ES komplett loslassen kann/will. aber bis dahin haben wir Methoden,Skills u.v.m., was uns den Weg bis dahin erleichtert bzw. erst ermöglicht :)

hoffe, ich konnte dir wenigstens ein stück weit weiterhelfen.
liebe grüße
Auf Regen folgt Sonne.

Re: Frage zum Weg aus der ES

#4
Danke euch beiden für die ausführlichen Antworten.

Wenn ich das nochmal von außen betrachte, dann fällt mir auf, dass ich das Ganze zu Schwarz-Weiß sehe bzw ein bisschen schwarz mit alles ist schwarz gleichsetze.

Es gibt schon Dinge, die besser geworden sind..
- ich träume deutlich seltener vom Essen
- ich wache nicht mehr vor Hunger auf
- ich bin flexibler und komme nicht so schnell in Verlegenheit, wenn ich unter Menschen bin
- ich brauche nicht mein Erspartes für die Bulimie auf
- Nahrung in mir zu ertragen fällt mir schon viel leichter

Und die Fortschritte sind viel wert, auch wenn noch nicht alles "perfekt" läuft. Das muss ich mir noch mal klar machen. Nur weil es auch Dinge gibt, die noch nicht klappen, heißt das nicht automatisch, dass alles schlecht ist.

Was ich mir aber von besserem Essverhalten erhofft hatte, war, körperlich mehr Kraft zu haben und da bin ich noch nicht angekommen. Vielleicht könnte ich mich doch mal dazu überwinden beim Arzt nachzufragen was ich machen könnte bzw wieviel Zeit mein Körper vielleicht braucht um wieder belastbarer zu werden.

Gerade rede ich mir meine Fortschritte mal wieder klein, indem ich mir einrede, dass sie nichts wert sind, weil meine ES nicht mein Hauptproblem ist. Und ich habe Angst kein Recht mehr auf Hilfe zu haben, wenn ich manchmal auch normal essen kann. (Dabei gibt es doch auch nicht-essgestörte Leute, die auch Hilfe bekommen können..)