Ein kleines Interview mit meiner Bulimie
Verfasst: So Jul 08, 2012 12:59
Werte im Leben einer Essstörung
Interviewer: "Guten Tag, Bulimie! Wie ist es denn heute so?"
Bulimie: "Beschissen, zu viel aufer Waage."
I: "Interessant, damit haben wir ja direkt einen Einstieg ins Thema. Ihr Gewicht ist Ihnen also wichtig?"
B: "Nö. Ganz und gar nicht...Pause...Was denken Sie denn? Das Wichtigste überhaupt! Wer soll mir denn sonst sagen, wie ich mich fühlen soll, wenn nicht diese Ziffern auf der Waage?! Ich richte mein Leben danach aus."
I: "Wie sollte diese Zahl denn sein, damit Sie sich nicht so schlecht wie heute fühlen?"
B: "Benutzen Sie ruhig das Wort 'beschissen', bitte. Nur 'schlecht' ist zu harmlos. Mir ist nur zum Heulen zumute! Wieder versagt und es wird so weiter gehen...Pause...Aber nun gut, zu Ihrer Frage: Es soll gleich bleiben! Nach unten ginge auch noch - ist ja ein Zeichen von Disziplin und Kontrolle, aber nach oben und dann so unmenschlich viel auf einmal und so schnell...ne...!"
I: "Ok, ich merke, es beschäftigt Sie sehr. Wie versuchen Sie die Kontrolle zu behalten?"
B: "Nun, ich esse wenig bzw. nur gesundes, nicht zu viel Fett und Kohlenhydrate. Und wenn es doch zu viel war, muss es raus, mehr Sport, weniger...Ich habe da so meine Regeln!...verschmitztes Lächeln... Ich überlege immer...stolz...,was ich essen darf, wieviel das ist, wann ich wieder was essen sollte, damit ich fit bleibe. Es ist so ein ständiger Balanceakt zwischen nicht zu viel, nicht zu wenig, ausgewogen, in meinem Sinne natürlich."
I: "Das hört sich aber anstrengend an! Essen = Zahl."
B: "Ist es auch, aber wer schön sein will...nichts kommt von nichts. Disziplin ist Stärke! Ich möchte alles unter Kontrolle haben: Essen, nicht-essen, Gewicht, mein Verhalten...muss ich auch...ohne ist es undenkbar!"
I: "Sie möchten alles unter Kontrolle haben, und wenn so etwas ist, wie Ihnen heute widerfahren ist? Sie sagten ja, dass Sie alles tun, damit das Gewicht konstant bleibt, zumindest nicht so stark und schnell nach oben geht. Nun ist es doch passiert!"
B: "Jetzt erinnern Sie mich nicht dran. Ich habe Panik...bin ganz dusselig im Kopf. Muss ich wieder einrenken."
I: "Gut, lassen wir das hier so stehen. Warum ist Ihnen das Gewicht denn so wichtig?"
B: "Ich bitte Sie! Ein schöner Körper ist wichtig und zeugt von Disziplin! Der macht mich aus! Ich könnte mich nicht mögen, wenn er schlaff wäre, rund...Gehen lassen ist Schwäche und wer will schon mit Schwachen was zu tun haben? Sie? Ich nicht!"
I: "Der Körper macht sie aus, ist so wichtig, dass Sie danach Ihr ganzes Leben ausrichten?"
B: "Ja, das ist richtig.Ich könnte mich nicht mehr ertragen, wäre ich nicht straff, schlank - ja, so wie ich es mir wünsche und vorstelle. "
I: "Gibt es denn nicht noch andere Dinge, die wichtig sind? Die vielleicht noch wichtiger sind im Leben?"
B: "Hmm, wichtiger? Ein straffer Körper, gutes Aussehen, das Gewicht sind die Grundpfeiler! Darauf bau ich auf. Dann kommt Leistung, also Leistung auf den Beruf bezogen und auch auf Beziehungen. Schließlich will ich gemocht werden und anderen gefallen. Also ja, es gibt noch anderes, ohne dass es nicht geht."
I: "Sie mögen sich also nur, wenn Sie gut aussehen, ein für Sie gutes Gewicht haben, gute Leistung im Beruf bringen und 'nett' zu anderen sind?"
B: "Ja, sehr gut zusammengefasst! Das alles sind meine Werte und ich lebe danach."
I: "Aha, und wo bleiben Sie?"
Als Anregung.
Werte im Leben, was ist wichtig? Was ist mir denn wichtig?
Möchte ich ein Leben nur aus Zahlen? Möchte ich ständig Kontrolle? Oder vielleicht doch lieber Genuss und Vertrauen in meinem Körper und mich?
Möchte ich mich einen Großteil über Leistung definieren? Nur wenn ich gute Noten im Studium habe, darf ich mich annehmen, vielleicht auch mal mögen?
Was für ein Druck, was für eine Gefahr für meinen Selbstwert! Was passiert, wenn ich das alles mal nicht hinbekomme? Lebt es sich gut mit dem Druck und der ständigen Angst vor dem Versagen?
Und die anderen? Für die anderen leben, schauen, dass es ihnen gut geht, es denen recht machen, nur um Ende nicht alleine da zu stehen? Verlassen sie uns wirklich, wenn wir 'dicker' sind, faul sind, nein sagen?
Vor allem, wo bleibe ich dabei? Verlier ich mich nicht selbst dadurch?
Nur mal zum Nachdenken und weil ich absolut keinen Bock mehr darauf habe, dass das Gewicht und mein Essverhalten bzw. meine Wertung darüber meine Stimmung, meinen Selbstwert, ja mein Leben bestimmt!
