Ich will nicht erwachsen sein

#1
Hallo an alle!

Heute geht es mir nicht so gut und mir geht eine Menge durch den Kopf. Die Situation, in der ich momentan stecke, ist nicht einfach und es wird alles so viel.

Ich habe ja bereits zwei Studiengänge abgebrochen und so langsam wird es für mich immer schwerer, mit dem Leben klarzukommen. Ich muss mir jetzt mein (neues) Studium komplett selbst finanzieren, sogar das Kindergeld fällt weg. Die Tatsache, dass ich einfach nicht weiß, was ich überhaupt studieren möchte oder ob meine dritte Wahl jetzt das richtige für mich ist, macht es nicht einfacher. Ich weiß nur, dass ich studieren möchte. Also arbeite ich jetzt in Teilzeit, nachdem ich über 7 Monate lang krank geschrieben war und es ist ziemlich schwer für mich, überhaupt mit einem Job klarzukommen. Ich stelle mich auch blöd an, bin ja in der Probezeit und kurz davor rauszufliegen. Sitze an der Kasse und mache einfach zu viel Chaos, d.h. die Kasse stimmt nicht, obwohl ich mich wirklich so gut es geht konzentriere. Gestern habe ich mich unglaublich bemüht, habe alles langsamer gemacht und was ist? Ein Kunde hat mich abgezogen. (Kunde meinte, ich hätte ihm 10€ zu wenig rausgegeben, habe ihm geglaubt und nachher haben mir genau 10€ gefehlt). :cry:
Wenn ich eine Kündigung bekomme, muss ich zur Arbeitsagentur und dann Hartz IV? Welchen Job kann ich überhaupt machen? Zu welchem bin ich in der Lage? Bin so kränklich, fühle mich zerbrechlich, bin unkonzentriert, nicht leistungsfähig.

Ich will auch nicht in den "Ernst des Lebens". Ich fühle mich überhaupt nicht bereit dafür, erwachsen zu sein. Es ist alles so viel. Oft suche ich nach dem Zurückspulen-Knopf in meinem Leben - oder einer Möglichkeit, neu anzufangen. Aber es ist ja kein Spiel.

Vieles liegt denke ich an meiner Kindheit, ich konnte nie wirklich Kind sein und sehne mich jetzt so sehr danach. Gleichzeitig habe ich nie gelernt, mit den Konsequenzen meines Handelns zu leben. War nie ein Kind und mir wurde auch nie beigebracht, erwachsen zu werden. Ich bin so wütend und traurig, dass sich meine Eltern so aus der Verantwortung der Erziehung gestohlen haben (oder es einfach nicht konnten). Mein Bruder hat da ganz ähnliche Schwierigkeiten wie ich.

In meiner Therapie habe ich herausgefunden, dass auch die Bulimie ziemlich viel mit diesem Thema zu tun hat. Sie ist ein Ausdruck meiner Impulsivität, Unvernunft, meines inneren Kindes und meiner Bedürfnisse, die alle herauswollen. Beim Fressen kann ich ganz unerwachsen, unkontrolliert sein. Trotzdem muss ich keine Verantwortung übernehmen, denn ich kann alles wieder auskotzen. Mit der Bulimie habe ich einen Weg gefunden, das Leben zurückzuspulen. Das gibt mir zumindest ein kleines Stück der Sicherheit, die ich dringend brauche. Die Konsequenzen gegenüber meinem Körper, meiner Seele und meinem Geldbeutel schiebe ich allzu gern weg, ich will ja nicht an später denken, nicht erwachsen werden.

Heute Nacht habe ich geträumt, ich träume generell sehr viel. Wieder der typische Traum, der mich nicht in Ruhe lässt und immer wieder kehrt. Ich träume dann von meinem Exfreund, meiner "ersten Liebe".
Ich hatte bislang schon viele Beziehungen und einige andere Affären, aber nur bei zweien kann ich davon sprechen, geliebt zu haben und wirklich glücklich gewesen zu sein. Der eine ist mein jetziger Freund, mit dem ich schon 2 1/2 Jahre zusammen wohne und der andere eben dieser Exfreund, mit dem ich vor 6-7 Jahren mal 18 Monate zusammen war. Damals hat es mit der Bulimie angefangen, es war die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich mal unvernünftig war, Grenzen ausgetestet habe. Mein Ex und ich haben gefährliche, dumme, lustige Sachen gemacht. s*x**ll* experimentiert, Drogen genommen, nachts auf Gebäuden herumgklettert und einfach "jeden Scheiß mitgemacht". Ich habe die Schule geschwänzt, hatte in der Zeit extreme (!) Gewichtsschwankungen, Wutausbrüche zu Hause usw.. Es war eine extreme Zeit, aber wir hatten eine Menge Spaß.
Dann war alles vorbei, ich ging in die Klinik, wurde wieder "vernünftig" und unsere Beziehung ging auf bittere Weise (für mich) auseinander. Damit bin ich noch immer nicht fertig geworden.