LG
Schlafquala
Interviewer: "Guten Tag, Bulimie! Wie ist es denn heute so?"
Bulimie: "Beschissen, zu viel aufer Waage."
I: "Interessant, damit haben wir ja direkt einen Einstieg ins Thema. Ihr Gewicht ist Ihnen also wichtig?"
B: "Nö. Ganz und gar nicht...Pause...Was denken Sie denn? Das Wichtigste überhaupt! Wer soll mir denn sonst sagen, wie ich mich fühlen soll, wenn nicht diese Ziffern auf der Waage?! Ich richte mein Leben danach aus."
I: "Wie sollte diese Zahl denn sein, damit Sie sich nicht so schlecht wie heute fühlen?"
B: "Benutzen Sie ruhig das Wort 'beschissen', bitte. Nur 'schlecht' ist zu harmlos. Mir ist nur zum Heulen zumute! Wieder versagt und es wird so weiter gehen...Pause...Aber nun gut, zu Ihrer Frage: Es soll gleich bleiben! Nach unten ginge auch noch - ist ja ein Zeichen von Disziplin und Kontrolle, aber nach oben und dann so unmenschlich viel auf einmal und so schnell...ne...!"
I: "Ok, ich merke, es beschäftigt Sie sehr. Wie versuchen Sie die Kontrolle zu behalten?"
B: "Nun, ich esse wenig bzw. nur gesundes, nicht zu viel Fett und Kohlenhydrate. Und wenn es doch zu viel war, muss es raus, mehr Sport, weniger...Ich habe da so meine Regeln!...verschmitztes Lächeln... Ich überlege immer...stolz...,was ich essen darf, wieviel das ist, wann ich wieder was essen sollte, damit ich fit bleibe. Es ist so ein ständiger Balanceakt zwischen nicht zu viel, nicht zu wenig, ausgewogen, in meinem Sinne natürlich."
I: "Das hört sich aber anstrengend an! Essen = Zahl."
B: "Ist es auch, aber wer schön sein will...nichts kommt von nichts. Disziplin ist Stärke! Ich möchte alles unter Kontrolle haben: Essen, nicht-essen, Gewicht, mein Verhalten...muss ich auch...ohne ist es undenkbar!"
I: "Sie möchten alles unter Kontrolle haben, und wenn so etwas ist, wie Ihnen heute widerfahren ist? Sie sagten ja, dass Sie alles tun, damit das Gewicht konstant bleibt, zumindest nicht so stark und schnell nach oben geht. Nun ist es doch passiert!"
B: "Jetzt erinnern Sie mich nicht dran. Ich habe Panik...bin ganz dusselig im Kopf. Muss ich wieder einrenken."
I: "Gut, lassen wir das hier so stehen. Warum ist Ihnen das Gewicht denn so wichtig?"
B: "Ich bitte Sie! Ein schöner Körper ist wichtig und zeugt von Disziplin! Der macht mich aus! Ich könnte mich nicht mögen, wenn er schlaff wäre, rund...Gehen lassen ist Schwäche und wer will schon mit Schwachen was zu tun haben? Sie? Ich nicht!"
I: "Der Körper macht sie aus, ist so wichtig, dass Sie danach Ihr ganzes Leben ausrichten?"
B: "Ja, das ist richtig.Ich könnte mich nicht mehr ertragen, wäre ich nicht straff, schlank - ja, so wie ich es mir wünsche und vorstelle. "
I: "Gibt es denn nicht noch andere Dinge, die wichtig sind? Die vielleicht noch wichtiger sind im Leben?"
B: "Hmm, wichtiger? Ein straffer Körper, gutes Aussehen, das Gewicht sind die Grundpfeiler! Darauf bau ich auf. Dann kommt Leistung, also Leistung auf den Beruf bezogen und auch auf Beziehungen. Schließlich will ich gemocht werden und anderen gefallen. Also ja, es gibt noch anderes, ohne dass es nicht geht."
I: "Sie mögen sich also nur, wenn Sie gut aussehen, ein für Sie gutes Gewicht haben, gute Leistung im Beruf bringen und 'nett' zu anderen sind?"
B: "Ja, sehr gut zusammengefasst! Das alles sind meine Werte und ich lebe danach."
I: "Aha, und wo bleiben Sie?"
Als Anregung.
Werte im Leben, was ist wichtig? Was ist mir denn wichtig?
Möchte ich ein Leben nur aus Zahlen? Möchte ich ständig Kontrolle? Oder vielleicht doch lieber Genuss und Vertrauen in meinem Körper und mich?
Möchte ich mich einen Großteil über Leistung definieren? Nur wenn ich gute Noten im Studium habe, darf ich mich annehmen, vielleicht auch mal mögen?
Was für ein Druck, was für eine Gefahr für meinen Selbstwert! Was passiert, wenn ich das alles mal nicht hinbekomme? Lebt es sich gut mit dem Druck und der ständigen Angst vor dem Versagen?
Und die anderen? Für die anderen leben, schauen, dass es ihnen gut geht, es denen recht machen, nur um Ende nicht alleine da zu stehen? Verlassen sie uns wirklich, wenn wir 'dicker' sind, faul sind, nein sagen?
Vor allem, wo bleibe ich dabei? Verlier ich mich nicht selbst dadurch?
Nur mal zum Nachdenken und weil ich absolut keinen Bock mehr darauf habe, dass das Gewicht und mein Essverhalten bzw. meine Wertung darüber meine Stimmung, meinen Selbstwert, ja mein Leben bestimmt!
LG
Schlafquala