Das ganze war vor 6 Jahren, wir haben uns seit mindestens 5 Jahren nicht gesehen und ich träume immer noch von meinem Ex. Dass er zurückkommt in mein Leben und alles auf den Kopf stellt. Wir machen dummes Zeug, genau das, was ich bei meinem jetzigen Freund vermisse. Ich habe schon ein richtig schlechtes Gewissen wegen solcher Träume. Dabei liebe ich meinen Freund sehr, er ist vernünftig, konservativ, erwachsen, wahnsinnig intelligent und mir eine riesengroße Stütze. Er hilft mir, mit dem Leben klar zukommen, ist ein ruhiger Charakter, wir haben den gleichen Geschmack, die gleiche Weltanschauung.
Vielleicht ist es nur die Tatsache, dass uns nach Jahren natürlich der Alltag einholt und die Beziehung "langweiliger" oder nüchterner wird, wenn man einmal anfängt über Versicherungen zu diskutieren oder darüber zu streiten, dass irgendwer seine Haare nicht aus dem Ausfluss gefischt hat. Andererseits vermisse ich tatsächlich ein bisschen Action. In unserer Beziehung bin meist ich die, von der neue Ideen ausgehen (sei es Urlaub planen, neue Aktivitäten, Treffen mit Freunden organisieren..). Da ich in den letzten Monaten verstärkt mit Depressionen zu kämpfen hatte wurde es dementsprechend extrem ruhig und langweilig hier. Vielleicht wünsche ich mir auch jemanden, der mich mitzieht und mir so viel Spaß und Lebensfreude bietet, wie ich damals hatte. Oder jemanden, bei dem ich keine Verantwortung tragen muss. Ich will einfach zurück. Ich will nicht erwachsen sein.

Dabei weiß ich ja sogar (und das macht mich noch verzweifelter), dass es eigentlich nur eine Illusion ist, von der ich Träume. Ganz sicher muss(te) auch mein Ex erwachsen werden und es wird niemals wieder so sein wie damals. Vielleicht hat er selbst schon Kinder. Auch mit ihm müsste ich mich über Versicherungen und Haare im Ausfluss streiten.

Ach, ich will einfach zurück. Nicht erwachsen sein. Am liebsten fressen und kotzen, aber innendrin weiß ich ja, das bringt auch nichts. Macht es auch nicht besser und stillt diesen Hunger nicht. :cry:
Zuletzt geändert von Katzenpfote am So Jul 08, 2012 12:36, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Ich will nicht erwachsen sein

#2
Hallo Pfötchen,

puh - da hast du dir aber ganz schön was von der Seele geschrieben ...

Ich kann dir leider nicht DEN Tipp zur Lösung all deiner Probleme geben, aber ich möchte dir zumindest zeigen, dass du nicht allein bist.

Hab sofort deinen Beitrag geöffnet, als ich die Überschrift gelesen hab, denn mir gehts momentan bzw. schon seit Längerem ganz ähnlich. Mir steigt langsam alles über den Kopf, ich bin sozusagen mitten da drin, wo du noch nicht ganz bist und nicht hinwillst. Quasi das offizielle "Erwachsenenleben". Nicht nur, dass ich ja ohnehin im Arsch bin wegen dem ständigen Kampf gegen die Essstören, die permanenten Gedanken die ums Essen kreisen: Nein, dann kommt die Gas-und Wasserabrechnung. N Haufen Geld zum Nachbezahlen. Dann geht mein Auto kaputt, auf das ich wegen der Arbeit angewiesen bin - muss mir Geld von meiner Oma leihen.... Zack kommt die nächste Abrechnung- Strom - auch NAchzahlung (wohne alleine). Mein Bausparvertrag läuft aus und ich hab leichten Krieg mit der Bank um das Geld zu bekommen. Auf der Arbeit ist Stress ohne Ende und immer muss ICH alles machen und ich denke nicht selten darüber nach alles hinzuschmeißen, da ich im Moment eh nur arbeite um überhaupt leben zu können und meine Arbeit nicht gerade liebe, ich hab keine Ahnung wann ich mir das letzte mal was gegönnt habe - von Urlaub ganz zu schweigen. Dann der tägliche Blick auf die Waage, in den Spiegel, der zusätzlich belastet. Und und und, Steuererklärung etc. pp. der ganze Scheiß.

Ich mein, jeder muss ja damit irgendwie klarkommen, es gehört dazu, aber im Moment ist mir das enfach alles zu viel.

Der einzige Rat von meiner Mutter heute war: JEDER muss da durch, mach dir eine Liste, arbeite alles ab, Stück für Stück. Kein schlechter Rat, aber es hilft einem eben nicht, wenn man permanent seine ganze Lebenssituation infrage stellt...

Ich denke oft daran, wie unfassbar toll es als Kind war, sich lediglich Gedanken darum machen zu müssen, was es zum Mittag gibt und mit wem man sich zum Spielen trifft. Im "rcihtigen" Leben überwiegen meiner Meinung nach ganz klar die negativen Momente. Aber wir müssen da irgendwie durch...
"...wer wunde Knie hat, ist entweder bulimisch oder eine Prostituierte"